Kitabı oku: «Ein Haus voller Robinsons», sayfa 3
Aaaargh!
Am liebsten hätte ich beide Hände ausgestreckt und die letzten neun Worte, die ich gesprochen hatte, aufgefangen, bevor sie seine Ohren erreichen konnten. Natürlich konnte ich das nicht. Das kann man nie, nicht wahr? Sie waren gesprochen.
Sie waren heraus. Sie waren dabei, anzurichten, was immer sie anrichten würden. Der waidwunde, verdatterte Ausdruck in Mikes Augen war unerträglich. Ich schob meinen Stuhl zurück, ging um den Tisch und trat hinter ihn, um mit den Armen seine Brust zu umschlingen und meinen Kopf an seinen zu lehnen.
„Bitte hör nicht auf das, was ich gesagt habe, Mike. Ich weiß, ich habe mich furchtbar benommen. Ich habe letzte Nacht kaum geschlafen. Ich hätte dich heute Morgen bitten sollen, aufzustehen, anstatt den Rest der Welt meiner schlechten Laune auszusetzen. Ich bin dauernd aufgewacht, habe mir Sorgen gemacht, habe gegrübelt und mir den Kopf zerbrochen …“
„Worüber hast du dir den Kopf zerbrochen?“
Seine Stimme hörte sich furchtbar kalt an.
„Ach, alles mögliche - blödes Zeug. Es ist doch immer dasselbe; in der Nacht kommt einem alles viel schwerwiegender und ernster vor, nicht wahr? Mir ist einfach jedes Augenmaß flöten gegangen. Du weißt doch, wie ich bin, wenn ich nicht schlafen kann - die Ehefrau und Mutter, die aus der Hölle kam.“
Mir sank das Herz. Der Oberkörper meines Mannes fühlte sich irgendwie starr und unnachgiebig an. Mike war ein sehr freundlicher Mann. Normalerweise hätte ihm allein die Erwähnung von Schlafmangel oder einer schlechten Nacht zumindest ein Tätscheln meiner Hand entlockt. Diesmal nicht. Sorgfältig streifte er meine Arme von sich, stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und sprach, ohne mich anzusehen.
„Und eines der Dinge, über die du dir den Kopf zerbrochen hast, war, wie du nur jemals so einen Langweiler wie mich heiraten konntest, was, Kathy?“
Mir wurde klar, dass ich ihm die Wahrheit schuldig war.
„Mike, ich will nicht …“
„Was?“
„Ich sage es dir gleich. Lass mich nur erst etwas erledigen.“
Ich schnappte mir Marks Elefantenfrühstück vom anderen Ende des Tisches, ging damit durch die Diele, öffnete die Haustür und taufte es in fast einem halben Liter von der Milch, die unsere kürzlich so abrupt verstummte Molkereiprodukteunternehmerin auf unserer Türschwelle zurückgelassen hatte. Als ich wenig später mit diesem Friedensopfer in Marks Zimmer kam, war er ein wenig verdattert, nahm es aber sehr erfreut an. Eine Riesenschüssel Müsli in der Hand wiegt schwerer als jeder noch so berechtigte Groll.
„Tut mir Leid wegen eben, Mum“, tönte es mir hinterher, als ich die Treppe hinabstieg.
„Mir auch.“
Das alte Spiel. Einer wirft eine Entschuldigung in den Ring, und ein anderer hebt sie auf. Wer was tut, ist eigentlich egal.
Als ich zurück in die Küche kam, saß Mike immer noch genauso da, wie ich ihn verlassen hatte, und starrte mit einem so traurigen, tiefernsten Gesicht ins Leere, dass es mich durchfuhr wie ein scharfer Dolch. Ich setzte mich neben ihn.
„Was willst du nicht?“ fragte er ganz leise, als wäre ich gar nicht aus dem Zimmer gegangen.
„Ich will nicht fünfzig werden“, sagte ich und brach in Tränen aus.
