Kitabı oku: «Tok-Tok im Eulengrund», sayfa 2

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3.Kapitel
Drei Frauen im „Kopfstand“

Drei Frauen saßen im Laternenlicht feierlich wie ein hohes Gericht im engen Raum. Vor ihnen stand ein leerer Stuhl. Wortlos wurde ich auf diesen Platz gewiesen. Ich setzte mich zögernd und ahmte die Haltung der Frauen nach. Wir saßen so nah beieinander, dass meine Knie fast die Knie der Frauen berührten.

Eine zierliche junge Frau saß mit gesenktem Kopf neben einer würdigen alten Dame, deren schlanke Hände auf dem Griff eines Stockes lagen. Die dritte Frau war stark gerundet und hatte ein fröhliches Mondgesicht. Dann hob die zierliche junge Frau den Kopf und ich erkannte Rosalinde. Und sie war … Wie soll ich’s euch nur beschreiben? Ich sage einfach: Sie war das Gegenteil von verwahrlost.

Die Frauen schwiegen und betrachteten mich aufmerksam. Dann richtete sich die alte Dame in einer Weise auf, wie ich es bisher nur auf Gemälden der alten Meister gesehen hatte.

„Wir wollen hier in den Fabrikruinen ungestört leben“, sagte sie und schwieg wieder. „Die braven Bürger aus der braven Siedlung nebenan kann man sich leicht vom Leibe halten“, fuhr die alte Dame fort. „Ein paar leere Schnapsflaschen im Grase, nächtelang Fernsehgeflimmer an der Gardine, schon die übliche Verwahrlosung schreckt sie ab. Die Kinder aus dieser Siedlung aber sind nun mal keine braven Bürger, sie kommen näher und näher und stören unser stilles Leben.“

Wieder schwieg die Alte und musterte mich eindringlich. „Wir brauchen einen Kinderschreck“, fuhr sie fort. „Wir brauchen ein abscheuliches, unsäglich hässliches Ungeheuer. Du sollst diese Aufgabe übernehmen.“

Sie wartete, bis mein Gesicht ihr sagte, dass ich ungefähr begriffen hatte, was da von mir verlangt wurde.

„Du darfst kostenlos in dieser Hütte hier wohnen“, fuhr die alte Dame fort. „Du bekommst drei Mahlzeiten täglich.“

Die alte Dame lächelte huldvoll. Ich war einfach nur verwirrt und wusste nicht weiter. Ich stammelte einige Zweifel an meiner Eignung für den Beruf eines Kinderschrecks. Ich wies auch auf die Harmlosigkeit meines Äußeren hin. Aber die alte Dame stieß ihren Stock unsanft an meinen Oberarm.

„Und was ist das?“

„Das sind Muskeln.“

„Gut. Schön hässlich. Und das Kraut hier?“

„Ich bin etwas behaart.“

„Gut. Schön hässlich. Auf dem Kopf fehlt es an Kraut. Warum hast du dir lange Haare über die Glatze gelegt und am Hinterkopf zusammengebunden?“

„Ich wollte …“

„Ach, Faxen, Ziererei. Mach das da auf und lass die Haare neben der Glatze herunterbaumeln.“

„Aber … Es wird dann vielleicht etwas unerfreulich aussehen.“

„Höchst erfreulich! Schön hässlich. Gut, das bleibt so. Vielleicht einen Tropfen Öl auf die Glatze. Sie muss weithin glänzen. Nach dieser Platte sollst du heißen, ‚Kahler Barbar‘. Barbar heißt Stammler. Stammler ist gut.“

Die alte Dame sah nach links und rechts zu den jungen Frauen.

„Zu lang“, sagte Rose. „Kahler Baba ist besser.“

„Ja, Kahler Baba passt“, stimmte die alte Dame zu. „Du bist also ab sofort der Kahle Baba.“

Sie stieß ihren Stock auf den Boden. Tok! Tok!

„Aber …“

„Und merke dir, Kahler Baba, schlage ich mit dem Stock zwei Mal auf den Boden, so Tok! Tok!, dann ist mein Wort festgestampft und Gesetz. Und es gibt kein Aber. So.“

Die strenge alte Dame sah mich erwartungsvoll an. Ich wusste nichts zu sagen.

