Kitabı oku: «Im Garten der Zeit», sayfa 2
HIER UND JETZT | 2. |
Es ist eine besondere Eigenschaft des Menschen, dass er sich an Vergangenes erinnern kann und Zukünftiges im Voraus bedenken mag. Beide Blickrichtungen braucht der Mensch zum Erhalt seiner Identität. Ohne ein Wissen um die eigene Herkunft und ohne ein Streben um eine zu erschaffende Zukunft kann ein Mensch leicht alle Orientierung verlieren, wie wenn er sich selbst abhanden gekommen wäre.
Es gibt für den Menschen aber auch die Gefahr, zu sehr dem Vergangenen oder dem Zukünftigen hingegeben zu sein. Dann ist die Gegenwart öde und leer.
Eigentümlicherweise werden wir im Beisein eines Tieres nie den Eindruck bekommen, es hänge einem Vergangenen nach oder verliere sich an ein herbeigesehntes Künftiges. Das Tier ist ganz Gegenwart. Das erlebt sicherlich jeder aufmerksame Reiter beim Spiel der Ohren seines Pferdes. Aber auch jeder aufmerksame Erwachsene, der das Spiel von Kindern beobachtet, erlebt diese Gegenwärtigkeit. Wie Christiane Kutik bemerkt: Beim Spielen von Kindern geht es nicht darum, dass etwas «Vernünftiges» rauskommt, sondern darum, anwesend zu sein. «Im Hier und Jetzt.»
Kinder wie Tiere haben dieses Gemeinsame, dass sie uns zur Beachtung der Gegenwart anleiten. Sie leben noch – teilweise zumindest – wie im Paradies. Werden wir mit allem, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, und allem, was wir noch in der Zukunft anstreben wollen, dennoch in der Gegenwart anwesend, so zaubern wir Paradiesisches in unseren Alltag herein. Die unbewusste Weisheit der Kinder und der Tiere machen wir uns bewusst und lernen sie so neu lieben. Auch sie schafft Anwesenheit, hier und jetzt: die Liebe.

«Es gibt glückliche Kinder, die in ihrer frühen Kindheit einen Garten, eine Landschaft ihr Reich nennen können.»
Iris Murdoch, Der Schwarze Prinz
zitiert von Christoph Hein als Motto zu seinem Roman
In seiner frühen Kindheit ein Garten
Suhrkamp taschenbuch 3773, Frankfurt am Main 2006.
KINDER – WIE DIE ZEIT VERGEHT
von Christiane Kutik
Zeitenfluss sei für einen Moment zurückgestellt – ins vorige Jahrtausend – in die 1950er Jahre. Meine ersten Kinderjahre – und da war Zeit kein Thema. Kind sein bedeutete: einfach da sein, neugierig sein, spielen. Gespielt wurde im Wesentlichen draußen. Sommers wie winters. Und immer waren da Spielkameraden und unbewachte Zeit. Kein Erwachsener verfolgte genau, wo wir waren und was genau wir machten.
Keine Eltern weit und breit, als wir im Schnee mindestens zwanzig Trödelminuten von zu Hause zum Schlittenberg zogen, wo es nur so wimmelte von Kindern. Mit den Schlitten rauf und runter, Schneebälle werfen, Schneeklümpchen vom nassen Wollhandschuh essen, Schanzen bauen. Manche waren so hoch, dass der Schlitten ordentlich durch die Luft flog, wenn es laut rufend abwärts ging: «Aus der Bahn Zitronenschmarrn.»
«Und ihr wart wirklich auch alleine im Wald?» – «Ja! Oft.» Verstecken, klettern, bauen, Maikäfer sammeln, die es damals noch zuhauf gab. Im Sommer Walderdbeeren suchen: mit zerkratzten Beinen durchs Unterholz, jeder mit einem kleinen leeren Marmeladenglas in der Hand nach guten Stellen Ausschau haltend. Und dann Beere für Beere ins Glas. «Schau, wie hoch es bei mir schon ist!» Das spornte an, denn mindestens fingerhoch sollte das Glas schon gefüllt sein, bevor es wieder heimwärts ging. Unterwegs zurück vorsichtig den Deckel gelüpft: «Hmh, riech mal!» – «Himmlisch!» Niemals wieder haben Erdbeeren – selbst nicht die schönsten gekauften und auch nicht Bio-Erdbeeren – so gut geduftet und geschmeckt. Unvergleichlich, weil selbst erobert.
