Kitabı oku: «Die 8te Pforte», sayfa 4

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Tiefes Mitgefühlt umfasste mein Herz. „Kann ich dir wenigstens meine Träume borgen?“ Niemand schaute mich an und in seinen Augen lag so viel Trauer, dass ich sehr heftig zu heulen begann. Ein immenser Schmerz durchflutete meine Seele.

„Mir nutzt kein Traum, weil ich keine persönlichen Gefühle mehr habe“, antwortete er sanft und nahm mich an der Hand. „Ich bräuchte dein Geträumtes, damit ich meinen Geist in deine Träume einfliessen lassen kann.“

Ich schluchzte erleichtert auf und umarmte ihn: „Was soll ich tun?“


„Siehst du dort oben die Sternentänzer, die sich in den tiefen Wassern der Träume spiegeln?“ Er wies mit seinem Blick auf die Flammen am Himmel: „Begib dich zu ihnen und träume von mir! Dann komme ich als dein Geträumtes im Traum zu dir und kann dich in deinem emotionalen Empfinden begleiten.“



Kapitel 4

Niemand und Seele

„Niemand, du?“ Plötzlich konnte ich mich wieder erinnern. Es war mein künftiger Begleiter, mein innerer Psychopompos, der mich in meiner zukünftigen Erinnerung durch die Abgründe meiner inneren Schatten führen wird. Deshalb war es für mich auch so ungemein schwer, mich jetzt schon zu konzentrieren, weil das alles erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden wird. Aber mit einem Mal schwebte meine noch unerlebte Zukunft vor meinem inneren Auge, und ich konnte jedes zukünftige Detail vor mir sehen, und da wurde mir klar: Ich werde meine Reise durch das zukünftige Haus der Erinnerungen genauestens protokollieren. Denn: „Die Suche nach dem Tod wird eines Tages zur Aufarbeitung und endgültigen Erlösung meines Schattens werden.“

Dann schlug Niemand die Kapuze seines Mantels zurück und mit einem einzigen Blick wurde mir die Antwort klar: Es war kein Körper aus Fleisch und Blut, sondern es handelte sich um leuchtende Flammen aus regenbogenfarbenem Licht, lebendige Energiemuster, vielleicht eine abstrakte Entsprechung dessen, was sich der Mensch unter einem physischen Körper vorstellt, der sich wie ein starkes Informationsfeld aus meinem Bewusstsein in den Kosmos abstrahlte.

„Ich bin nicht der, den du zu sehen glaubst“, hörte ich seine Botschaft im Sternenmeer, „ich bin der Wächter der Seele am Ende der Träume, der ganz zum Schluss aus dem alten Niemand hervorgehen wird, um dir zu zeigen, an was du dich eines Tages wieder zu erinnern beginnst.“

Seine Augen glühten wie zwei Laserstrahlen, die mit einer höheren Welt in Kontakt waren. Als ich ihn berührte, wechselte sein leuchtender Ausdruck und er schaute mich ruhig und gefasst an, als ob er gerade wieder in meine Träume zurückkehren würde: „Willkommen in meiner Erinnerung: Endlich bist du wieder bei mir – ich liebe dich und vermisse dich so sehr“, hörte ich ihn sagen. „Nie wieder lasse ich dich gehn!“

„Ja, ich liebe dich auch“, wollte ich ihm schon antworten, da merkte ich, Niemand meinte nicht mich – er sprach durch mich hindurch, aber nicht mit mir. Zumindest war es nicht meine Person, der seine Worte galten. Was war geschehen?

Im Spiegel seiner Augen erblickte ich eine wunderschöne Frau: „Ja, ich vermisse dich sehr“, stöhnte sie. Eine weibliche Erscheinung züngelte wie eine Energiesäule in ihm, von der ich keine Ahnung hatte, wie es ihr gelungen war, sich in seiner Pupille zu spiegeln.

Vielleicht war sie durch einen geheimen Seiteneingang gekommen, von oben durch die Decke geschwebt oder auf digitalem Weg irgendwo verschwunden und bei mir im Schockraum wieder aufgetaucht. Ich spürte einen erotischen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Ihr funkelnder Leib war erfüllt von leuchtender Wärme und ich sah den feurigen Strom seiner Worte ihre Lust umschmeicheln. Sein Geist nahm sie auf, und sie fanden ihren Rhythmus in der Liebesglut. Beide schrien ihre Lust hinaus in die Sternennacht.

