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Kitabı oku: «Capitän Richard», sayfa 11

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Man trieb die Pferde an. Die Pferde überwanden ihre instinctmäßige Furcht vor der schwankenden Eisdecke und gingen schnaubend weiter. Alle sahen vom Ufer mit angstvoller Spannung zu.

Plötzlich sahen sie wie die in der Dunkelheit kaum bemerkbaren Massen unschlüssig stillstanden; sie hörten ein lautes Angstgeschrei, dann leisere, abgebrochene, allmälig ersterbende Klagetöne. Endlich war Alles still.

Die Blicke, die sich erschrocken abgewandt hatten, wandten sich wieder dem Eise zu: das Eis war leer. . . Alles war verschwunden, in den Abgrund versunken! An zwei oder drei Stellen rauschte das Wasser, das war Alles!

Man mußte die kostbaren Fuhrwerke im Stich lassen und die Gegenstände wählen, die man retten wollte. Die Wahl dauerte lange das Entsetzen verlängerte sie.

Dann begannen die Weiber mit ihren Kindern, die Verwundeten und Kranken, die sich aneinander stützten, über das Eis zu ziehen wie schweigende Gespenster.

Ein Drittheil blieb im Wasser, zwei Drittheile erreichten das andere Ufer. Es war im Kleinen eine Wiederholung des entsetzlichen Uebergangs über die Beresina.

Endlich, um Mitternacht war Alles hinüber oder untergesunken. Es waren etwa noch fünfzehnhundert Mann, die im Stande waren, die Waffen zu tragen, und drei- bis viertausend Verwundete, Kranke, Weiber und Kinder. Mit den Kanonen machte man gar keinen Versuch, man warf sie ohne weiteres ins Wasser.

Der Marschall hielt Wort: er war der Letzte, der über den Dniepr ging. Auf dem andern Ufer trieb er die ganze klägliche Schaar vor sich her. Ludwig Richard eröffnete den Zug: sein tiefes Seelenleiden schien ihn gegen Ermüdung und Gefahr unempfindlich zu machen.

Als er etwa eine Viertelmeile zurückgelegt hatte, bückte er sich und untersuchte den Weg. Man hatte eine gebahnte Straße erreicht. Tiefe Geleise zeigten an, daß Kanonen und Artilleriefuhrwerke vorbeigekommen waren. Man war also einer Armee ausgewichen; man hatte mit Menschen und Elementen gekämpft, um noch zu kämpfen! . . .

Das Häuflein war erschöpft. die Hoffnung war schon weit früher verschwunden, als die Kräfte. Ney rief: »Vorwärts!« und die Truppe marschirte.

Die Fahrstraße führte zu einem Dorfe, das man überfiel. Die umherirrende Horde jubelte: man hatte Alles gefunden, was seit Moskau gefehlt hatte, Lebensmittel, warme Wohnungen, lebende Wesen.

Diese lebenden Wesen waren freilich Feinde, aber daran lag wenig, die unermeßliche Schneewüste, die Kälte, der Tod waren noch weit gefährlichere Feinde.

In dem Dorfe wurde zwei Stunden gerastet, dann setzte die Truppe, neu gestärkt, ihren abenteuerlichen Marsch fort. Sie war mitten unter Platow’s Kosaken Orscha, wo man die französische Armee wieder zu finden hoffte, war noch etwa zwanzig Meilen entfernt.

Um zehn Uhr Morgens, während in einem Dorfe – es war das dritte seit dem Uebergange über den Dniepr –gerastet wurde, sah man dunkle Tannenwälder, die mit der Truppe zu marschiren schienen, sehr lebhaft und geräuschvoll werden. Es waren Platow’s Kosaken, welche die Armee oder vielmehr die 1500 Soldaten und die 3- bis 4000 kampfunfähigen Nachzügler gewittert hatten

Ein anderes Dorf liegt am Dniepr. und in dieses zieht man sich zurück; so hat man wenigstens die linke Seite durch den Fluß gedeckt.