Selbst erobern, das beflügelte uns auch einmal an einem Ostermontag, als wir Geschwister felsenfest überzeugt waren: Beim gestrigen Osterspaziergang mit den Eltern haben wir bestimmt noch versteckte Eier übersehen. Also haben wir den ganzen Nachmittag vertrödelt und noch mal alles abgegrast.
Trödeln, das gehörte zum Heimweg von der Schule. Auch morgens war Hetze unbekannt. Wer zuerst an der verabredeten Ecke war, wartete auf die anderen, dann ging’s im Pulk weiter. Hüpfen, springen, kurz verweilen – denn ein paar Frühlingsblumen für die Lehrerin waren auch noch drin. Kein Kind hatte eine Uhr – und trotzdem kam niemand zu spät. Beim Läuten der Schulglocke waren alle pünktlich; das waren wir auch abends, zu Hause zum Abendessen. Gewisse Ordnungen galten einfach und wurden eingehalten. Ebenso wie verschiedene Pflichten, die wir Kinder hatten und denen wir auch nachkamen. Ein nachhaltiges und bis heute erinnertes Kinderglück war es, sich allein draußen in eine kleine Bucht zwischen Büschen und Bäumen zu verkrümeln, die niemand kannte, wo einen keiner entdecken konnte, wo zeitvergessenes Spielen mit allerlei Fantasiegestalten ungehindert blühen konnte.
Alles «heile Welt»? Weit gefehlt, denn Ärger und Streit gab es natürlich – und auch Tränen. Deutlich ist noch so ein Gefühl wie Weltuntergang, wenn Spielkameraden sagten: «Du darfst nicht mehr mitspielen.» Dann galt es, selbst damit klarzukommen, sich selbst wieder aufzumuntern. Genauso war es auch mit der Langeweile, die unversehens auftauchen konnte mit ihrem «Ganz-auf-sich-gestellt-Sein», bis einem dann doch etwas einfiel.
Natürlich ist es heute undenkbar, Kinder so frei herumlaufen zu lassen. Unser Leben ist dichter besiedelt, schutzbedürftiger, voller Unwägbarkeiten, nervöser. Doch auch heutige Kinder haben ein tiefes Bedürfnis nach Kindsein, nach Neugierigsein. Sie wollen spielen, trödeln, experimentieren – wie eh und je. Und es ist wichtig, dass sie dies auch behaupten können, denn «Kinder sind wie Uhren; man muss sie nicht nur aufziehen, sondern auch laufen lassen», wie es Jean Paul so trefflich schrieb.
Wie aber soll das gehen, dieses «Laufenlassen»? Wo doch heute die Zeit eh schon so knapp ist?
Näher besehen fällt auf, dass oft eine Menge Zeit vertan wird für Gewohnheiten, die echte Zeiträuber sind. Zu den größten Zeiträubern gehört, neben dem Medienkonsum, die verbreitete Gewohnheit, Kinder wie Erwachsene anzusprechen. Ständig wird gefragt, diskutiert, lamentiert: «Willst du dies, willst du jenes?» – meist gefolgt von schlechter Laune. «Stimmt», bestätigt eine Mutter, «bei uns ist jeden Morgen Zoff. Oft dauert es eine halbe Stunde, bis unsere Tochter sich entschieden hat, welches T-Shirt sie anziehen will, und meistens reicht dann die Zeit nicht mehr zum Frühstück.» Und so geht es weiter durch den Tag: «Welche Nudeln, welchen Joghurt, welche Geschichte am Abend?»
