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Kitabı oku: «Der Arzt auf Java», sayfa 25

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»Aber ich muß Dir gestehen, daß ich nicht frei bin, und daß ältere Bande der Vergangenheit —«

»Die Vergangenheit,« entgegnete Arroa, ihn unterbrechend, »die Vergangenheit ist ein Phantom, und wir sind Fleisch und Blut, das brennt und klopft. Was kümmert uns Gestern, was kümmert uns Morgen, wenn das Heute uns durch unsere Liebe zu Königen der Schöpfung macht?«

»Ach Arroa, aus Gnade, aus Barmherzigkeit, schweig!«

»Ha, ich sehe wohl, Du verschmähst das Geschenk, welches Dir darzubieten ich mich so glücklich und so stolz fühlte. – Die Blume der Lilie entzückt Dich nur unter der Bedingung, daß sie den bleichen Schein derjenigen habe, die man in den Städten sieht; die Lilie der Felder, welche mit dem Golde durch den Glanz der Farbe wetteifert, und deren Wohlgeruch das ganze Thal erfüllt, hat nichts, was Dich verführen kann. – Ach, soll denn die arme Arroa gleich der Blume, von deren Farbe sie den Wiederschein trägt, dazu verurtheilt sein, von andern Händen gepflückt zu« werden, wie von denen ihres Geliebten?«

»Was willst Du sagen?« rief Eusebius, in dessen Herz die Eifersucht mit der Gewalt des Blitzes sich äußerte.

»Christ,« erwiederte Arroa, Du weißt nicht, daß Buddha gesagt hat, die Ehe sei die Brücke, welche den Mann und das Weib zum Himmel führt. Mein Vater ist ein eifriger Anhänger seines Gesetzes, und er wird nicht dulden, daß ich es übertrete. – Ein reicher Mann der Provinz Bantam hat meine Hand erbeten, und ohne Zweifel – doch nein,« fuhr sie fort, lindem sie sich unterbrach, und wie durch diesen Gedanken tief betrübt, »wenn Arroa nicht Dein sein kann, wird sie Niemand aus dieser Welt angehören. – Meine Augen mögen erlöschen, wenn sie Dich nicht mehr sehen sollen; mein Busen möge verwelken, wenn er nicht für Dich klopfen darf; meine Schönheit möge vergehen, wenn sie nicht Dein Lager schmückt; die Gluth, die mich verzehrt, möge schwinden, wenn sie Dich nicht zu dem Himmel der Liebenden erheben kann.«

Indem Arroa diese Worte sprach, raufte sie sich das Haar und schlug sich die Brust; Eusebius wendete sich um, ihren Arm zu halten; er stand so ihr gerade Angesicht in Angesicht gegenüber.

Der Mond, der am Horizont aufgegangen war, beschien das Gesicht der Indianerin mit seinen milden Strahlen.

Arroa stand einige Schritte von Eusebius entfernt; ihre aufgelösten, noch mit den Blumen geschmückten Haare, mit denen sie sie am Morgen durchflochten hatte, flossen auf ihre Schultern herab und umhüllten ihren Busen wie ein Sammetmantel; in ihrer Heftigkeit hatte sie das Leibchen von Seidenstoff und Sandelholz, das ihre Brust bedeckte, zerrissen, und ihr Busen rund und glänzend, wie aus Marmor gemeißelt, deutete alle Bewegungen ihres krampfhaften Athmens an. Ihre letzten Worte hatte die Verzweiflung ausgesprochen, und gleichwohl strahlte noch immer die Liebe aus ihren Augen, gleichwohl verriethen ihre zusammengezogenen Lippen die Wollust. Eusebius sah sie an; er fühlte seine Knie unter sich brechen, er streckte die Arme aus und sank in die, welche Arroa ihm entgegenhielt, um ihn aufzufangen.

Sogleich benutzte die Indianerin die Verwirrung des jungen Mannes ließ ihre Hände in dessen Busen gleiten, ergriff das Medaillon, welches ihr beinahe ihr Opfer entrissen hätte, und schleuderte es weit weg in das Gebüsch.

