Kitabı oku: «Essentielles Sein», sayfa 2
Bist du da?
Vor ein paar Wochen haben wir gefragt: „Warum seid ihr hier?“ Jetzt kommen wir zu einer noch grundlegenderen Frage. „Seid ihr hier?“ Seid ihr wirklich hier in diesem Raum? Ich meine nicht, ob euer Körper hier ist, denn das ist ja ganz offensichtlich der Fall. Aber seid ihr hier? Habt ihr das Gefühl, daß ihr hier in diesem Raum seid? Seid ihr gewahr, daß ihr hier präsent seid, und seid ihr eurer wirklichen Erfahrung in diesem Augenblick gewahr? Oder habt ihr euch in Gedanken, Phantasien, Pläne oder emotionale Reaktionen verloren? Seid ihr hier, oder seid ihr mit Mögen und Nichtmögen beschäftigt? Seid ihr hier, oder seid ihr damit beschäftigt, euch und alles andere zu beurteilen?
Seid ihr jetzt hier, oder versucht ihr, hier zu sein, und strengt euch pro forma an, weil wir gerade darüber sprechen? Seid ihr aller Dinge und eines jeden um euch herum gewahr? Seid ihr eurer Umgebung gewahr, oder habt ihr euch in einen Wirbelwind von Gedanken verloren? Wenn ihr auf die Frage „Seid ihr hier?“ antwortet, kommt es nicht darauf an zu versuchen, gut oder richtig zu sein. Es ist nur wichtig, aufrichtig für euch selbst zu erforschen, ob ihr hier seid oder nicht. Seid ihr in eurem Körper oder geistesabwesend, oder seid ihr seiner nur teilweise gewahr? Wenn ich sage: „Seid ihr in eurem Körper?“, dann meine ich: „Füllt ihr euren Körper vollkommen aus?“ Ich möchte wissen, ob ihr in euren Füßen seid oder nur Füße habt. Lebt ihr in ihnen, oder sind sie einfach Dinge, die ihr gebraucht, wenn ihr geht? Seid ihr in eurem Bauch, oder wißt ihr nur einfach ganz vage, daß ihr einen Bauch habt? Oder ist er einfach nur für das Essen da? Seid ihr wirklich in euren Händen, oder bewegt ihr sie aus der Ferne? Seid ihr in euren Zellen anwesend, präsent, und bewohnt ihr euren Körper und füllt ihn aus? Wenn ihr nicht in eurem Körper seid, welche Bedeutung hat dann in diesem Moment eure Erfahrung? Bereitet ihr euch vor, so daß ihr in der Zukunft hier sein könnt? Stellt ihr Bedingungen, indem ihr euch sagt „Wenn dies und jenes geschieht, dann habe ich Zeit, dann werde ich hier sein“? Wenn ihr nicht hier seid, wofür spart ihr euch dann auf?
Unabhängig von den Geschichten, die ihr euch selbst erzählt – in diesem Moment, genau in diesem Moment, gibt es nur diesen Moment, hier, jetzt. Nichts anderes existiert. Für eure unmittelbare Erfahrung ist nur das Hier und Jetzt relevant. Nur Jetzt ist wirklich. Und so ist es immer. In jedem Augenblick existiert nur dieser Augenblick. Wir müssen uns also fragen, warum wir uns zurückhalten und abwarten, auf den richtigen Zeitpunkt warten, darauf warten, daß in der Zukunft die richtigen Umstände eintreten. Vielleicht kommt nie der richtige Zeitpunkt. Vielleicht werden sich die richtigen Bedingungen, die ihr im Kopf habt, für euch nie alle zugleich einstellen. Wann wollt ihr dann anfangen zu existieren? Wann wollt ihr anfangen, hier zu sein und zu leben? Unabhängig von den Vorstellungen über Vergangenheit und Zukunft, die eure Erfahrung beherrschen, existiert genau in diesem Moment nur dieser Moment, und nur dieser Moment hat eine Bedeutung für euch. Die unmittelbarste und offensichtlichste Tatsache, die in der Erfahrung gegeben ist, ist die, daß dieser Moment, das Hier und Jetzt, alles ist, was existiert. Das ist alles, was es in diesem Moment gibt. Was immer in diesem Moment geschieht, das ist euer Leben. Die Zukunft ist nicht euer Leben, sie kommt nie an. Was wirklich hier ist, ist immer nur dieser Moment.