3
„Wessen Idee war denn nun diese Party?“
„Erstaunlicherweise war es Mikes Idee, Dip. Er meinte, wir könnten die alten Zeiten zwar nicht zurückholen, aber wir könnten uns zumindest erinnern, wie es damals war, indem wir eine Sixties-Party veranstalten. Ich finde die Idee klasse. Und dann meinte er, wir sollten gleich nächsten Samstag feiern, direkt an meinem Geburtstag, und ich sagte ihm, so kurzfristig könnten die Leute bestimmt alle nicht kommen. Aber er meinte, versuch's doch. Also habe ich das Adressbuch herausgeholt und auf der Stelle Dutzende von Leuten angerufen, und bisher haben alle zugesagt. Und die Woche danach ist Semesterpause, sodass wir eine ganze Woche haben, um uns zu erholen. Also - die Sache läuft! Aufregend, was?“
„Wieso findest du es denn erstaunlich, dass Mike auf diese Idee gekommen ist?“
„Ach, na ja, ich meine - es ist schon verblüffend, wenn man bedenkt, wie er sich immer über alles beschwert, was ein großes Chaos hervorruft. Du kennst ihn doch so gut wie ich.“
„Ich finde die Idee auch toll“, mischte sich die zehnjährige Felicity ein, nachdem sie zum Sprechen ihren Kuli zwischen den Zähnen hervorgezogen hatte. „Du wirst ein Zwanzigstel Jahrtausend alt, Mami. Wie viele von meinen Freundinnen darf ich einladen? Dürfen wir den großen Fernseher rauf in Marks Zimmer holen und Videos gucken?“
Es war früher Nachmittag, und im Hause Robinson war wieder so etwas wie Friede eingekehrt. Zu den Merkwürdigkeiten unseres Lebens gehört die Art, wie sich hochdramatische und kreuzgewöhnliche Szenen ganz natürlich abzuwechseln scheinen. Auch wenn wir um zehn Uhr noch in finsterster Verzweiflung waten, kann es durchaus sein, dass wir uns um elf schon wieder vor Lachen die Bäuche halten oder Erbsen schälen und über die Küchenrollenpreise diskutieren. Als Dip um elf eintraf, war Felicity inzwischen mit einer lächerlich übertriebenen Partytüte voller ungesund aussehender Süßigkeiten und Buntstifte von Caroline zurückgekehrt (Carolines Mutter, Sally Burton, fiel es schwer, einzusehen, dass ihr kleines Mädchen nicht mehr sechs war, und in dieser Hinsicht war sie schon immer äußerst ehrgeizig gewesen), und Mark war zu seinem Wochenendjob im Schreibwarenladen an der High Street gegangen. Mike und ich, eben noch der Scheidung nahe, waren unglaublicherweise innerhalb einer knappen halben Stunde wieder zu zuckersüßer Verliebtheit durchgedrungen, und jetzt war er losgefahren, um ein kräftiges Mittagessen zu sich zu nehmen, ganz ungewöhnlich frei von Schuldgefühlen eine ausgiebige Runde Golf zu spielen und sich auf einen milden, ehelichen Flirt mit seiner reumütigen Frau nach seiner Rückkehr zu freuen.
„Was machst du denn so auf deiner Party, Mami? Essen und reden und im Kreis sitzen und Sachen verkaufen, die keiner haben will?“
Beide saßen wir eine Sekunde lang schweigend da und verdauten innerlich Felicitys Vorstellung davon, was für eine Art von Party Erwachsenen Spaß machte.
„Ganz bestimmt nicht, du völlig irregeleitetes, albernes kleines Mädchen“, erwiderte ich schließlich. „Deine Mami wird eine Party feiern, wie wir sie in den Sechzigern immer gefeiert haben. Das Haus wird rammelvoll sein mit Leuten, die mich sehr gern haben, und alle werden im Haus herumwimmeln und sich zu laut gestellte David-Bowie-Platten anhören und kompletten Quatsch über den Sinn des Lebens miteinander reden - das ist Vorschrift. Und in einem Zimmer werden alle ihre Jacken aufstapeln, wenn sie kommen, und am Ende werden sie Schwierigkeiten haben, sie wieder zu finden. Fehlt noch was, Dip?“
Dip sah mich einen Moment lang seltsam an, dann senkte sie den Blick und massierte sich mit den Fingerspitzen die Kopfhaut.
„Na ja, ich schätze, irgendwo in der Nähe der Küchentür wird es eine Nische geben, in der ich den ganzen Abend über von einem Mann mit Mundgeruch belagert werde, der mir in allen abscheulichen Einzelheiten die Dinge schildert, die ihm das Leben zur Hölle machen. Ohne das wäre es nicht die Sorte Sechziger-Party, die ich in Erinnerung habe.“
„Ihr seid ja gaga“, verkündete Felicity. „Darf ich Caroline anrufen?“
„Du bist seit gestern am frühen Abend ununterbrochen mit ihr zusammen gewesen. Was hast du denn innerhalb der letzten vierzehn Stunden Lebenswichtiges zu sagen vergessen? Warum musst du sie jetzt unbedingt anrufen?“
Die Augen vor Konzentration weit aufgerissen, tippte sich Felicity mit dem Ende ihres Kulis gegen die Zähne, während sie sich eine Antwort überlegte.
