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6. Das New Public Management und das Verwaltungsrecht

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Eine bedeutende neue Dimension der Verwaltungsrechtswissenschaft folgt auf grundlegende Veränderungen in der Struktur des Staates und der öffentlichen Verwaltung. Besagter Wandel hat sowohl praktische als auch ideologische Implikationen. Die Wissenschaft ist in den letzen zwei Jahrzehnten Zeuge eines Paradigmenwandels vom Regieren (government) hin zur Steuerung (governance) geworden. Diese Entwicklung ist durch die New Right-Schule geprägt worden, nach welcher der „Staat lenkt, jedoch nicht rudert“[110], und der Bürger primär als Konsument von Dienstleistungen gesehen wird, die er im Gegenzug für das Zahlen von Steuern erhält.[111] Patrick McAuslan argumentierte, dass das von den Thatcher-Regierungen der 1980er Jahre initiierte Reformprogramm des öffentlichen Sektors auf der Public-Choice-Theorie basiere, welche die Welt der Politik und Verwaltung nach wirtschaftstheoretischen Analysemodellen konzipiert.[112] „Der Einsatz von Methoden und Techniken der neoklassischen Ökonomie“ in Untersuchungen bezüglich der Staatsgewalt „macht die Public-Choice-Theorie so unverkennbar.“[113] Das sog. New Public Management[114] umfasst die folgenden zusammenhängenden Merkmale, welche alle ausführlich von Verwaltungsrechtlern aufgezeigt worden sind:[115] (1) Privatisierung – Verkauf staatlichen Eigentums und staatlicher Betriebe, welcher das Ausmaß und die Reichweite des Staates verkleinerte;[116] (2) Beauftragung privater Unternehmen – Erfüllung vormals „öffentlicher Aufgaben“ durch private Akteure;[117] (3) Vertragskultur – Gebrauch von Verträgen und „Pseudo-Verträgen“ als Hauptwerkzeuge des öffentlichen Handelns;[118] (4) Nachahmung des Marktes – Einsatz von Techniken und Strukturen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen (am auffälligsten im Gesundheits- und Erziehungswesen), die darauf ausgerichtet sind, ökonomische Anreize und „Managementkultur“ zu replizieren;[119] (5) Rechnungsprüfung – vermehrter Einsatz von Wirtschaftsprüfern, um sicherzustellen, dass Behörden effizient, effektiv und mit angemessenem Preis-Leistungs-Verhältnis agieren;[120] (6) Regulierung – Entwicklung weg von hierarchischen Verwaltungsmodellen des „Kommandierens und Dirigierens“ hin zu sektorspezifischen Regulierungsbehörden mit Kompetenzen, um die Entscheidungen des privaten Sektors zu überwachen und das öffentliche Interesse zu vertreten. Regulierung ist mittlerweile das Hauptinstrument der Regierung, um politische Ziele zu verwirklichen, und stellt nun nahezu einen eigenen Wissenschaftszweig dar.[121] Eine neuere Facette der modernen Steuerung, welche die Aufmerksamkeit der Verwaltungsrechtler und Wissenschaftler, die sich mit Regulierung beschäftigen, erregt hat, ist das Konzept des „Risikomanagements“.[122] Die Forschung hat jedoch festgestellt, dass solche neuartige Regulierung nicht nach den althergebrachten Methoden des Kommandierens und Dirigierens abläuft. „Interessanterweise ist die heutige Regulierung Metarisikomanagement, Risikomanagement von Systemen für Risikomanagement.“[123]