Könnt ihr euch selbst also sein lassen? Ich schlage euch nicht vor, euch sein zu lassen sollt, damit ihr irgend etwas bekommt oder tut, nicht einmal damit ihr irgend etwas versteht. Ich meine: einfach nur sein. Gebt ihr euch das einfache Privileg zu sein, zu existieren? Warum glaubt ihr, das, was ihr tut, was ihr habt, was ihr bekommt oder nicht bekommt, könne wichtiger sein als einfach hier zu sein? Warum wollt ihr immer etwas bekommen oder irgendwohin gelangen? Warum nicht einfach entspannen und hier sein, einfach in all euren Zellen existieren, euren ganzen Körper bewohnen? Wann werdet ihr euch von euren erhabenen Beschäftigungen herablassen und einfach da landen, wo ihr seid?
Hört auf, nach allen möglichen Dingen zu streben, hört auf zu träumen, Pläne zu schmieden, zu arbeiten, etwas zu erreichen, euch zu bemühen, zu bewegen, hört auf zu manipulieren, zu versuchen etwas zu sein, zu versuchen irgendwohin zu gelangen. Ihr vergeßt das Einfachste und Offensichtlichste, und das ist: hier sein. Wenn ihr nicht in eurem Körper seid, dann verpaßt ihr die Quelle aller Bedeutsamkeit, allen Sinns und aller Befriedigung. Wie könnt ihr Befriedigung empfinden, wenn ihr nicht hier seid? Wir verpassen das, was wir sind, und das ist im wesentlichen Seiendsein (beingness), Existenz. Wenn wir nicht hier sind, existieren wir nur an den Rändern der Wirklichkeit. Wir schätzen einfaches sein nicht genug. Stattdessen legen wir Wert auf das, was wir erreichen wollen oder was wir besitzen wollen. Das ist unser größter Fehler. Das nennt man den „großen Verrat“.
Wir streben immer nach Lust, wir suchen auf viele Weisen unermüdlich nach Glück und verpassen vollkommen die einfachste, grundlegendste Lust, die eigentlich auch die größte Lust ist: einfach hier sein. Wenn wir wirklich präsent sind, dann besteht die Präsenz selbst aus Fülle, Zufriedenheit und seliger Lust.
Unsere Gewohnheiten und unsere Konditionierung lassen uns den größten Schatz, den wir haben, unser Geburtsrecht, vergessen - die Lust und Leichtigkeit der Existenz. Wir denken, wir werden Lust oder Freude haben, wenn wir einen bestimmten Plan ausführen, wenn ein bestimmter Traum wahr wird, wenn uns jemand mag, an dem uns liegt, wenn wir eine wunderbare Reise machen. Diese Haltung ist eine Schmähung dessen, was wir sind. Wir sind die Lust, wir sind die Freude, wir sind die tiefste Bedeutsamkeit und der höchste Wert. Wenn wir das begreifen, dann sehen wir, daß es lächerlich ist zu meinen, wir würden Lust und Freude durch diese äußeren Dinge bekommen, - dadurch, daß wir dieses oder jenes tun, Anerkennung oder Liebe von dieser oder jener Person bekommen. Wir sehen dann, daß wir falsch informiert waren; wir haben vor der falschen Tür gewartet.
Glück, Wertgefühl und Lust sind nicht das Ergebnis von irgendetwas. Diese Qualitäten sind Teil unserer grundlegenden Natur. Wenn wir uns einfach erlauben zu sein, dann sind sie unsere natürliche Erfahrung. Ihr seid das Wertvollste im Universum, aber ihr verhaltet euch so, als wäret ihr das Kümmerlichste, Trivialste, was es gibt. Es gehört wirklich nicht viel dazu, das zu sehen. Haltet einfach diesen Wirbelwind eurer Gedanken an. Laßt zu, daß ihr euch entspannt und einfach da seid. Ihr könnt euch das erlauben, wo immer ihr seid. Ihr müßt nicht auf den Kanarischen Inseln sein, um glücklich sein zu können. Ihr müßt nicht mit jemandem zusammen sein, in den ihr verliebt seid oder der euch liebt, um glücklich zu sein. Wenn ihr eurem Glück Bedingungen auferlegt, dann macht ihr euch selbst schlecht. Natürlich könnt ihr auf den Kanarischen Inseln glücklich sein und auch mit jemandem, den ihr liebt – aber wie steht es mit dem Rest der Zeit?
