Kitabı oku: «Zeig mal: Gesten»

Yazı tipi:

INTERKULTURELLE PRAXIS UND DIVERSITY MANAGEMENT

Sabine Handschuck, Albert Kapfhammer

Zeig mal: Gesten

Hände in der nonverbalen Kommunikation

Die Buchreihe wird herausgegeben von

Sabine Handschuck, Reyhan Kulac, Hubertus Schröer und Gotthart Schwarz.

Dieser Titel ist auch als Printausgabe erhältlich

ISBN 978-3-944 708-62-1

Sie finden uns im Internet unter

www.ziel-verlag.de

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-944 708-63-8 (eBook)


Verlag:ZIEL – Zentrum für interdisziplinäres erfahrungsorientiertes Lernen GmbH Zeuggasse 7 – 9, 86150 Augsburg, www.ziel-verlag.de 1. Auflage 2017
Gesamtherstellung:Friends Media Group GmbHwww.friends-media-group.de
eBook-Herstellung und Auslieferung:HEROLD Auslieferung Service GmbH www.herold-va.de

© Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Teil

Aspekte interkultureller Kommunikation durch Gesten

Was sind Gesten?

Sind Gesten für jeden verständlich?

Formen der Begrüßung

Gesten der Macht

Gebärden und Gebärdensprache

Gehörlosenbewegung und Gehörlosenkultur

Zeig mal: Gesten

II. Teil

Alltägliche Gesten und ihre Bedeutungen

Der Daumen

1 Daumen hoch

2 Daumen halten

3 Daumen und Zeigefinger bilden einen Ring

4 Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger

5 Daumen und Zeigefinger sind gestreckt

6 Daumen und Mittelfinger bilden einen Ring

7 Daumen und kleiner Finger sind abgespreizt

Der Zeigefinger

8 Der Zeigefinger ist gestreckt

9 Der Zeigefinger ist erhoben

10 Der Zeigefinger ist gekrümmt

11 Zeige- und Mittefinger sind aneinander liegend gestreckt

12 Zeige und Mittelfinger sind gespreizt

13 Zeige- und Mittelfinger sind gekreuzt

14 Zeigefinger und kleiner Finger sind gestreckt

Der Mittelfinger

15 Der Mittelfinger ist erhoben

Der Ringfinger

16 Auf den Ringfinger wird gezeigt

Der kleine Finger

17 Der kleine Finger ist abgespreizt

18 Die kleinen Finger sind verhakt

Die Finger – mehr als zwei

19 Daumen, Zeige- und Mittelfinger sind erhoben

20 Daumen, Zeigefinger und kleiner Finger sind gestreckt

21 Zeige-, Mittel- und Ringfinger sind gestreckt

22 Mittel- und Ringfinger liegen auf dem Daumen

23 Vier gestreckte Finger

24 Vier winkende Finger

25 Vier Finger und der Daumen sind gebündelt

26 Fünf gestreckte Finger

Die Hand

27 Die erhobene Hand

28 Die winkende Hand

29 Hand mit gekrümmten Fingern

30 Die zur Faust geballte Hand

31 Zusammengelegte Handflächen

32 Der Handschlag

III. Teil:

Übungen, Spiele und Aktivitäten

Übungen, Spiele und Aktivitäten

1 Benimm dich!

2 Nur mit Worten

3 Projektarbeit zur politischen Bildung – Ausstellung „Gesten der Macht“

4 Standpunkt und Bewegung: Begrüßungsgesten

Begrüßungskarten

5 Perspektivwechsel

Fragebogen zur Selbsteinschätzung

Fragebogen zum Perspektivwechsel

6 Bingo: Was geht wo?

Bingo – Karten

7 Eine Geste – fünf Aspekte

8 Kettengeschichte

9 Vorstellungsrunde – Das ist mir neu.

10 Die wichtigen Menschen im Hintergrund

11 Gesten aus der Tagespresse

12 Redewendungen zum Thema Gesten

13 Statement: Ist Anpassung nötig?

14 Scharade

15 Auf den Kontext kommt es an

16 Gestenrunde

Literatur

Dank

Die Autoren

Karten-Set mit 32 farbigen Bildkarten im A5-Format

Man lügt wohl mit dem Mund. Aber mit dem Maule, was man macht sagt man doch die Wahrheit.