„Natürlich weil ich ihr von der Party erzählen will.“
„Na schön, aber räume erst deine Stifte und dein Papier weg.“
„Aber ich will doch gleich weitermachen, Mami. Da hat es doch keinen Sinn, jetzt alles wegzuräumen, oder?“
„Gut, aber wenn du nachher nicht weitermachst, wirst du streng bestraft. Also geh!“
„Darf ich von deinem Zimmer aus telefonieren?“
„Ab mit dir!“
Dip lachte voller Zuneigung, als meine schlanke, goldhaarige Tochter durch die Tür davonwirbelte und dabei eine alberne Grimasse schnitt.
„Ist sie nicht zum Fressen? Früher habe ich mir immer gewünscht, sie würde klein bleiben, aber ich bin froh, dass es nicht so gekommen ist.“
Mir wurde warm ums Herz, als ich den zärtlichen Ausdruck auf dem Gesicht meiner Freundin sah. Dip (ihr wirklicher Name war Elizabeth Reynolds) kannte Felicity schon, seit sie ein Baby gewesen war, und liebte sie wahrscheinlich genauso sehr wie wir. Außerdem war sie meine beste Freundin und auch beim Rest der Familie sehr beliebt, besonders bei Mark, der in ihr manches zu finden schien, was er brauchte (Annahme wäre ein triviales Beispiel) und bei mir selten finden konnte. Ich muss zugeben, dass ich gelegentlich mit einer gewissen Bitterkeit über diese Tatsache zu kämpfen hatte, doch in meinen besseren Momenten war ich froh, dass sie in den letzten Jahren für ihn da gewesen war. Sie und ich waren in mehrfacher Hinsicht sehr verschieden. Ich war wild, sie war mild. Alles an Dip war behaglich und tröstlich. Mich hätte nie jemand als behaglich beschrieben. Ich war dunkelhaarig, wie mein jüngerer Sohn, und etwas größer als der Durchschnitt. Sie war ein paar Jahre älter als ich, ziemlich groß, hatte kurze, helle Haare, umwerfend blaue Augen und einen leichten, aber unverkennbaren australischen Akzent, der aus ihren Jugendjahren in Adelaide zurückgeblieben war. Sie hatte eine Teilzeitstelle als Krankenschwester in einem hiesigen Krankenhaus und gehörte derselben Gemeinde und demselben Hauskreis an wie wir. Gemeinsam war uns ein äußerst alberner Sinn für Humor, eine schamlose Vorliebe für den besten Sherry der Welt und eine echte Leidenschaft für Gott. Diese drei Dinge schienen uns durch die meisten Situationen hindurchzubringen.
Vor einigen Jahren hatten wir als Familie entschieden, dass wir alle uns sehr wünschen würden, dass Dip bei uns einzog. Kurz vor unserem Abflug zu einer Amerikareise sprachen wir ihr eine feierliche, absolut unwiderrufliche Einladung aus, um dann unser Haus und unsere beiden Stabschrecken Rowan und Kimberley (die beide inzwischen längst in das große himmlische Brombeerfeld dahingeschieden sind) ihrer Obhut zu überlassen, während sie versuchte, bis zu unserer Rückkehr eine Entscheidung zu treffen, ob sie auf Dauer zu uns ziehen wollte oder nicht. Wir waren alle ziemlich überrascht, als sie uns eröffnete, sie habe beschlossen, in ihrem kleinen Häuschen mit Terrasse am anderen Ende von Standham zu bleiben, doch als ich später sah, was sie darüber geschrieben hatte, wie es ist - nun, wie es ist, sie zu sein, verstand ich sie, glaube ich. Komisch, nicht? Gerade, wenn man glaubt, jemanden gut zu kennen. (Übrigens, wenn Sie wissen wollen, wie sie zu ihrem Spitznamen kam - ich werde mich damit jetzt nicht aufhalten, denn auch darüber hat sie schon alles geschrieben.)