„Ich warte.“

„Worauf?“

„Dass du sagst, ich übernehme diese ehrenvolle Aufgabe.“

„Warum sollte ich? Diese Aufgabe ist höchst seltsam. Warum sollte ich Kinder ängstigen?“

„Weil dich Rose-Rad-ab anlächelt.“

Rose-Rad-ab, früher Rosalinde genannt, hatte bis jetzt vermieden, mir in die Augen zu sehen. Nach dieser Aufforderung hob Rosalinde den Kopf, sah mir in die Augen, und ihre Augen sprühten vor Intelligenz und Übermut. Nein, hier hatte niemand ein Rad ab. Ich sah die stark gerundete junge Frau an. Sie blickte offen entzückt mal zu Rose, mal zu mir. Ich sah in die Augen der alten Dame, warm und klug und etwas besorgt nahm sie meinen Blick an.

Und, das Wichtigste, das noch nie Gefühlte, hier war Vertrauen möglich. Ich stimmte zu.

„Bedingungslos?“

„Bedingungslos.“

„Der Vertrag ist abgeschlossen. Du bist in unseren Verbund als Hilfskraft aufgenommen.“

Tok! Tok! Zweimal stieß der Stock auf den Boden und besiegelte den Vertrag.

„Jetzt zur Kleidung. Dreifingerregel. Daumen hoch: Hemd. Zeigefinger hoch: Hose. Mittelfinger hoch: Sandalen.“

„Kein Unterzeug?“

„Wozu? Wäschst du dich vielleicht nicht gründlich? Willst du dich üppiger kleiden als wir Frauen?“

„Aber Frauen …“

„Frauensommerbekleidung. Dreifingerregel: Kleid, Sandalen, Schmuck.“

„Bei mir kommen natürlich noch zwei Kissen hinzu. Das sind hier nämlich nur Kissen. Nicht, dass du denkst …“

Die Frauen lachten, das große Glüh wurde puterrot.

„Immer nur ein einziges Kennzeichen“, erklärte Tok-Tok. „Glüh hat die Nilpferdrundungen, Rose hat ein Rad ab, das Heilige Graubrot hat sein Brot, ich habe den Stock und du hast den Kahlkopf. Der Rest, Dreifingerregel: Mimik, Schultern, Gangart. Mehr nicht an Verstellung. Nihil nimis, never zu viel. Täuschung muss einfach sein, sonst ist das bisschen Menschengehirn überfordert und nimmt die Täuschung nicht an.“

Die würdige Alte erhob sich. Wir jüngeren Leute standen ebenfalls auf. An der Tür drehte sich die alte Dame um und betrachtete mich noch einmal sehr lange. Sie schüttelte besorgt den Kopf.

„Ach, Kahler Baba, du bist so hoffnungslos komisch. Wie nur soll ich dich zu einem Scheusal machen? Ich fürchte, es geht nicht anders, ich muss dir die Sprache wegnehmen. Die Sprache verriete dich sofort.“

„Aber ich muss doch irgendetwas sagen, wenn ich Leute treffe? Das gehört sich so.“

„Warum? Du kannst doch auch Fratzen schneiden, mit den Händen fuchteln, trällern, brüllen und grunzen.“

„Darf ich wenigstens ein paar Worte grunzen: Ich, Kahler Baba! Ich, böser Baba.“

„Gut, das darfst du grunzen, meinetwegen auch noch ein paar Schimpfworte und Flüche stammeln, aber nichts Vernünftiges und nur keine richtigen Sätze dahersagen.“

Sie stieß ihren Stock zweimal auf den Boden. „Das, Kahler Baba, gehört jetzt zum Vertrag“, sagte Tok-Tok streng, fügte aber lächelnd hinzu: „Und musst du unbedingt etwas Kluges von dir geben oder verschachtelte lange Sätze reden, dann mach das mit uns, wir halten das schon irgendwie aus.“

Kaum war Tok-Tok verschwunden, huschte geräuschlos der Alte mit dem Brot unterm Arm herein. Er legte das Brot auf den Tisch. Er holte ein Bündel Papiere hervor, reichte es mir zusammen mit einem Stift und zeigte auf das letzte Blatt.

„Hier unterschreiben.“

Ich überflog die Papiere. Es waren meist Geldüberweisungen. Alle meine nicht ganz unbeträchtlichen Schulden, sogar die, die ich schon vergessen hatte, waren bezahlt worden. Dann, die letzte Seite, war eine Vollmacht, dass jemand Miete, Versicherungen, Müll und Ähnliches, also die Kosten meiner Wohnung in der Stadt, für mich übernehmen werde. Der ganze Bürokram musste in den wenigen Stunden erledigt worden sein, in denen ich k. o. herumgelegen hatte. Ich glaube nicht an dunkle Zauberkräfte. Aber die Kraft, die das geplant und ausgeführt hatte, war gut organisiert, unsichtbar und nicht klein. Mit dieser Kraft war ich nun durch mein Wort und ein Tok! Tok! und vor allem durch ein Frauenlächeln verbunden. Also schrieb ich, ohne zu zögern, meinen Namen neben dem Fingernagel einer gepflegten Greisenhand aufs Papier. Still verschwand der Alte. Das Brot ließ er zurück.