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Obwohl Verwaltungsrechtler zu Beginn Mühe hatten, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, hatten sie letztlich keine Wahl, sich auf die Verwandlung der grundlegenden Strukturen ihres Gegenstands einzulassen. Einige Fragen stehen im wissenschaftlichen Rampenlicht. Ein solcher Punkt, sowohl allgemein als auch konzeptionell aufgefasst, betrifft die angemessene Stellung des Verwaltungsrechts in einem neuen System, welches seine eigene mehr oder weniger kohärente Ideologie hat und wenig Raum für „traditionelle“ verwaltungsrechtliche Werte übrigzulassen scheint. Es ist in diesem Zusammenhang wenig verwunderlich, dass in den letzten Jahren reichlich Tinte geflossen ist bei dem Versuch, spezifische „Werte des öffentlichen Rechts“ auszumachen.[124] Dieser Prozess der intellektuellen Selbstanalyse spiegelt eine grundlegende Unsicherheit bezüglich der Rolle des Verwaltungsrechts in neuen Steuerungsstrukturen wider. Eine Antwort hierauf ist die Internalisierung der neuen Agenda und ihrer tragenden Ideologie. Das Buch Choice and the New Legal Order von Norman Lewis ist ein Beispiel hierfür. Lewis versuchte eine kühne Rekonstruktion des öffentlichen Rechts mit den Begriffen der gegenwärtigen „herrschenden politischen Einstellung“, dem Gedanken der Wahlmöglichkeit.[125] Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass dieser Versuch der Neukonzipierung bisher unter Verwaltungsrechtlern wenig Anklang gefunden hat.

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Ein weiterer Brennpunkt ist die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht, welche in dieser Zeitspanne ein wichtiges Forschungsgebiet war.[126] Viele der Veränderungen, die dem New Public Management zugeordnet werden können, wie Privatisierung, Beauftragung privater Unternehmen, vertragsrechtliche Gestaltung (sowie „Pseudo-Verträge“), untergraben im Endeffekt bislang recht eindeutige Unterschiede zwischen öffentlich und privat. Die Folge dieser Aneignung „post-Fordscher“ Managementkultur im öffentlichen Sektor, so bemerken Christine Parker und John Braithwaite, ist eine „Welt, in der die Differenz zwischen öffentlich und privat zusehends verschwimmt, in der die Steuerung von Zusammenarbeit alles ist“.[127] Zum Beispiel pflegten die Gerichte das Vorhandensein eines Vertrags als klares Indiz anzusehen, dass eine Sache nicht Teil des öffentlichen Rechts war. Aber selbiges Verhalten würde im Kontext der Allgegenwärtigkeit der Vertragsform im öffentlichen Sektor bedeuten, einen großen Anteil des Verwaltungshandelns dem Geltungsbereich des öffentlichen Rechts zu entziehen. Die Antwort der Gerichte darauf war die Ersinnung neuer Prüfungsschemata und Konzepte, primär das Vorhandensein einer „öffentlichen Funktion“ (was nicht immer mit der Inbrunst der Überzeugung geprüft wird).[128] Rechtswissenschaftler hatten auch ihre Schwierigkeiten, sich in dieser schönen neuen Welt zurechtzufinden, in welcher der ehemals relativ homogene öffentliche Sektor zersplittert ist und „öffentlich“ und „privat“ mittlerweile häufig ineinander verwoben sind.[129] Das herausragende Ergebnis dieser Forschung war eine Sammlung von Aufsätzen zur Differenz zwischen öffentlich und privat, verfasst von Rechtswissenschaftlern aus einer Reihe von Common Law-Rechtsordnungen.[130] Zudem hat es interessante (wenngleich nicht gänzlich überzeugende) Versuche einiger Wissenschaftler gegeben, die alte Sicht Diceys, dass keine echte Unterscheidung zwischen „öffentlichem“ und „privatem“ Recht möglich ist, neu zu konzipieren.[131] Dabei verdeckt die augenscheinliche Rückkehr des Diceyschen Formalismus oftmals ein grundlegenderes Anliegen, nämlich die Kolonialisierung des Privatrechts durch Werte des öffentlichen Rechts.