* * *

Die Nacht war mehr als zur Hälfte verflossen, und noch waren Eusebius und Arroa nicht nach der Hütte zurückgekehrt. Argalenka wartete ihrer, auf den ersten Stufen der Bambustreppe sitzend. Er war nicht unruhig, denn er wußte sie beisammen. Nach allem Trübsal, welches er erfahren hatte, genoß er die volle Trunkenheit der Ruhe der Seele; und ganz dem Zauber der schönen Nacht hingegeben betrachtete er die Wipfel der Cocosbäume, die sich im Hauche des Seewindes hin und her wiegten, hörte er auf das dumpfe monotone Geräusch der Wogen, die sich an den Felsen des Ufers brachen.

Endlich sah er die beiden jungen Leute aus einer Lichtung des Waldes hervortreten; ihre Arme waren ineinander geschlungen, ihre Hände vereinigt.

Als Eusebius den Greis erblickte, wollte er seinen Arm frei machen und sich von Arroa entfernen; diese aber litt es nicht.

»Vater,« sagte sie, indem sie vor dem Greise stehen blieb, »der Fremdling hat zu Deiner Tochter gesagt: »Sei meine Braut,« und Deine Tochter antwortete: »Ich bin Deine Braut, sei Du mein Bräutigam.«

Als Eusebius diese Worte vernahm, machte er eine Bewegung der lebhaftesten Ueberraschung; er wollte sprechen, doch Arroa ließ ihm nicht die Zeit dazu; ihre Hand drückte stärker die seinige, die sie noch immer hielt, und sie preßte sich mit mehr Hingebung an die Brust, gegen die sie gelehnt war

»Ist es denn nicht wahr?« fragte sie ihn. »Hat die Tochter des Beduis gelogen?«

Eusebius schwieg.«

Argalenka hatte bisher das Schweigen bewahrt; sein Staunen war so groß, daß er fürchtete, diese Aeußerungen seien nur eine neue Krisis in dem Wahnsinn Arroa’s.

Endlich sagte er: »Die Tochter des Beduis hat allein gesprochen; der Fremdling hat nicht darauf geantwortet.«

»Sie sprach die Wahrheit,« murmelte Eusebius mit kaum hörbarer Stimme.

»Tochter,« sagte nun Argalenka, nachdem er sich einige Augenblicke gesammelt hatte, »die Gebräuche und der Glaube der Christen gleichen den unsrigen nicht; bei den Kindern Buddha’s gibt es keine Vergehen, als die, welche Dein Gewissen Dir zum Vorwurf macht; bei den weißen Menschen kann das Unglück zu einer Schande und als Verbrechen behandelt werden.« Hast Du dem Fremdling das Buch entrollt, in welches Deine Vergangenheit durch die Hand der Wahrheit eingetragen wurde, so daß, wenn er später bereut, was er für Dich that, er nur seine Augen anklagen darf, und nicht die Aufrichtigkeit Deines Herzens?«

»Ich that es,« erwiderte Arroa mit Zuversicht.

»Und was sagte der Fremdling?«

»Er sagte: Die Wurzel des Leuchterbaumes weicht, wenn sie es vermag, dem salzigen Wasser des Meeres aus; die rothen Früchte des indianischen Birnbaumes reifen, auch wenn sie der strahlenden Sonne beraubt sind; ich will mich der Liebkosungen der Tochter mit den goldfarbigen Wangen und den Sammetaugen nicht berauben.«

»Also bestand er darauf, Dich zur Verlobten zu Verlangen?«

»Vater, Du hast es gesagt.«

»Der Fremdling; der die Tochter des armen Mannes nicht verschmäht, sei gesegnet.«

Indem der Greis diese Worte sprach, nahm er eine Handvoll Reiskörrner und ließ diese wechselweise auf den Kopf Arroa’s und auf den Eusebius nieder rinnen.