Mit Tagesanbruch ist die Colonne von 6 bis 8000 Mann und 25 Kanonen verfolgt worden. Warum sie nicht angegriffen hatten? Der Anführer war betrunken und nicht im Stande, seine Leute zu Commandiren, und ohne Befehl wagten sie nicht anzugreifen. Dieses Mal war das Glück den Trunkenbolden nicht günstig.

Doch der Augenblick war gekommen, man mußte kämpfen; man glaubte es wenigstens. Aber Ney kannte die Kosaken. Die Truppe war gerade beim Essen. »Soldaten,« sagte er, »beendet ruhig eure Mahlzeit, 200 wohl bewaffnete Leute sind genug.«

200 Mann, von Ludwig Richard zusammen gebracht, scharrten sich um den Marschall. Ney hatte sich nicht geirrt; mit diesen 200 Mann hielt er die 6000 Kosaken im Schach. Der Anführer hatte freilich seinen Rausch noch nicht ausgeschlafen.

Zugleich wird Befehl gegeben, unmittelbar nach beendeter Mahlzeit aufzubrechen.

Nach einer Stunde setzt sich die Colonne wieder in Bewegung. – Die Kosaken hatten vielleicht die Absicht gehabt das Dorf zu schonen, denn sobald der letzte Nachzügler die letzte Hütte hinter sich bat, werden alle Lanzen gesenkt, alle Kanonen gewendet.

Die von Kosaken umschwärmte Colonne wird auf allen Seiten angegriffen. Die Nachzügler, die Verwundeten, die Weiber und Kinder werden von Schrecken ergriffen und suchen Schutz an der Seite der Colonne, die sie beinahe in den Fluß werfen. Der Marschall Ney gibt Befehl, sie mit den Bajonneten abzuwehren. Vor den Bajonneten müssen sie anhalten; sie werden nun aus einem Hinderniß ein Schutzwall für die kampffähige Mannschaft. Die Lanzen und Geschützkugeln dringen in diese regellose, dicht gedrängte Masse, aber das Herz treffen sie nicht, ums Leben kommen sie nicht, die Feigen schützen die Muthigen.

Die auf der einen Seite durch den Fluß, auf der andern durch die Menschenmasse gedeckte Colonne marschirt inzwischen rasch weiter. Zuweilen wird sie durch Schwierigkeiten des Bodens genöthigt, sich vom Dniepr etwas zu entfernen, dann zeigt sich ein Kosakenschwarm am Ufer des Flusses; aber ein tüchtiges Gewehrfeuer treibt ihn zurück; oder der Marschall läßt 5- bis 600 Mann mit dem Bajonnet angreifen. Die Kosaken werden dann in den Fluß gedrängt.

So marschirt die Colonne zwei Tage sie legt zwanzig Wegstunden zurück, wie eine belagerte, aber sich fort bewegende Bevölkerung. So flieht manchmal ein von Bremsen umschwärmter und gepeinigter Stier.

Endlich kam die dritte Nacht, in der man einige Ruhe zu finden hoffte. Aber man konnte nicht anhalten, man mußte die Ermüdeten zurück lassen. Einige hatten den Muth, einem Freunde auf dessen dringende Bitten eine Kugel durch den Kopf zu jagen.

Ney sah das Elend, drückte beide Hände auf das Herz, das zu zerspringen drohte, und wendete die thränenfeuchten Augen ab.

Die Nacht war gekommen, die Colonne marschirte aufs Gerathewohl durch einen Tannenwald. Jeden Augenblick stieß ein Soldat gegen einen Baum und schüttelte den Schnee ab.

Plötzlich wird der dunkle Wald erhellt, eine Geschützsalve kracht, die Kartätschenkugeln pfeifen, Menschen und Bäume niederwerfend. Die Colonne weicht zurück, wankt, geräth in Unordnung.

»Ha! endlich haben wir sie!« ruft der Marschall, »vorwärts, Freunde . . . vorwärts!«

Und mit fünfzig Soldaten dringt dieser Titane unaufhaltsam vorwärts, statt zu fliehen, jagt er die Angreifenden in die Flucht.