7. Die Hinwendung zur Theorie

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Ein wichtiger Wandel innerhalb der Disziplin, der sich implizit in den vorangehenden Absätzen wiederfindet, der jedoch auch individueller Abhandlung bedarf, ist das Hervortreten der theoretischen Ansätze. „In den vergangenen zwanzig Jahren“, beobachtete Michael Taggart, „hat die Verwaltungsrechtsliteratur eine deutliche Hinwendung zur Theorie erlebt.“[132] Die zentrale Rolle, die Theorie in unserer Zeit innerhalb des Fachs einnimmt, stellt einen Unterschied zu früheren Epochen dar, in denen die Rechtswissenschaft vornehmlich mit der Analyse, Darstellung und Systematisierung von Fällen beschäftigt war. Tatsächlich war der Theoriemangel derart augenfällig – insbesondere verglichen mit der anspruchsvollen interdisziplinären Forschung, die in den Vereinigten Staaten von Amerika stattfand, dass eine Anzahl prominenter Verwaltungsrechtler letztlich versuchte, durch einen Weckruf in den späten 1970er Jahren ihre Kollegen zu mobilisieren.[133] Rechtswissenschaftler antworteten auf unterschiedliche Weise. In einem einflussreichen Werk teilte Martin Loughlin die Geschichte der englischen Wissenschaft des öffentlichen Rechts in drei grobe Schulen ein („konservativer Normativismus“, „liberaler Normativismus“ und „Funktionalismus“) und verband diese jeweils mit bedeutsamen Traditionen der englischen Politikwissenschaft.[134] Ein zeitgenössischer Beitrag von Paul Craig verglich verschiedene Theorien des öffentlichen Rechts und der Demokratie im Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten; eines der Leitmotive hierbei war die Verwandtschaftsbeziehung zwischen öffentlichem Recht und politischer Theorie.[135]

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Die berühmteste theoretische Debatte rankte sich um das konzeptionelle Fundament des richterlichen Rechtsschutzes. Sie wurde durch einen originellen Aufsatz von Dawn Oliver losgetreten, welcher in Frage stellte, ob das ultra vires-Konzept, von dem seit langem angenommen wurde, dass es das Grundprinzip des richterlichen Rechtschutzes darstellt, immer noch so verstanden werden sollte.[136] Zwei rivalisierende Ansichten bildeten sich bald heraus. Die Vertreter des „Common Law-Modells“ argumentierten, „die Prinzipien des richterlichen Rechtsschutzes werden in Wirklichkeit durch die Gerichte entwickelt. Sie sind die Schöpfung des Common Law. […] Wenn Gesetze erlassen werden, erlassen die Gerichte Auflagen, die den richterlichen Rechtsschutz darstellen und von denen sie überzeugt sind, dass sie normativ im Sinne von Gerechtigkeit, Rechtsstaatsprinzip etc. gerechtfertigt sind.“[137] Die Befürworter des ultra vires-Modells machten geltend, dass das vorrangige Prinzip der Parlamentssuprematie und die Existenz eines autochthonen Common Law-Prinzips des richterlichen Rechtsschutzes nur dann in Einklang gebracht werden könnten, wenn man weiterhin davon ausgehe, dass im Falle einer Übertragung von Herrschaftsgewalt seitens des Parlaments auf einen Entscheidungsträger das Parlament beabsichtige, dass jene Rechtsprinzipien angewandt werden würden.[138] Nach einem munteren Start endete diese Debatte in einem immerwährenden (und nicht besonders differenzierten) Grabenkrieg, ein Szenario, welches selbst den Protagonisten zufolge mehr Hitze als Erleuchtung zu erzeugen schien.[139] Dennoch dümpelte die Debatte mit einigen wenig erbaulichen interuniversitären Zänkereien zwischen zwei Common Law-Theoretikern, Trevor R. S. Allan aus Cambridge und Paul Craig, Professor in Oxford, weiter vor sich hin.[140] Es besteht die Hoffnung, dass der gegenwärtige Waffenstillstand zwischen diesen beiden Gelehrten der Vorbote des längst fälligen Endes dieses unnützen Revierkampfs ist.[141]

8. Die Wiederentdeckung des Common Law

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Seit den frühen 1990er Jahren ist die Entstehung einer Theorie des Common Law-Konstitutionalismus der rote Faden der zur Theorie neigenden Literatur. Eine Reihe hoher Richter – insbesondere Lord Harry Kenneth Woolf, Lord Johan van Zyl Steyn und Lord Justice John Laws – führen diese Bewegung an. Neben ihrer richterlichen Tätigkeit veröffentlichten diese Richter eine Serie umsichtiger und provokativer Aufsätze.[142] Obschon sie einige wichtige Gesichtspunkte voneinander unterscheiden, teilen jene Verfasser die Ansicht, dass die Praktiken und Methoden des Common Law selbst – oder vielleicht gerade – im gegenwärtigen „Zeitalter der Demokratie“ von Wert sind.

