Kitabı oku: «Die Abenteuer der Manon Lescaut», sayfa 2

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Meine Bestürzung war so groß, daß ich Tränen vergoß, während ich die Treppe wieder hinabstieg, ohne zu wissen, aus welchem Gefühl diese Tränen kamen. Ich betrat das erste beste Kaffeehaus, setzte mich an einen Tisch und stützte den Kopf in beide Hände, um mir klarzuwerden, was in meinem Inneren vorging. Ich wagte kaum an das zu denken, was ich soeben gehört hatte. Ich wollte es als eine Sinnestäuschung betrachten und war zwei- oder dreimal im Begriff heimzukehren, ohne mir anmerken zu lassen, daß ich etwas wisse. Es schien mir so unmöglich, daß Manon mich habe verraten können, daß ich sogar in der bloßen Vermutung eine Ungeheuerlichkeit sah. Ich betete sie an, das stand fest, und ich hatte von ihr ebenso viele Beweise der Liebe empfangen, wie ich ihr gegeben hatte. Wie kam ich dazu, sie zu beschuldigen, sie sei weniger aufrichtig und treu als ich? Welchen Grund hätte sie gehabt, mich zu betrügen? Es war erst drei Stunden her, seit sie mich mit den zärtlichsten Liebkosungen überschüttet und die meinigen mit Entzücken empfangen hatte.

»Nein, nein«, sagte ich zu mir. »Es ist unmöglich, daß Manon mich verraten hat. Sie hat keinen Grund, mich zu betrügen.«

Trotzdem beunruhigte mich der Besuch und der heimliche Aufbruch des Herrn de B. Mir fielen auch die kleinen Anschaffungen Manons ein, die nicht recht zu unseren augenblicklichen Geldverhältnissen zu passen schienen. Und das Geständnis, das sie mir über Geldquellen gemacht hatte, die mir unbekannt waren? Ich hatte Mühe, so vielen Rätselfragen eine Auslegung zu geben, wie sie mein Herz ersehnte.

Andererseits hatte ich sie, seit wir in Paris waren, fast nie aus den Augen verloren. Bei allen Geschäften, Spaziergängen, allen Zerstreuungen waren wir immer zusammen gewesen, denn schon eine kurze Trennung hätte uns allzu sehr betrübt. Wir mußten uns unaufhörlich sagen, daß wir uns liebten, wir wären sonst vor Angst umgekommen. Ich konnte mir daher einfach nicht vorstellen, daß Manon auch nur einen Augenblick an einen anderen als mich denken sollte.

Schließlich glaubte ich die Lösung des Geheimnisses gefunden zu haben. »Herr de B.«, sagte ich mir, »ist ein großer Geschäftsmann, der viele Beziehungen hat. Die Verwandten Manons werden sich seiner bedient haben, um ihr Geld zukommen zu lassen. Vielleicht hat sie schon etwas von ihm erhalten, und heute hat er ihr wieder etwas gebracht. Zweifellos hat sie mir das verheimlicht, um mir eine freudige Überraschung zu bereiten. Vielleicht hätte sie auch schon mit mir darüber gesprochen, wenn ich in gewohnter Weise zurückgekommen wäre, statt mich hier trüben Gedanken zu überlassen. Sie wird es mir um so weniger verschweigen, als ich selbst mit ihr darüber sprechen will.«

Ich hatte mir diese Auffassung so fest in den Kopf gesetzt, daß meine Traurigkeit merklich nachließ, und kehrte alsbald in meine Wohnung zurück. Ich umarmte Manon mit gewohnter Zärtlichkeit, und sie empfing mich sehr liebenswürdig. Anfangs war ich geneigt, ihr meine Vermutungen, von deren Richtigkeit ich jetzt fest überzeugt war, zu offenbaren. Ich hielt mich aber zurück in der Hoffnung, daß sie mir vielleicht zuvorkommen und den ganzen Vorgang mitteilen werde.

Das Abendessen wurde aufgetragen. Ich setzte mich froh und guter Dinge zu Tisch. Aber beim Schein der Kerze, die zwischen uns stand, glaubte ich, im Gesicht und in den Augen meiner Geliebten eine gewisse Traurigkeit zu bemerken. Diese Beobachtung betrübte mich ebenfalls. Mir fiel auf, daß ihre Blicke in einer ganz anderen Art als sonst auf mir ruhten, aber ich konnte nicht unterscheiden, ob dies Liebe oder Mitleid war. Jedenfalls schien es mir ein sanftes, schmachtendes Gefühl. Ich betrachtete sie mit derselben Aufmerksamkeit, und vielleicht hatte sie die gleiche Mühe, aus meinen Blicken auf den Zustand meines Herzens zu schließen. Wir dachten weder an Sprechen noch an Essen. Endlich sah ich, wie Tränen aus ihren schönen Augen fielen – verräterische Tränen!