Erst gebt ihr euch selbst auf, und dann fangt ihr an, nach Befriedigung zu suchen. Ihr habt das Gefühl, daß etwas fehlt; deshalb seid ihr immer auf der Suche, werdet immer hektischer, während nichts von dem, was ihr euch aneignet oder erreicht, euch erfüllt. Zu diesem ganzen Muster kommt es, weil ihr aufgehört habt zu sein. Wenn ihr euch einfach da sein laßt, dann müßt ihr nirgendwohin gehen und nach nichts suchen, weil alles da ist. Es ist nicht so, daß nur bestimmte Menschen damit zufrieden sind, einfach nur zu sein, und andere nicht. Wir alle fühlen uns befriedigt, wenn wir wir selbst sind. Das ist eine Eigenschaft unserer menschlichen Natur. Es gehört zu unserer natürlichen Ausstattung. Es ist die Bedeutung des Menschseins. Alles, was wir tun müssen, ist, uns sein zu lassen.
Wenn ihr euch in diesem Moment einfach fühlt, auch wenn ihr euer Sein vielleicht nicht auf eine volle, befriedigende Weise fühlt, dann werdet ihr ganz natürlich dessen gewahr, was euer Sein blockiert. Was hält mich davon ab, in diesem Moment zu sein? Warum möchte ich woandershin? Warum denke ich dauernd darüber nach, was mich glücklich machen wird? Wir können auf eine natürliche Weise neugierig werden und anfangen, nach und nach die Überzeugungen, Hoffnungen und Ängste aufzudecken, die uns daran hindern, unseres Seins gewahr zu sein.
Wenn wir innehalten und nachdenken, dann erkennen wir, daß Glück nicht etwas ist, das wir irgendwo bekommen können, und auch nicht das Resultat von irgendetwas, das wir unternehmen. Das Gewebe unseres Seiendseins (beingness) an sich ist selbst das, wonach wir eigentlich immer suchen. Wir suchen Lust, Freude, Glück, inneren Frieden, Stärke, Macht. Aber das sind einfach Aspekte unserer Existenz. Unsere Natur, unser Ursprung ist das Kostbarste, was es gibt. Die Existenz an sich ist eine Freude, eine Wonne. Diese Existenz, diese Freude ist das Zentrum der Wirklichkeit, zu jeder Zeit.
Weil wir unseren Ursprung und unsere wahre Natur vergessen, neigen wir dazu, an den Rändern unserer Existenz zu bleiben und uns niemals in unserem Zentrum und von unserem Zentrum aus leben zu lassen. Das ist eine ziemlich tragische Geschichte. Wenn euch Lehrer sagen, daß ihr schlaft oder euch verirrt habt, dann meinen sie, daß ihr von eurer Existenz abgeirrt seid. Ihr schlaft in Bezug auf euer Seiendsein. Aber genau genommen habt ihr euch nicht in dem Sinn verirrt, daß ihr irgendwo anders wart – erst wart ihr verirrt, und jetzt seid ihr hier. Eigentlich wart ihr die ganze Zeit hier. Ihr seid eigentlich immer hier gewesen, aber ihr habt immer woanders gesucht. Euer Seiendsein ist das, was spürt, was schaut, was fühlt.
Wir sind Seiendsein (beingness), nicht ein Gedanke, der auf einen anderen Gedanken folgt. Wir sind etwas viel Fundamentaleres, etwas viel Substantielleres als das. Wir sind ein Seiendsein, eine Existenz, eine Präsenz, die die Gegenwart durchtränkt und unseren Körper füllt. Wir entfernen uns so weit von uns selbst, aber das, wonach wir suchen, ist so nah. Wir richten unsere Aufmerksamkeit dauernd darauf, ob die Situation dem entspricht, was wir wollen, oder nicht. Ist sie gut oder schlecht? Aber die Bedeutung jeder Erfahrung ist unsere reine Präsenz, nichts anderes. Der Inhalt jeder Erfahrung ist einfach eine äußere Manifestation dieser zentralen Präsenz.
Welchen Sinn hat es also zu warten? Worauf genau wartet ihr? Wird euch irgendjemand das geben, was ihr immer gewollt habt? Wird ein Zug vom Himmel kommen und euch tolle Sache bringen? Aber nichts, was je geschehen kann, kann so gut, so kostbar wie das sein, was und wer ihr seid.
Was euch davon abhält zu sein, präsent zu sein, ist nichts als eure Hoffnung auf die Zukunft. Die Hoffnung darauf, daß etwas anders werden wird, läßt euch weiter einer Phantasie von der Zukunft nachjagen. Aber das ist eine Fata morgana, ihr werdet nie dorthin gelangen. Die Fata morgana hält euch davon ab, das Offensichtliche, die Kostbarkeit des Seins, zu sehen. Sie ist ein großer Irrtum, ein großes Mißverständnis dessen, was euch befriedigt. Wenn ihr der Fata morgana folgt, dann lehnt ihr euch selbst ab.