Niemands Seele

Im gleichen Atemzug spürte ich einen feurigen Reigen von Bildern in meinem Inneren aufsteigen und mit einem Schlag war mir alles klar: Der sexuelle Funke war die geistige Anima aus Niemands Traum. Ich wähnte die himmlische Gestalt hinter mir, von der er mir in seinem Erlebnis erzählt hatte. Im selben Moment hatte ich eine sexuelle Vision. Ich empfand sie über und in mir: Eine geheimnisvolle schillernde Erscheinung in schimmerndem Licht. Sie erfüllte den Raum. Dabei atmete sie eine starke Präsenz und ich saugte ihren Glanz und ihre Ausstrahlung mit voller Seele ein. Zugleich lauschte ich ihren Worten und ich erinnerte mich, ich hatte den Klang ihrer Stimme schon tausendmal in mir gespürt. Eine Welle von freudigem Abschied überrollte mich. Die Freude entsprang der Botschaft, die sie mir sandte. Ich besass die Gabe des Zweiten Gesichts.

Ich roch den Duft der Göttin, hörte ihre Stimme, aber dort, wo normalerweise das Gesicht sass, konnte ich sie nicht persönlich fixieren. Ihr Antlitz war verschwommen, ich konnte ihre Gesichtszüge nicht deutlich erblicken und einen Augenblick dachte ich, es läge an der Perspektive. Ich versuchte erst meinen Kopf herumzudrehen, und als das nicht gelang, meinen Oberkörper anzuheben, um die weibliche Erscheinung in mein Gesichtsfeld zu rücken. Erst da wurde es mir auf einmal klar, dass sie einerseits hinter mir, an meinem Kopfende stand, weshalb ich ihre Züge auch nicht richtig orten konnte. Andererseits hatte ich gleichzeitig ein inneres Gesicht: Es waren die Gesichter aller Frauen, die mir im Leben je nahe standen, und die sich plötzlich mit ihrem vermischten. Sie trug die Gesichtszüge vieler Frauen, die sich mir tief eingeprägt hatten und vor allem das Antlitz aller Gefährtinnen, die ich je geliebt hatte. Gleichzeitig spürte ich, wie mich ihre Augen durchbohrten. Wie brennende Stichflammen drangen sie von hinten durch mich ein und sanken bis zum tiefsten Grund meiner Seele, und irgendwie sah ich an ihrer Stelle … mich selbst!

Im gleichen Moment verliess ich meinen Körper. Ich versuchte dabei, sehr vorsichtig zu sein, um die pulsierende Verbindung zwischen Geist und Leib, die matt in der Dämmerung schimmerte, nicht zu zerreissen. Langsam stieg ich auf. Dabei sah ich mich selbst im Bett unter mir liegen: Ein älterer Herr im Spitalnachthemd, der nach einem schweren Autounfall an einigen Beatmungsmaschinen und Infusionsgeräten angeschlossen war.


Ich blickte mich nach Niemand um und plötzlich war mir klar, die Bilder, die ich empfing, waren keine wirren Träume, sondern vergessene Botschaften aus seinem Traum. Er nickte nur und deutete auf die holde Erscheinung, die von hinten an mein Kopfende trat und mir ihre Hände sanft auf das Haupt legte: „Das ist Seele, meine grosse Liebe oder, wie du sagen würdest, die geliebte Erinnerung aus meinem Traum. Wir begegnen uns ständig auf der Schwelle, denn sie verkörpert meine Sehnsucht nach Liebe, die mich als Wanderer zwischen den Welten festhält.“ Und allmählich dämmerte mir, dass irgendein

Energiestrom in mir Anschauungen aus meinem Seelenreich in meinen organischen Leib übertrug und ich auf irgendeine seltsame Weise zwischen diesen beiden extremen Polen hin- und herschwankte.

Gleichzeitig trat ein schimmerndes Lichtwesen aus mir hervor und hielt meinem anderen Ich im Bett ebenfalls die Hände auf den Kopf. Im selben Augenblick wurde ich von einem warmen Lichtkegel erfasst und ich spürte, wie sich mein ganzes Sein plötzlich in sechs verschiedene Dimensionen aufteilte. Ich war mit mir eins und doch nahm ich mich auf sechs verschiedenen Existenzebenen parallel wahr: Als mehrdimensionales Wesen, das seine menschliche Form verloren hatte. Ich verspürte eine feierliche Stimmung – es fühlte sich wie etwas Grosses an.

„Wir sind gekommen, um dich am Ende des Weges wieder mit uns heimzunehmen“, hörte ich ihre festlichen Gesänge.