Solche Zeiträuber lassen sich einschränken, sobald Rollenklarheit waltet und Eltern ihre Vorbildrolle ergreifen und die Kinder anleiten und «gewisse Ordnungen und feste Zeiten» einführen – die auch gelten! Die ganze Stimmung verbessert sich und eine enorme Zeitersparnis tritt ein. Wo nicht dauernd alles ausgehandelt werden muss, bleibt Kindern Zeit zum Kindsein, zum Neugierigsein, zum Experimentieren.
Dass dies keine «hohlen Worte» sind, sondern tatsächlich funktioniert, sehe ich bestätigt in meiner Arbeit als Elterncoach, Trainerin und Autorin, die vom Anliegen getragen ist, das Aufbauende im Zusammenleben mit den Kindern zu stärken. Dies gilt für so viele Bereiche im Leben mit Kindern – und im Leben überhaupt: Einem Kind etwas zuzutrauen, statt immer gleich zu Hilfe zu eilen, wenn es gerade etwas probiert: Heute erobert es vielleicht erst mal nur zwei Stufen auf der Leiter zur Rutsche. Und irgendwann schafft es alle. Und daran freut es sich dann auch.
Eigenständiges Experimentieren zulassen, auch wenn ein Kind etwas nicht so zusammenbaut, wie es auf der Gebrauchsanweisung steht, sondern etwas Eigenes erfindet. Oder wenn es einfach im Sand sitzt und nur den Sand durch seine Finger rieseln lässt. Beim Spielen geht es nicht darum, dass etwas «Vernünftiges» rauskommt, sondern – und das ist das Wertvolle – ums Anwesendsein. Im Hier und Jetzt. Bei sich selbst. Beseelte Momente, die sich im Spiel finden lassen oder in der Kunst und die kostbar sind und stärken, wie der Künstler Karl Valentin es einmal so trefflich sagte: «Heut’ mach ich mir eine Freude und besuche mich selbst …»

GÄRTEN DES ERINNERNS
Als du hinüber gingst
ins andre Leben,
war jeder Stundenschlag
von Leid beschwert,
und meines Herzens
sehnendes Erinnern
blieb todesblass
und blutentleert.
Jetzt aber, nach der Jahre
langem Reifen,
tauch’ ich in Gärten
des Erinnerns ein
und unsrer Liebe
Blütenkelche streifen
beglückend an mein Seelensein.
Nicht mehr der Bilder Blässe
lässt mich darben,
seit es um sie wie Duft
und Schimmer kreist
und mildes Leuchten
strömt in ihren Farben.
Mir ist, als ob du wieder
nahe seist.
Erika Beltle
* 19. Februar 1921 in Stuttgart
† 21. Juni 2013 in Stuttgart
Gesammelte Gedichte
Mit dem Sonnengang
Verlag Urachhaus, Stuttgart 2008.
EURE ZEIT ABER IST ALLEWEGE | 3. |
Auch wenn ich kein Gärtner bin, wie in Christian Morgensterns bemerkenswertem Gedicht, habe ich hin und wieder das Bedürfnis, über Jesus Christus nachzudenken. Und wenn ich im Johannesevangelium lesend zum siebten Kapitel komme, wundere ich mich immer wieder neu über das Wort Jesu zu seinen Brüdern. Sie fordern ihn nämlich auf, zum Laubhüttenfest nach Jerusalem in Judäa zu gehen, obwohl sein Leben dort bedroht ist: «Da sprachen seine Brüder zu ihm: Mach dich auf von dannen und gehe nach Judäa, auf dass auch deine Jünger sehen die Werke, die du tust. Niemand tut etwas im Verborgenen und will doch frei offenbar sein. Tust du solches, so offenbare dich vor der Welt.»
Doch Jesus antwortet ihnen: «Meine Zeit ist noch nicht hier, eure Zeit aber ist allewege.»
Wie kann es sein, dass für die Menschen die Zeit immer gegeben ist zu handeln, für den Sohn Gottes aber gerade nicht?