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Rechtswissenschaftlich betrachtet ist der Gipfel dieser Wiederentdeckung die Verbreitung der Theorie des Common Law-Konsitutionalismus.[143] Kern dieser Theorie ist die Idee einer konstitutionellen Politik, welche ein zentraler Drehpunkt für das Leben der politischen Gemeinschaft ist, die auf fundamentale Common Law-Prinzipien zurückzuführen und um die Institutionen der Common Law-Gerichtsbarkeit herum gebaut ist. Während Trevor R. S. Allan der systematischste und anspruchsvollste Vertreter dieser Ansicht ist,[144] hat sich Sir John Laws als ihr explizitester Exponent hervorgetan. Der Standpunkt von Laws basiert auf einem moralphilosophischen Fundament, in dem der Begriff der individuellen Autonomie eine Hauptrolle spielt; er steht somit entschieden in der Tradition Friedrich von Hayeks. Der Kardinalwert Autonomie, so Laws, und die „negativen“ fundamentalen Rechte, die entwickelt werden, um diesen Wert zu schützen, können nur effektiv gewahrt werden, wenn man sie der übergeordneten Gerichtsbarkeit des Common Law-Gerichts anvertraut, denn „Angemessenheit ist ein definitorisches Merkmal des Common Law, jedoch nicht mehr als eine nebenursächliche Funktion des Gesetzesrechts“.[145] Prinzipien des öffentlichen Rechts, die im Laufe der Jahrhunderte durch die natürlichen Abläufe des Common Law entwickelt wurden, sollten demnach als „höherrangiges Recht, dem selbst das Parlament unterstellt ist“[146], gesehen werden.

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Der Common Law-Konstitutionalismus hat in der Literatur einiger anderer Common Law-Rechtsordnungen Fuß gefasst.[147] Er hat sowohl eine spezifische als auch eine allgemeine Dimension. Spezifisch lässt sich feststellen, dass er in seiner Blütezeit in den 1990er Jahren Kennzeichen einer konstitutionellen und politischen Bewegung war, die versuchte, auf die eine oder andere Art, stärkeren Rechtsschutz im menschen- und bürgerrechtlichen Bereich im Vereinigten Königreich einzuführen. Die Theorie kann dementsprechend als Teil einer größeren Bestrebung für Verfassungsreform begriffen werden. In diesem Sinne kann der Common Law-Konstitutionalismus als Wegbereiter für den Human Rights Act von 1998 (der die Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK] in die Rechtsordnungen des Vereinigten Königreichs inkorporierte) aufgefasst werden und ist demzufolge weitgehend von neueren Entwicklungen bezüglich der Anwendung dieses Gesetzes überholt worden. Allgemeiner kann man festhalten, dass die Theorie eine Wiederbehauptung dessen darstellt, was man als politische Aufgabe der Common Law-Gerichte und als Wert der rule of law (oder des „Legalitätsprinzips“, wie es mittlerweile von Juristen oft genannt wird) bezeichnen könnte. Diese Wiederentdeckung des Common Law spiegelt sich nicht nur in einigen dogmatischen Entwicklungen dieser Zeit (was Rechte angeht) wider; sie hat auch einen Einfluss auf den breiteren politischen Diskurs ausgeübt.[148]

9. Politischer Konstitutionalismus nach Griffith

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Die Kritiker des Common Law-Konstitutionalismus und assoziierter Theorien, welche den Gerichten eine herausragende Stellung in der Verfassung und den Rechten eine dominante Rolle im Verwaltungsrecht einräumen, haben sich überwiegend unter dem Banner des politischen Konstitutionalismus zusammengefunden. Verschiedene Positionen haben sich hierzu gebildet, deren gemeinsames Merkmal die Abneigung gegenüber einer als zu gerichtszentriert empfundenen Konzeption des öffentlichen Rechts, der Glaube an den Wert der Demokratie und demokratischer Institutionen ist, wobei John Griffiths oben besprochene Idee der politischen Verfassung Pate stand.[149] Insbesondere Adam Tomkins entwickelte eine interessante Argumentation gegen die historischen Behauptungen und Annahmen der Common Law-Konstitutionalisten und konstruierte stattdessen eine (wenig überzeugende) republikanische Theorie der britischen Verfassung, welche direkt auf die von Griffith gelegten Grundsteine aufbaut.[150]

