Kitabı oku: «Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis», sayfa 4
„Ich fürchte, Sie haben sich ein verdammt schiefes Weltbild zurechtgezimmert“, meinte Roberto. „Es mag in den Grundzügen stimmen, trotzdem ist es verkehrt. Sie sind wie ein Mann, der auf das Atmen verzichten möchte, weil es Mühe macht. Praktiken dieser Art haben Bumerangwirkung und enden tödlich. Es beginnt damit, dass man seinen Charakter versaut, und das ist der Anfang vom Ende.“
„Hören Sie, Briggs, ich bin nicht in der Stimmung, mir einen Wanderprediger anzuhören. Kommen Sie zur Sache, oder ich muss Sie bitten, zu gehen.“
„Wer bezahlte Rufus Maretti?“
„Ich höre den Namen zum ersten Mal.“
„Maretti hat Cindy erschossen.“
„Wenn das zutrifft, frage ich mich, warum Sie zu mir kommen und sich nicht an die Polizei wenden.“
„Ich bin noch am Recherchieren“, sagte Roberto.
„Ich halte Sie nicht davon zurück, bedaure Ihnen jedoch erklären zu müssen, dass Sie sich in der Adresse geirrt haben“, meinte Archie Wingate.
Er erhob sich und trat an die gläserne Schiebetür, die zum Dachgarten führte. Er hielt seine Rechte in den Strahlengang des Radarauges und sorgte auf diese Weise dafür, dass das schwere Kristallglas fast geräuschlos zur Seite glitt. Wingate betrat die Terrasse. Er atmete tief durch. „Ein herrlicher Tag“, sagte er. „Das Leben ist schön.“
„Nicht mehr für Cindy Bell“, meinte Roberto und folgte Wingate auf das Dach.
Um ein Blumenbeet waren kugelrund geschnittene Lorbeerbäumchen aufgestellt; in der Mitte des Beetes plätscherte ein Springbrunnen. Über die fast brusthohe Begrenzungsmauer hatte man einen fantastischen Blick über die Stadt. Ganz in der Nähe landete ein Helikopter auf dem Landeplatz eines Geschäftshauses.
„Sie könnte noch leben“, sagte Wingate.
„Aber sie ist tot.“
„Sie hat ein paar Fehler gemacht, nehme ich an. Fehler sind in dieser Stadt tödlich.“
„Ich werde Sie an Ihre Worte erinnern“, versprach Roberto.
Sein Blick glitt über die Dächer. Dann sprang er nach vorn, packte Wingate mit beiden Händen an der Schulter und riss ihn mit sich zu Boden.
Fast gleichzeitig wurde ein merkwürdiges Geräusch laut. Ein Projektil schrammte über die Ziegelmauer des Außenkamins und riss ein Stück Zementfüllung heraus. Die Kugel geriet ins Trudeln und zwitscherte als Querschläger durch die Luft.
Wingate lag flach auf dem Bauch. Er hob den Kopf, maßlose Verwunderung im Blick.
Es geschah nicht zum ersten Male, dass auf ihn geschossen wurde, aber seit dem letzten Anschlag waren Jahre verflossen. Niemand hatte es seither gewagt, den Schwiegersohn von Don Bruno anzugreifen. Wingate rang um Luft und Fassung. Er setzte sich auf.
„Das galt Ihnen“, sagte Roberto und wies auf den Kaminabzug. „Sehen Sie sich das Loch an. Dort befand sich Ihr Kopf. Auf gleicher Höhe mit ...“ Er unterbrach sich, weil Wingate in diesem Moment lachte. Das Lachen war laut, hässlich und sogar wütend.
„Ein hübscher Trick“, sagte er. „Sie geben jemand den Befehl, auf mich zu schießen. Ihr Helfer sollte mich nicht treffen, sondern erschrecken. Er sollte Ihnen die Gelegenheit verschaffen, sich als mein 'Lebensretter' zu bewähren. Was versprechen Sie sich von der Schmierenkomödie? Dass ich Ihnen jetzt aus der Hand fresse, oder dass ich vor Angst zu schlottern beginne?“
„Ich habe nicht versucht, Sie zum Luftholen auf dem Dach zu bewegen“, erinnerte Roberto den Penthousebesitzer. „Es war Ihre Idee, den Dachgarten zu betreten. Ich sah den Burschen mit dem Gewehr sofort, er stand neben dem Wasserreservoir auf dem gegenüberliegenden Haus. Hätte ich warten sollen, bis er Ihnen ein Loch zwischen die Augen pustet?“
Archie Wingates Gesicht war in Bewegung geraten und spiegelte die inneren Kämpfe, die er mit sich ausfocht, wider. Einerseits traute er dem Besucher nicht über den Weg, andererseits musste er einräumen, dass dessen Worte Hand und Fuß hatten.