Friedrich Nietzsche

Einleitung

Wenn Sie dieses Buch mit gerunzelter Stirn betrachten und mit spitzen Fingern anfassen, spricht vieles dafür, dass Sie mit einiger Skepsis dem Thema begegnen. Erhellt dagegen ein Lächeln Ihr Gesicht und Sie fangen an herumzublättern, lässt das auf Interesse schließen.

Körpersprache ist eine faszinierende Form der Kommunikation, die so alt ist wie die Menschheit selbst. Durch Mimik, Blicke, Haltungen des Körpers oder einzelner Körperteile ebenso wie durch paralinguistische Signale, dem Sprachrhythmus, der Intonation oder der Lautstärke werden Emotionen vermittelt, Einstellungen und Haltungen verdeutlicht und Beziehungen zum Gegenüber ausgedrückt. Insbesondere aber werden die Hände als Instrumente der Verständigung eingesetzt.

Gerade in der interkulturellen Kommunikation sind Gesten und Handzeichen oft ein wichtiges Hilfsmittel, sich zu verständigen – oder auch, sich gründlich misszuverstehen. Teilen die Beteiligten keine gemeinsame Sprache, wird oft „mit Händen und Füßen“ gesprochen. In der Regel gelingt das sehr gut, es kann aber auch zu Verwirrung führen.

Im ersten Teil wird in Kapitel 1 der Begriff „Gestik“ erläutert und es werden verschieden Möglichkeiten vorgestellt, verbale und nonverbale Kommunikation miteinander zu kombinieren.

Kapitel 2 geht der Frage nach, ob Gesten allgemeinverständlich sind. Dass dies nicht immer der Fall sein muss, wird anhand von Beispielen in der interkulturellen Kommunikation ausgeführt, die ganz alltäglich sind: Grundlagen der ersten Verständigung wie die Begrüßungen in Kapitel 3 zeigen auf, dass Menschen ganz unterschiedliche Wege gefunden haben, sich mitzuteilen.

Pressefotos, Werbung, Wahlplakate, Kunstwerke, aber auch Schilder und oder Emoticons vermitteln durch abgebildete Gestik ihre Botschaften. Manche werden international verstanden, andere nicht. Manche lassen sich nur aus der jeweiligen kulturhistorischen Perspektive erklären und werden seit Jahrhunderten als Bedeutungsträger eingesetzt, andere sind gerade in Mode und auf dem Handy verfügbar. Kapitel 1.4 „Gesten der Macht“ stellt eine Auswahl von Gesten aus der Politik vor. Weitere Beispiele dazu sind in den jeweiligen Beschreibungen der Gesten im zweiten Teil zu finden.

Die Verständigung mit den Händen hat zu einer eigenen Sprache geführt, der Gebärdensprache. Die Gebärdensprache gehört nicht zur nonverbalen Kommunikation, obwohl sie ohne Worte auskommt. Es ist eine klare Trennlinie zwischen Gebärdensprache und Geste zu ziehen. Da aber die Begegnung zwischen Gehörlosen und Hörenden immer auch eine interkulturelle Situation ist, geben die Kapitel „Gebärden und Gebärdensprache“ und „Gehörlosenbewegung und Gehörlosenkultur“ einen Einblick in eine ganz eigene Kultur.

In alle Kapiteln fließen sprichwörtliche Redewendungen ein. Viele von ihnen, obwohl verbal geäußert, befassen sich mit gestischen Botschaften und lassen die Handzeichen vor dem inneren Auge entstehen: die in den Schoß gelegten Hände, die Faust, die man jemandem zeigt, oder der Daumen, der gedrückt wird.