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Der Erlass des Human Rights Act hat Rechtswissenschaftler, die in dieser Tradition arbeiten, vor eine Herausforderung gestellt. Die Entwicklung der Karrieren von Keith Ewing und Conor Gearty nach Verabschiedung dieses Gesetzes sind hierfür beispielhaft. Ewing und Gearty erlangten vornehmlich durch zwei zusammen verfasste Lehrbücher Bekanntheit, deren gemeinsames Merkmal eine Kritik der Gerichte als Hüter der Bürgerrechte im England des 20. Jahrhundert ist.[151] Seit Inkrafttreten des Human Rights Act haben sich ihre Standpunkte entzweit. Ewing ist gegen das Gesetz, das er letztlich als zwecklos erachtet. Die Gerichte, so argumentiert er, seien nach wie vor kraftlos in der Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes.[152] Gearty hingegen ist ein Befürworter des Gesetzes. Für ihn stellt es ein Mittel zur Förderung eines verbesserten Rechtsschutzes in politischen wie rechtlichen Institutionen dar, und er betrachtet den Human Rights Act als größtenteils positive Entwicklung, welche es vermag, fundamentale Bürgerrechte in einem von Sicherheitsrisiken und Terrorismus besessenen Zeitalter zu wahren.[153]

10. Verwaltungsrecht und Menschenrechte

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Eine weitere Facette des modernen Verwaltungsrechts, die zusehends die Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaftler erweckt, ist die verstärkte Bedeutung der Menschenrechte. Obgleich es richtig ist, dass Menschenrechte seit den Tagen Mitchells ein Aspekt der Verwaltungsrechtspraxis sind, sind sie erst in den letzen Jahren deutlicher hervorgetreten. Die 1990er Jahre waren Zeuge eines Anstiegs der Berufung auf Rechte (insbesondere EMRK-Rechte) in Gerichtsverfahren,[154] aber die Gerichte zögerten, Rechte und auf Rechten basierende Prinzipien weitläufig und ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Parlaments anzuwenden.[155] Die allmähliche Herausbildung einer auf Rechte gestützten englischen Verwaltungsrechtlehre kann als Teil einer wachsenden Sensibilisierung für europäische (und internationale) Rechtsordnungen im Vereinigten Königreich verstanden werden. (Es sollte jedoch hinzugefügt werden, dass diese nach außen gerichtete Perspektive oft im Kontrast zu einem stärker nach innen gewendeten (rückschrittlichen?) Standpunkt steht.[156]) Möglicherweise wird hier auch die Beeinflussung durch nordamerikanische Theorien der Rechte auf die Disziplin reflektiert, allen voran der Einfluss Ronald Dworkins.[157]