Archie Wingate kam auf die Beine, wagte es jedoch nicht, sich voll aufzurichten. Gebückt hastete er im Schutz der Mauer zurück in das Wohnzimmer, dort holte er eine Flasche Whisky aus dem Schrank. Er füllte sich ein Glas. „Nehmen Sie auch einen?“, fragte er mürrisch.
Roberto war Wingate in den Raum gefolgt und schüttelte den Kopf. Er sah zu, wie Wingate trank und sein Glas nachfüllte.
Wingates Blick ging ins Leere. Sein Mund bildete einen verkniffenen Strich.
„Sie haben Feinde“, stellte Roberto fest.
Wingate schwieg.
Roberto durchquerte den Raum. „Nehmen Sie sich in Acht“, sagte Wingate.
Roberto blieb an der Tür stehen. Er lächelte. „Aber ja“, sagte er. „Ich weiß schließlich, mit wem ich es zu tun habe.“
„Dann richten Sie sich danach“, empfahl Wingate.
10
Roberto hatte in der Gunderson Street ein kleines, möbliertes Apartment bezogen. Es war ihm von Colonel Myer besorgt worden. Die Tür der Wohnung trug noch das Namensschild des Vorbesitzers, Richard Allington. Das Apartment befand sich in der dritten Etage eines siebzehnstöckigen Wohnsilos und bot den Schutz der Anonymität, ohne die ein Mann wie Roberto nicht arbeiten konnte.
Colonel Myer war Robertos Vorgesetzter und Kontaktmann in einem.
Der Colonel betätigte sich als Auftraggeber, logistischer Berater, Geldüberbringer und Wohnungsbeschaffer gleichzeitig. Roberto hatte keine Ahnung, wie groß die Anzahl der COUNTER CRIME Mitarbeiter war, die der Colonel betreute, aber er musste zugeben, dass der zuweilen sehr spröde und konservativ auftretende Myer (den er nur selten zu Gesicht bekam) nahezu fehlerfrei arbeitete und immer dann zur Stelle war, wenn eine Situation brandheiß wurde und von einem Einzelgänger wie Roberto nicht allein gelöst werden konnte.
Colonel Myer hatte seinen Auftrag wie immer mündlich erteilt.
Der Auftrag lautete, herauszufinden, welche Rolle Archie Wingate in Chicago spielte und wie es um seine Aussichten stand, innerhalb der Mafia eine Spitzenposition zu erringen.
COUNTER CRIME verfolgte den unaufhaltsamen Aufstieg des dynamischen Wingate seit Langem mit großer Aufmerksamkeit. Er gehörte zur Generation der harten, unnachsichtigen Dollarhaie, die eine Profitmaximierung mit allen Mitteln betrieben und dabei auch nicht vor Methoden und Einfällen zurückschreckten, die der älteren Mafiaklasse zu riskant gewesen wären.
Endziel von Robertos Bemühungen war es, Archie Wingate auszuschalten. Roberto hatte eine gründliche Kenntnis von Wingates Lebensgewohnheiten erhalten, er besaß auch eine Liste von Wingates Freunden und Freundinnen – daraus hatte sich sein Kontakt zu Cindy Bell entwickelt. Der Besuch bei Wingate war, wie Roberto wusste, ein kalkuliertes Risiko und diente vor allem dem Zweck, die Persönlichkeit seines Gegners kennenzulernen. Es gab Dinge, die kein Bericht klarstellen und die man nur durch eigene Kontaktaufnahme beurteilen konnte.
Roberto hatte nicht viel mit Wingate gesprochen und nicht mehr erfahren, als er erwartet hatte, aber er wusste jetzt sehr viel besser, wie sein Gegner beschaffen war und welche Vorsicht sich beim Umgang mit ihm empfahl.
Wer hatte auf Archie geschossen?
Roberto ging nicht das fassungslose Erstaunen aus dem Sinn, mit dem Archie Wingate auf die Attacke reagiert hatte. Hatte der Schütze Wingate töten oder nur eine Warnung erteilen wollen?