Der zweite Teil stellt einen kleinen Ausschnitt von Gesten vor, die mit den Fingern, der Hand oder mit beiden Händen ausgeführt werden. 32 Gesten und Handzeichen sind durch Fotografien ganz unterschiedlicher Hände dargestellt; die dazugehörigen Beschreibungen vermitteln mögliche Interpretationen.

16 Aktivitäten, Spiele und Übungen sind Inhalt des dritten Teils und für Pädagogen oder interkulturelle Weiterbildnerinnen und Trainer gedacht, die sich mit interkultureller Kommunikation befassen. Sie sollen Anregungen bieten, das Thema zu vertiefen. Ergänzt werden sie durch 32 Bildkarten mit den Fotografien von Albert Kapfhammer. Diese Fotokarten sind nummeriert; die Nummer ist identisch mit der Kapitelnummerierung, in der die Gesten beschrieben werden.

Die Bildkarten können in Schulklassen, in der Jugendarbeit oder bei Seminaren zur Einführung in die interkulturelle Kommunikation eingesetzt werden.

Die Arbeit an diesem Buch hat uns beiden sehr viel Freude gemacht. Aber ohne die vielen Gespräche, die Sabine Handschuck mit Bekannten und Freunden aus ganz unterschiedlichen Ländern führte, wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen dafür bedanken. Durch ihre kritische Nachfrage und ihre zahlreichen guten Vorschläge hat uns Herrad Meese als Lektorin unterstützt. Danke für die gute Zusammenarbeit! Unser namentlicher Dank am Ende des Buches geht an die Personen, die ihre Hände als Fotomodelle zur Verfügung gestellt haben. Wir erinnern uns sehr gerne an das unterhaltsame Fotoshooting.

Sabine Handschuck und Albert Kapfhammer

Zeig mal: Gesten

Hände in der nonverbalen Kommunikation

Teil I: Aspekte interkultureller Kommunikation durch Gesten

Suche nicht die großen Worte, eine kleine Geste genügt.

Phil Bosmans

1. WAS SIND GESTEN?

Unter Gesten werden in diesem Buch Zeichen verstanden, die mit der Hand oder den Händen ausgeführt werden und die eine bewusste Form der Kommunikation darstellen. Das ist eine willkürliche Eingrenzung des großen Themas „nonverbale Kommunikation“, da auch Bewegungen mit Kopf, Schulter, Armen usw. Gesten sind, auf die aber nur ganz am Rande eingegangen wird. Gestik wird zum Teil auch unbewusst ausgeführt, also nicht mit der Absicht einer Mitteilung. „Etwa 90 Prozent aller Gesten eines erwachsenen Sprechers werden redebegleitend produziert“ (Weidinger 2011: 9). Sie haben überwiegend keinen expliziten Mitteilungscharakter.

Werden Gesten bewusst eingesetzt, sind sie mit einer Kommunikationsabsicht verbunden und werden als konventionelle Gesten bezeichnet. Kinder lernen deiktische Gesten als erstes – diese Hinweisgesten beziehen sich auf Personen, Gegenstände, Orte und Zeiten. Deutet ein kleines Kind auf ein Spielzeug, kann das bedeuten: „Das will ich haben!“ Deutet es auf sich selbst, heißt das „ich“.

Viele Menschen erwarten den sogenannten Fingerzeig bei einer Hinweisgeste. Mit einem Fingerzeig auf die Tür kann ein Kind seinen Wunsch ausdrücken, auf den Spielplatz zu gehen, auch wenn dieses Anliegen noch nicht in Worten gefasst werden kann. Bittet man in Seminaren darum, zu zeigen, wo die Zukunft liegt, wird in der Regel der Fingerzeig nach vorne eingesetzt. Auch das ist eine deiktische Geste.