Wenn ihr euch sein laßt, euch in die Wirklichkeit einsinken laßt, kann es allerdings dazu kommen, daß ihr unangenehme Dinge erlebt: aber das sind einfach die Barrieren, die euch daran hindern zu sein. Mit der Zeit, durch die Präsenz, werden sie sich auflösen. Es kann sein, daß ihr Unbehagen, Angst, Verletztheit, verschiedene negative Gefühle verspürt. Das sind die Dinge, denen ihr auszuweichen versucht, indem ihr nicht hier seid. Aber sie sind nur die Ansammlung dessen, was ihr unter den Teppich der Unbewußtheit gekehrt habt; das seid nicht ihr. Das sind die Dinge, denen ihr auf dem Weg zum Seiendsein begegnet und mit denen ihr euch konfrontiert. Wenn wir diese Gefühle anerkennen und verstehen, während wir präsent sind, dann lösen sie sich auf, weil die Vorstellung von uns selbst, auf der sie beruhen, nicht wirklich ist.
Wenn sich die Illusionen auflösen, dann wird das, was wirklich, was eure Natur ist, an die Oberfläche kommen und bleiben. Ihr macht einen Reinigungsprozeß durch, nicht weil Sein selbst beschmutzt ist, sondern weil ihr so viele Annahmen und Meinungen über die Wirklichkeit angesammelt habt. Wenn ihr weiter hofft und euch selbst Geschichten erzählt, dann werdet ihr weiter im Zustand des Schlafes bleiben, weil die Wirklichkeit immer noch so ist, wie sie ist, ob es euch gefällt oder nicht. Die Fata morgana hat sich für euch noch nicht verwirklicht, und das wird sie auch nicht tun, wenn ihr noch länger darauf beharrt. Möchtet ihr, daß es irgendwie anders ist? Könnt ihr euch vorstellen, daß euer Glück von etwas anderem abhängt als von eurer Natur?
Unsere Arbeit hier besteht nicht darin, irgendwohin zu gelangen oder etwas zu erreichen, sondern darin, eurem Sein zu erlauben hervorzutreten. Bewohnt einfach euren Körper. Wir sprechen hier nicht über etwas, das ihr gelegentlich tut, wenn ihr meditiert – und den Rest der Zeit macht ihr dann die wichtigen Dinge in eurem Leben. Tatsächlich denken wir so: „Ich meditiere jetzt, und dann mache ich mit meinem Tag weiter, mache mit meinen wichtigen Terminen weiter.“ Was ist wichtig? Ihr seid wichtig. Ihr müßt nicht irgendetwas Wichtiges tun, um wichtig zu sein. Ihr müßt nicht die Erleuchtung erlangen oder eine edle Tat vollbringen, um eurem Leben Wichtigkeit zu verleihen. Ihr seid. Das ist das Wichtigste, was es gibt. Ihr seid etwas ganz Besonderes, immer. Ihr seid nicht deshalb wichtig, weil jemand denkt, daß ihr etwas Besonderes seid, noch aufgrund irgendwelcher ungewöhnlichen Fähigkeiten oder Leistungen. Ihr seid wichtig aufgrund eurer Natur, ihr könnt nicht anders als wichtig und kostbar sein. Nichts kann das beweisen oder widerlegen.
Ihr seid wichtig, weil es ohne eure wirkliche Präsenz keine Bedeutsamkeit im Leben, keinen Wert im Leben gibt. Wenn ihr eurer Existenz gewahr seid, dann ist die Erfahrung ungetrübte Lust. Diese Lust ist da, unabhängig davon, was ihr tut - den Fußboden schrubben, auf die Toilette gehen, irgendetwas Wunderbares schaffen. Jeder Augenblick ist kostbar und voll gelebt. Ihr seid nicht die Gefühle oder die Gedanken oder der Inhalt eures Bewußtseins. Nichts davon ist das, was und wer ihr seid. Ihr seid die Fülle eures Seins, die Substanz eurer Präsenz.
Wer bin ich?
Vor einiger Zeit habe ich die Frage gestellt: „Warum seid ihr hier?“ Bei einer anderen Gelegenheit habe ich gefragt: „Seid ihr hier?“ Ich weiß nicht, ob ihr bei diesen Fragen geblieben seid und sie für euch selbst untersucht habt. Heute werde ich eine dritte Frage stellen, die eine natürliche Weiterentwicklung dieser Fragen ist: „Wer seid ihr?“
Die Antwort auf diese Frage ist keine Formulierung. Wenn also euer Kopf eine herbeizaubert, dann beachtet sie nicht. Wir werden erforschen, ob es möglich ist, die Frage zu beantworten: „Wer bin ich?“ Ich werde euch keine Antworten geben, aber ich werde euch helfen, die Untersuchung zu führen, indem ich euch Fragen stelle, und ihr könnt sie erforschen, während wir sprechen.