„Nun erzähl schon, Kathy - wie ist dieser ganze Schlamassel zustande gekommen?“
Dip kam zurück auf unser Gespräch, das unterbrochen und radikal umgelenkt worden war, als Felicity ins Wohnzimmer kam, um mit ihrer dritten unvollendeten Aktivität an diesem Morgen zu beginnen, seit sie von den Burtons zurückgekommen war.
„Nun …“
„Plötzlich kam die Fünfzig auf dich zu wie ein D-Zug, und du bist in Panik geraten, weil das Leben, dieser Halunke mit dem gezwirbelten Schnurrbart, dich an die Schienen gefesselt hat? So habe ich es damals mehr oder weniger empfunden.“
„Ja, ich glaube, es war - ist dir das mit dem, gezwirbelten Schnurrbart‘ einfach so eingefallen, Dip, oder hast du das einstudiert? Ich wette, du wartest schon seit einer Ewigkeit darauf, das mal beiläufig ins Gespräch einstreuen zu können, stimmt's?“
Sie warf den Kopf zurück und lachte.
„Tut mir Leid. Rede ich sonst so langweiliges Zeug, dass so ein armseliger, plötzlicher Anfall von Metaphorik besonders gefeiert werden muss? In dem Fall hätte ich gern einen kleinen Sherry.“
„Ich dachte schon, du würdest nie danach fragen. Wie du weißt, haben wir eine kleine Flasche eigens zum Feiern von Metaphern beiseite gestellt, in der grammatischen Abteilung unseres Barschranks.“
Zwei Minuten später hielt jede von uns ein Glas Bristol Cream in der Hand. Ich nahm einen genießerisch-ehrfürchtigen Schluck und beschloss, Dips Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.
„Vor ein paar Wochen waren Mike und ich bei den Handleys zum Abendessen eingeladen. Die wohnen in einem dieser riesigen viktorianischen Häuser in der Swan Road; du weißt schon, die mit den großzügigen Einfahrten und den schönen, großen Schiebefenstern, die sogar noch funktionieren. Du kennst doch die Handleys, oder? Ich glaube, sie arbeitet an den meisten Vormittagen in dem Wohltätigkeitsladen im Einkaufszentrum, und Frank war irgendein mächtig hohes Tier im Zusammenhang mit dem Unterhaus, bevor er in den Ruhestand ging, aber er war kein Abgeordneter oder so. Früher sind sie immer bei uns in die Kirche gegangen, wenn du dich erinnerst; dann blieben sie aus irgendeinem Grund weg. Vor ein paar Monaten hat Mike Frank bei einer Ausschusssitzung getroffen, und -“
Dip hob ergeben die Hand.
„Ich weiß, wen du meinst. Gut kannte ich sie zwar nie, aber trotzdem, ich weiß, wen du meinst.“
„Na ja, ist ja eigentlich auch egal. Wir kannten sie auch nicht besonders gut, das war ja das Problem. Deswegen waren wir beide ein bisschen steif und nervös. Dieses Haus!“ Ich senkte meine Stimme, als fürchtete ich, die Handleys kauerten vielleicht hinter dem Sofa und lauschten. „Dip, so etwas habe ich noch nie gesehen. Ein riesiges Ding, überall Leder und poliertes Holz und Antiquitäten und Sachen aus Elefantenfüßen, und eine fest angestellte Haushälterin - du kannst es dir vorstellen. Ich glaube, Mike ist durchaus ein ganz kleines bisschen empfänglich für echte feudale Eleganz …“
„Oh, ich auch, fürchte ich“, seufzte Dip.