Der Graf Ségur hat eine hochpoetische Schilderung von allen diesen Thaten gegeben. Warum hat er nichts weiter darüber geschrieben? Ob es ihm die Akademie verbietet? – Nein, er war Augenzeuge gewesen, und wollte die Gefühle wiedergeben, die das furchtbare Schauspiel in ihm weckte. »Er hatte Alles mit erlebt, und er konnte wie Aeneas sagen:

»Et quorum pars magna fui.«3

Als der Tag anbrach, fand man die Lanzen und Kanonenkugeln der Kosaken wieder. Der Wald gewährte freilich einigen Schutz; aber mit den Musketen und Büchsen konnte man die Angreifenden nicht zurücktreiben. Die Kosaken zogen auf halbe Kanonenschußweite neben der Colonne bin und feuerten; die Franzosen mußten warten und den Tod empfangen, ohne ihn geben zu können. Sie marschirten, rasteten, aßen unter dem feindlichen Feuer; viele wurden marschirend, rastend, essend von den mörderischen Kugeln getroffen; der Tod allein schien nicht müde zu werden.

Die Nacht kam . . . die vierte Nacht. Man beschloß, in dieser Nacht nicht zu rasten, sondern immer zu marschiren.

Die Franzosen mußten nahe seyn, es waren noch etwa zwanzig Soldaten beritten. Ludwig Richard, der in tausend Todesgefahren nicht die leichteste Verwundung erhalten hatte, stellte sich an die Spitze dieser Reiter und eilte in der Richtung voraus, wo aller Wahrscheinlichkeit nach Orscha liegen mußte.

In Orscha stand das französische Heer.

II.
»Meine Krone für ein Pferd!«
Richard III

»Dreihundert Millionen für Ney!«

Napoleon.

Napoleon hatte Smolensk, wie oben erwähnt, am 14. verlassen. Am ersten Tage hatte man keinen andern Feind gesehen, als den feindlichen Boden, der freilich allein stark und erbittert genug war, um eine Armee zu vernichten.

Man war mitten in der Nacht in aller Stille abmarschirt. Diese Stille wurde indeß immerfort unterbrochen durch die Flüche der Trainsoldaten, durch die Schläge, die sie ihren Pferden gaben, durch das Rasseln der Kanonen und Pulverkarren auf dem unebenen, hartgefrornen Boden. Die Gardeartillerie brauchte zweiundzwanzig Stunden, um fünf Meilen zurückzulegen.

Zwei Meilen rechts floß der Dniepr. Der ganze Zug hatte eine Länge von etwa zehn Wegstunden, nemlich von Smolensk nach Krasnoje. Die Vorhut war bereits in der Nähe des letzten Orts, als die Nachzügler kaum aus den Thoren von Smolensk marschieren. Korinthya liegt auf dem halben Wege, d. i. fünf Stunden von Smolensk und ebenso weit von Krasnoje.

Napoleon beabsichtigte in Korinthya Halt zu machen; aber die Landstraße war von einer andern der nach Elma führenden, durchkreuzt, und auf dieser Straße rückte eine andere zahlreiche, gut verpflegte Armee an, die den verwundeten, arg mitgenommenen französischen Truppen sehr gefährlich werden konnte.

Diese Armee bestand aus 90,000 Mann unter dem Befehle des alten Feldmarschalls Kutusow. Die von Ostermann befehligte Vorhut traf früher als Napoleon in Korinthya ein. Es wurde dem Kaiser gemeldet.

»Ich mache in Korinthya Halt,« sagte er; »die Russen müssen hinausgejagt werden.«

Ein General – man weiß nicht welcher, die großen Namen allein schwimmen oben in diesem furchtbaren Drama, wie bei einem Schiffbruch nur die großen Trümmer die Aufmerksamkeit auf sich lenken – ein General stellte sich an die Spitze von etwa 1000 Mann und vertrieb die Russen aus Korinthya. Die Verzweiflung oder vielmehr die Todesverachtung hatte die Kräfte verzehnfacht; was man sonst kaum mit 10,000 Mann vermochte, wurde jetzt mit 500 durchgesetzt.