Man sagt immer: „Ich bin ...“ und „Ich möchte ...“; wir wollen also sehen, was „ich“ ist. Wir setzen nicht von vornherein voraus, daß es so etwas wie ein „Ich“ gibt. Wir wollen nicht mit Annahmen beginnen. Wir gehen also nicht davon aus, daß es eine Antwort gibt oder daß es eine einzige Antwort gibt oder daß es keine Antwort gibt. Wir gehen nicht davon aus, daß die Antwort, wenn es eine gibt, in Worten ausgedrückt werden kann. Wir wollen für alle Möglichkeiten offen sein. Wir wollen die Frage in vollkommener Offenheit stellen, bei einer vollkommenen Abwesenheit von Annahmen. Diese Untersuchung wird allein auf unserer Neugier und auf unserem Interesse beruhen, die Wahrheit zu finden. Was ist die Wahrheit, die es hier für euch gibt?
Wenn ihr fragt: „Wer bin ich?“, dann fällt euch vielleicht etwas ein wie: „Ich bin derjenige, der dies und jenes getan hat.“ Oder: „Ich bin einsfünfundachtzig groß.“ oder: „Ich wiege sechundsiebzig Kilo.“ Feststellungen, Bilder und Wahrnehmungen kommen euch vielleicht in den Sinn. Wir sagen nicht, daß ihr all das nicht seid, wir wollen vielmehr erforschen, ob ihr das seid oder nicht.
Wir gehen nicht von der Annahme aus, daß ein Selbst gefunden werden kann, oder daß man es, wenn es gefunden werden kann, beschreiben kann. Wir wollen untersuchen, wer ihr seid - ob es wirklich so etwas gibt, und wenn es so etwas gibt, was es ist und ob man es kennen kann. Ihr denkt wahrscheinlich: „Natürlich habe ich ein Selbst, und ich weiß, was es ist, oder wenn ich es nicht weiß, dann werde ich es eines Tages wissen.“ Ich sage euch also, geht nicht von dieser Annahme aus. Ihr sagt: „Moment mal, was ist dann noch übrig?“ Nichts ist übrig - das ist der Punkt.
Ihr merkt, wir gebrauchen die Wörter „Ich“ und „Selbst“, und wir denken, fühlen und verhalten uns, als gäbe es hier etwas, daß unser „Selbst“ ist. Wir haben schon ein Gefühl oder eine Ahnung, daß es ein „Selbstsein“ (selfhood) gibt, daß es ein „Ichsein“ (me-ness) gibt. Jetzt wollen wir untersuchen, was es mit diesem Gefühl eines Selbst auf sich hat. Was ist dieses Gefühl, eine Person, ein Selbst, eine Identität zu sein? Worauf bezieht ihr euch, wenn ihr sagt: „Ich bin“, „Ich möchte“, „Ich mag“, „Ich mache“ oder „Ich mache nicht“?
Ihr habt in der Vergangenheit vielleicht eine Erfahrung gehabt und dabei das Gefühl gehabt: „Das bin ich.“ Vielleicht hat das gestimmt, vielleicht nicht. Auch wenn es stimmt ist, daß ihr euch damals selbst erkannt habt, habt ihr jetzt vielleicht ein anderes Selbst. Wir wollen wissen, was eure Erfahrung jetzt ist. Wir wollen genau hier sein, genau in diesem Moment. Laßt uns erforschen, was wir glauben, statt es ungeprüft vorauszusetzen. Wenn ihr erfahren habt, was ihr als euer wahres Selbst wahrnehmt, dann kann es leicht sein, daß ihr denkt: „Ich habe mich selbst erfahren und das ist es. Von jetzt an werde ich immer glücklich sein.“ Gut, das kann sein, aber wir wollen wissen, wie es genau jetzt ist. Könnt ihr die Frage mit Bestimmtheit beantworten, ihr selbst in genau diesem Moment, wenn ihr fragt: „Wer bin ich?“
Etwas, das uns bei unserer Untersuchung helfen kann, ist, das Gefühl von „Ich“, das Gefühl eines Selbst, mit dem zu verbinden, was man „Identität“ oder „Identifikation“ nennt. Herausfinden, wer ihr seid, heißt in erster Linie eure Identität finden. Ihr könnt die Verbindung zwischen Identität und Identifikation sehen, wenn ihr eure Erfahrung irgendeines Augenblicks betrachtet und seht, daß ihr euch genau in dem Moment mit etwas identifiziert, daß ihr euch für etwas Bestimmtes haltet. Ihr seid euch dessen, wofür ihr euch haltet, vielleicht nicht bewußt, aber in jedem Moment haltet ihr euch für etwas oder für jemanden.