»Die Gaben des Himmels mögen Euch überschütten, wie diese Körner ihr Emblem sind; Buddha, der Gerechte, der Freigebige, der Wohlthätige, der Barmherziges, gewähre Euch seine Gnade; das Wort, das Ihr miteinander ausgetauscht habt, verspricht Dir einen Gatten, Dir eine Gattin; Buddha, der Mildthätige, erhalte Euch im Ueberfluß, in der Wissenschaft dessen, was rein ist, ins guten Gedanken, und lasse Euch sprechen, was gut, und thun, was schön ist«

Eusebius war blaß, stumm, regungslos,und richtete keine große Aufmerksamkeit auf die Wortes des Beduis; Arroa hatte sich der-Seele des Holländers vollständig bemächtigt; einige Stunden hatten genügt, hundertfach die Gewalt der Indianerin zu vergrößern, sowie die Knechtschaft des Mannes, dessen Trunkenheit bis zum Wahnsinn ging.

In dem Augenblick, als Argalenka seine Ermahnung beendete, sahen die jungen Leute, welche mit dem Gesicht gegen den Ausgang der Hütte standen, den Schatten eines Körpers unter den Bambusstäben hingleiten, die dem Bau zur Stütze dienten.

Sie erbebten und stießen zugleich einen Schrei ans.

Argalenka wendete sich um, und erblickte ebenfalls den Schatten; doch in dem Augenblick, als er in dem Bananengebüsch verschwand, welches rings um die Wohnung her einen grünen Gürtel bildete.

»Wer da?« rief er.

.Es erfolgte keine Antwort. Eusebius und er stürzten in der Richtung, in welcher der.Schatten verschwunden war, vorwärts; die großen Blätter der Gesträuche bewegten sich noch unter dem Anstoß, den sie empfangen hatten, und in demselben Augenblick sprang ein Thier, schwarz wie Ebenholz: Und mit in der Dunkelheit funkelnden Augen zehn Schritt von ihnen entfernt über die Lichtung, und das Gebrüll eines wilden Thieres machte den Blätterdom ringsumher erbeben.

Entsetzt über diese Nachbarschaft, kehrten Eusebius, Arroa und Argalenka in die Hütte zurück, und die Freude des Greises verwandelte sich in Traurigkeit, denn er betrachtete dieses Ereigniß als ein finsteres Vorzeichen.

V.
Unerwartete Enthüllungen

Als Esther van der Beek mit Tagesanbruch erwachte, war sie sehr überrascht, Eusebius nicht an ihrer Seite zu erblicken.

Sie vermuthete, daß ihr Mann die Frische des Morgens hätte benützen wollen, um einen Spaziergang in der Gegend zu machen; sie rief Cora, um sich von ihr das kleine Kind bringen zu lassen. Cora antwortete nicht, und die andern Frauen erschienen, um ihrer Gebieterin mitzutheilen, daß Cora nicht in dem Gasthause sei, und daß die Matte, auf welcher sie hätte schlafen sollen, unberührt geblieben wäre.

Das Staunen der jungen Frau ging nicht bis zum Argwohn; ihr Herz versuchte nicht, irgend einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden Cora’s und dem frühen Ausgang ihres Mannes ausfindig zu machen. Indeß verflossen die Stunden, und weder der Holländer, noch die schwarze Amme kehrten nach Gavoet zurück.

Esther, welche von Besorgniß verzehrt wurde, begab sich zu dem Gouverneur des Districts; dieser war krank und konnte sie nicht empfangen; allein einige Augenblicke darauf erschien bei Madame van der Beek ein Malaye und sagte, daß er gegen hinreichende Belohnung in der Nachbarschaft alle Nachforschungen anstellen wollte, die sie wünschen könnte.

Die junge Frau bewilligte alle seine Forderungen, und bald darauf sahen sie unter den Fenstern des Hauses, in welchem sie wohnten, den Malayen an der Spitze eines Trupps wohlbewaffneter Reiter vorübersprengen, in der Richtung nach dem Berge zu.