Rosalinde lächelte mich wieder an, so innig, wie man einem Kind zulächelt, das man sehr gern hat, aber mit dem man noch lange nicht über heikle Dinge reden kann.

„Stell keine Fragen“, sagte sie nur.

Dann nahm sie die große, runde Frau, die mich mit unverhohlenem Behagen anstarrte, an die Hand und zog sie mit sich hinaus in die dunkle Wildnis.

Drei schöne Frauen

bargen ein wunderbares Geheimnis,

nach dem ich nicht fragen durfte.

4.Kapitel
Wer schleicht da durch die Nacht?

Das Kichern und Schwatzen der Frauen entfernte sich und verstummte. Ich sah den Hebel an der Blechtür, mit dem ich mich einschließen konnte. Ich schloss mich nicht ein. Es war sehr still. Im schwachen Licht der Laterne sah ich mich um. Der verbeulte und rostige Blechkasten war früher ein oben offener Abrollcontainer, eine Riesenblechwanne für fünfunddreißig Tonnen groben Bauschutt gewesen. Den Container hatten die Abrissarbeiter auf den Kopf gestellt, sicher, um dort teure Maschinen und ihre Wertsachen einzuschließen. Das war für sie eine Art Tresor. Die Schrift an der Tür sagte, dass der Eisenkasten auch manchmal eine Notunterkunft war, um die Hotelkosten zu sparen.

Ich betrachtete die Einrichtung der Hütte: Tisch und Stuhl, ein schmaler Schrank, ein eisernes Bettgestell mit Strohsack und einer Decke am Fußende. Sonst standen da nur noch eine Schüssel und zwei Eimer, einer mit klarem Wasser gefüllt und ein leerer Eimer. Aha, das also war mein Bad. Sich in die Schüssel stellen und kaltes Wasser über den Kopf schütten, so sah also meine Dusche aus. Dann gab es nur noch eine Werkzeugkiste und eine Futterkiste. Mehr war da nicht. Ich betrachtet meine Essensvorräte in der Futterkiste: Haferflocken, Kartoffeln; dazu Salz, Öl, Knoblauch und Zwiebeln. Sicher war das meine Wochenration.

Ich setzte mich an den Tisch. Ich zog die Laterne heran, legte mein Notizbuch davor und machte auf einer leeren Seite drei Kreuze. Neben die Kreuze schrieb ich: Tor, Bahnhof, Kopfstand. Mit Wellenlinien, das sollte „Pfad“ bedeuten, verband ich die Kreuze. Das war nicht viel. Trotzdem beruhigte die Zeichnung. Ich malte einen Kringel um den „Kopfstand“ und sagte mir: „Hier also bin ich.“ Dann zeichnete ich ein Strichmännchen und drei Strichweiblein. Das erste Weiblein bekam einen Stock, das zweite Rundungen und das dritte eine Blume auf den Kopf. Das Strichmännchen verzierte ich mit Dach und Kreis, das sollten Kapuze und Brot sein. Ich schlug eine neue Seite auf. Ich stellte mir drei Aufgaben und schrieb sie in Druckbuchstaben übers ganze Blatt.

ERSTENS. ROSE NAHE SEIN!

ZWEITENS. KINDER VERJAGEN!

DRITTENS. GEHEIMNIS DER FRAUEN ERGRÜNDEN!

So schuf ich erste Ordnung im Kopf.

Der Wind schabte Zweige an der Blechwand. Ich hörte Froschquaken und seltsame dunkle Rufe. Eulen? Ja, das waren Eulenrufe. Der Ort wird nicht umsonst Eulengrund heißen. Dann hörte ich ein beunruhigendes Tapsen. Das waren eindeutig Schritte. Die Schritte kamen draußen immer näher an die Blechwand. Manchmal war es ein Trippeln, manchmal verharrten die Schritte, manchmal entfernten sie sich, manchmal kamen sie zurück. Es mussten mehrere Schleicher sein, die sich vor meinem Blechhaus bewegten. Es schien, als kämen immer neue hinzu, als würde sich da draußen eine größere Bande versammeln. Ich blies die Kerze aus und tastete mich zur Tür. Ich wartete. Die Wolken vor dem Mond waren mal locker, mal dichter. Endlich war die Nacht beinahe schwarz und ich schob mich lautlos durch die halb geöffnete Tür. Draußen drückte ich den Rücken gegen das Blech und glitt so an der Rückseite der Hütte dahin. Die Wolken gaben den Mond frei. Zum Glück beschien er die Vorderseite des Containers. Ich blieb auf der Rückseite im tiefen Schatten.