»Mein Gott!« rief ich aus. »Du weinst, süße Manon? Du bist zu Tränen betrübt und sagst mir mit keinem Wort, was dir fehlt?«

Sie antwortete mir nur mit einigen Seufzern, die meine Unruhe noch vergrößerten. Zitternd stand ich auf und beschwor sie mit dem innigsten Ausdruck meiner Liebe, mir die Ursache ihres Kummers zu entdecken. Ich vergoß selber Tränen, während ich die ihrigen trocknete. Ich war mehr tot als lebendig. Ein Barbar wäre durch die Äußerungen meines Schmerzes und meiner Besorgnisse gerührt worden.

Während ich so beschäftigt war, hörte ich, daß mehrere Leute die Treppe heraufkamen. Es klopfte leise an die Tür. Manon gab mir einen Kuss und entschlüpfte schnell meinen Armen, floh in das Schlafzimmer und schloß sofort hinter sich zu. Ich glaubte, da ihr Kleid etwas in Unordnung geraten war, wolle sie sich vor den Augen der Fremden, die angeklopft hatten, verbergen. Ich öffnete ihnen selbst.

Kaum hatte ich die Tür aufgemacht, als ich mich von drei Männern ergriffen sah, die ich als Bediente meines Vaters erkannte. Sie mißhandelten mich nicht, aber während zwei meine Arme festhielten, untersuchte der dritte meine Taschen und nahm ein kleines Messer heraus, den einzigen eisernen Gegenstand, den ich bei mir trug. Sie entschuldigten sich, mich so rücksichtslos behandeln zu müssen, und sagten mir geradeheraus, daß sie nur einen Befehl meines Vaters ausführten und daß mich mein älterer Bruder in einem Wagen unten erwarte.

Ich war so verwirrt, daß ich mich ohne Antwort oder Widerstand wegführen ließ. Mein Bruder erwartete mich wirklich. Man setzte mich neben ihn in einen Wagen, und der Kutscher, der schon unterrichtet war, fuhr uns in schneller Fahrt nach Saint-Denis. Mein Bruder hatte mich zärtlich umarmt, sprach aber kein Wort zu mir, so daß ich nach Belieben über mein Missgeschick nachdenken konnte.

Alles lag für mich in einem solchen Dunkel, daß ich auch nicht die geringste Vermutung hatte. Ein grausamer Verrat war im Spiel, aber durch wen? Mein erster Verdacht fiel auf Tiberge.

»Verräter«, sagte ich. »Es ist um dein Leben geschehen, wenn sich mein Verdacht bestätigt.«

Aber dann fiel mir ein, daß er ja gar nichts von meinem Aufenthaltsort wußte und ihn also unmöglich hatte verraten können. Manon zu verdächtigen, wäre meinem Herzen als ein Verbrechen erschienen. Die ungewöhnliche Traurigkeit, die ich wahrgenommen hatte, ihre Tränen und der zärtliche Kuss, den sie mir gegeben, ehe sie sich zurückzog, erschienen mir wohl rätselhaft, aber ich erklärte mir das alles schließlich als eine Art Vorahnung unseres gemeinsamen Unglücks, und während ich über das Ereignis, das mich von ihr getrennt hatte, fast verzweifelte, war ich blind genug, mir einzubilden, daß sie noch beklagenswerter sei als ich.

Das Ergebnis meines Nachdenkens war die Gewissheit, irgendein Bekannter müsse mich in den Straßen von Paris gesehen und meinem Vater davon Mitteilung gemacht haben. Dieser Gedanke tröstete mich. Ich hoffte, mit einigen Vorwürfen und strenger Aufsicht, die mir die väterliche Autorität auferlegen werde, davonzukommen. Ich beschloß, sie ruhig zu ertragen und alles zu versprechen, was man von mir verlangte, um desto leichter bei der erstbesten Gelegenheit nach Paris zurückkehren zu können und meiner lieben Manon Freude und Glück wiederzugeben.