Bildhafte Gesten, auch semantische Gesten genannt, übermitteln Informationen durch die bildliche Darstellung. Diese kann einen Gegenstand durch eine Handbewegung formen, so zum Beispiel einen imaginären Ball, der mit den Händen umschlossen die Größe des Balles wiedergibt. Die konkrete Darstellung wird auch als ikonische Geste bezeichnet.

Es kann aber auch eine Vorstellung, eine Idee gestisch ins Bild gesetzt werden. Semantische Gesten, die abstrakte Konzepte darstellen, werden als metaphorische Gesten bezeichnet. So visualisiert eine Handbewegung zur einen und zur anderen Seite ein Pro und ein Kontra und entspricht der Redewendung „zwei Seiten einer Medaille“.

Die dritte Kategorie der semantischen Gesten sind Embleme. Embleme können von jedem Mitglied einer Gesellschaft oder gesellschaftlichen Gruppe problemlos gedeutet und auch sprachunabhängig eingesetzt werden. Beispielsweise gehören Bejahungs- oder Verneinungsgesten zur Gruppe der Embleme. Bedeutungen von Emblemen sind kulturspezifisch. So kann ein Nicken je nach Kontext sowohl eine Bejahungsgeste als auch eine Verneinungsgeste sein. Die häufigsten Missverständnisse in der nonverbalen interkulturellen Kommunikation sind auf die Fehlinterpretation von Emblemen zurückzuführen.

„Ein Gestentyp wird Beat genannt, da die gestischen Bewegungen aussehen, als würden sie den Takt anschlagen“ (Weidinger 2011: 8). Andere Bezeichnungen für diesen Typus sind Taktgesten oder rhythmische Gesten. Sie werden sprachbegleitend eingesetzt und unterstreichen das Gesagte, akzentuieren relevante Aspekte, visualisieren emotionale Beteiligung oder strukturieren die Rede: Beispielsweise kann der drohende Zeigefinger sich während einer Schimpftirade auf und ab bewegen, oder die rhythmisch bewegten Hände in Form einer Handpyramide können dem Gesagten Nachdruck verleihen.

Die Einteilung in verschiedene Gestenformen bleibt unscharf, da sich durch eine Geste verschiedene Informationen vermitteln lassen. Um welchen Typus von Geste es sich handelt, ist davon abhängig, was jeweils mitgeteilt werden soll. Abhängig von der Mitteilungsabsicht gibt es verschiedene Möglichkeiten, verbale und nonverbale Informationen zu kombinieren (Handschuck / Klawe 2004: 175f).

Gesten können das Gesagte unterstützen, was mit Redundanz bezeichnet wird. Teilt man einer Person mit, dass man ihrem Anliegen nicht entsprechen will und macht dazu eine abwinkende Geste mit der Hand, unterstreicht die Geste das Gesagte.

Durch Gesten kann aber auch eine Botschaft nonverbal ergänzt werden. Sogenannte komplementäre Botschaften konkretisieren das Gesagte. Wenn eine Person im Gespräch äußert, dass sie manche Verbote für völlig unangemessen hält und dabei auf das Schild „Spielen im Hof verboten“ zeigt oder mit dem Daumen hinter sich auf die Hausmeisterwohnung deutet, wird die verbale Mitteilung um die Informationen ergänzt, welches Verbot gemeint ist, und wen man dafür verantwortlich macht.

Bei der Addition werden zusätzliche Informationen gegeben. Gesten dienen dabei als Interpretationshilfe zur Einschätzung von Einstellungen oder Bewertungen. Berichtet eine Frau ihrer Freundin, dass eine gemeinsame Bekannte trotz Schulden einen Flug in die Karibik plant und tippt sich dabei an die Stirn, wird deutlich, was sie von dem Vorhaben hält.

Von Divergenz spricht man, wenn nonverbale Botschaften und verbale Botschaften im Widerspruch zueinander stehen. Beispielsweise kann die verbale Begrüßung einer unwillkommenen Person durchaus freundlich formuliert sein, aber die ausgestreckte Hand wird ignoriert. Oder es wird beteuert, dass das erzählte Erlebnis des Gegenübers interessant ist, vermittelt aber durch das Drehen der Daumen, wie langweilig und langatmig der Bericht empfunden wird.