Behutsam entfernte ich mich nun von der Blechwand. Schritt für Schritt tastete ich mich vorwärts. In weitem Bogen gelangte ich so zur Vorderseite der Blechhütte. Ich fand ein Versteck in einem dichten Gebüsch, durchzogen mit Brombeerranken und hohem Kraut. Ich drückte mit dem Rücken eine Höhle in das undurchdringliche Geflecht und hatte eine sichere Beobachtungsstelle, den Rücken gedeckt und gute Sicht auf den mondbeschienenen Platz vor der Hütte. Selbst unsichtbar, überschaute ich das Gelände wie aus dem behaglichen Dunkel einer Loge die beleuchtete Theaterbühne. Das Spiel konnte beginnen. Kommt hervor, ihr Schleicher! Nur Mut, ihr Banditen, stürmt die Hütte!

Die Banditen kamen, doch sie stürmten nicht. Sie hüpften vergnügt umher. Es waren Wildkaninchen. Ihre kurzen Hüpfer hatte ich für Schritte gehalten. Ich schämte mich etwas, aber nur kurz. Ich bin ein Großstädter. Ich kann nun mal nicht wie ein Wilddieb lauschen. Ich betrachtete vergnügt das kleine Kaninchenfest im Mondenschein. Warum ich in meinem Versteck unbeweglich stehen blieb, wusste ich selbst nicht.

Die ausgelassene Stimmung der Wildkaninchen ist doch recht flüchtig und ihre Tänze sind kurz. Sie erstarrten plötzlich in ihren Bewegungen, spitzten – und das wortwörtlich – ihre Ohren, und wie mit dem Besen von der Bühne gefegt, so waren sie plötzlich verschwunden. Jetzt wird wohl eine Eule auf die Bühne fliegen, oder ein Fuchs hat seinen Auftritt, dachte ich. Doch kein Kaninchenjäger kam aus dem Dunkel. Aus dem Dunkel kam ein kleiner Mensch. Genauer gesagt, es kam der Schatten eines kleinen Menschen. Und der Schatten kam auch nicht so einfach daher, der Schatten tanzte aus dem Dunkel hin zu der schiefen Blechhütte. Das war ein kleiner Mann in einem eng anliegenden schwarzen Trikot mit einer schwarzen Skimaske. Er hatte einen breiten Gürtel um, an den eine Werkzeugtasche geschnallt war. Solche Taschen haben Handwerker, die in großer Höhe arbeiten. Nah an der Hütte änderte der Schatten seine artistisch schnellen und eleganten Tanzschritte und näherte sich langsam auf Zehenspitzen einem der faustgroßen Gucklöcher. Er hielt inne und drehte sich um. Sein Blick tastete gründlich die Umgebung der Hütte ab. Als er in meine Richtung blickte, war mir, als verweilten seine Augen etwas. Ich drückte mich rückwärts tiefer in die schwarze, stachlige Höhle. Der kleine Kerl wandte sich wieder der runden Öffnung im Blech zu. Er spähte lange in das Innere der Hütte. Dann drückte er sein Ohr an die Hüttenwand. Ein Fauchen in der Nähe und ein Jammerton, Geräusche einer erfolgreichen Kaninchenjagd, schreckten den kleinen Kerl auf und er verschwand in katzenhaften Sprüngen. Das geschah in wenigen Sekunden. Diese Erscheinung war so unwirklich, so schwerelos, so katzenhaft geschmeidig, dass ich vor mich hin flüsterte: „Ein Kobold.“

Mein Gehirn trübte ein Gespensternebel.