Wir waren bald in Saint-Denis. Mein Bruder wunderte sich über mein Schweigen und schrieb es meiner Furcht zu. Er begann mich zu trösten und versicherte mir, ich hätte von der Strenge meines Vaters nicht allzu viel zu befürchten, vorausgesetzt, daß ich willens sei, mich auf meine Pflicht zu besinnen und mir seine Zuneigung wiederzugewinnen. Mein Bruder blieb mit mir die Nacht über in Saint-Denis, doch mußten die drei Bedienten zur Sicherheit in meinem Zimmer schlafen.

Sehr schmerzlich war es für mich, daß ich mich in demselben Gasthof befand, in dem ich auf meiner Reise von Amiens nach Paris mit Manon gewohnt hatte. Der Wirt und seine Leute erkannten mich wieder und errieten meine wahre Geschichte.

Ich hörte den Wirt sagen: »Das ist ja der nette Junge, der vor sechs Wochen mit dem kleinen Fräulein, das er so sehr liebte, hier auf der Durchreise Station gemacht hat. Wie reizend war das Mädchen! Wie zärtlich die armen Kinder sich küßten! Es ist schade, daß man sie auseinandergerissen hat.«

Ich tat so, als hätte ich nichts gehört, und ließ mich sowenig wie möglich sehen.

Mein Bruder hatte in Saint-Denis einen zweisitzigen Wagen bereithalten lassen, mit dem wir in aller Frühe abfuhren, um am Abend des nächsten Tages zu Hause anzukommen. Er sprach zunächst allein mit meinem Vater, um ihn für mich einzunehmen, indem er ihm schilderte, wie geduldig ich mich hatte heimbringen lassen. So wurde ich weniger streng empfangen, als ich erwartet hatte. Mein Vater begnügte sich mit einigen allgemeinen Vorwürfen über mein Vergehen, mich ohne seine Erlaubnis entfernt zu haben. Was meine Geliebte anging, sagte er, so verdiene ich meine bittere Erfahrung wohl, da ich mich einer Unbekannten in die Arme geworfen hätte.

Allerdings habe er eine bessere Meinung von meiner Vernunft gehabt, er hoffe aber, daß dieses kleine Abenteuer mir für die Zukunft eine Warnung sei.

Ich nahm seine Worte in dem Sinne auf, der mit meinen eigenen Ansichten in Einklang stand. Ich dankte meinem Vater für die Güte, mit der er mir Verzeihung gewährte, und versprach ihm eine gehorsame und ordentliche Lebensführung. Im Grunde meines Herzens aber triumphierte ich, denn bei der Art, wie die Angelegenheit beigelegt war, zweifelte ich nicht, schon vor Ende der Nacht Gelegenheit zu finden, aus dem Hause zu entfliehen.

Wir setzten uns zum Abendessen nieder, und man neckte mich mit meiner Eroberung in Amiens und der Flucht mit meiner treuen Geliebten. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel und war sogar ganz froh, mich über das unterhalten zu können, was mir fortwährend im Sinne lag. Aber einige Bemerkungen, die mein Vater machte, ließen mich plötzlich aufhorchen. Er sprach von der Niederträchtigkeit und der eigennützigen Dienstbeflissenheit des Herrn de B. Ich war verblüfft, als ich diesen Namen hörte, und bat meinen Vater um nähere Aufklärung.

Er wandte sich an meinen Bruder und fragte ihn, ob er mir denn nicht die ganze Geschichte erzählt habe. Mein Bruder antwortete, ich sei ihm während der Fahrt so ruhig erschienen, daß er es für überflüssig gehalten habe, mich durch diese Medizin von meiner Tollheit zu heilen. Ich bemerkte, daß mein Vater unschlüssig war, ob er mir Näheres mitteilen solle; doch ich bat ihn so inständig, daß er mich schließlich zufriedenstellte oder vielmehr, daß er mich mit dem schrecklichsten Bericht beinahe hinmordete.

Er fragte mich zunächst, ob ich wirklich so einfältig gewesen sei, zu glauben, meine Freundin habe mich wirklich geliebt, und ich antwortete ihm zuversichtlich, ich sei dessen so sicher, daß mich nichts in meinem Glauben erschüttern könne.

»Ha, ha, ha!« lachte er laut heraus. »Das ist ausgezeichnet! Du bist ein schöner Gimpel, solche Ansichten gefallen mir. Es ist wirklich schade, mein armer Chevalier, daß du in den Malteserorden eintrittst, denn du hast die besten Anlagen, ein geduldiger und bequemer Ehemann zu werden!«

Er spottete noch eine ganze Weile über mich.

Da ich beharrlich schwieg, rechnete er mir endlich vor, daß mich Manon nach der Abreise von Amiens vielleicht noch ganze vierzehn Tage geliebt habe.