Es war fraglos eine Erfahrung für Archie Wingate gewesen, die nicht in das Bild seiner Gegenwartsbeurteilung passte. Er hatte gemeint, als Don Brunos Schwiegersohn so gut wie immun zu sein. Diese Ansicht musste er auf schmerzhafte Weise korrigieren.
Hing der Angriff mit dem Tod von Cindy Bell zusammen? Wenn ja, stellte sich sofort die Frage, wer ihn verübt hatte. Herb Greene kam dafür mit Sicherheit nicht in Betracht.
Roberto war an konspiratives Handeln gewöhnt und hatte sich bei seiner Rückkehr aus Wingates Penthouse davon überzeugt, dass ihm niemand gefolgt war. Roberto setzte sich ans Telefon und wählte die Nummer von Rufus Maretti.
„Maretti“, tönte es ihm entgegen.
Roberto schwieg.
„He, wer spricht da?“, fragte der Mann am anderen Leitungsende.
Roberto legte nachdenklich auf.
Das Bild des Killers hatte sich ihm deutlich eingeprägt. Er hatte Maretti zwar nur über eine gewisse Distanz hinweg im Licht der Straßenlampen gesehen, aber dieser Eindruck hatte ausgereicht, um ein gewisses Bild von Wesen und Stimme des Mörders entstehen zu lassen. Die Stimme am Telefon widersprach diesem Erwartungsbild. Sie verunsicherte ihn und setzte seine Fantasie in Bewegung.
Roberto erhob sich.
15:30 Uhr.
Er zog sein Jackett aus und schnallte sich das lederne Schulterholster um, eine vom COUNTER CRIME gelieferte Maßanfertigung. Roberto besaß für seinen Smith & Wesson einen gefälschten Waffenschein, der mit den übrigen Papieren übereinstimmte, aber es widerstrebte ihm jedes Mal, mit der Kanone loszuziehen. Er tat es nur dann, wenn ihm schwante, dass sein Leben bedroht war.
Roberto verließ das Haus durch die Tiefgarage mit dem roten 3.8 Liter Monza, den er sich für die Dauer seines Aufenthaltes in Chicago geliehen hätte. Er fuhr geradewegs zur 107ten Straße, lenkte den Wagen auf den Baustellenparkplatz und brachte ihn neben Marettis Bonneville zum Halten.
Roberto hatte es mit dem Aussteigen nicht eilig. Die schräg einfallende Nachmittagssonne sorgte dafür, dass niemand aus dem gegenüberliegenden Haus sehen konnte, wer oder was sich hinter den spiegelnden Windschutzscheiben der parkenden Fahrzeuge verbarg. Roberto schob sich einen Kaugummi zwischen die Zähne und wartete, ohne recht zu wissen, worauf. Er behielt die Fenster von Rufus Marettis Wohnung im Auge, aber dort zeigte sich niemand. Auch hinter den Gardinen war keine Bewegung zu erkennen.
Ein Taxi stoppte vor dem Haus. Roberto spitzte die Lippen, als er sah, wer den Wagen verließ.
Es war das rotblonde, hochattraktive Mädchen, das ihn bei seinem Besuch in Archie Wingates Wohnung fast in die Arme gelaufen wäre.
Linda Dorsey trug ein Kostüm aus schwarzem Panamastoff, das ihre langbeinige Figur kühl und wirkungsvoll modellierte. Den Kragen ihrer weißen Seidenbluse hatte sie über den des Kostüms geschlagen. Sie blickte an der Hausfassade empor, leicht irritiert, wie Roberto es schien, dann betrat sie das Gebäude und verschwand aus dem Blickfeld.
Roberto wartete.
Nach knapp vierzig Minuten tauchte das Mädchen wieder auf. Sie schaute sich nach einem Taxi um und setzte sich, als sie keines bemerkte, mit erhobenem Kinn zur nächsten Kreuzung in Bewegung.
Roberto kaute langsamer. Eines der Fenster von Marettis Wohnung öffnete sich. Der Mann, der sich herauslehnte und dem Mädchen nachblickte, war mit dem Wohnungsmieter nicht identisch. Robertos kleine graue Zellen begannen hektisch zu arbeiten. Er hatte das Gesicht schon einmal gesehen, konnte aber nicht auf Anhieb sagen, wo.
Der Mann wartete vergeblich, dass das Mädchen sich umschaute, dann fixierte er mit seltsam starrem Gesichtsausdruck den Bonneville, der direkt neben Robertos Monza parkte. Sekunden darauf schloss der Mann das Fenster.