„Und er gibt sich dann immer so einen komischen Anschein von Gelassenheit, besonders, wenn er ein oder zwei Gläschen intus hat. Es ist schwer zu beschreiben - irgendwo zwischen Sentimentalität und fadenscheiniger Weltgewandtheit. Macht mich wahnsinnig, besonders, weil er meistens von mir erwartet, dass ich seinen bemüht geistreichen Sprüchen oder seinem dünnen Altblech aus hausgemachter Philosophie auch noch Beifall spende. Dabei möchte ich ihm am liebsten nur sagen, er soll endlich den Mund halten.“
„Aber du tust es nicht?“
„Nein, natürlich nicht. Nicht, wenn ich es mir irgendwie verkneifen kann. Bei den Handleys war ich aber nahe dran. Nach dem Essen kamen wir auf das Thema, Ehe in dieser unserer Zeit‘. Du weißt ja, wie das ist, wenn man bei Leuten, die man nicht besonders gut kennt, zum Abendessen eingeladen ist. Irgendwie lässt man sich von einer Welle begeisterter Einmütigkeit über so ziemlich alles im Universum davontragen, weil alles andere viel zu mühsam wäre, und nach einer Weile hört man sich selbst absoluten Quatsch reden oder Dinge sagen, mit denen man eigentlich überhaupt nicht einverstanden ist, und das Hirn wird einem ganz stumpf und weich, und man möchte am liebsten nach Hause gehen und vor Scham sterben. Jedenfalls stimmten wir alle feierlich darin überein, dass die jungen Paare heutzutage nicht mehr das moralische Format haben, das junge Paare früher hatten, und dass, Hingabe‘ ein Wort sei, dessen Bedeutung heute niemand mehr kenne, beim Zeus, und dass man zu unserer Zeit (wobei die Zeit der Handleys erheblich länger zurückliegt als unsere Zeit, wie ich anmerken möchte, aber wir waren zu höflich oder zu feige, sie daran zu erinnern) sein Versprechen gab und sich verdammt noch mal daran hielt, durch dick und dünn und so. Dann sagte Frank Sowieso, wo seiner Meinung nach das eigentliche Problem liege. Das eigentliche Problem, verkündete er, sei, dass die jungen Leute heutzutage von der Ehe ein nie endendes Feuerwerk erwarteten (ein bedeutsames Nicken, um anzuzeigen, dass er damit die, ehelichen Unannehmlichkeiten‘ meinte, wie diese Gestalt bei Harry Enfield es nennt) und einfach aufgäben, wenn sich diese Erwartung nicht erfülle. Mike stimme doch sicherlich mit ihm überein, erkundigte er sich zuversichtlich, dass solche Erwartungen lächerlich seien.
Das gab Mike den Anstoß zu einer seiner kleinen Ansprachen, von denen wir Skeptiker argwöhnen, dass sie nur dazu da sind, sich das Wohlwollen von Leuten zu sichern, denen er sich unterlegen fühlt. Mir wird jedes Mal schlecht davon! Dip, es wäre ja nicht schlimm gewesen, wenn er nur genickt und irgendetwas gegrunzt hätte, was man als vage Zustimmung hätte interpretieren können - ich meine, mir ist es ja eigentlich egal, wie die Handleys über unser Sexleben denken - aber das hat er nicht getan.
,Nein‘, sagte der Stilfürst der Lehrerwelt, der Oscar Wilde von Standham, während er den Brandy in seinem Glas kreisen ließ und mit Kennermiene schlürfte., Ich glaube nicht, dass man das, was in einer gereiften Beziehung vor sich geht, als Feuerwerk beschreiben könnte. Nein, Frank, ich würde sagen, dass die Ehe auf lange Sicht eher einem jener wunderbaren, schweren alten Aga-Öfen gleicht - findest du nicht auch, Kathy? Sie halten Jahrzehnte, wenn man sich richtig um sie kümmert, man kann in ihnen eine wirklich vorzügliche Glut zustande bringen, und sie produzieren wirklich gute Mahlzeiten, solange man sie nur hin und wieder ein bisschen stochert.‘ Dip, dieser Sherry ist ziemlich teuer. Wenn du nicht aufhörst, ihn durchs ganze Zimmer zu spucken, kriegst du nächstes Mal keinen mehr.“
„Tut mir Leid!“ prustete Dip. „Wirklich. Gib mir noch einen. Meine Güte, ich wette, hinterher hat er sich gewünscht, er hätte das nicht gesagt.“