»Denn«, meinte er, »soviel ich weiß, hast du am 28. des vorigen Monats Amiens verlassen, und wir haben heute den 29. des gegenwärtigen. Elf Tage ist es her, daß Herr de B. mir geschrieben hat, und ich nehme an, daß er acht Tage gebraucht hat, um mit deiner Geliebten einig zu werden. Wenn man also elf und acht von den einunddreißig Tagen abzieht, die zwischen dem 28. des einen und dem 29. des anderen Monats liegen, so bleiben etwa zwölf Tage übrig.«

Das Gelächter brach von neuem los. Mir aber zog sich das Herz so krampfhaft zusammen, daß ich fürchtete, es nicht bis zum Ende der Geschichte ertragen zu können.

»Ich muß dir also mitteilen«, fuhr mein Vater fort, »da du es nicht weißt, daß Herr de B. das Herz deiner Prinzessin erobert hat. Natürlich ist es eine Lüge, wenn er mir einreden will, daß er dich nur aus uneigennützigem Diensteifer für mich getäuscht habe. Er wäre gerade der richtige Mann, um an einen ihm Unbekannten, wie ich es bin, so edelmütige Gefühle zu verschwenden! Er hat von ihr erfahren, daß du mein Sohn bist, und um sich deiner zu entledigen, hat er mir deine Adresse und deine liederlichen Verhältnisse mitgeteilt und mir zu verstehen gegeben, daß man sich deiner wahrscheinlich nur mit Gewalt versichern könne. Er erbot sich, mir bei deiner Festnahme behilflich zu sein, und nach seinen Anweisungen und sogar auch denen deiner Geliebten hat dein Bruder dich unvorbereitet überraschen können. Bilde dir also auf deine Eroberung nicht zu viel ein! Du verstehst offenbar, schnell zu siegen, Chevalier, aber du verstehst es nicht, deine Eroberungen festzuhalten.«

Ich besaß nicht die Kraft, eine Mitteilung länger anzuhören, von der jedes Wort mein Herz durchbohrte. Ich stand auf, um aus dem Zimmer zu gehen, hatte aber kaum vier Schritte getan, als ich ohne Gefühl und Bewusstsein zu Boden sank. Durch schnellen Beistand brachte man mich wieder zu mir. Ich schlug die Augen auf, um einen Strom von Tränen zu vergießen, und öffnete meinen Mund, um die bittersten und rührendsten Klagen auszustoßen.

Mein Vater, der mich zärtlich liebte, bemühte sich nach bestem Vermögen, mich zu trösten. Ich hörte seine Worte, aber ich verstand sie nicht. Ich beschwor ihn mit gefalteten Händen, mich nach Paris zurückkehren zu lassen, um Herrn de B. niederzustechen.

»Nein«, sagte ich, »er hat nicht Manons Herz erobert, er hat ihr Gewalt angetan. Er hat sie durch ein Zaubermittel oder ein Gift verführt, er hat sie vielleicht mit roher Gewalt gezwungen. Manon liebt mich, das weiß ich gewiß! Er wird sie mit dem Dolch in der Hand bedroht und gezwungen haben, mich zu verlassen. Was wird er nicht alles versucht haben, um mir eine so reizende Geliebte zu rauben! O Gott, o Gott, könnte es denn möglich sein, daß Manon mich verraten und aufgehört hätte, mich zu lieben?«

Da ich immerfort davon sprach, nach Paris zurückzukehren, und da ich die größte Unruhe zeigte, meinen Wunsch in die Tat umzusetzen, sah mein Vater wohl, daß mich in dem Zustand meiner Erregung nichts zurückhalten könne. Er führte mich in eines der oberen Zimmer und beauftragte zwei Bediente, mich nicht aus den Augen zu lassen. Ich war außer mir, ich hätte tausendmal mein Leben geopfert, um nur eine Viertelstunde in Paris zu sein.

Ich begriff nun auch, daß man mir jetzt, nachdem ich mich so offen ausgesprochen hatte, nicht so leicht erlauben werde, das Zimmer zu verlassen. Mit den Augen maß ich die Höhe des Stockwerks, und da ich keine Möglichkeit sah, auf diesem Wege zu entfliehen, wandte ich mich vorsichtig an die beiden Bedienten.