„Es gibt keine Kobolde!“, sagte ich mir, als riefe ich mich zur Ordnung. „Die Werkzeugtasche war nicht aus einem Märchen, die war aus einem Baumarkt. Kobolde gehen nicht in Baumärkte und kaufen dort Werkzeugtaschen.“

Ich verließ mein Versteck. Ich ging offen über den freien Platz zurück in mein Bauarbeiterhotel „Zum Kopfstand“. Ich ließ die Tür halb geöffnet. Ich zündete die Kerze in der Laterne an. In mein Notizbuch zeichnete ich neben das Kreuz „Kopfstand“ ein tanzendes Strichmännchen. Darunter schrieb ich „Kobold“. Ich schloss mein Notizbuch und öffnete die Futterkiste. Ich fand einen Topf und einen Spirituskocher und kochte mir Pellkartoffeln. Ich hatte eine heiße Kartoffel im Mund, da knarrte die Tür.

„Rose kommt zurück“, dachte ich froh. Ich schluckte die heiße Kartoffel, denn man kann nicht mit einer heißen Kartoffel im Mund selig „Rosalinde!“ hauchen. Ich hauchte nicht „Rosalinde“, ich sagte:

„Oh weh, bist du hässlich.“

Es war also nicht Rosalinde, die sich durch den Türspalt zwängte. Es war eine magere Hündin. Das Tier blieb halb in der Tür und starrte auf meine Kartoffeln.

„Komm rein“, sagte ich und fügte schnell hinzu, „aber nicht zu nah.“

Das Tier kam herein, kam viel zu nah, saß gespannt vor dem Tisch und saugte sich voll Kartoffelduft. Ich sah einen kahlen Fleck auf dem Hunderücken. Die kahle Stelle war genauso groß und genauso kreisrund wie meine kahle Stelle auf dem Kopf.

„Räude“, stellte ich fest, „wirst wohl Babarina heißen.“ Ich zerteilte die Kartoffeln, damit sie schneller abkühlten. „Warte. Ich muss erst pusten. – Jetzt geht’s.“

Ich warf ihr die Stücke zu. Sie schnappte die Viertel aus der Luft und schlang sie ohne Bewegung der Kiefer hinunter. Es tropfte aus den Lefzen. Als die Hündin die gute Hälfte meines Abendbrots verschlungen hatte und ich mich nun auch am Mahl beteiligen wollte, kam das erste Geräusch aus dem Tier. Das war ein bettelnder Fiepton.

„Da, nimm, das Letzte, mehr gibt’s nicht. – Nein, das Brot wird nicht angerührt. Ich weiß, es duftet. Und nun verschwinde! Zieh ab! Zieh Leine! Verzieh dich! Schieß in den Wind! Ab durch die Mitte! Geh deiner Wege. Du hast deine Probleme, ich habe meine. – Nein, da kannst du Augen machen, wie du willst. Ich falle darauf nicht rein. Ein rührender Ausdruck in den Augen kostet keine Mühe und schon habt ihr dummen Hunde Unterkunft und drei Mahlzeiten täglich. Nicht mit mir. Du ziehst hier nicht ein. Punkt. Basta. Tok! Tok!“

Ich machte ein strenges Gesicht, hob den Arm und zeigte auf die Türspalte.

„Ich habe meine Pflicht als Gastgeber erfüllt und nun geht jeder wieder seiner eigenen Wege. War mir ein Vergnügen, komm gut nach Hause.“

Das hässliche Tier musste früher einmal in guten Verhältnissen gelebt haben. Es ließ den Kopf sinken und trottete mit eingeklemmtem Schwanz zur Tür. Es knarrte ein wenig, denn der Hundebauch war nun doch einige Millimeter breiter.

Ich aß zu Ende, räumte auf, betrachtete besorgt meine Essensvorräte. Das runde Brot des heiligen Mannes blieb unberührt, obwohl mein Appetit darauf übermächtig war. Ich legte mich auf den knisternden Strohsack. Die Tür blieb einladend einen Spalt breit offen, auch die Laterne löschte ich nicht. Ein leichter Wind rieb Zweige am Blechdach. Ich hörte Froschquaken. Ganz nah musste es einen Teich geben. Ich schlief ein.

„Du Narr!“, quakte im Traum ein fetter Frosch. „Du Narr hast dich auf ein Schachbrett der Riesen verirrt. Ein dicker Daumen lauert über dir. Quak! Quak! Du Amateur, du jämmerlicher Stammler betrittst eine Bühne und weißt den Text nicht, kennst nicht die Rolle, die du spielen sollst.“

Der Frosch sprach klar und vernünftig. Ich antwortete närrisch und verworren, sprach von den Augen der drei Frauen und forderte einen Blick in die Augen des Froschs. Weil der Frosch das verweigerte, lehnte ich weitere Gespräche mit ihm ab. Aber der Frosch quakte weiter: „Du Narr! Du Narr!“ Dann träumte mir, dass die Tür dreimal knarrte und die kahle Hündin drei fette Frösche unter mein Bett schleppte.