Bei der Substitution werden Worte durch Gesten ersetzt. Ob man dem Freund den Daumen hält oder der riskant fahrenden Fremden den Mittelfinger zeigt, die Hand zu Abwehrgeste erhebt, um nicht angesprochen zu werden oder den Finger auf die Lippen legt – die Botschaften bedürfen keiner verbalen Ausführung.

Es gehört immer etwas guter Wille dazu, selbst das Einfachste zu begreifen, selbst das Klarste zu verstehen.

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

2. SIND GESTEN FÜR JEDEN VERSTÄNDLICH?

Gesten und insbesondere selbstverständliche Alltagsgesten, also Embleme, können in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen verschiedene Bedeutungen haben. Das kann zu Missverständnissen in der Kommunikation führen. Verstärkt wird die Gefahr der Fehlinterpretation einer Botschaft dadurch, dass kulturspezifische Deutungen sich unterscheiden, dass Genderaspekte nicht berücksichtigt werden, dass der Kontext falsch eingeschätzt wird oder dass die Geste gar nicht als solche wahrgenommen wird und damit die Botschaft nicht ankommt.

Dazu gibt es zahlreiche Untersuchungen. Bei einer in Israel 1988 durchgeführten Untersuchung (vgl. Apeltauer 1997: 27) wurden 46 Collegestudenten aus vierzehn verschiedenen Herkunftsländern äthiopische Embleme auf Video gezeigt. Die spannende Frage lautete, was als Geste ankommt und wie sie gedeutet wird. Ein Teil der Embleme wurde nicht als Geste wahrgenommen, sondern als Verhalten ohne Mitteilungsabsicht. Von den als Emblem erkannten Handzeichen wurden nur 23,3 % richtig dekodiert. Auch wenn es sich um eine ältere Studie handelt, wird deutlich, dass durch Gesten vermittelte Botschaften nicht immer ankommen oder allgemein verständlich sind.

In Kapitel 3 werden dazu Unterschiede in Begrüßungssituationen vorgestellt. Aber auch deiktische Gesten können missverstanden oder nicht wahrgenommen werden.

Viele Menschen erwarten den Fingerzeig bei einer Hinweisgeste, diese kann aber auch durch einen Blick, durch ein Heben des Kinns oder durch gespitzte Lippen ausgeführt werden. Da redebegleitende Gesten einen kurzen Moment vor der verbalen Formulierung produziert werden, lösen sie eine Erwartung aus, die die Deutung der Worte beeinflusst. Die Geste bestimmt also in manchen Fällen – wenn sie als solche erkannt wird –, wie die Rede zu interpretieren ist.

Ein einfaches Beispiel dafür ist der Fingerzeig nach vorne. Bei einer Unterhaltung zwischen einer Person aus Zimbabwe und einer Person aus Deutschland ging es um den Austausch von Erfahrungen und der zukünftigen Gestaltung der Städtepartnerschaft zwischen München und Harare. Das Deuten nach vorne wurde von der deutschen Person als Hinweisgeste in die Zukunft verstanden, von der Person aus Harare war aber die Vergangenheit gemeint. Die mit der Geste verbundene Vorstellung ist in unterschiedlichen Zeitkonzepten verankert. Während in Europa die Zukunft vor einem liegt, planbar und gestaltbar erscheint, ist in vielen afrikanischen Kulturen die Vergangenheit das, was man überblicken kann, das Erlernte, die eigenen Erfahrungen, die eigene kulturelle Entwicklung und die von den Vorfahren zur Verfügung gestellten Ressourcen zur Lebensbewältigung. Dass Geste und verbale Äußerung nicht zusammenpassten, führte zu einer Irritation, die erst durch Metakommunikation beseitigt werden konnte.