Ich verpflichtete mich mit vielen Eidschwüren, für ihr späteres Glück zu sorgen, wenn sie mir zur Flucht verhelfen wollten. Ich drängte sie, ich schmeichelte ihnen, ich drohte ihnen, aber alle Versuche blieben erfolglos. Da verlor ich jede Hoffnung. Ich beschloß zu sterben und warf mich aufs Bett mit der Absicht, es nicht mehr lebend zu verlassen. Die Nacht und den folgenden Tag verbrachte ich in dieser Lage und verweigerte jede Nahrung, die mir gebracht wurde.

Am Nachmittag besuchte mich mein Vater. Er war gütig genug, mit den sanftesten Trostesworten meinen Schmerz zu lindern, und befahl mir ernstlich, etwas zu essen, so daß ich aus Ehrerbietung gehorchte. Einige Tage vergingen, während deren ich nur in seiner Gegenwart etwas zu mir nahm, um ihm zu gehorchen. Er fuhr fort, mir alle Gründe auseinanderzusetzen, die mich zur Vernunft bringen und mir Verachtung gegen die treulose Manon einflößen sollten. Nun ist es sicher, daß ich keine Achtung mehr für sie empfinden konnte. Wie hätte ich auch das flatterhafteste und treuloseste aller Geschöpfe achten sollen? Aber ihr Bild, ihre reizenden Züge, die ich tief in meinem Herzen bewahrte, ließen sich nicht daraus verbannen.

»Ich kann sterben«, sagte ich. »Es wäre sogar das beste nach so viel Schande und Schmerz. Aber wenn ich tausendmal stürbe, nie könnte ich die undankbare Manon vergessen.«

Mein Vater wunderte sich, mich noch immer so von dieser Leidenschaft besessen zu sehen. Er kannte mich als einen Menschen von empfindlichem Ehrgefühl und war überzeugt, daß ihr Treuebruch mir Verachtung einflößen müsse. Daher vermutete er, meine Beständigkeit finde ihre Ursache weniger in dieser besonderen Leidenschaft als vielmehr in einer allgemeinen starken Neigung zum weiblichen Geschlecht. Er hatte sich so sehr an diesen Gedanken gewöhnt, daß er ihn eines Tages aus herzlicher Zuneigung zu mir offen aussprach.

»Chevalier«, sagte er, »ich hatte bisher die Absicht, dich das Kreuz des Malteserordens tragen zu lassen, aber ich sehe jetzt ein, daß deine Neigungen andere Wege gehen. Du bist schönen Frauen sehr zugetan, und ich bin daher gesonnen, dir eine nach deinem Geschmack auszusuchen. Sage mir offen, wie du darüber denkst.«

Ich antwortete ihm, daß ich keinen Unterschied mehr zwischen den Frauen mache und daß ich sie nach dem Unglück, das mir zugestoßen sei, alle in gleichem Maße verabscheue.

»Ich suche dir eine aus«, antwortete mein Vater lächelnd, »die deiner Manon gleicht, dir aber treuer sein wird.«

»Ach«, sagte ich, »wenn Sie so gütig sein wollen, dann geben Sie mir meine Manon zurück. Seien Sie überzeugt, teurer Vater, daß sie mich nicht verraten hat. Sie ist einer so schwarzen und grausamen Niederträchtigkeit gar nicht fähig. Es ist nur der ruchlose de B., der uns alle getäuscht hat, Sie, Manon und mich. Wenn Sie wüßten, wie zärtlich und aufrichtig sie ist, wenn Sie sie kennen würden, so müßten Sie selbst sie lieben.«

»Du bist ein Kind«, erwiderte mein Vater. »Wie kannst du nach allem, was ich dir von ihr erzählt habe, noch immer so verblendet sein? Sie selbst hat dich deinem Bruder ausgeliefert. Du solltest vernünftig sein, ihren Namen vergessen und dir meine Nachsicht zunutze machen.«

Ich sah ganz klar ein, daß er recht hatte. Es war nur eine unwillkürliche Regung, die mich veranlaßt hatte, die Partei meiner Ungetreuen zu ergreifen.

»Ach«, sagte ich nach einem Augenblick des Schweigens, »es ist nur allzu wahr, daß ich das unglückselige Opfer der schmählichsten Treulosigkeit geworden bin. Ja«, fuhr ich fort, indem ich Tränen des Unwillens vergoß, »ich sehe wohl, daß ich mich wie ein Kind betrage. Bei meiner Leichtgläubigkeit ward es ihnen nicht schwer, mich zu täuschen. Aber ich weiß auch, was ich tun muß, um mich zu rächen.«

Mein Vater wollte meine Absichten erfahren.