„Oh ja, hinterher, darauf kannst du deine besten Strumpfhalter verwetten. In dem Moment jedoch lehnte er sich nur zurück und leckte all die teuren, kehligen Heiterkeitslaute der vornehmen Herrschaften auf. Im Auto auf dem Heimweg meinte er dann, es sei doch eigentlich ganz nett gewesen, oder? Und ich gab meine berühmte Impression einer nach vierundzwanzig Stunden im Kühlschrank servierten Gurke zum Besten und sagte:, Ich gebe bedauernd bekannt, dass der schwere alte Aga aufgrund ständiger Vernachlässigung erloschen ist und eine komplette Überholung erfordert, bevor er wieder funktioniert. Aus diesem Grund ist heute Abend keinesfalls mit einer Glut zu rechnen, und in absehbarer Zukunft solltest du keine wirklich guten Mahlzeiten erwarten, auch wenn du hin und wieder ein bisschen stocherst.‘ Erst da wurde ihm klar, dass ich von seinem kleinen geistreichen Ausfall nicht sonderlich beeindruckt war. Am nächsten Morgen haben wir darüber gelacht, aber …“
„Aber es hat dich zum Nachdenken gebracht.“
„Ich glaube, es war eine Art Auslöser, Dip. Ich wurde auf einmal sehr traurig, und mich packte die Sorge und Panik vor dem Altwerden und davor, dass alles allmählich ausläuft und flach wird. Ich will kein schwerer alter Aga-Ofen sein, der manchmal glüht. Es reizt mich überhaupt nicht, eine dieser hoch geachteten christlichen Frauen im Kostüm zu sein, mit freundlich-traurigen Augen, die einmal aus den allerbesten Gründen der Versuchung widerstanden haben und nun in einer vernünftigen, dauerhaften Beziehung ohne Feuerwerk leben und sogar ein Andachtsbuch zur Fastenzeit darüber geschrieben haben. Ich will ein paar Leuchtkugeln und Chinakracher und Raketen und - und Sachen, mit denen man sehr vorsichtig sein muss, weil sie gefährlich sein könnten. Es muss doch zumindest die entlegene Möglichkeit bestehen, sich die Finger zu verbrennen, oder nicht?“ Ich hielt inne, nippte an meinem Sherry und fragte mich, wie viel ich noch sagen sollte. „Allmählich machte sich bei mir das Gefühl breit, dass ich eine sehr große Entscheidung zu treffen habe.“
„Worüber?“
„Na ja, auf die Gefahr hin, dass du mich jetzt für vollkommen übergeschnappt hältst, es war - also, für mich sah es so aus. Es war die Entscheidung, ob ich wie ein explodierender Stern zerspringen oder meine Form anpassen sollte wie ein bequemer alter Sessel. Ich fühlte mich einfach noch nicht bereit, alt zu werden und mich für den Rest meiner Tage so zu formen, wie andere Leute mich haben wollten. Das wollte ich auf keinen Fall. Ich wollte alles mögliche andere. Ich wollte noch einmal diese ersten Stadien des Verliebtseins erleben, Dip, wenn man spazieren geht und die gewöhnlichsten Dinge wie Bäume, Busse und Ziegelsteinmauern plötzlich glänzend und lebhaft und strukturiert und bedeutungsvoll aussehen. Erinnerst du dich an dieses herrliche, schwachsinnige Gefühl?“
„Ich erinnere mich -“
„Ich wollte am Samstagvormittag um halb elf in irgendeinem Caf erscheinen, mit Kribbeln im Bauch und Klingeln in den Ohren, weil ich jemanden treffen würde, von dem ich die ganze Nacht über geträumt und für den ich mich seit dem Aufstehen angezogen und schön gemacht hatte. Ich wollte im Herbst unter Trauerweiden hindurch an einem Flussufer entlanggehen, wie Mike und ich es taten, als wir einander oben in Durham entdeckten und wie alle verliebten Paare seit Anbeginn der Zeit voller Erstaunen feststellten, dass wir über absolut alles unter der Sonne absolut genauso dachten. Ich wollte mich fragen, wann es wohl an der Zeit wäre, zum ersten Mal Händchen zu halten, und ob er mich wohl küssen würde, wenn wir zurück zum Tanzsaal kämen, und mir Sorgen machen, ob ich das auch richtig hinkriegen würde, und - und all diese warmen, süßen Gedanken. Irgendwann in diesem Sommer saß ich einmal bis spätabends in der Küche, alle Türen offen, und spürte, wie so eine zauberhafte, warme Brise von vorn bis hinten durch das ganze Haus zog und mir sanft übers Gesicht strich. Es war ein trauriges, wunderbares Gefühl, und es erfüllte mich mit einer schmerzlichen Sehnsucht nach - nach irgendetwas. Kennst du das -?“
Ich warf meiner Freundin einen Blick zu. Wie gefahrlos kann man manche Dinge sagen?