Esther war voll Hoffnung; es schien ihr möglich, daß van der Beek und die Negerin sich in den Wäldern verirrt hatten, welche die Abhänge des Berges Taikoekoie bedecken; der Malaye hatte sich ihr als einen so gewandten Jäger bezeichnet, daß es unmöglich schien, er könnte die Spur eines Europäers nicht entdecken.

Spät in der Nacht kehrte er zurück und erklärte Esther, die mit leicht zu begreifender Unruhe auf ihn wartete, daß er nichts aufgefunden hätte. Er gab ihr zu verstehen, er vermuthe, daß der Weiße und die Afrikanerin die Beute eines Tigers oder einer der großen Schlangen geworden wären, von denen der Wald wimmelte.

Wäre der Blitz zu den Füßen Esther’s niedergeschlagen, so hätte er sie nicht schmerzlicher berühren können, als diese Erklärung. Sie erblaßte, taumelte und würde zu Boden gestürzt sein, hätte nicht eine ihrer Frauen sie aufgefangen. Der Malaye benutzte die Ohnmacht der jungen Europäerin, und wollte sich entfernen; sie aber fand in ihrer Verzweiflung neue Kräfte, warf sich zu den Füßen des Menschen nieder und beschwur ihn mit Thränen in den Augen und mit herzzerreißenden Worten, am nächsten Tage seine Nachforschungen fortzusetzen.

Bei dieser Aeußerung des Schmerzes verzog sich das Gesicht des Malayen zu einem boshaften Lächeln; er antwortete Esther kalt, seine Bemühungen würden jetzt fruchtlos sein; er hätte die Ueberzeugung, daß er am nächsten Tage nicht glücklicher sein würde; übrigens riefen seine persönlichen Angelegenheiten.ihn weit von Gavoet fort; sie könnte sich an Andere wenden, aber er machte sie darauf aufmerksam, daß da, wo er gescheitert wäre, Niemand eines glücklicheren Erfolgs schmeichelte dürfe. So verließ er sie, von Verzweiflung ergriffen.

Die Betrübniß Esther’s war zu tief, als daß sie darauf verzichtet hätte, Den wiederzufinden, den sie liebte; sie brachte alles Jäger und alle Bauern der Nachbarschaft auf die Beine; es wurde ein förmliches Treibjagden veranstaltet und kein Gebüsch undurchsucht gelassen; allein wie der Malaye es voraus gesagt hatte, blieben mehrere Tage lang falle Durchsuchungen der Ebene und des Berges vergeblich.

Esther war durch. ihr Unglück niedergeschlagen, vernichtet; aber es liegt in der Liebe eine Hartnäckigkeit, welche durch nichts entmuthigt wird. Nirgends hatte man die Spur bemerkt, welche ein Kampf jederzeit zurückläßt; man hatte keines Fetzen von.Kleidern gefunden, keine Ueberbleibsel menschlicher Gebeine, welche das Mahl eines wilden Thieres zurückläßt, und Esther fühlte sich dadurch überzeugt, daß das Geheimniß von dem Verschwinden ihres Gatten anderwärts zu suchen sei. Sie bestand darauf, ihre Nachforschungen fortsetzen zu lassen, als der Gouverneur des Districts bei ihr erschien.

Nach einigen Aeußerungen der Theilnahme mit dem Unglück der Madame van der Beek fragte er sie nach den nähern Umständen von dem Ereigniß, durch welches sie ihres Gatten beraubt worden war; allein bei den ersten Worten, welche die junge Frau von dem Malayen sagte, nahm das Gesicht des Beamten den Ausdruck des lebhaftesten Staunens an. Er bestürmte Esther mit Fragen über das Wesen, das Gesicht, die Kleidung dieses Menschen, und erklärte endlich, daß er ihn-nicht kenne, daß er ihn nicht zu ihr geschickt hätte, und darauf trat er ihrer Meinung vollkommen bei. Es schien ihm sehr wahrscheinlich, daß weder Eusebius, noch die Negerin, von den Tigern zerrissen worden waren, noch einer Boa zur Mahlzeit gedient hätten; er gestand aber zugleich, daß er glaubte, ihre Lage sei nicht viel besser, denn aller Wahrscheinlichkeit nach wären Herr van der Beek und die Sklavin Cora durch die Piraten geraubt worden.