»Ich werde nach Paris gehen«, sagte ich, »das Haus dieses Herrn de B. in Brand stecken und ihn mit der treulosen Manon lebendigen Leibes verbrennen.«

Mein Vater lachte über diesen Zornesausbruch und sorgte dafür, daß ich noch strenger in meinem Gefängnis bewacht wurde.

So verbrachte ich ganze sechs Monate und bemerkte anfangs kaum eine Änderung meiner Gesinnung. In meinen Gefühlen wechselten immer nur Haß und Liebe, Hoffnung und Verzweiflung, je nach dem Bilde, das ich mir in meiner Vorstellung von Manon machte.

Man gab mir Bücher, die mein Herz tatsächlich ein wenig beruhigten. Ich las alle meine Lieblingsdichter wieder und lernte neue kennen. Ich bekam allmählich wieder Lust zum Studieren. Sie werden sehen, wie mir dies später zustatten kam. Meine Erfahrungen in der Liebe klärten mir manche Stellen bei Horaz und Vergil auf, die mir vorher dunkel erschienen waren. Ich schrieb einen liebesatmenden Kommentar zum vierten Buch der Äneis. Er soll gedruckt werden, und ich schmeichle mir, daß er dem Publikum gefallen wird.

»Ach«, sagte ich während der Arbeit, »die treue Dido verlangte ein Herz wie das meinige.«

Tiberge besuchte mich eines Tages in meinem Gefängnis. Ich war erstaunt über die Freude, mit der er mich umarmte. Bisher hatte ich noch keine Beweise seiner Zuneigung empfangen, daß ich sie für mehr als nur eine Schülerfreundschaft, wie sie sich oft zwischen jungen Leuten von mehr oder weniger gleichem Alter bildet, hätte ansehen können. Ich fand ihn in den fünf oder sechs Monaten, die ich ihn nicht gesehen hatte, so verändert und gereift, daß mir sein Wesen und die Art seines Ausdrucks Achtung einflößten. Er sprach zu mir mehr als älterer Ratgeber denn als Schulfreund. Er beklagte meine Verirrung und beglückwünschte mich zu meiner Genesung, die er für weit fortgeschritten hielt. Schließlich ermahnte er mich, aus dieser jugendlichen Verirrung Nutzen zu ziehen und mir über die Eitelkeit aller irdischen Freuden keine Illusionen zu machen.

Ich sah ihn erstaunt an, was ihm nicht entging.

»Mein lieber Chevalier«, sagte er, »alles, was ich dir sage, ist die reine Wahrheit, zu der mich eine ernste Prüfung bekehrt hat. Ich hatte eine ebenso starke Neigung zur Sinnlichkeit wie du, aber der Himmel hat mir zur gleichen Zeit auch die Liebe zur Tugend eingegeben. Ich habe mich meiner Vernunft bedient, um die Früchte der einen gegen die andere abzuwägen, und es ist mir nicht schwergefallen, den Unterschied zu erkennen. Die Gnade des Himmels kam meinen Bemühungen zu Hilfe, und mich durchdrang die Verachtung der Welt. Begreifst du nun, was mich noch zurückhält und was mich hindert, die Einsamkeit aufzusuchen? Es ist einzig meine innige Freundschaft, die ich für dich hege. Ich kenne die Vortrefflichkeit deines Herzens und Geistes, es gibt nichts Gutes, dessen du nicht fähig wärest. Das Gift des Vergnügens hat dich vom rechten Wege abgebracht. Welch ein Verlust für die Tugend! Deine Flucht aus Amiens hat mir einen solchen Schmerz bereitet, daß ich seitdem keine frohe Stunde mehr gekannt habe. Die Schritte, die ich deswegen unternommen habe, mögen dich selber urteilen lassen.«

Er erzählte mir nun, wie er zu Pferde gestiegen und mir gefolgt war, als er bemerkte, daß ich ihn getäuscht und mit meiner Geliebten die Flucht ergriffen hatte. Aber bei meinem Vorsprung von vier oder fünf Stunden war es ihm unmöglich gewesen, mich einzuholen. Trotzdem traf er eine halbe Stunde nach meiner Abreise in Saint-Denis ein, und da er nicht zweifelte, daß ich mich in Paris aufhielt, hatte er dort sechs Wochen mit vergeblichen Nachforschungen zugebracht. Er war überall hingegangen, wo ich mich nur hätte aufhalten können, und eines Tages erkannte er meine Geliebte im Theater. Sie trug einen so glänzenden Schmuck, daß er sich sagte, sie müsse diesen Reichtum einem neuen Liebhaber verdanken. Er folgte ihrem Wagen bis zu ihrem Hause und erfuhr von einem Bedienten, sie werde von einem Herrn de B. ausgehalten.