Als Napoleon in die kaum von den Rassen geräumte Stadt einzog, meldete man ihm, ein anderes 20,000 Mann starkes Corps habe eine drei Stunden entfernte Schlucht besetzt, um den Franzosen den Weg abzuschneiden, während ein anderer Theil dieses Corps anrücke. Napoleon mußte sich daher durch 110,000 Mann durchschlagen, um wieder nach Frankreich zu kommen.

Napoleon hörte diesen Bericht in dem einzigen noch unversehrt gebliebenen Hause des Städtchens. Man hatte gefürchtet, dieses Haus sey vielleicht eine Falle, in die man ihn locken wollte, es sey vielleicht unterminirt; ein Mutschik, der sich dem Tode geweiht, werde die Mine anzünden, und der Donnergott, der mehr Ungewitter über die Erde ausgeschüttet hatte, als Jupiter am Himmel, würde, wie Romulus, plötzlich von der Erde verschwinden

Napoleon hörte kaum was gesprochen wurde, er setzte sich auf einen Tisch, auf welchem eine sehr ungenaue, mangelhafte Karte des vor ihm liegenden unbekannten Landes ausgebreitet war.

Bald darauf erschien ein Adjutant des Generals Sebastiani, der zu Krasnoje die Vorhut eines dritten Heerhaufens gefunden hatte. Der General ließ dem Kaiser sagen, daß er dieses Corps zurückwerfen wolle, um den Weg frei zu machen. Er hatte außerdem gehört und ließ durch denselben Adiutanten sagen, daß ein viertes Streifcorps, wahrscheinlich aus Kosaken bestehend, einige zerstreut marschirende Soldaten, darunter zwei Generale, gefangen genommen habe.

Man erwartete. Napoleon werde auf die Kunde von diesen Feindseligkeiten an die in Smolensk gebliebenen Truppen Eugen’s, Davoust’s und Ney’s den Befehl schicken, ihm rasch zu folgen, um den 200,000 Feinden wenigstens 20,000 Mann entgegenführen zu können. Aber Napoleon blieb in tiefen Gedanken und gab keinen Befehl.

Am andern Morgen wurde abmarschirt, als ob der Weg frei gewesen wäre. Die Colonne, in der sich Napoleon befand, setzte, ohne die mindeste Vorsicht anzuwenden, ihren Weg fort, als ob der Stern, der diesem kühnen Eroberer bei Marengo und Austerlitz geleuchtet, an dem trüben Himmel Rußlands noch geglänzt hätte.

Die Marodeurs und Flüchtlinge bildeten die Vorhut; die Verwundeten und Kranken die Nachhut. Nur wo Napeleon war, schlugen die Pulse des Herzens.

Plötzlich befindet sich die kleine Schaar vor einer unbeweglichen Linie, vor einem Wall von Menschen und Pferden, der auf der weiten Schneefläche steht.

Die Vorhut stutzt und weicht zurück. Napoleon selbst muß still halten; er richtet sein Fernrohr auf die schwarze Linie und sagt gelassen:

»Es sind die Kosaken . . . Ein Dutzend Tirailleurs voran! Sobald ein Loch gemacht ist, marschiren wir hindurch.«

Ein Offizier dringt mit einem Dutzend Scharfschützen vor, und sobald die ersten Kugeln pfeifen, nimmt der ganze Kosakenschwarm die Flucht, wie eine verscheuchte Vögelschaar. Der Weg ist frei.

Plötzlich wird zur Linken ein starkes Geschützfeuer eröffnet; die Kanonenkugeln schlagen in die Flanke der Colonne und wühlen die Erde auf. Alle Blicke sind auf Napoleon gerichtet.

»Nun, was gibt’s?« fragt er.

»Sehen Sie, Sire!«

Man zeigte ihm drei Mann, die zehn Schritte vor ihm von einer Kanonenkugel niedergeworfen waren.

»Die Batterie muß genommen werden,« sagt er.