Gesten werden nicht isoliert eingesetzt. In Gesprächssituationen sind sie nicht nur in den Gesprächskontext eingebunden, sondern in viele weitere Ebenen nonverbaler Signale, die durch die Körperhaltung, die Mimik, die Stimmführung, den Blickkontakt oder die Körperdistanz bewusst oder unbewusst gesendet werden. Eine Geste kommt anders an, je nachdem, ob sie mit einem freundlichen Lächeln oder durch einen finsteren Blick begleitet wird. Das erleichtert einerseits das Verstehen, andererseits unterscheiden sich aber auch andere Aspekte kultureller Konventionen der nonverbalen Kommunikation – und das zum Teil erheblich.

Dennoch gelingt interkulturelle Verständigung in der Regel, wenn Verständigungsbereitschaft, Vorsicht bei der Interpretation und der Wunsch, sein Gegenüber richtig zu verstehen bei den Kommunizierenden gleichermaßen vorhanden sind. Hilfreich sind dabei interkulturelle Kompetenzen wie die Fähigkeit, die eigene Interpretationsfolie zu reflektieren, die Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, Ambiguitätstoleranz, also das Aushalten von Uneindeutigkeiten, das Wissen um unterschiedliche Konventionen, eine Haltung des Respektes; und durch Metakommunikation Irritationen anzusprechen, nachzufragen und zu erläutern – wenn dazu die Möglichkeit besteht und das Interesse vorhanden ist.

„Küss die Hand, gnä’ Frau“.

Inzwischen veraltete österreichische Begrüßungsformel

3. FORMEN DER BEGRÜSSUNG

Begegnen sich zwei Menschen, beginnt der Kontakt in der Regel mit einer Begrüßung. Man nickt sich zu, reicht sich die Hand, verbeugt sich oder sagt „Hallo“. Sich zu grüßen, ist ein Akt des Respektes, kann eine Geste des Willkommens sein, der Höflichkeitsetikette oder ein Ausdruck des Erkennens und Anerkennens von Zugehörigkeit. Kluge (1999: 342) vermutet, dass das Wort „Gruß“ aus dem lateinischen Wort „gratus“ abgleitet wurde, welches „lieb“ oder „willkommen“ bedeutet.

Begrüßungen haben in unterschiedlichen Gesellschaften sehr unterschiedliche Formen und gehen mit ritualisierten oder formalisierten Gesten einher. Nach Röhrich (1994: 591) lässt sich aus der Gruß-Sitte einer Gesellschaft ihre „ganze Kulturgeschichte“ ablesen. Die früheste Form des in Deutschland üblichen Grußes – Händedruck oder Handschlag – ist zunächst die Bekundung einer friedlichen Gesinnung durch das Ineinanderlegen der waffenlosen Hand. Auch das Heben der rechten Hand zum Gruß zeigt an, dass die waffentragende Hand leer ist, man sich also in friedlicher Absicht nähert.

Welche Grußform als angemessen gilt, ist nicht nur kulturabhängig, sie ist auch durch den jeweiligen Kontext der Begegnung bestimmt: wie gut sich die Begrüßenden kennen, welche Beziehung sie zueinander haben oder ob es sich um eine formelle oder informelle Begegnung handelt. Weiter spielen Generationszugehörigkeit oder die Zugehörigkeit zu einer subkulturellen Gruppe eine Rolle, welchen sozialen Status die sich begrüßenden Personen haben und ob sie Mann oder Frau sind.