»Ich gab mich damit nicht zufrieden«, fuhr Tiberge fort, »sondern kam am nächsten Tag wieder, um aus ihrem eigenen Munde zu erfahren, was aus dir geworden sei. Als sie mich von dir reden hörte, ließ sie mich einfach stehen, und ich mußte in die Provinz zurückkehren, ohne eine Nachricht über dich erhalten zu haben. Dort erfuhr ich dann dein Abenteuer und hörte, in welch tiefe Niedergeschlagenheit es dich versetzt hat. Aber ich wollte dich nicht besuchen, ehe ich dich einigermaßen beruhigt glaubte.«

»Du hast also Manon gesehen?« sagte ich seufzend. »Du bist glücklicher als ich, der ich verdammt bin, sie niemals wiederzusehen.«

Er hielt mir diesen Seufzer als Zeichen meiner noch nicht überwundenen Schwäche vor. Dann aber machte er so schmeichelhafte Bemerkungen über meinen guten Charakter und meine Geistesgaben, daß in mir von seinem ersten Besuch an der Wunsch erwachte, gleich ihm auf alle Freuden der Welt zu verzichten und in den geistlichen Stand zu treten.

Dieser Gedanke gefiel mir so gut, daß ich, sobald ich wieder allein war, mich mit nichts anderem beschäftigte. Ich erinnerte mich der Worte des Bischofs von Amiens, der mir den gleichen Rat gegeben und das glücklichste Schicksal prophezeit hatte, wenn ich ihm folgen würde. »Ich werde ein weises und christliches Leben führen«, sagte ich mir. »Ich werde mich mit den Wissenschaften und der Religion beschäftigen und daher gar nicht dazu kommen, an die gefährlichen Freuden der Liebe zu denken. Die Ideale der großen Menge werde ich verachten, und da ich sicher bin, daß mein Herz nur das begehren wird, was es auch verehren darf, so werde ich ebensowenig Sorgen wie Wünsche haben.«

In dieser Art malte ich mir schon im voraus ein ruhiges und einsames Leben aus. Ich dachte mir ein abgelegenes Haus mit einem kleinen Wäldchen und einem stillen Bach am Rande des Gartens, eine sorgsam ausgewählte Bibliothek, eine kleine Zahl tugendhafter und verständiger Freunde, einen guten, aber einfach und mäßig bestellten Tisch. Dazu noch ein Briefwechsel mit einem Freund in Paris, der mich mit Neuigkeiten versorgen sollte, weniger um meine Neugier zu befriedigen, als um mich über das törichte Treiben der Menschen zu unterrichten.

Ein solcher Lebensplan entsprach durchaus meinen Neigungen. Wenn ich aber meinen weisen Vorsatz ganz bis zu Ende gedacht hatte, dann fühlte ich, daß mein Herz doch noch einige Ansprüche geltend machte und daß, wenn ich in dieser Einsamkeit wunschlos glücklich sein wollte, ich diese mit Manon teilen müsse.

Da aber Tiberge fortfuhr, mich häufig zu besuchen, um mich in dem Entschluss zu bestärken, den er mir eingeflößt hatte, ergriff ich eine Gelegenheit, ihn auch meinem Vater zu eröffnen. Er erklärte mir, es sei sein Grundsatz, seinen Kindern bei der Wahl ihres Berufes freie Hand zu lassen, und wie ich auch über mich verfügen wolle – er behalte sich nur das Recht vor, mich mit seinem gutem Rat zu unterstützen. Er ließ mir auch sehr weise Lehren zuteil werden, die mir meine Entscheidung nicht verleiden, sondern vielmehr mir die dazu dienlichen Erfahrungen übermitteln sollten.

Der Beginn des neuen Schuljahres nahte. Ich kam mit Tiberge überein, gemeinsam das Seminar von Saint-Sulpice zu beziehen, wo er seine theologischen Studien zu beenden und ich die meinen zu beginnen gedachte. Durch seine bisherigen Verdienste, die dem Bischof der Diözese bekannt waren, erhielt er von diesem Prälaten noch vor unserer Abreise eine gute Pfründe.