Goethe sprach einmal tief befriedigt aus, als er in Italien die vom griechischen Geist inspirierten Kunstwerke betrachtete: «Hier ist Notwendigkeit, hier ist Gott!» Im siebten Kapitel des Johannesevangeliums ist offenbar diese Gottesnähe bei Jesus noch vorherrschend – noch ist er auf dem Weg zum Menschen, zum Menschwerden, noch herrscht Notwendigkeit: Er muss seine Zeit abwarten. Die Menschen aber können jederzeit tun oder lassen. Das ist unsere Freiheit dem Kosmos der Zeit und Gott gegenüber.
So beginne ich, den Weg des Christus zu verstehen, der die Freiheit erringt, um sie in das Reich der Notwendigkeit einzuführen. Und überall dort, wo wir Notwendiges erkennen und da heraus frei handeln, werden wir zu Weggefährten des Menschensohnes.

Der Mensch ist ein Kind der Sorge, der Göttin Cura, erzählt eine alte Fabel, die Martin Heidegger in Sein und Zeit aufgreift, und die Robert Harrison im ersten Kapitel seines Buches Gärten. Versuch über das Wesen der Menschen zitiert und weiterspinnt. «Homo» heißen Menschen, weil die Sorge sie aus «humus», Erde, formte. Und auf den Zusammenhang von Sorge, Zeit und Gärten macht Harrison aufmerksam: «Im allgemeinen erfahren die Menschen die Zeit … als die Entfaltung einer Sorge nach der anderen … Ein von Menschen angelegter Garten entsteht in der Zeit und durch sie. Er wird vom Gärtner im voraus geplant, dann wird er dementsprechend besät und bestellt, und zu gegebener Zeit bringt er seine Früchte oder den erhofften Genuss hervor. Unterdessen plagen den Gärtner tagein, tagaus neue Sorgen.»
CHRISTUS UND DIE ZEIT*
von Ormond Edwards
Von der Empfängnis bis zu dem Zeitpunkt, da im Menschen ein Empfinden seiner Identität erwacht, vergehen drei geheiminsvolle Jahre, die vor der späteren Erinnerung verhüllt bleiben. Jeder Mensch, der nach seiner verlorenen geistigen Identität sucht, gelangt dahin, seinen vergessenen Ursprung entdecken zu wollen; und sein Bestreben, ihn zu entdecken, ist nicht minder intensiv als bei einem Kind, das emotional vernachlässigt wurde. Es ist schwerlich ein Zufall, dass man von dem Leben Christi als den «drei Jahren» spricht.
Die Geburt in einer Höhle und die Wiedergeburt im Felsengrab am Anfang und am Ende des Lebens Jesu haben Christen besonders berührt durch die Parallele zwischen den Ereignissen, deren wir an Weihnachten und an Ostern gedenken. Paulus (Kolosser 1,18) und Johannes (Offenbarung 1,5) schrieben von dem auferstandenen Christus als dem «Erstgeborenen derer, die von den Toten erstehen» und in den darauffolgenden Jahrhunderten verlor dieses Bild keineswegs an Kraft:
Holz und Speer und Nägel und Sterben;
Das sind die Kleider in der Wiege des immer-
währenden Lebens.
Aus diesen erstand die Geburt des zweiten
Menschen.
O Widerspruch! O Wunder!
(Athanasius zugeschrieben)
Der Weg Christi durch das Heilige Land endet am Kreuz. Bei der Kreuzigung verlässt Christus die Raumeswelt und tritt in das Reich der Zeit ein. Bei den Begegnungen, die die Jünger zur Osterzeit mit dem auferstandenen Christus haben, werden die äußeren Szenen seines Wirkens in Galiläa zu einer inneren, räumlichen Welt, an die sich die Jünger erinnern. In ihrem Bewusstsein wird Raum zu einer inneren Dimension und Zeit zu dem Kontinuum, in welchem Christus erscheint: Er wird in die Zeit-Welt des Christlichen Jahres geboren. Vor der Auferstehung war das Christliche Jahr noch nicht geboren. Christi Wirken gehört der «Zeit im Mutterleib» an. Vor der Taufe war Zeit «Chronos», leere Maya. Die Worte des Vaters bei der Taufe verkünden, dass «Chronos» zur «Kairos» geworden ist, dem Christus-Träger.