„Weiter“, sagte Dip. „Du kannst es ruhig ausspucken.“
„Falls es infiziert ist, meinst du? Entschuldigung. Tut mir Leid, ich war einfach einen Moment lang verlegen. Es kommt mir so lächerlich vor, hier am Samstagvormittag um elf in meinem Haus zu sitzen und so etwas zu sagen - aber es hat Momente gegeben, in denen ich mich davonschleichen und in eine Kneipe im nächsten Ort gehen wollte, um mich an die Theke zu setzen, einen zu trinken und zu sehen, ob sich einer an mich heranmacht.“
„Hört sich nicht gerade an wie das mit dem, sich fragen, wann es an der Zeit ist Händchen zu halten‘, was du vorhin erzählt hast.“
Ich stellte mein Glas neben mir auf dem kleinen Tisch ab und verschränkte fest die Finger, während ich versuchte, die richtigen Worte zu finden, um es ihr zu erklären.
„Ach Dip, es war ja nicht so, dass ich mir wirklich einen fünftklassigen Gigolo aus Milton Keynes hätte anlachen wollen - immer vorausgesetzt, es gibt in Milton Keynes überhaupt einen fünftklassigen Gigolo, der sich darauf spezialisiert hat, sich von neunundvierzigjährigen Müttern von drei Kindern anlachen zu lassen. Und ich neige auch nicht dazu, für Filmstars zu schwärmen wie dieses transusige Mädchen, das eine Zeit lang zu uns in den Hauskreis kam.“ Plötzlich musste ich lachen. „Mal ehrlich, Dip, kannst du dir mich in der Rolle der Femme fatale vom Dienst am Freitagabend im, Dog and Duck‘ vorstellen? Es geht nicht einfach um Sex, verstehst du. Mike und ich sind in dem Bereich immer recht gut klargekommen - na ja, meistens jedenfalls - nein, es geht darum, mich reizvoll und attraktiv und - und begehrt zu fühlen. Verstehst du, was ich meine?“
„Also, ich …“
Ich glaube, ich bemerkte sogar, aus den Gedankenwinkeln sozusagen, dass Dip an dieser Stelle ein bisschen angespannt oder merkwürdig aussah, aber ich marschierte weiter, ohne auf eine Antwort zu warten, wie ich es so oft mit meinen engen Freunden tue, fürchte ich, ganz besonders mit Dip. Ich hatte keinen Blick für irgendein Universum außer dem einen, das ausschließlich um Kathy Robinsons willen existierte.
„Nachdem ich also heute Morgen Mike vorgeworfen hatte, er sei ein Langweiler, und dann zugab, dass ich eigentlich nur Angst davor hatte, dass ich alt werden und er denken würde, ich wäre langweilig, war es wie ein aufbrechendes Geschwür - nein, das ist scheußlich, so war es nicht. Es war wie eine zerplatzende Blase - nein, Kommando zurück, es war definitiv ein Geschwür. Wie auch immer, Blase oder Geschwür, es platzte auf, und danach benahmen wir uns plötzlich so süß-klebrig heiß verliebt, wie wir es um diese leidenschaftslose Morgenstunde schon seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt hatten. Und Mike meinte, warum feiern wir nicht den Beginn meiner alten Tage mit einer richtigen, altmodischen Sechzigerjahre-Party mit der richtigen Musik und albernem Getanze auf viel zu engem Raum mit viel zu vielen Leuten und all den anderen Sachen, von denen wir gerade gesprochen haben. Und er versprach mir, ein bisschen sorgenvoll natürlich, da er nun einmal so ist, wie er ist, dass er sein Bestes tun wird, um dafür zu sorgen, dass in unserer Beziehung wieder die Romantik aufblüht. In der Zwischenzeit muss ich den Schaden wieder gutmachen, den ich unserer Freundschaft mit Joscelyn zugefügt habe, mich bei dem Milchmädchen entschuldigen und aktiv nett zu Mark sein, um ihn für diesen Morgen zu entschädigen.
Weißt du, Dip, nichts ist geeigneter, die Aussicht auf sorglose und spontane Leidenschaft in einer Ehe zunichte zu machen, als drei Kinder. Manchmal wünschte ich, sie würden sich irgendwohin aus dem Staub machen und ihren Spaß haben. So, das wär's. Das war mein Tag bisher. Was hältst du davon?“
Ich wusste nicht, was Dip darauf antworten wollte, aber was immer es war, es bekam keine Chance, gehört zu werden, denn in diesem Moment tauchte Felicity wieder auf, einen Bogen Papier mit der Hand umklammernd. Ein komisches, stirnrunzelndes kleines Lächeln ging über Dips Gesicht. Sie signalisierte, sie wolle nur mal kurz auf den Flur hinaus, und verschwand durch die offene Tür.