„Ist es schon so weit?“, stöhnte es in mir. „Und wo bin ich hier?“

„Du hängst ziemlich hilflos in deiner selbst auserkorenen Mehrdimensionalität drin“, spottete Niemand in seiner liebenswürdigen Art. „Und? Wie fühlt sich dieser ausserordentliche Zustand an?“

„Ich habe meine verschiedenen Persönlichkeitsanteile noch nie so stark gespürt“, erwiderte ich schwach. Ich erlebte mich gleichzeitig ‚verschieden voneinander‘, aber ich konnte nicht richtig mit ihnen kommunizieren: „Bitte erklärt mir, was hier vor sich geht!“, röchelte mein Alltagsverstand.

„Du bist über die Realität hinausgeschossen und hast dich geteilt“, hörte ich ihre Stimmen neben meinem Ohr. „Wir haben schon viele Seelen über die Schwelle geführt, aber so etwas ist uns noch nie passiert.“

„Geteilt?“ Plötzlich nahm ich an ihrer Stelle den behandelnden Arzt und seine Assistentin wahr, die sich mit verschiedenen Apparaturen und Geräten an meinem Leib zu schaffen machten. Ich überlegte noch, was das wohl zu bedeuten hatte und ob das wirklich zwei verschiedene Paare waren, ein himmlisches und ein irdisches … oder ob ich diese Unterteilung nur in meinem Kopf vornahm. Irgendwie war mir aber auch, als hätte ich meinen Körper verlassen, denn obwohl ich einen Teil von mir ganz tief unten in der materiellen Sphäre auf dem Rücken liegend wahrnahm, wusste ich nicht, ob ich meine Augen offen oder geschlossen hatte und ob ich in meinem Leib oder in meinem Traumkörper war. Schmale Blicke glitzerten über mir und funkelten mich an und eine leichte Berührung im Nacken liess mich aufschrecken: „Auf der einen Seite sind wir viel mehr als nur die Summe deiner Teile, andererseits sind wir mit allem verbunden, was du bist.“

„Können wir uns deshalb so gut miteinander unterhalten?“ Ich analysierte die Situation: Ich war vor zwei Stunden überfahren worden und jetzt lag ich im Schockraum im Spital. Und plötzlich schien mir die Sache klar: Meine beiden geistigen Erscheinungen bemühten sich um meine geistige Ablösung oben, während sich das Medizinpersonal unten um meine irdische Hülle kümmerte. Seele blickte mich tiefgründig an und nickte: „Aus Sicht der anderen Seite versteht sich alles wie von selbst, denn die Inhalte im Unbewussten sind so strukturiert, dass sich die Bilder in der Seele von alleine aufspannen, wenn man die kontrollierende Absicht des Verstandes loslassen kann.“

Die beiden Seelenbegleiter waren mir ganz nah: „Wir sind der Erinnerungsimpuls aus dem kollektiven Bewusstseinsspeicher, der sich auf die Frequenzen deines Denkens eingeschwungen hat, sozusagen die Schwelle zwischen dem Unbewussten und dem Ich, deshalb darfst du uns nicht mit der Gesamtheit deines Selbst verwechseln, aber im Dialog miteinander bilden wir den Schnittpunkt zwischen den Welten, wo Erkenntnisse hin- und her fliessen. Das ist der Begegnungsort mit den sechs Geistern.“

„Geister?“, stöhnte ich. „Soll das heißen, dass ich nichts über mein eigenes Wesen weiß?“ Ihre Botschaft verführte mich zu endlosen Spekulationen. „Das macht mir aber grosse Angst!“ Schmerzhaft verzog ich den Mund.

Seele hob ihren Blick und schaute versunken in die Ferne: „Das menschliche Ego verliert den Boden unter den Füssen immer wieder und besonders ganz am Schluss. Der Tod zieht alles in die Tiefe. Jede Zeit geht zu Ende, alles muss sterben, nichts bleibt bestehen.“ Dann reichte sie mir tröstlich die Hand.

„Das wird ja immer toller …“ Ich spürte, wie der Hauch des Lebens langsam verging. Ich fühlte die Hand des Todes auf meiner Stirn.

„Sind Krisen deshalb nicht immer auch ein notwendiger Teil der individuellen Entwicklung?“ Ich fühlte das Ende, wie es langsam in mich hineinkroch. „Krisen sind der Ausdruck eines Prozesses im Menschen, den man mit der Angst vor dem Leben umschreiben könnte“, tönte es geheimnisvoll zurück, „denn Glück und Zufriedenheit sind nicht erzwungenermassen Bestandteile der Evolution. Das menschliche Wachstum liegt nicht nur in der weisen Erkenntnis, sondern auch im ständig zunehmenden Intellekt, der in den Lösungen auf die Probleme von gestern die Probleme von morgen schafft, die dann wiederum nach den Lösungen von übermorgen verlangen.“

„Aber warum kann der Mensch dann nicht lernen, bescheidener zu werden?“, wagte ich entmutigt einzuwenden.