Er stützte diese Ansicht auf die folgenden Thatsachen:

Einige Tage vor Eusebius’ Verschwinden hatten die Meerzigeuner eine verwegene Landung in der Provinz Bantam bewirkt; sie waren weit genug ins das Innere eingedrungen, um den Palast eines der angesehensten Männer der Insel Java, des Rajah Thsermai, zu plündern, in Brand zu stecken und zu verwüsten.

Was mit dieser Vermuthung übereinstimme, war, daß malayische Proas an dem Tage vor Eusebius Ankunft in Gavoet bei dem Cap Candjora, welches kaum zehn Seemeilen von dem Berge Taikoekoie entfernt ist, kreuzend signalisirt worden waren. Beinahe gewiß wurde aber die Sache dadurch, daß das Signalement des Führers der Meerzigeuner vollkommen mit der Beschreibung übereinstimme, welche Madame van der Beek von dem Malayen machte, der bei ihr erschienen war. Ohne Zweifel hatte er, indem er selbst die Nachforschungen leitete, seinen Banditen die Zeit gewähren wollen. Das hohe Meer, oder eine ihrer Zufluchtsbuchten mit ihrer Beute zu erreichen.

Er fügte hinzu, aller Wahrscheinlichkeit nach hätte diese Entführung nur einen Zweck, nämlich den, von dem reichen holländischen Kaufmann ein Lösegeld zu erpressen. Er forderte daher Madame van der Beek auf, so schnell als möglich die Hauptstadt der Insel wieder zu erreichen, wo es ihr leichter sein würde, den Preis zusammenzubringen, den die Piraten auf die Freiheit ihres Mannes setzen würden, oder die Kreuzer der Gesellschaft zu deren Verfolgung auszusenden.

Esther empfand einen lebhaften Widerwillen, Gavoet zu verlassen; es schien ihr, als würde sie sich dadurch noch weiter von ihrem Manne entfernen; sie meinte, wenn die Piraten ihr eine Botschaft sendeten, so würde dieselbe gewiß an den Ort gerichtet werden, wo ihr Anführer sie verlassen hätte, und sie fürchtete, wenn diese Botschaft sie nicht mehr in Gavoet träfe, möchte die Befreiung ihres Gatten, für welche sie ihr ganzes Vermögen zu opfern bereit wäre, eine Zögerung erleiden, und dadurch könnte das Leben ihres Mannes in Gefahr kommen.

Um sie zur Entfernung zu bestimmen, gestand der Gouverneur ihr, daß der Aufenthalt in diesem Flecken, so weit von der Hauptstadt entfernt, in diesem Augenblick nicht sicher sei; es liefen von den Eingebornen sonderbare Gerüchte um; geheimnißvolle Boten wären in der Provinz Preangers erschienen und hätten sie nach allen Richtungen durchstreift, bei allen Classen der Bevölkerung Gedanken an Aufstand und Unabhängigkeit erweckend; während der Nacht hätte man große Feuer auf den Bergen brennen sehen, und man hielte sich überzeugt, daß die Verschwornen in den Wäldern nächtliche Zusammenkünfte veranstalteten; die javanesischen Häuptlinge zeigten sich herrisch und unverschämt gegen die Europäer, und Alles ließe eine nahe bevorstehende Insurrection vermuthen. Esther setzte sich daher allen Gefahren aus, wenn sie in Gavoet bliebe.

Die arme Frau achtete in diesem Augenblick nicht auf ihr Leben, – aber sie überlegte, daß von demselben auch Eusebius Wohl abhing, und daß nach ihrem Tode ihn Niemand befreien würde; Sie dachte an ihr Kind, beschloß, dem Rathe des Gouverneurs zu folgen, und machte sich am nächsten Tage auf den Weg.