Roberto stieg aus. Dabei fiel sein Blick auf das Heck des Bonneville. Unter ihm stand eine kleine dunkle Lache. Ein Tropfen traf ihr Zentrum.
Roberto hob den Blick. An Marettis Fenstern rührte sich nichts. Roberto trat an die Lache, bückte sich danach und tauchte die Fingerspitze hinein.
Er zog die Hand zurück.
An ihr klebte Blut.
Roberto holte das Taschentuch aus seiner Hose, rieb sich den Finger sauber, überquerte die Straße und klingelte kurz darauf an Marettis Wohnungstür. Sie wurde von dem Mann geöffnet, der Linda Dorsey aus dem Fenster hinterhergeblickt hatte. Robertos Erinnerung setzte ein. Er wusste plötzlich, wen er vor sich hatte.
Louis Black!
Sein Bild hatte zu dem Informationsbündel gehört, das man Roberto mit dem Wingate-Auftrag überlassen hatte.
„Ist Rufus zu Hause?“, fragte Roberto.
„Ja, treten Sie näher“, sagte Black.
„Er ist gerade beim Rasieren.“
Roberto betrat die Diele. Black schloss die Tür hinter ihm. Roberto zuckte auf den Absätzen herum. Seine Rechte flog hoch und traf mit ihrer durchtrainierten, knallharten Kante den Gegner.
Black, der selbst die Absicht gehabt hatte, einen Überraschungscoup zu landen, ging zu Boden. Roberto beugte sich über ihn und klopfte den Killer nach Waffen ab.
Black hatte ein Schnappmesser und eine Bernadelli-Pistole bei sich. Roberto warf das Messer hinter den Vorhang eines kleinen Abstellraumes, schob die Bernadelli in die Sakkotasche, nahm seinen Smith & Wesson aus dem Schulterholster und überzeugte sich davon, dass er mit dem Killer allein in der Wohnung war.
Black rührte sich nicht.
Roberto lehnte sich gegen die Wand und wartete.
Das Blut, das aus Marettis Kofferraum tropfte, ging ihm nicht aus dem Sinn. Es gab dafür nur eine Erklärung. Rufus Maretti war tot.
Blacks Stimme war identisch mit der des Mannes, der sich unter Marettis Namen am Telefon gemeldet hatte.
Black bewegte sich. Er murmelte etwas und öffnete die Augen. Der Blick seiner weit auseinanderstehenden Augen traf die Waffe in Robertos Hand. Ein Fluch kam über Blacks schorfige Lippen. Er stemmte sich hoch und lehnte sich schwer atmend gegen die Wand. Seine Rechte machte eine fahrige, hoffnungslose Bewegung zu der Stelle hin, wo er die Bernadelli in einem Holster getragen hatte, dann ließ er die Hand fallen.
„Ins Wohnzimmer“, befahl Roberto.
Black stieß sich von der Wand ab. Er torkelte wie betrunken. Roberto trat zur Seite. Er hatte keine Lust, auf Blacks Schwächevorstellung hereinzufallen. Er wollte nicht zum Schießen gezwungen werden.
Black fiel im Wohnzimmer in einen Sessel und streckte beide Beine weit von sich. Er schaute Roberto an. „Wer sind Sie?“, fragte er. „Was hat das zu bedeuten? Wissen Sie, was Sie mit so einem Schlag anrichten können? Damit fällen Sie einen Elefanten.“ Roberto schwieg.
Black massierte sich den Hals. Seine Augen verhießen nichts Gutes. Er brannte darauf, die Scharte auszuwetzen, aber der Smith & Wesson in Robertos Fingern war ein Argument, dem er nichts entgegenzusetzen wusste.
„Wo ist Rufus?“, fragte Roberto. „Vorhin war er noch im Badezimmer. Sehen Sie doch nach“, höhnte Black.
„Ich kenne Sie“, sagte Roberto. „Sie sind Wingates Chefkiller.“
„Was reden Sie da? Sie haben einen Knick in der Leitung. Ich bin ein harmloser Bürger.“
„Haben Sie noch nie den Namen Wingate gehört?“
„Wingate? Kann schon sein. Ein guter Freund von mir trägt diesen Namen. Na und? Deshalb können Sie mich doch nicht zusammenschlagen!“
„Ich kann noch viel mehr“, sagte Roberto kühl.