Der verwundete General Excelmann stellt sich an die Spitze von 7—800 Westphalen und greift die Batterie an, während sich die Ueberreste der alten Garde um Napoleon drängen, um ihn gegen die Kugeln zu schützen.

So wird ganz ruhig und sorglos, mit klingendem Spiel weiter marschirt. Der Ueberrest des Musikcorps der Garde spielt die heitere. gemüthliche Melodie: Où peut- on être mieux qu’au sein de sa famille?

Aber der Kaiser streckt die Hand aus, die Musik schweigt.«

»Mes enfants,« ruft er ihnen zu, »spielet: Veillons au salut de 1’Empire!«

Während dieser Kanonade, die man nur durch kalte, stolze Todesverachtung beantworten kann, spielt das Musikcorps die von Napoleon verlangte Melodie so ruhig wie auf einer Parade.

Der Kanonendonner hörte früher auf als die Musik. Excelmann hatte mit seiner muthigen Schaar den Hügel erstiegen und die Batterie erstürmt

»Seht,« sagte Napoleon, »mit solchen Feinden haben wir zu thun!«

An diesem Tage war der Boden schwerer zu besiegen als der Feind. Die Franzosen verloren kaum hundert Mann, aber die Wege waren so schlecht, daß sie eine Kanone nach der andern, einen Pulverwagen und Gepäckwagen nach dem andern im Stiche lassen mußten.

Zum Unglück hatten die Nachzügler wohl Zeit die Gepäckwagen zu plündern, aber sie fanden keine Zeit die Kanonen zu vernageln, und jedes zurückgelassene Geschütz konnte eine Stunde nachher gegen die Marschcolonnen gerichtet werden.

Napoleon kam in Krasnoje an. Aber hinter ihm kam die Armee, die der kleinen Schaar zugesehen, von den Höhen herunter, und diese 20,000 Mann befanden sich zwischen Napoleon und den drei zurückgelassenen Armeecorps. Am andern Morgen, als die Colonne eben abmarschiren wollte, begann der Kanonendonner etwa fünf Stunden im Rücken. Es war der Angriff auf Eugens Colonne an der Stelle, die der Marschall Ney einen Tag später mit Todten und Waffentrümmern bedeckt fand, und wo Paul Richard, jetzt selbst eine Leiche, seinen Bruder unter den Todten gesucht hatte.

Napoleon gab Befehl zum Aufhalten der Colonnen. Sein Stiefsohn Eugen, der die Niederlage, die er bei Pordenone erlitten, längst wieder gut gemacht hatte, sollte nicht in den Händen der Feinde bleiben.

Napoleon wartete den ganzen Tag. Eugen erschien nicht. Gegen Abend hörte der Kanonendonner auf. Napeleon hatte eine Hoffnung, und er äußerte sie laut, um das Vertrauen der Uebrigen zu vermehren: Eugen meinte er, habe sich zurückgezogen, um sich mit Davoust und Ney zu vereinigen, und am andern Tage werde man die drei Heerschaaren die russische Operationslinie durchbrechen sehen.

Die Nacht verging, der Tag brach an . . . nichts erschien. »Es war Kutusow, der nun von denselben Höhen, wo er Tags zuvor auf Eugen gefeuert, das Truppencorps Ney’s beschoß.

Napoleon ruft die drei Marschälle, die er in seiner Nähe hat: Bessières, Mortier und Lefèbvre. Berthier brauchte er nicht zu rufen, Berthier geht ihm nicht von der Seite, er ist Nadoleons Schatten.

Es ist nicht zu bezweifeln, daß die ganze russische Armee den Franzosen im Rücken steht; sie glaubte Napoleon zu umzingeln, aber er kam glücklich durch; sie glaubte Cäsar in ihrer Gewalt zu haben, hielt aber nur seine Generale in Schach.

Wenn Napoleon fortmarschirte, während die Rassen Davoust und Ney angriffen, konnte er einen Vorsprung von zwei bis drei Tagen gewinnen und Lithauen, das befreundete Land, erreichen.

Aber man würde dann die braven Waffenbrüder im Stich lassen, man würde den Kopf retten und die Glieder preisgeben. War’s nicht besser, daß alle zusammen umkamen oder sich retteten?