Bestimmte Grußformen können die Zugehörigkeit zu einer politischen oder sozialen Bewegung ausdrücken – wie die erhobene Faust der Black-Power-Bewegung. Andere Gesten zeigen die Verbundenheit mit einer Sport-, Freundes- oder Interessensgruppe, wie der unter Surfern übliche „Hang Loose“ oder die „gehörnte Hand”, die in der Metal-Szene auch als Grußzeichen eingesetzt wird; auch das „Hook ‘em Horns”, mit dem sich Fans der amerikanischen Football-Mannschaft „Texas Longhorns” der Universität Texas begrüßen oder ihre Mannschaft anfeuern, gehört dazu. Regionale Eigenheiten spielen ebenfalls eine Rolle. Der erhobene kleine Finger – „Klenkes“ – ist beispielsweise in der deutschen Stadt Aachen eine Grußgeste. Es gibt auch Gestenformen, die extreme, verfassungswidrige Meinungen repräsentieren. So ist in Deutschland der „Hitlergruß“ verboten, mit dem Rechtsradikale ihre Gesinnung ausdrücken.

Grußformen unterliegen Moden, veralten, werden variiert oder durch neue Grußgesten ersetzt. Das „Hutziehen“ oder der „Handkuss“ als respektvolle Grüße in Deutschland sind inzwischen ebenso aus der Mode gekommen wie das „Hi“ der 1968er-Generation, das sich nur in wenigen subkulturellen Kontexten gehalten hat. Auch der „Knicks“ und der „Diener“, die in den 1950er Jahren noch Mädchen und Jungen gegenüber Erwachsenen bei einer „artigen“ Begrüßung als Respekterweis abverlangt wurden, sind obsolet. Vor allem in männlichen Jugendcliquen kann es Mode sein, sich mit Fauststoß, Abklatschen „high five“ oder mit ganzen Bewegungsabläufen zu begrüßen. Die in Italien gängige Begrüßung mit „Küsschen“ rechts und links auf die Wangen wird auch unter Bekannten in Deutschland immer üblicher, während beispielsweise in den Niederlanden oder in der Schweiz ein dritter Kuss obligatorisch ist. Der Kuss auf den Mund ist in Deutschland nur Liebenden vorbehalten, während in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion der sozialistische Bruderkuss bei Staatsbesuchen üblich war. Inzwischen reicht auch in den osteuropäischen Ländern ein Händedruck.

Grußformen verändern sich in allen Gesellschaften. Traditionelle Grußrituale, wie beispielsweise der Nasengruß der Maori in Neuseeland gehören immer weniger zur alltäglichen Begegnung zwischen Gleichgestellten, sondern sind der rituellen Begrüßung, beispielsweise der von Staatsgästen, vorbehalten.

Nicht nur beim militärischen Gruß regelt es die Etikette, wer wen zuerst grüßt. Auch im Alltag gibt es Verhaltensregeln, die sich von Gesellschaft zu Gesellschaft unterscheiden können. So gilt es in Deutschland als höflich, dass zunächst die Frau und erst dann der Mann bei einem Besuch mit Handschlag begrüßt werden, während es in arabischen Ländern üblich ist, dass der Gast zunächst den Gastgeber mit einem sanften Händedruck begrüßt, der Gastgeberin aber nur freundlich zunickt.

Eine Person nicht zu begrüßen, ist in allen Gesellschaften eine Kränkung. Einen Gruß zu verweigern, ist ein deutliches Zeichen für einen Konflikt oder eine tief sitzende Ablehnung. Immer wieder ist in interkulturellen Seminaren Thema, wer sich wem anzupassen hat. Besonders die Verweigerung der Begrüßung mit Handschlag wird als Unhöflichkeit wahrgenommen; handelt es sich um Mann und Frau, so wird die Verweigerung als Abwertung der Frau und Missachtung der Gleichberechtigung aufgefasst. Das ist unabhängig davon, welcher Herkunft die Person ist, die womöglich einen Händedruck als unangenehm empfindet oder andere Vorstellungen davon hat, was als angemessene Begrüßung gilt.

Im dritten Teil zeigt die Übung „Standpunkt und Bewegung – Begrüßungsgesten“ in sechzehn unterschiedlichen Formen der Begrüßung in verschiedenen Gesellschaften und Subkulturen. Die Übung „Statement“ dient der Meinungsbildung, sie greift Fragen nach Anpassung und Abgrenzung und den Umgang mit Unterschieden auf.