Wir wollen also untersuchen, für was oder für wen ihr euch in jedem Moment haltet, und es hinterfragen. Seid ihr das wirklich? In jedem Moment gibt es eine Identifikation, in gewissem Sinn das Empfinden eines Selbst: „Ich schaue zu“ oder „Ich sitze“. Wenn ihr „ich“ sagt, dann ist dieses „Ich“ an etwas gebunden. Ist das, woran ihr das „Ich“ festmacht, das, was ihr wirklich seid?
Wenn ihr zum Beispiel meditiert – wer meditiert dann? Wer sitzt in diesem Moment? Seid eurer Erfahrung gewahr. Schaut, ob ihr diese Frage beantworten könnt. Was ist es, woran ihr das „Ich“ festmacht? Wer bin ich, der sitzt? Mit größter Wahrscheinlichkeit werdet ihr sehen, daß ihr das „Ich“ an eurem Körper festmacht. Es ist der Körper, der sitzt. Wenn ihr also sagt „Ich sitze“, sagt ihr dann damit nicht: „Ich bin der Körper“? Ihr haltet euch nicht für ein Gefühl oder eine Wahrnehmung, weil Gefühle nicht sitzen, weil der Geist (mind) nicht spazierengeht. Der einzige Teil, der sitzt, geht und sich bewegt, ist der Körper.
Wir sehen, daß die Identifikation mit dem Körper mächtig und beständig ist. Sie ist viel subtiler und tiefer, als wir uns gewöhnlich vorstellen. Natürlich können sich manche Menschen nichts anderes vorstellen - „Was könnte ich denn sonst sein?“ Es ist nicht leicht, die Identifikation mit dem Körper aufzulösen, weil wir uns unser ganzes Leben lang für unseren Körper gehalten haben. Ich sage nicht, daß ihr irgendetwas tun müßt, um das zu ändern; ihr sollt euch nur bewußt sein, daß das der Fall ist. Seid ihr euch wirklich bewußt, daß ihr glaubt, euer Körper zu sein?
Wenn wir „mein Körper“ sagen, wem gehört dann der Körper? Wenn ich „ich selbst“ (myself) sage, dann ist das genauer, aber was genau bedeutet das? Wer ist es, der einen Körper hat und ein Selbst hat? Wen meint ihr, wenn ihr sagt: „Ich habe einen Körper“? Was ist das „Ich“? Es macht keinen Sinn zu sagen: „Ich habe ein Ich“ oder „Selbst hat ein Selbst“. Gibt es ein großes Selbst, das ein kleines Selbst hat?
Verwirrt euch das? Das ist gut. Ihr seid verwirrt, und die ganze Zeit habt ihr gedacht, ihr wüßtet. Ein Grund für diese Untersuchung besteht darin, euch zu zeigen, daß ihr nicht wirklich wißt.
Seht euch jetzt selbst, wie ihr da sitzt und schaut. Wer schaut? Beobachtet jetzt einmal nur euch selbst, wie ihr sitzt und schaut. Was schaut? Was erfahrt ihr? Ihr sagt: „Also ich schaue durch meine Augen und denke in meinem Kopf.“ Was schaut mit euren Augen? Was denkt in eurem Kopf? Was glaubt ihr, was ihr seid?
Ihr seid eine Präsenz, die da sitzt. Was ist die Präsenz, die ihr erfahrt? Hat sie eine Form? Sehr wahrscheinlich seht ihr gleich, daß die Form eurer Präsenz die Form eures Körpers zu sein scheint. Auch wenn ihr nicht glaubt, euer Körper zu sein, definiert die Form eures Körpers wenigstens, wer ihr seid. Wir wollen damit nicht sagen, daß diese Identifikation schlecht oder falsch ist. Das wissen wir nicht. Wir wollen einfach erforschen - ist das wahr?
Ihr könnt die Untersuchung weiterverfolgen, indem ihr eure gegenwärtige Erfahrung betrachtet. Was ist für euch „ich“?, Was glaubt ihr in eurer Erfahrung genau dieses Moments was ihr seid? Wenn ihr euch bewußt werdet, daß ihr euch selbst für den Körper haltet, dann führt das Bewußtsein der Identifikation gewöhnlich zu deren Auflösung. Ihr fangt an zu sehen, daß ihr vielleicht doch nicht der Körper seid. Was seid ihr dann?