Napoleon befiehlt nicht mehr, er fragt; er sagt nicht mehr: ich will, sondern: wollt Ihr? Ein einziger Ruf antwortet ihm: Vorwärts!

Der Eber mit den eisernen Hauern wendet sich nun um. Aber in demselben Augenblicke geht die Nachricht ein, daß die russische Vorhut den Vorsprung gewonnen. Eine Umkehr ist daher nicht möglich.

Napoleon ruft den General Rapp.

»Marschire gerade auf die feindliche Vorhut los,« sagt er zu ihm, »und greife sie, ohne eine Minute zu verlieren, in der Dunkelheit an. Aber merke Dir, kein Schuß darf abgefeuert werden, nur die Bajonnete! Sie müssen für ihre Keckheit gezüchtiget werden.«

Wenn Napoleon befahl, wurde unbedingt gehorcht; ohne ein Wort zu antworten eilte Rapp fort. Aber kaum hatte er sich zehn Schritte entfernt, so rief ihn Napoleon zurück. Eine ganze Welt von Gedanken war in zehn Minuten durch sein Haupt gezogen.

»Nein, bleibe hier, Rapp,« sagte er, »Du sollst in einem solchen Scharmützel den Tod nicht finden, ich brauche Dich nächstes Jahr vor Danzig, Roguet soll Dich ersetzen.«

Rapp entfernte sich ebenfalls in tiefen Gedanken, um dem General Roguet diesen Befehl zu überbringen; während die kleine Schaar von 150,000 Russen umzingelt ist, wird ihm ein Jahr im Voraus sein Posten angewiesen, bei der Vertheidigung einer Stadt, die hundert Meilen entfernt ist von dem Orte, wo er sich selbst vielleicht nicht vertheidigen kann

Roguet griff den Feind mit dem Bajonnete an und warf ihn mit solcher Gewalt, daß die russische Armee mehr als fünf Meilen zurückwich und vierundzwanzig Stunden unthätig blieb.

In der Nacht wurde Eugens Truppencorps signalisirt. Der Prinz kam allein, er hatte sich durch die Russen geschlagen, aber er wußte nicht was aus Davoust und Ney geworden war. Sie kämpften, denn er hatte zur Rechten den Kanonendonner gehört.

Kutusow war der Retter der französischen Armee zu nennen; der alte Feldherr, der so weiß war wie der Winter mit seinem Schnee, begnügte sich, mit seinen Kanonen zu zerstören, wie der Winter mit Schnee und Wind. Napoleon kann die Unthätigkeit Kutusow’s und den glänzenden Sieg Roguet’s zum Vorrücken benützen, und drei Tagemärsche von dort sieht Victor mit 30,000 Mann, und Schwarzenberg mit seinem Armeecorps. Aber er will Davoust und Ney sowenig im Stich lassen, wie den Prinzen Eugen. Es war freilich nicht mehr, wie bei Eckmühl, ein großer Sieg zu erkämpfen, es handelte sich nun um die Rettung zweier Marschälle und der Trümmer zweier Armeen.

Am 17. gibt er Befehl, um sieben Uhr Früh bereit zu seyn, und als die ganze Armee – oder vielmehr der Ueberrest derselben – der Meinung ist, man werde nach Polen marschiren, kehrt Napoleon dem Polenlande den Rücken und marschirt gegen Norden.

»Wohin geht es?« fragen alle Stimmen, »und welchen Weg nehmen wir?«

»Wir wollen Davoust und Ney retten und gehen auf dem Wege der Pflicht.«

Alle Stimmen schweigen, man findet die Sache ganz natürlich und gehorcht. Napoleon wird seine beiden Feldherrn aus Rußland holen oder dort mit ihnen sein Grab finden.

Eugens kleine Schaar soll weiter marschiren; nach den unerhörten Anstrengungen, die sie gemacht, kann sie wohl noch marschiren, aber nicht mehr kämpfen. Der General Claparède soll mit den Kranken und Verwundeten das Städtchen Krasnoje vertheidigen. Die Kranken und Verwundeten sind stark genug gegen einen Feind, der bei der kleinsten Berührung über den Haufen geworfen wird.