„Mami, ich habe eine Quizfrage für dich. Welches ist das schrecklichste prähistorische Monster von allen, noch schrecklicher als der Tyrannosaurus Rex oder die Raptoren oder sonst welche in dem Film, den du mich nicht gucken lassen wolltest, Daddy aber doch? Jack hat es mir gerade aufgeschrieben.“
Felicity war wieder voll da und sprühte vor Interesse an dem, was sie mitzuteilen hatte. Jack war ihr ältester Bruder, gerade heimgekehrt von seinem letzten Semester an der Universität und während der Woche mit Zeitarbeit beschäftigt, während er über die banale Frage nachdachte, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen wollte. Jack schien nie aus seinem Bett aufzustehen, wenn es nicht einen außerordentlich guten Grund dafür gab. Da heute Samstag war, sah er nicht einmal einen schlechten Grund, sich zu zeigen. Zweifellos war seine kleine Schwester auf ihn gesprungen, ohne auf sein Stöhnen zu achten, und hatte Unterhaltung eingefordert. Ihre Beziehung war für mich eine ständige Freude. Als Jack mit dem Studium begann, hatte ich große Angst gehabt, dass Felicity dieses Gefühl der Nähe verlieren würde, das während der ersten Jahre ihres Lebens zwischen ihnen bestanden hatte. Doch keine Spur davon.
„Na, dann los“, sagte ich, „lass hören!“
„Okay.“ Sie räusperte sich geräuschvoll und las von ihrem Blatt vor.
„,Der schrecklichste Dinosaurier von allen ist einer, der nicht ausgestorben ist wie die anderen, sondern auch in der heutigen Zeit noch zu finden ist. Er lauert in Bibliotheken, Arbeitszimmern und Buchhandlungen überall in England. Er heißt Thesaurus, und er ist gewaltig, massiv, riesengroß, enorm, g … gigantisch, kolossal, immens, hünenhaft, monströs, titanisch und unermesslich. Deshalb bekommt jeder, der ihn sieht, beobachtet, entdeckt, bemerkt, betrachtet, wahrnimmt, beäugt, besichtigt, erspäht oder anschaut, sogleich Angst, Schrecken, Furcht, Entsetzen, Schock, Panik und Schiss.‘ Schiss!“, wiederholte sie mit einem glockenhellen Lachen. „Ich glaube, das wäre das Richtige, wenn ich einen Dinosaurier sehen würde. Das würde ihn vielleicht davon abhalten, mich zu fressen.“
„Nun, mich würde es abhalten. Nur interessehalber, liebstes Töchterchen“, sagte ich, „weißt du denn, was ein Thesaurus wirklich ist?“
„Ja, Mami“, erwiderte sie seelenruhig und schaute wieder auf ihr Blatt Papier, „das ist eine Sammlung von Begriffen oder Wörtern, geordnet nach ihrem Sinn. Was dachtest du denn, was es wäre?“
Felicity grinste. „Jack wusste, dass du mich das fragen würdest.“
„Ich komme gleich die Treppe hinauf und stopfe deinem Faulpelz von einem großen Bruder Mr. Rogets gesamte Sammlung von Begriffen oder Wörtern, geordnet weiß der Geier wonach, in den Mund. Geh und sag ihm das, und sag ihm, er soll aufstehen und herunterkommen und hallo zu Dip sagen.“
„Ich glaube, Dip ist gegangen, Mami“, sagte Felicity. „Ich habe gerade die Haustür zuklappen gehört.“
„Wie? Was redest du denn da? Nein, sie ist noch da, sie ist nur aufs - aufs Klo oder so gegangen.“
Ich stand rasch auf und ging hinaus in die Diele. Keine Menschenseele zu sehen. Ein Ruf die Treppe hinauf rief ebenfalls keine Antwort hervor. Ich öffnete die Haustür und ging bis vorne ans Gartentor, beugte mich hinüber und hielt in beiden Richtungen unserer Straße Ausschau nach dem vertrauten Anblick von Dips betagtem, aber geliebtem Mini „Daffodil“. Es gab jede Menge freie Parkplätze, einschließlich des Platzes unter dem Baum direkt vor unsrem Haus, wo sie meistens parkte, doch der Mini war nirgends zu sehen. Felicity hatte Recht. Dip war weg.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.