Wenn ihr euch in diesem Moment nicht für euren Körper haltet, wofür haltet ihr euch dann? Ihr habt vielleicht ein Gefühl von Identität oder das Gefühl, daß ihr ein Wesen (entity) seid. Was ist dieses Gefühl? Ihr assoziiert es vielleicht mit eurem Geist (mind). „Es scheint ein Gefühl von einem Selbst zu geben, und das scheint in meinem Körper zu sein, aber es ist nicht mein Körper selbst.“ Was ist das Ich, das ein Selbst hat? Ist es ein Gefühl? Ist es eine Sinneswahrnehmung? Ist es ein Gedanke oder ein Strom von Gedanken, den ihr „Selbst“ nennt? Ist es eine emotionale oder mentale Reaktion, die ihr „Ich“ nennt? Oder ist es etwas, das mit der Vergangenheit verbunden ist? Haltet ihr euch für all das, was euch in der Vergangenheit widerfahren ist?
Normalerweise definieren wir uns durch Erinnerungen: „Ich bin dann und dann geboren worden, mit diesen Eltern, unter diesem Sternzeichen und so weiter. Meine Mutter ließ mich im Stich; meine Mutter hat mich geliebt. Ich bin zur Schule gegangen, konnte sie nicht leiden und bekam trotzdem lauter Einsen. Ich habe erst mit 21 mit jemandem geschlafen, deshalb war ich frustriert. Ich wurde schwanger und hatte eine Abtreibung. Ich war verheiratet, aber das hat nicht gehalten – und so weiter.“ Stimmt’s? So definiert ihr euch. Könnt ihr euch euch selbst vorstellen, euch beschreiben, ohne solche Erinnerungen zu gebrauchen?
All die Dinge, die geschehen sind, die ganze Sammlung, ist nicht von dem getrennt, wofür ihr euch haltet. Das mentale Gefühl von Identität und das emotionale Gefühl eines Selbst sind von all dem, was ihr erlebt habt, nicht zu unterscheiden. Es ist, als wäre alles, was ihr in eurem Leben erlebt habt - alle Ereignisse, Gefühle, Emotionen, Reaktionen, gute und schlechte Erfahrungen, eure ganze Geschichte -, von dem untrennbar, wofür ihr euch jetzt haltet. Eigentlich ist es das, wodurch ihr euch gewöhnlich kennt.
Aber was hat das, wer und was ihr seid, mit eurer Geschichte zu tun? Eure persönliche Geschichte ist die eures Körpers. Wenn ihr sagt: „Ein Auto hat mich angefahren“ - wer wurde von einem Auto angefahren? Wenn ihr sagt: „Man hat mich im Stich gelassen“ – was ist für euch das, was eure Mutter im Stich gelassen hat? „Ich wurde geboren“ – was wurde geboren? Ihr bezieht all diese Ereignisse, all diese Erinnerungen auf euren Körper. Dieser Körper bewegt sich durch Raum und Zeit, und all diese Dinge sind ihm passiert. Entweder haltet ihr also den Körper für euch selbst, oder ihr nehmt das, was ihm passiert ist, und bildet ein amorphes Konstrukt, eine Art psychologische Identität, die euer gegenwärtiges Identitätsgefühl bestimmt. Und irgendwie habt ihr das Gefühl, daß sie eure Zukunft bestimmt.
Jetzt seid ihr euch vielleicht bewußt, daß ihr euch mit dieser persönlichen Geschichte und ihrem kollektiven Gefühl von Selbstsein (selfhood) identifiziert. All das hat ein Etikett, das man „Ich“ nennt. Was ist dieses Etikett? Wenn man diese persönliche Geschichte nimmt, um sich zu definieren, dann sind alle eigenen Erfahrungen eingeschlossen, auch Erfahrungen von Selbstverwirklichung, Erleuchtung und Essenz. Man nutzt auch diese Erinnerungen, um sich zu definieren. Zum Beispiel erinnert man sich vielleicht an ein Erlebnis, das man vor etwa zwei Monaten hatte, bei dem man sein wahres Selbst erfahren hat, und jetzt glaubt man, das man das ist. Diese Erfahrung wurde zu Nahrung für die eigene persönliche Geschichte. Man versucht, jetzt eine Identität zu erzeugen, indem man sich daran erinnert. Wer sagt, daß es das ist, was man jetzt ist? Seid ihr immer dasselbe? Wenn ihr eine Erinnerung nehmt, um euch zu definieren, dann spielt es keine Rolle, woran ihr euch erinnert - Gutes, Schlechtes, Grundlegendes, Oberflächliches, Wahres oder Falsches. Alles sammelt sich in eurer persönlichen Geschichte an. Sogar eine Erfahrung eures wahren Selbst kann erinnert und der Sammlung hinzugefügt werden. Aber euer wahres Selbst ist keine Anhäufung oder Sammlung.