Wenn Ostern die Geburt des göttlichen Christus ist und die Ergänzung zu der Geburt in Bethlehem als Mensch, so ist die Taufe einer Verkündigung, in der der Christus-Geist in die Seele des Jesus einzieht. In einer wichtigen Fassung des Lukas-Evangeliums wird der zweite Psalm in diesem Sinne angeführt: Du bist mein Sohn. Heute habe ich dich gezeugt.
Es lässt sich zeigen, dass der Vergleich zwischen der Entwicklung jedes Menschen von der Empfängnis bis zur Geburt und dem Leben Christi von der Taufe bis zu dem letzten Ostern nicht nur ein bildlicher ist. Es besteht ein einfaches Zahlenverhältnis zwischen der Periode einer Schwangerschaft und der Dauer des Erdenwirkens Christi.
Die Periode der Schwangerschaft beträgt idealerweise zehn siderische Monate, das heißt 10 mal 27,32 Tage. Vom 6. Januar 31 bis zu dem Tag des letzten Ostern, dem 5. April 33, liegt ein Intervall von 820 Tagen, die dreifache Dauer einer Schwangerschaft. Wenn der Vergleich zwischen Schwangerschaft und Fleischwerdung in einem zeitlichen Sinne real ist, wären Wendepunkte im Leben Christi neun und achtzehn Monate nach der Taufe zu erwarten, so dass sich sein Erdenwirken in drei Stadien von gleicher Länge entfaltet hätten. Die Daten dieser Wendepunkte wären der 6. Oktober 31 und der 6. Juli 32. Zu dem früheren Datum endet das «stille Erdenwirken», ohne ein Lehren in der Öffentlichkeit, und beginnt das Wirken in Galiläa. Das Erwachen des Christus-Bewusstseins in Petrus und die erste Leidensverkündigung gehören zu dem zweiten Datum (siehe Hartmut Wittkowsky, «Die drei Jahre», Beilage der Monatsschrift Die Christengemeinschaft, Februar 2000).
Sinn der Fleischwerdung ist es, das innere und das äußere Leben des Menschen wieder in Harmonie miteinander zu bringen, ohne dass dieser dabei die gewonnene Freiheit verliert. Christus hält die Waage zwischen jüdischer Innerlichkeit und heidnischer Ekstase. Ohne ihn müsste die Seele endgültig in Depression versinken oder in Hysterie ausbrechen. Seine Worte appellieren gleichermaßen an das innere, geistige Leben des Menschen wie an die äußere, natürliche Welt. Dieses Gleichgewicht kommt in den Sakramenten und Festen zum Ausdruck, die, wenn sie richtig zelebriert und gefeiert werden, der Seele im christlichen Jahreslauf zur Harmonie verhelfen.
Für viele Menschen haben die Feste jedoch ihre Wirkung verloren, weil sie Zweifel an deren Ursprung und Sinn hegen. Immer wieder wird behauptet, die Feste entbehrten der historischen Grundlage und seien nur als verlockende Alternative zu den verbreiteten heidnischen Riten erfunden worden. Und doch stimmt die zu Tage tretende Chronologie im Wesentlichen mit der Tradition überein.