Ungeachtet der Ungeduld, mit welcher sie die Maulthiertreiber anspornte, gelangte sie erst am Abend des dritten Tages in die Umgegend von Batavia. Sie war seit achtzehn Tagen von Eusebius getrennt. Als sie sich der Hauptstadt der Insel näherte, konnte sie bemerken, daß diese die Besorgnisse theilte, welche der Gouverneur von Gavoet gegen sie ausgesprochen hatte; Piquets der Cavallerie durchstreiften die Gegend, und mehrere Male kreuzte sich der Wagen Esther’s mit Patrouillen der Miliz. Der Kutscher befragte einen Nachzügler nach dem Grunde dieser ungewöhnlichen Erscheinungen, und Eusebius’ Frau hörte, wie dieser dem Diener antwortete, seit einigen Tagen wären die Umgebungen von Batavia durch Brandlegungen heimgesucht worden, und selbst i- Weltevrede wären verschiedene Häuser durch Feuer zerstört, das man nur der Böswilligkeit zuschreiben könnte.

Es war übrigens nicht blos diese ungewöhnliche Entwickelung der Streitkräfte, welche die Besorgnisse der Regierung bewies. Als Madame nun der Beek an den ersten Häusern der Vorstadt vorüber kam, bemerkte sie daß die Unruhe sich der Bevölkerung selbst bemächtigt hatte. Die Bewohner bildeten vor den Häusern Gruppen. Der Gouvernementsplatz hatte sein heiteres Ansehen, das er jeden Abend annahm, verloren, und es zeigten sich nur einzelne Equipagen; dagegen war dieser Platz mit Colonisten bedeckt, die sich lebhaft von den Ereignissen unterhielten, welche man zu fürchten schien, nach Neuigkeiten fragten, und über die, welche man mittheilte, ihre Bemerkungen machten. Angst war auf allen Gesichtern zu lesen; die Symptome der Empörung schienen in der Luft umherzufliegen.

Die Nacht war schon zu weit vorgerückt, als daß Esther, welche die regelmäßigen Gewohnheiten des Herrn Maes kannte, daran denken durfte, wie sie es zu thun beschlossen hatte, gleich jetzt von ihm Rath und Beistand zu erbitten. Sie blieb in ihrer Wohnung und schloß sich in ihre Zimmer ein, um sich durch Ruhe auf die Mühseligkeiten vorzubereiten, die sie für den nächsten Tag kommen sah.

Aber in diesem Hause, welches von Erinnerungen an Eusebius erfüllt war, bluteten die Wunden der armen Frau aufs Neue; ihr Schmerz wurde heftiger und ihre Thränen flossen reichlicher. Erst gegen zwei Uhr Morgens fand sie ein wenig Schlaf. Kaum seit einer halben Stunde war sie eingeschlafen, als lautes Geschrei, welches aus dem Innern ertönte, sie aufschreckte. Esther stand rasch auf, eilte zu dem Fenster und öffnete es. Die Holländer haben in den Colonien ihre Sitten und ihre nationalen Neigungen noch den Gewohnheiten des großartigen Luxus geformt, welche dem Orient eigenthümlich sind. Ihre Architektur mahnt an die.Erinnerungen des Mutterlandes; die Häuser Weltevrede’s sind geräumig und prachtvoll; die Verhältnisse sind übermäßig groß, aber man findet darin dennoch die bemerkenswerthe Physiognomie wieder, welche die Privathäuser der vereinigten Staaten bezeichnet.

Es sind dieselben damenbretartig mit Ziegelsteinen und Quadern gepflasterten und sorgfältig rein gehaltenen Höfe, dieselben Gärten mit regelmäßigen Blumenbeeten, aber in Batavia haben diese Damenbreter oft mehrere hundert Meter Umfang, die Gärten sind Parks, und statt der Hyacinthen, Tulpen und Anemonen, erblickt man auf den Blumenbeeten Java’s die ganze Flora der Tropenländer.