Geheimnisvoll, nicht wahr? Jetzt sagt ihr vielleicht: „Moment mal. Wenn ich nicht der Körper bin und wenn ich nicht mein Gefühl meiner persönlichen Geschichte bin – wer bin ich dann? Ich stehe vor etwas Neuem.“ Wenn ihr sagt: „Ich stehe vor etwas Neuem,“ dann fragt ihr euch: „Soll ich davor Angst haben oder mich danach sehnen? Soll ich darauf hoffen oder sollte ich mich davor fürchten? Sollte ich darauf zugehen oder mich dagegen wehren?“ Wer seid ihr also in diesem Moment? Identifiziert ihr euch nicht mit eurer persönlichen Geschichte? Und will diese persönliche Geschichte nicht eine weitere Erfahrung haben, um mit Sicherheit zu wissen, wer sie ist?
Angenommen ich könnte euch sagen, wer ihr wirklich seid. Was würde das ändern? Wenn ich sagte: „Ja, du hast ein Selbst, und es fühlt sich so und so an und es macht das und das.“ Na und? Es ist einfach ein weiteres Stück Information, das ihr in eurem Kopf (mind) speichern und eurer persönlichen Geschichte hinzufügen könnt. Es ist nicht einmal eine Erfahrung - es ist eine Erinnerung, die nicht einmal euch selbst gehört.
Ist es möglich, nicht nur euren Körper zu betrachten und eure Identifikation mit ihm zu sehen, sondern auch eure persönliche Geschichte objektiv zu betrachten, ohne daß ihr euch mit ihr identifizieren müßt? Ist es möglich, die Totalität eurer Persönlichkeit auf einmal anzuschauen? Meistens identifiziert ihr euch mit dieser Totalität. Ihr seid mitten darin, wie in einem Medium, zum Beispiel einer Wolke, und ihr laßt euch von der Atmosphäre dieser Wolke definieren. Ist es möglich, euch dessen bewußt zu werden, daß ihr das tut? Könnt ihr eure Erfahrung in diesem Moment betrachten und sehen, wie ihr euch mit eurer persönlichen Geschichte identifiziert? Seid ihr euch bewußt, wie schwer es ist, sich von solchen Gedanken und Erinnerungen und Vorstellungen von euch selbst loszulösen?
Versucht nicht, euch loszulösen. Seid nur gewahr, daß ihr euch nicht loslöst. Wir versuchen nicht, irgendetwas zu machen, wir versuchen nur zu sehen. Wir wollen nur sehen, was wirklich da ist. Und alles, was ich tue, ist, euch anzuleiten, hierhin und hierhin und hierhin zu schauen. Das ist alles. Wie gesagt, wir forschen. Wir gehen nicht notwendigerweise von der Annahme aus, daß es eine bestimmte Antwort gibt oder daß die Antwort auch nur gefunden werden kann. Wir forschen einfach, und bisher habe ich euch nichts verraten.
Wenn ihr die Totalität auf diese Weise betrachtet, werdet ihr sehen, daß es Muster gibt, die sich nicht zu verändern scheinen. Ihr habt euch immer für dieselbe Person gehalten. Ihr habt euch vielleicht ein wenig verändert - vielleicht mögt ihr jetzt andere Dinge, vielleicht seid ihr jetzt glücklicher, aber im allgemeinen seid ihr dieselben geblieben. Ihr denkt immer noch genauso wie früher. Ihr habt immer noch ähnliche Gefühle, oder ihr reagiert auf Dinge genauso, wie ihr früher auf sie reagiert habt. Persönliche Geschichte hat eine verschwommene Art von Konsistenz und Kontinuität, die uns ein Gefühl von Identität vermittelt. Das Identitätsgefühl ist nichts als ein Etikett, ein Gefühl, das auf einer Sammlung von Erinnerungen beruht.
Es ist ein bißchen wie ein Film. Wenn ihr euch einen Film anschaut, dann scheint er etwas Kontinuierliches zu sein, aber wenn ihr ihn anhaltet, dann seht ihr, daß es hier ein Bild gibt und ein Bild hier und so weiter. Eure Erinnerungen sind eine Serie von Bildern, genau wie ein Film. Sie sind Bilder, die zusammengesetzt eine Bewegung ergeben, so daß man ein Gefühl von Kontinuität hat, das man für die Definition seiner selbst benutzt. Eure persönliche Geschichte definiert, wer ihr seid, worum es bei euch geht. Eigentlich definiert sie, wie es euch jetzt geht und was ihr tut, wenn ihr mit dieser Untersuchung aufhört.