Black schluckte. Er spürte die Kraft und Stärke von Robertos Persönlichkeit und fing an, seine Lage bedenklich zu finden. Es widerfuhr ihm nicht sehr häufig, dass er ein Opfer solcher Gefühle wurde, umso mehr zerrten und scheuerten sie jetzt an seinem Nervenkostüm.
„Wollen Sie mich umlegen?“, krächzte Black.
Roberto lächelte verächtlich. Er hielt es für unter seiner Würde, auf diese Frage zu antworten. „Wo ist Rufus?“, wiederholte er stattdessen.
„Warum fragen Sie mich?“
„Sie halten sich in seiner Wohnung auf. Sie benutzen seinen Namen.“
„Ich habe nichts dergleichen getan.“
„Doch, am Telefon.“
„Der Einfachheit halber. Hätte ich sagen sollen 'hier bei Maretti'? Maretti ist kürzer. Ist doch sein Anschluss, oder?“, fragte Black.
„Ich sage Ihnen, was passiert ist. Maretti ist für Sie zu einem Sicherheitsrisiko geworden. Deshalb musste er sterben. Sie rechneten damit, dass ich hier aufkreuzen und versuchen würde, Maretti durch die Mangel zu drehen. Sie wollten den Spieß umkehren und feststellen, für wen ich arbeite.“
„Was reden Sie da!“, murmelte Black. „Ich weiß nichts von einem Sicherheitsrisiko. Oder Marettis Tod. Wofür halten Sie mich?“
„Für einen Killer“, sagte Roberto.
„Wenn das so ist, zeigen Sie verdammt wenig Respekt vor mir“, wunderte sich Black und griff sich erneut an den Hals. Er bewegte ihn. Schon jetzt war zu spüren, wo die Folgen des Karateschlages für eine nachhaltige Versteifung gut sein würden.
„Wollen Sie sich nicht zu meiner Hypothese äußern?“, fragte Roberto.
„Gern. Es ist eine Hypothese, nichts weiter. Ein Haufen blöder Spekulationen.“
„Was wollte Linda hier?“
„He, Sie sind verdammt neugierig! Lassen Sie Linda aus dem Spiel.“
„Die Spielregeln werden von mir bestimmt“, erklärte Roberto. „Stehen Sie auf.“
„Ich sitze ganz gut“, sagte Black. Roberto gab sich einen Ruck. Er trat hinter Blacks Sessel. Der erhob sich sofort und ballte die Hände. „Was haben Sie vor?“, fragte er.
„Ich lege Sie auf Eis – nur für ein paar Stunden“, sagte Roberto. Genau das war seine Absicht. Er fand, dass er mit der Befragung von Black nur seine Zeit vertrödelte. Black konnte nichts sagen, was ihn oder seinen Chef belastete.
„Sie machen mich neugierig“, höhnte Black. „Wie läuft denn so was?“
„Ich verschnüre Sie wie ein Paket“, erklärte Roberto, der längst bemerkt hatte, dass sich die langen Gardinenkordeln, die neben den Fenstern bis zum Boden hingen, hervorragend für seine Zwecke eigneten.
„Jetzt halten Sie mal die Luft an“, sagte Black. „Wir können uns arrangieren. Sie wollen offenkundig etwas von mir, und ich will etwas von Ihnen, nämlich keinen Ärger. Ich denke, wir treffen uns in der Mitte. Sie glauben möglicherweise, mich in der Hand zu haben. Täuschen Sie sich nicht. Ich besitze Freunde. Mächtige Freunde. Freunde, die vor nichts zurückschrecken.“
„Sie haben Angst“, erwiderte Roberto. „Ihnen schlottern die Hosen bei dem Gedanken, dass Wingate erfahren könnte, wie ich Sie aufs Kreuz gelegt habe.“
Black schwieg. Es schien, als ob sich das blonde Stoppelhaar auf seinem kantigen Schädel sträubte. Seine Augen leuchteten kalt und hasserfüllt. Roberto spannte die Muskeln. Er hatte gelernt, Warnlampen dieser Art sehr ernst zu nehmen.
„Legen Sie sich auf das Sofa, mit dem Gesicht nach unten“, befahl Roberto. „Verschränken Sie die Hände auf dem Rücken, und tun Sie nichts, was mich ärgern könnte.“ Black überlegte. Dann näherte er sich dem Sofa. Roberto blieb auf gebotener Distanz. Plötzlich wirbelte Black herum und hechtete mit einem unartikulierten Wutschrei auf seinen Gegner zu.