Mein Vater war überzeugt, daß ich von meiner Leidenschaft völlig geheilt sei, und machte keine Schwierigkeiten, mich abreisen zu lassen. Wir kamen in Paris an, wo ich das Malteserkreuz mit dem geistlichen Gewand und den Namen Chevalier mit dem des Abbé des Grieux vertauschte. Ich widmete mich dem Studium mit einem solchen Eifer, daß ich in wenigen Monaten außerordentliche Fortschritte machte. Ich verbrachte sogar einen Teil der Nacht damit und verlor am Tage keinen Augenblick.

Mein Ruf war so glänzend, daß man mich bereits zu den Würden beglückwünschte, die mir sicher waren, und daß man meinen Namen ohne mein Zutun auf die Pfründenliste setzte. Auch vergaß ich die Frömmigkeit nicht und beteiligte mich mit Eifer an allen religiösen Übungen. Tiberge, der dies alles als sein Werk betrachtete, war entzückt.

Ich glaubte mich ganz befreit von den Schwächen der Liebe. Es schien mir, als zöge ich das Lesen einer Seite des heiligen Augustinus oder eine Viertelstunde christlicher Meditation allen Vergnügungen der Sinne vor, ohne die auszunehmen, die mir Manon bereiten konnte. Und doch stürzte mich ein einziger unglückseliger Augenblick in den Abgrund, und mein Fall war um so endgültiger, als ich mich plötzlich wieder in derselben Tiefe befand, aus der ich mich kaum erhoben hatte.

Ich hatte fast schon ein Jahr in Paris zugebracht, ohne mich nach Manon zu erkundigen. Zuerst hatte mich diese Selbstverleugnung viel Überwindung gekostet, aber dank den stets gegenwärtigen Ratschlägen von Tiberge und meinen eigenen Überlegungen gelang es mir doch, den Sieg davonzutragen. Die letzten Monate waren so ruhig verlaufen, daß ich glaubte, ich hätte dieses reizende und treulose Geschöpf für immer vergessen.

Die Zeit kam, da ich in der theologischen Fakultät ein öffentliches Examen zu bestehen hatte, und ich ließ mehrere Personen von Ansehen bitten, mir dabei die Ehre ihrer Anwesenheit zuteil werden zu lassen. Mein Name drang in alle Viertel von Paris und auch zu den Ohren meiner Ungetreuen. Sie erkannte ihn hinter dem Abbé-Titel nicht mit Sicherheit wieder, aber eine gewisse Neugierde oder vielleicht auch Reue über ihren Verrat (ich bin mir nie darüber klargeworden, welches von beiden Gefühlen es war) weckten ihr Interesse an einem dem meinen so ähnlichen Namen. So kam sie mit einigen anderen Damen in die Sorbonne, wohnte meinem Examen bei und hatte zweifellos Mühe, mich wiederzuerkennen.

Ich selbst hatte nicht die geringste Ahnung von ihrer Anwesenheit, denn es gibt ja bekanntlich an diesem Ort besondere, mit einem Holzgitter ausgestattete Logen für Damen. Ich kehrte mit Ruhm bedeckt und mit Komplimenten überhäuft kurz nach Saint-Sulpice zurück. Es war sechs Uhr abends, als man mir nach meiner Rückkehr mitteilte, eine Dame wünsche mich zu sehen. Ich begab mich sogleich ins Sprechzimmer. O Gott, welch eine überraschende Erscheinung! Es war Manon!

Sie war es wirklich, nur schöner und strahlender, als ich sie jemals gesehen hatte. Sie war gerade achtzehn Jahre alt, und ihre Reize übertrafen jede Beschreibung. Ihr feines, süßes und gewinnendes Wesen war das Bild der Liebe selbst.

Bei ihrem Anblick blieb ich sprachlos stehen, und da ich nicht erraten konnte, was sie mit ihrem Besuch beabsichtigte, wartete ich bebend und mit gesenktem Blick auf ihre Erklärung. Eine Zeitlang war sie ebenso verwirrt wie ich; da sie aber sah, daß ich fortfuhr zu schweigen, hob sie die Hand vor ihre Augen, um einige Tränen zu verbergen. Mit schüchterner Stimme bekannte sie mir, daß ihre Untreue meinen Haß verdiene. Aber wenn es wahr sei, daß ich jemals auch nur ein wenig Liebe für sie empfunden habe, so sei es doch sehr hart von mir gewesen, zwei Jahre vergehen zu lassen, ohne mich nach ihrem Schicksal zu erkundigen. Und es sei auch ferner eine Grausamkeit, jetzt nicht einmal ein Wort an sie zu richten, da ich sie in einem solchen Zustand vor mir sähe. Ihre Worte brachten mich in eine Verwirrung, die sich nicht ausdrücken läßt.

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