Eusebius van der Beek’s Wohnung bestand aus einem ungeheuren Wohngebäude, zu dem man durch einen Garten gelangte; hinter dem Hauptgebäude, auf einem mit Bäumen bepflanzten Hofe, lagen die Ställe, die Remisen, die Wirthschaftsgebäude. Das Ganze lag an der Ecke einer Straße.

Als Madame vom der Beek das Fenster öffnete, bemerkte sie einen Menschen, der die ihr gerade gegenüberliegende Umhegungsmauer überkletterte.

Sie stieß bei seinem Anblick einen durchdringenden Schrei aus.

Bei diesem Schrei kam der Mensch schnell auf sie zugelaufen; Esther wollte erschrocken in das Gemach zurückweichen, aber noch ehe sie diesen Vorsatz ausführen konnte, hatte der Mann ihren Arm ergriffen.

»Ohne den, welcher mit Dir spricht, würde dein Kind nie Ormuzd’s Licht erblickt haben,« rief er mit dumpfer wilder Stimme. »Wird die Mutter dessen Kopf den Henkern ausliefern?«

Indem er diese Worte sprach, und ehe Esther in ihrer Verwirrung noch daran gedacht hatte, sich ihm zu widersetzen, schwang der Mann sich mit wunderbarer Gewandtheit an der Mauer empor in das Fenster, sprang in das Zimmer hinein, und nun erst erkannte Madame van der Beek bei dem Scheine der Tischlampe die das Zimmer erleuchtete, den Guebern, durch dessen Vorschriften ihre Niederkunft auf so wunderbare Weise herbeigeführt worden war.

»Was ist denn vorgefallen? Was verlangt Ihr?« rief sie überrascht.

»Das sind zu viel Fragen für einen Mund,« erwiederte Harruch. »Gleich meinen Beinen ist auch meine Zunge erschöpft. – Man verfolgt mich; erreicht man mich, so ist das der Tod. – Willst Du, daß ich sterbe; willst Du, daß ich lebe? Spricht!«

»Aber mein Gott, was habt Ihr denn gethan? Welches Verbrechen habt Ihr denn begangen?«

»Wenn der Tiger am Tage seine Junglen verläßt, verfolgt ihn das Geschrei der Schukaris und der Drongos, welche ihm von Baum zu Baum nachfolgen und dem Jäger seine Fährte verrathen. – Ich werde nicht darauf warten, daß Deine Stimme meine Zuflucht Denen verrathen hat, welche auf meiner Spur heulen; ich werde mich Ihnen ausliefern, um Dir ein Verbrechen zu ersparen, mir eine drückende Last der Dankbarkeit.«

Esther machte eine Bewegung, um Harruch zurückzuhalten, und ergriff seinen zerlumpten Sacong.

»Gueber,« sagte sie, »mein Glaube gebietet, gleich dem Deinigen, allen Denen, welche ihm folgen, einen empfangenen Dienst nicht zu vergessen; Du bist in Sicherheit in diesem Hause, in welches Du unlängst die Freude zurückgeführt hast.«

»Das Wort der Weiber Deines Volkes gleicht dem Saft des Gambir; er ist weiß, wenn er aus der Pflanze kommt, die ihn enthält; aber der Hauch eines Kindes, welcher über das Gefäß streift;in dem man ihn auffing, genügt, ihm die Farbe des Blutes zu geben. – Willst Du, daß ich Dir glaube, so schwöre bei Dem, dessen Abwesenheit Du beweinst, schwöre bei Dem, an welchem Du die Züge des Mannes suchst, der Dich verlassen hat.«

Indem Harruch diese Worte sprach, deutete er auf die Wiege, in welcher der Sohn Esther’s lag. Aber von alledem, was der Gueber gesprochen hatte. schien Madame van der Beek nur ein einziges Wort aufgefallen zu sein.