„Sobald der Mensch aufhören würde, ständig mehr und mehr zu wollen, bräche alles zusammen“, setzten sich die Worte in meinen Gehörknöchelchen fest. „Das bedeutet auch: Er müsste sich nicht nur auf ein Ziel ausrichten, das er ständig zu erreichen sucht, sondern gleichzeitig auch merken, dass diese Suche sein Ende wäre, falls er den Ort wirklich erreichen würde!“

„Sagt mir, ist das unser letzter Austausch, bevor ich mich wieder mit dem Geist vereine?“, schlich sich eine andere Frage in mein Hirn und die alte Sehnsucht nach dem Himmlischen war wieder da. Tränen flossen mir übers Gesicht.

„Nach der Vermischung mit den sechs Geistern fliesst du als ein Ausdruck alchimistischen Ringens um die letzten Geheimnisse der menschlichen Dinge in das kosmische Nichts zurück“, strömte es als Antwort aus meiner Seele. „Jeder Erfahrung, die über das Wesen eines Menschen hinausreicht, wohnt der Tod als alles entscheidender Antrieb inne. Während dieses Bewusstseinsvorgangs löst sich das gewohnte Ich wie ein pulsierender Wirbel auf, und während es in viele leuchtende Flämmchen zerfällt, entstehen gleichzeitig neue Impulse, zwischen denen eine neue kosmische Ordnung entsteht. Das ist auch der Grund, warum wir miteinander sprechen können, obwohl wir uns ausserhalb der menschlichen Form befinden. Aber durch unsere geistige Nähe haben wir die Schranken überwunden und schwingen gemeinsam auf einer bewusstseinsmässig übergreifenden Frequenz.“

Ich glaubte, über mir die Sterne zu sehen, und ich spürte auch, wie sich in diesem anderen Teil meines Selbst die Blickrichtung veränderte und ich meine Erinnerungen wie Lianen benutzte, um mich im Licht der Erkenntnis in die Zukunft zu schwingen: „Du kommst vors Jüngste Gericht. Dort begegnest du den sechs Geistern, deinen inneren Richtern.“ Ich empfand eine Art Einladung, einen leichten Sog. Dann hatte ich die seltsame Gewissheit, als wäre es mein eigenes Auge, das mich ansah, und ich verschmolz in einer Flamme aus regenbogenfarbenem Licht.

„Schau nicht nur zu den Sternen empor“, erwiderte Niemand mit einem beinahe zärtlichen Unterton, „blick auch nach unten in die irdische Hölle und teil mir den Unterschied mit, den du siehst.“ Er stand neben meinem Bett und schaute mich mitfühlend an. Nur widerwillig kehrte ich in meinen Körper zurück.

Im gleichen Moment wurde mir aber auch bewusst, dass sich mein Blickfeld mehrdimensional anfühlte. Auf der Bewusstseinsoberfläche erkannte ich Seele, wie sie in der Tiefe verschwand. Es war wie die Rückkehr zu Niemands Traum, den ich zwar längst vergessen hatte, der mich aber immer noch verfolgte. Mich überfiel ein glitzernder innerer Schauder, als die Bilder aus dem Teich der Versenkung herauf langsam vor mein Bewusstsein stiegen und mir signalisierten, dass ich im Begriff war, etwas zu finden, was schon längst in meinem Unbewussten versunken war. Andererseits wusste ich auch, dass der Tod nahe war. Meine Lebensflamme ging unaufhaltsam zu Ende. Vergeblich versuchte ich, auf die Füsse zu kommen, was mir aber nicht gelang. Stattdessen schwebte ich wie ein Schlafwandler, der seine Ziele vergessen hat und sich so niemals über den halluzinogenen Schimmer seiner Träume erheben kann, nicht nur auf die regenbogenfarbige Schicksalsnabe zu, sondern sozusagen in das Sternenrad hinein, Speiche an Speiche mit dem Erhabenen und verknüpft in die namenlose Sphäre von Ewigkeit, eine lebendige Gemeinschaft mit Gott oder auch eine vitale Auslöschung jeden menschlichen Seins.