Ich erwachte. An der Kerze konnte ich sehen, dass ich kaum eine Stunde geschlafen hatte. Ganz nah, nur wenige Zentimeter von mir entfernt, raschelte es. Unter meinem Bett war irgendetwas im Gange. Ich stand auf, nahm die Laterne und sah nach. Die kahle Hündin hatte tatsächlich etwas hereingeschleppt, aber es waren keine fetten Frösche, es waren drei fette Hundebabys, Welpen. Aus meinem maßgeschneiderten Jackett hatte sie ein Lager gebaut und lag nun da und säugte ihre Brut. Die Augen leuchteten mich an.

„Nun gut“, knurrte ich, „darfst bleiben. Ich werfe keine Mutter mit drei Kindern in der Nacht auf die Straße. Aber morgen werden wir ein ernstes Wörtchen miteinander reden.“

Es schien, die Hündin glaubte nicht so recht an die ernsten Wörtchen. Sie gähnte ausgiebig und drehte ihren Kopf den Welpen zu.

5.Kapitel
Das große Glüh

„Ich bin so glü…, ich bin so glü…, ich bin so glücklich“, jauchzte zur gleichen Zeit, etwa hundert Meter entfernt, das große Glüh in seinem Bett.

„Oho, mal was ganz Neues“ antwortete Tok-Tok und sah von ihrem Buch auf. Im größten Wohnraum des Betriebsbahnhofs stand Tok-Toks Bett den Fenstern gegenüber an der Wand, im rechten Winkel am Kopf- und Fußende waren die Betten der jungen Frauen.

„Und warum, mein Glühwürmchen, bist du denn heute so glü…?“

„Weil er mir gesagt hat, dass ich ein prächtiges Weib bin.“

„Er hat mit dir kein Wort gesprochen.“

„Stimmt, mit dem Mund hat er nichts gesagt, aber mit den Augen hat er deutlich gesagt: ‚Du bist ein prächtiges Weib!‘ Darum bin ich glü… Ich glaube, er ist ein wenig in mich verliebt.“

„Ach, mein Glühwürmchen, da irrst du dich. Er ist in mich verknallt. Naja, vielleicht auch ein wenig in Rose.“

„Aber auch in mich. Er hat es deutlich mit den Augen gesagt.“

Ein Kissen flog aus Roses Bett hinüber zu Glüh. Die jungen Frauen bewarfen sich mit Kissen, die alte Frau lachte. Dann war es lange still. Rose schlief. Die Buchseiten in Tok-Toks Hand raschelten.

„Ich bin so unglü…“, flüsterte das große Glüh.

„Und warum, mein Kind, bist du auf einmal so unglü…?“, flüsterte Tok-Tok, ohne vom Buch aufzusehen.

„Weil ich eine fette Made bin.“

„Ach, mein liebes Dumm, von einer gewissen Höhe aus gesehen bist du nur ein Würmchen. Und du bist ein erfreuliches Würmchen, weil du glühst. Du bist halt ein Glühwürmchen.“ Glüh seufzte und war nicht mehr unglü… Sie war übrigens nie richtig unglü… Sie wusste gar nicht, wie das geht.

„Gute Nacht, Tok-Tok.“

„Ja, ja, schlaf endlich.“

„Tok-Tok?“

„Schlaf.“

„Ist unser Kinderschreck ein richtiger Schriftsteller?“

„Da gibt es eine warme Wahrheit und eine kalte. Die warme sagt: Ja. Ein Verlag hat einige dünne Büchlein von ihm gedruckt. Einige Zeitungen haben das freundlich bemerkt. Irgendwo wird es eine alte Tante geben, die das ausschneidet und in Heftchen klebt. Die kalte Wahrheit aber sagt: Nein. Die kalte Wahrheit sind die verkauften Bücher.“

„Schlimm wenig?“

„Im hunderter Bereich.“

„Es kann aber noch werden.“

„So denke ich auch.“

„Tok-Tok, du könntest ihn mir jeden Tag für ein Stündchen schenken.“

„Wozu?“

„Damit ich ihn mit meinem Besen verdreschen kann. Er braucht das. Er braucht Antrieb. Er sieht schon etwas träge aus und wird fett.“

„Na, meinetwegen.“

„Ach, bin ich glü…“

Die jungen Frauen schliefen. Die alte Tok-Tok las bis zum Morgen.

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