Bei Tagesanbruch befand sich Napoleon zwischen drei Armeen; eine stand rechts, eine links und eine vor ihm. Diese Armeen brauchten nur vorzurücken und sich zusammenzuziehen, um Napoleon mit seinen 11,000 Mann zu erdrücken. Sie brauchten nur ihre Batterien aufzufahren und einige Stunden zu feuern, um das ganze Häuflein zu vernichten. Es wäre nicht einer davongekommen. Aber die Truppenmassen blieben ruhig stehen, die Kanonen schwiegen; es mußte wohl unsichtbare Schutzgeister geben für die französischen Soldaten. Es war wie bei Rivoli, wie bei den Pyramiden, wie bei Marengo, Austerlitz, Jena, Friedland, Eckmühl und Wagram. Es bedurfte eines dreijährigen Kriegsunglücks, bevor man einsah, daß dieser zweite Achill verwundbar war, und erst als England, der unversöhnliche Feind, das Messer seiner Horse-Guards dem sterbenden Löwen ins Herz stieß, war er völlig besiegt mit seiner alten Garbe, die bei Waterloo ihr Grab fand.

Endlich fing der Kanonendonner wieder an; es war in der Richtung von Krasnoje. Der Feind, der Napoleon verschonte, griff den General Claparède an. Man war nun auf vier Seiten eingeschlossen. Der erste Geschützdonner war ohne Zweifel ein Zeichen, denn die drei andern Seiten begannen ebenfalls Feuer zu speien.

Das französische Corps marschirte unaufhaltsam vorwärts. Es war im Großen eine Wiederholung des Abmarsches aus dem Kreml: man marschirte gegen das Feuer und zwischen zwei feuersprühenden Wänden.

Plötzlich that sich diese feuerspeiende Menschenwand aus. Sie war von Davoust und seinen Leuten durchbrochen.

Eugen und Davoust hatten sich nun mit Napoleon vereinigt, es war nur noch Ney zurück. Davoust hatte nichts von ihm gehört, er wußte nur, daß er einen Tag nach ihm Smolensk verlassen hatte. Er mußte daher um einen Tagemarsch zurück seyn. Es wäre aber durchaus unmöglich, in diesem mörderischen Feuer zu warten, die ganze Armee wäre darin zusammengeschmolzen wie Metall in einem Glühofen.

Napoleon ruft Mortier und gibt ihm den Befehl, Krasnoje zu vertheidigen, um daselbst den Marschall Ney so lange als möglich zu erwarten; er selbst will der Armee über Orscha und Liady den Weg bahnen. Mit ihm ist die Kraft, das hat er oft und neuerdings wieder auf seinem abenteuerlichen Rückzüge durch Rußland gezeigt, denn es bedurfte einer furchtbaren Kriegsmaschine um den Wall von 40,000 Rassen, der ihm den Weg nach Polen versperrte, zu durchbrechen.

Napoleon nimmt mit den Ueberresten der alten Garde den Weg gegen Krasnoje, Mortier, Davoust und Roguet decken den Rückzug.

Napoleon traf Abends in Liady und am folgenden Tagein Orscha ein. In Smolensk hatte er noch 25,000 Mann 150 Kanonen, eine beträchtliche Kriegscasse reiche Beute und Lebensmittel; in Orscha hatte er nur noch 10,000 Mann 25 Kanonen und einen geplünderten Schatz. Es war kein Rückzug mehr, es war eine Flucht, von geordnetem Zurückweichen konnte keine Rede mehr seyn, man mußte fliehen.

Der General Eble wurde mit acht Kompagnien Sappeurs und Pionieren abgeschickt, um für den Uebergang dieser 10,000 Mann über die Beresina die nöthigen Vorkehrungen zu treffen. Der Führer dieses Corps war der General Jomini, der noch lebt und nur einen Kummer hat, nemlich die Ungewißheit, ob die Schmach des Verräthers an seinem Namen haftet.