Dann spürte ich Niemands sanfte Hand: „Ja, es ist passiert – genau hier an der Stelle, wo wir uns befinden. Es war nur ein kleines Zeitfenster, aber du hast deine Chance gepackt! Auch wenn du die Konsequenzen meiner Handlung für diesen anderen verliebten Teil von Niemand, meine von dir abgespaltene innere Gestalt, noch nicht in ihrer ganzen Tragweite überblicken kannst: Beide sind jetzt wieder da, woher sie kamen.“

„Beide …? Ich versteh nicht: Du meinst Niemand und Seele?“, jammerte ich konsequent. „So hast du die Rückbildung gewisser Handlungen bereits in die Wege geleitet. Übrigens, wo sind wir hier?“

„Wieso wir? Du bist alleine hier!“, lächelte er gespalten.

„Was …? Wo …? In was für einer Welt bin ich da gelandet?“, stöhnte ich entsetzt. Irgendwie lag ich auf der Strasse am Boden, mit zuckenden Gliedern, Schaum vor dem Mund.

„Vergeblich sahst du dem Auto ins Auge, das wie ein wilder Stier auf dich zugeschossen kam. Dabei hat es dich voll am Kopf erwischt: Schädelknochen knirschten, Kniescheiben zersprangen und Blut tropfte aus dem Auge. Schädel-Hirntrauma nannten es die Ärzte“, entgegnete er ernst. Ein Anflug von Schmerz und Kummer durchwellte sein Gesicht.

„Sag mir, was ist das für eine Welt?“, wiederholte ich hartnäckig. Ausschnitthafte Ansichten meiner Hirnwände glitten vorbei, Leitungen, die meine Gehirnströme darstellten und offene Gehirnschächte, in denen Informationseinheiten Gedanken zerlegten und zu neuen Gebilden verschweißten.

„Was für eine Welt? Gute Frage! Es ist ja auch kein physischer Raum …“


Kapitel 5

Die sechs Geister

… dann wachte ich auf! Um mich herum herrschte völlige Finsternis, die lediglich durch die Sterne unterbrochen wurde, die zu Abermillionen am Firmament funkelten. Als ich nach unten blickte, um mich zu vergewissern, wo ich mich befand, gähnte mir die gleiche Dunkelheit entgegen. Außer mir und der absoluten Stille gab es nichts um mich herum, an dem das Auge des Betrachters irgendeinen Fixpunkt hätte festmachen können. Ich schien irgendwo frei im Universum zu schweben. Die Frage, die sich mir stellte, war die: Wer oder was war ich? Doch noch viel wichtiger schien mir in diesem Moment: Wo war ich und was war um mich? War die Wirklichkeit nur ein Übergang zwischen den Welten, wie sich dieser Zustand für mich als eine Form menschlichen Sterbens anfühlte, unter kaltem Neonlicht in einem sterilen Spitalzimmer auf irgendeiner Sterbestation, wo ich dem Ende entgegendämmerte, oder war das alles ein Vorgeschmack auf das kommende Zeitalter, dessen freudentrunkene Wehen wie ein künftiges Ereignis am Horizont einer neuen, unbekannten Erfahrung heraufzogen …?

Als die nächste Lichtwelle auf mein Bewusstsein traf, rannte ich los, und kein Hindernis hätte mich aufhalten können, denn ich bemerkte, wie sich die andere Seite Zugang zu meinem Bewusstsein verschaffen wollte. Ich fühlte einen Zugriff im Hirn und einen Augenblick hatte ich das Gefühl, als ob man mein Bewusstsein spalten oder auseinanderdividieren wollte, denn zur gleichen Zeit spürte ich ganz unterschiedliche Persönlichkeiten in mir, die abwechselnd die Kontrolle über mein Verhalten zu übernehmen versuchten. Zugleich schien irgendetwas schief gelaufen zu sein, denn für Sekundenbruchteile konnte ich mich auch an das Handeln verschiedener ‚anderer‘ innerer Personen erinnern, als ob ich mich gleichzeitig in unterschiedlichen Positionen wahrnahm, und synchron dazu fühlte ich mich von einer unbändigen Energie angetrieben, die mir auf die ewige Frage, „Wer bin ich?“, die tiefschürfende Botschaft sandte, „ … die letzte Hürde zu dir selbst!“

„Sag, ist das die letzte Prüfung, die mich zur Auseinandersetzung mit mir selber zwingt, bevor ich mich wieder mit dem Geist verbinde?“, schlich sich eine weitere Frage durch meinen Kopf und die alte Sehnsucht nach dem Himmlischen war wieder da. Ein grosses Verlangen breitete sich in meinem Inneren aus.

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