Roberto hatte die Attacke erwartet. Er entging ihr mit einem Sidestep, riss die Waffe hoch und ließ ihre Breitseite genau auf dem Punkt landen.
Black riss im Fall einen Stuhl mit sich zu Boden. Er blieb reglos liegen. Als er wieder zu sich kam, hatte Roberto sein Versprechen wahr gemacht. Er hatte Black wie ein Paket verschnürt. Er bewegte sich wütend, er versuchte seine Fesseln zu sprengen. Sein Gesicht verzerrte sich, Tränen der Wut füllten seine Augen.
„Vorsicht“, sagte Roberto. „Das sind sehr tückische Knoten. Sie haben die Eigenschaft, sich bei jeder Bewegung zu straffen.“
„Ich bringe dich um“, keuchte Black. „Ich bringe dich um, mein Wort darauf!“
Roberto hatte seinen Smith & Wesson zurück ins Schulterholster geschoben. Er beugte sich über den Gefesselten und leerte ihm die Taschen.
Sie enthielten ein Päckchen Tareyton Zigaretten, ein unappetitliches Taschentuch, zwei Schlüsselbunde, ein Feuerzeug, Kleingeld, eine Brieftasche und ein kleines, geschlossenes Couvert ohne Anschrift und Absender. Roberto hielt den Umschlag an seine Nase. Das gelblich getönte Papier verströmte einen zarten Parfümduft, der Roberto an die hausgemachte Marmelade seiner Mutter erinnerte. Seltsam, er konnte sich gut an den Duft der Mirabellen erinnern, aber er hatte fast schon vergessen, wie seine Mutter einmal ausgesehen hatte. Sie war an Leukämie verstorben, danach hatte seine Schwester Louisa den väterlichen Haushalt geführt.
Robertos Gesicht war düster und umschattet. Die Erinnerung an die Wurzeln seines gegenwärtigen Tuns belastete ihn. Wäre sein Vater nicht der Vollstrecker eines Syndikates gewesen und daran zerbrochen, könnte er, der Sohn, jetzt vermutlich in einem Anwaltsbüro sitzen und auf bequemere Weise dem Recht dienen.
Roberto Tardelli versuchte sich vorzustellen, wie sein Name sich auf einem blank polierten Messingschild ausmachen würde. Es hatte wenig Sinn, diesen Illusionen nachzuhängen. Er war ein Geächteter, ein Mann, der es sich zurzeit nicht leisten konnte, unter seinem richtigen Namen aufzutreten.
Roberto schüttelte die quälenden Gedanken ab. „Eine Botschaft von Linda“, spottete er. „Warum eigentlich? Sie war doch hier. Sie konnte Ihnen sagen, was sie auf dem Herzen hat. Für den Brief gibt es also nur eine Erklärung. Er stammt von Wingate. Oder irre ich mich?“
Roberto hatte schon vorher im Schlafzimmer das zerwühlte Bett gesehen und keine Mühe gehabt, sich darauf einen Reim zu machen.
Blacks Augen traten aus den Höhlungen. „Du hast kein Recht, den Brief zu öffnen!“
„Was enthält er?“
„Es geht dich nichts an!“
Roberto verzog den Mund. Er riss das Couvert auf. Ein weißes Kärtchen fiel ihm entgegen. Es war mit grünem Filzschreiber in Blockbuchstaben beschriftet und enthielt einen Namen und eine Adresse, sonst nichts.
Raymond Aldrich, Columbia Drive 118.
„Noble Gegend“, sagte Roberto.
Black bäumte sich auf und versuchte seine Fesseln durch einen Gewaltakt zu sprengen. Er fiel sofort wieder in sich zusammen. Sein Mund stand weit offen. Er stöhnte laut. Roberto bückte sich, um die Knoten etwas zu lockern. „Ich hatte Sie gewarnt“, sagte er, richtete sich wieder auf. „Raymond Aldrich. Wer ist das?“
Black antwortete nicht.
Roberto steckte Karte und Umschlag ein, durchwühlte den Inhalt von Blacks Brieftasche und warf sie, als er nichts von Interesse darin fand, achtlos zur Seite. Er nahm den Schlüsselbund an sich, an dem ein Schlüssel mit dem Pontiac-Indianerkopf hing.
„Wir sprechen uns noch“, sagte er und strebte auf die Tür zu.
„Das will ich hoffen“, keuchte Black. „Es werden deine letzten Worte sein, Big Boy!“