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Was für eine Auswirkung genau diese Akkommodierung der Menschen- und Bürgerrechte auf das englische Verwaltungsrecht haben wird, ist derzeit noch nicht ganz absehbar. Nicht auszuschließen ist, dass sie zu einer Umwälzung des Rechtsgebiets führen wird. Zweifellos haben die Gerichte in jüngster Zeit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Fällen des richterlichen Rechtsschutzes aufgenommen.[158] Zudem hat eine entsprechende Verlagerung des Blickwinkels auf den materiellen Gehalt des Verwaltungshandelns stattgefunden. Es überrascht wenig, dass diese Entwicklungen vermehrt das Augenmerk der Verwaltungsrechtler auf sich ziehen. Verhältnismäßigkeit und die verwandte Vorstellung der richterlichen Zurückhaltung bezüglich administrativer Entscheidungsträger sind derzeit zentrale Gesichtspunkte der Debatte. Murray Hunt zum Beispiel betrachtet die Entwicklung des Gebots der richterlichen Rücksichtsnahme als Kehrseite der „uneingeschränkten Einverleibung“ des Verhältnismäßigkeitsprinzips seitens der Gerichte.[159] Obwohl er den Wert der „räumlichen Sprache von Ermessensbereichen oder -spielräumen“ bezweifelt, argumentiert Hunt, dass eine „gehaltvolle Konzeption der Legalität und Rechtsstaatlichkeit den demokratischen Zweigen in der Definition und Förderung fundamentaler Werte eine Rolle“ zugestehen sollte.[160] Im Gegensatz dazu greift Trevor R. S. Allan diese neuen Prinzipien der richterlichen Zurückhaltung scharf an, welche er als nichts anderes als „Nicht-Justiziabilität in pastellfarbenen Kleidern“ ansieht. Zurückhaltung ist, seiner Ansicht nach, entweder ein gehaltloser oder ein schädlicher Leitsatz. Sie ist gehaltlos, wenn sie „vorgibt eine Gewaltenteilung zwischen den Gerichten und den anderen Gewalten zu implementieren“, da diese Trennung bereits „durch die korrekte Anwendung der Rechtsprinzipien, welche die Entfaltungsmöglichkeiten individueller Rechte definieren“, gesichert wird. Sie ist schädlich, wenn sie „eine Vernachlässigung richterlicher Verantwortung gestattet, zugunsten eines Sich-Verlassens auf die gute Absicht oder Vernunft oder besonderer Expertise von Funktionären, deren Beurteilung, was die Implikationen für Rechte in bestimmen Fällen angeht, schlichtweg falsch sein könnte“.[161]

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Grundlegender vermuten einige Kommentatoren, dass eine Konstitutionalisierung des Verwaltungsrechts stattfindet. David Dyzenhaus, Murray Hunt und Michael Taggart weisen auf neuere Entwicklungen hin – in England und anderswo in der Common Law-Welt –, was die Konstitutionalisierung und Internationalisierung der Disziplin angeht. Im Mittelpunkt dieses Prozesses steht die Herausbildung eines allgemeinen „Legalitätsprinzips“, welches „sowohl die administrativen Entscheidungsträger in die Pflicht nimmt, ihre Entscheidungen zu begründen, als auch von Richtern verlangt, dass sie sich diesen Gründen insofern beugen, als dass sie von einer Richtigkeitsüberprüfung Abstand nehmen“, und welches „als verfassungsrechtliches Prinzip, das gewissermaßen das Verwaltungsrecht konstitutionalisieren wird“, fungiert. Auf Vergleiche zwischen Fällen in Neuseeland, Australien, Kanada und England zurückgreifend argumentieren sie, dass dieser neue „konstitutionalisierte“ gerichtliche Rechtsschutz einer „anderen Methodologie“ bedürfe, deren Ziel es sei, der Regierung und der öffentlichen Verwaltung eine „Kultur der Rechtfertigung“ einzuimpfen. „Der Begriff der Rechtfertigung, im Unterschied zur Erklärung, impliziert, dass die Gründe, die eine Entscheidung stützen, ‚gute‘ Gründe sind, und dies wiederum verlangt nach Normen und Regeln, die festlegen, was als ‚guter Grund‘ zählt.“[162] Diese substanzielle Richtungsänderung im gerichtlichen Rechtsschutz untergräbt jegliche „drastische und schnelle Unterscheidung zwischen prozedural und materiell“ und führt einen Prozess des „konstitutionellen Ausgleichs“ herbei, in dem Rechte abgewogen werden gegen die Gründe, die zur Verteidigung des Regierungshandelns, das diese angeblich einschränkt, herangezogen werden. Ebenso spielt Völkerrecht in diesem neuen Verwaltungsrecht eine verstärkte Rolle, da die Normen der internationalen Rechtsordnung sowohl zum Verständnis der Werte beitragen, die der Kultur der Rechtfertigung zugrundeliegen, als auch eine „eindrucksvolle Legitimitätskraft“ beisteuern.

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