Das Christentum feierte im Jahr 2000 sein Millennium. Aber erst im 4. Jahrhundert, als die Periode des frühen Christentums zu Ende ging, wurde die zeitliche Festsetzung der Geburt, wurden Ankunft der Drei Könige, Tod und Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten zur Grundlage der Jahresfeste, der Höhepunkte im Jahr. Für diesen Zweck war es nicht notwendig, das historische Jahr, um welches es ging, genau zu kennen. Es kam nur darauf an, den richtigen Monat und Tag für diese Feste herauszufinden. Als von wissenschaftlicher Seite Zweifel an den Festen und ihrem Zusammenhang mit den Evangelienberichten aufkamen, begannen Bibelhistoriker zu forschen. Heutzutage reichen weder die Autorität der Kirche noch all die enttäuschenden Ergebnisse der Bibelforschung mehr aus. In dem Jahrhundert, das jetzt (im Jahr 2000) angebrochen ist, wird es notwendig sein, einen neuen Zugang zu den Wahrheiten des Christentums zu suchen. Betrachtungen der Chronologie allein werden uns kaum dazu führen, die Fleischwerdung neu zu werten, sofern nicht ein besseres Verständnis der biologischen Natur des Menschen hinzutritt.
Ganz allmählich dämmert die Erkenntnis, dass das Kind in den ersten drei «vorbewussten» Lebensjahren Schritt für Schritt aus einem präexistenten geistigen Kosmos hervortritt, gehen, sprechen und denken lernt, bis der Körper hinlänglich entwickelt ist, dass darin die Persönlichkeit und mit ihr das biographische Langzeitgedächtnis geboren werden kann. Wir können an den Stadien der frühen Kindheit, an der Zeit also, wenn das Individuum in das Erdenleben eintritt, jenes Muster erkennen lernen, das in den Stadien der Fleischwerdung zu Tage liegt. Immer wieder wird in den Evangelien betont, wie nahe die Kinder dem Reich der Himmel sind.
Als der Auferstandene den Jüngern verschiedentlich erschien, hatten sie die Möglichkeit, seine geistige Wahrheit in ihr eigenes Wesen aufzunehmen. Wenn sie von neuem durch das Tor der Kreuzigung und des Abendmahls gingen, stand es ihnen zu Gebote, in die paradiesischen Begebnisse ihres Lebens mit dem Herrn abermals einzutreten. Sie hatten das Gefühl, wieder in den Hügeln Galiläas und an den Ufern des Sees Genezareth zu leben. Der visuelle Aspekt schwand mit der Himmelfahrt, aber die Gegenwart Christi war in den folgenden Monaten fühlbar, und das Gefühl hielt an und wurde tiefer bis – wie ich meine – wenige Wochen vor den prophetischen Offenbarungen, die Paulus vor Damaskus erhielt.
Wenn wir das Leben Christi in Evangelium, Fest und Sakramenten mitleben, bringen wir uns unseren individuellen Geist wieder zum Bewusstsein. Aus diesem Grunde kann das historische Muster des Lebens Christi so bedeutsam werden. Wenn wir jedes Jahr nach seinem Rhythmus leben, kommen wir zugleich unserem eigenen menschlichen Geist näher.

Anmerkung des Herausgebers zum Gedicht «Der Gärtner» von Christian Morgenstern: «Er kehrt auf den Beeten den Mist um …» – Im Vorfeld des Erscheinens seines Gedichtbandes Melancholie rang Christian Morgenstern lange um einen passenden Titel. Wie Martin Kießig als Herausgeber des zweiten Bandes der kommentierten Stuttgarter Ausgabe der Werke und Briefe Christian Morgensterns berichtet, standen im Februar und März 1906 viele Formulierungen eines Titels für Morgenstern zur Frage – unter anderen näher erwägten auch: «Der Gärtner und andere Gedichte». Der Band erschien schließlich im September 1906 mit dem Titel Melancholie. Neue Gedichte, nachdem er fast nur noch «Neue Gedichte» geheißen hätte, im Verlag von Bruno Cassirer. Als der Band, erheblich verändert, Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre in die Insel-Bücherei unter dem Titel Zeit und Ewigkeit aufgenommen wurde, ließ Margareta Morgenstern auf Empfehlung des Verlegers Anton Kippenberg das Gedicht «Der Gärtner» weg. Seit dem ersten Erscheinen hatte es wegen des «hässlichen Reimes» immer wieder Kritik gegeben. Doch für Christian Morgenstern war es 1906 ein besonderes, ein wichtiges Gedicht.
*Aus dem Englischen von Evelies Schmidt.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.