Vielleicht hätte Napoleon Orscha verlassen sollen, aber dann würde er den tapfern Ney im Stich gelassen haben. Noch unglücklicher als Augustus, der wenigstens den Varus hatte, von welchem er seine Legionen zurückfordern konnte, muß Napoleon seinen Feldherrn von sich selbst fordern.

Zu jeder Stunde der Nacht öffnet er seine Thür und fragt: »Sind Nachrichten von Ney angekommen?« Bei jedem Geräusch, das er auf der Straße hört, öffnet er das Fenster und fragt: »Ist Ney da?« Alle Blicke waren gegen Norden gerichtet, aber man sah nichts als die immer näher rückenden russischen Bataillone; man lauschte, aber man hörte nicht einmal Kanonendonner; ringsum herrschte Grabesstille. Ney war gewiß todt, er würde kämpfen, wenn erlebte, und als ob der Verlust des tapfern Marschalls schon erwiesen gewesen wäre, sagte Napoleon in wehmüthiger Stimmung: »Mein braver Ney! alle Millionen, die in den Kellergewölben der Tuilerien sind, würde ich für meinen Herzog von Elchingen, für meinen Fürsten von der Moskwa hingeben!«

Plötzlich hört man mitten in der Nacht die Hufschläge eines im Galopp ankommenden Pferdes, dann laute Stimmen, unter die sich der Name Ney mischt.

»Ney!« ruft Napoleon zum Fenster hinaus; »wer bringt mir Nachrichten von Ney?«

Man führt einen jungen Offizier, der die zerlumpten Ueberreste einer blauen mit Silber gestickten Uniform trägt, vor den Kaiser.

Napoleon erkennt in ihm einen Ordonnanzoffizier des Prinzen Eugen.

»Ah! Sie sind’s, Capitän Paul Richard,« sagt Napoleon.

»Nein, Sire, ich bin Ludwig Richard, mein Bruder Paul ist todt . . . Aber der Marschall lebt.«

»Wo ist er?«

»Drei Stunden von hier; er verlangt Hilfe.«

»Davoust, Eugen, Mortier, wir müssen Ney zu Hilfe. . . Kommen Sie, meine Marschälle, ich habe Nachrichten von Ney erhalten; alle unsere Verluste sind zu ersetzen . . .Ney ist gerettet!«

Eugen Beauharnais erscheint zuerst.

»Eugen, diesen Glücksboten ernenne ich zum Offizier der Ehrenlegion.«

»Hier ist der Orden meines Bruders, Sire,« sagte der junge Offizier, indem er das goldene Kreuz, das er von Pauls Brust losgemacht, aus der Brusttasche nimmt.

»Ah, Sie sind es, mein braver Richard,« sagt der Prinz Eugen. »Die Nachricht ist gut, aber der Bote macht sie noch besser.«

»Da bin ich, Sire,« sagte der Marschall Mortier eintretend, »ich bin marschfertig.«

»Ich auch,« sagte Eugen.

»Sire,« sagte Mortier, »ich bin älter als der Prinz.«

»Und ich bin König,« entgegnete Eugen; »ich nehme das Vorrecht meiner Würde in Anspruch; ich will der Erstes seyn, der Ney die Hand reicht.«

Mortier trat einen Schritt zurück.

»Gib mir die Hand,« sagte der Kaiser.

Mortier faßte Napoleons Hand und zog sie mit einem Seufzer an seine Lippen.

»Mortier,« sagte der Kaiser, »Du sollst einst König werden, und dann kannst auch Du sagen: ich will.«

Zwei Stunden nachher trat Ney in Napoleons Zimmer. Der Kaiser ging ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen und sagte:

»Ich habe meine Adler gerettet . . . denn Du lebst ja, mein braver Ney!«

Dann sagte er zu den Umstehenden:

»Meine Herren, vor drei Stunden würde ich dreihundert Millionen gegeben haben für diese Minute der Freude, die mir Gott umsonst beschert-«

3.Und wovon ich ein großer Theil war.
Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
04 aralık 2019
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