»Mich verlassen!« rief sie. »Mich verlassen, sagst Du?«

In diesem Augenblicke erschütterten heftige Schläge die äußere Thür ihres Hauses. Esther leistete hastig den Eid, den Harruch von ihr forderte, und verbarg ihn dann schnell hinter einem Vorhang. Es war die höchste Zeit dazu, die Falten des Teppichs bewegten sich noch, ehe die Diener Zeit gefunden hatten, den nächtlichen Besuchern zu antworten, die durch zahlreiche schnell wiederholte Stöße erschütterte Thür nachgab, und ein Haufe Bewaffneter in den Garten stürzte.

»Der Brandstifter! Der Brandstifter! Tod dem Brandstifter!« heulte die Menge, hinter welcher ein riesengroßer Mensch, der sie zu commandiren schien, athemlos herstürzte, der sich vergebens bemühte, ihren Ungestüm zu zügeln.

»Einen Augenblick, Ihr Herren, einen Augenblick!« rief dieser Mann, der über seiner Kleidung von weißem Zeuge ein wahres Magazin von Waffen aller Art trug: Säbel, Pistolen Dolche und einem Muskedonner, so daß er einem wandernden Arsenal glich. – »Einen Augenblick, tausend Teufel! Indem sie ein Vergehen unterdrücken wollen, machen sie sich selbst eines solchen schuldig; sie verletzen das Hausrecht eines Bürgers, ein Vergehen, für welches das Gesetzbuch der Colonie im Voraus eine Strafe bestimmt hat. – Dieser Bürger ist mein Client; das vergrößert ihre Schuld und verdient —«

Herr Maes ließ seine Rede unbeendet; die Furcht vor einer Criminaluntersuchung schien ihm vollkommen geeignet, die Verbrecher zu erschrecken.

»Endlich,« fuhr er mit einer donnernden Stimme fort, »verachten Sie auch die Befehlen – was sage ich von den Befehlen – sie verachten die Bitten ihres Commandanten! – Wissen Sie wohl, meine Herren, daß das Kriegsgericht der Miliz minder Strafbare verurtheilt hat?«

Zum Unglück für die Wirkung der Rede des Herrn Maes wurde sie durch Madame von der Beek unterbrochen.

»Herr Maes! Herr Maes!« rief sie, »kommen Sie zu mir.«

Bei dem-Tone dieser weiblichen Stimme entstand eine förmliche Revolution in der niederschmetternden Haltung des Führers der Patrouille; seine rechte Hand versuchte die drohende Waffe, die sie schwang, in die Scheide zu stecken, während die Linke sich mit der erstern kreuzend den Hut abnahm, der mit einer ungeheuren holländischen Cocarde geschmückt war, und den er eine höchst anmuthige Bogenlienie beschreiben ließ.

Der Notar hätte aus Die zuschreiten mögen, welche das Wort an ihn gerichtet hatte; aber er strengte sich vergebens an, die erste der beiden erwähnten Handlungen auszuführen; die Scheide verweigerte hartnäckig die Aufnahme des Dolches.

»Aber so helft mir doch, Ihr Dummköpfe!« rief der Notar, ändern er sich als General an die Milizen wendete.

Einer derselben bezog die Aufforderung auf sich, ergriff die Spitze der Waffe mit den Fingern, brachte sie der Scheide nahe, und sie glitt wie durch Zaubergewalt hinein. Herr Maes, der so dieser Sorge entledigt war, konnte sich nun der Dame nähern, und that dies mit dem Wesen der vollendetsten Galanterie.

Erst einige Schritte von dem Fenster entfernt, erkannte er die Züge Esther’s.

»Sie in Weltevrede? Seit wann, großer Gott, sind Sie denn angekommen?« rief der Notar.

Madame van der Beek wollte antworten, doch einer der Milizen trat vor, und sagte hastig:

»Wenn Sie an Ihrem Fenster waren so müssen Sie soeben Den, welchen wir suchen, die Mauer Ihres Gartens haben überklettern sehen, gerade dem Orte gegenüber, an welchem Sie sich befinden.«

Esther zögerte mit der Antwort, doch Herr Maes ersparte ihr die Verlegenheit einer Lüge, indem er heftig rief:

»Tausend Teufel! Die ehrenwerthe Compagnie, welche die Kosten für einen Waffenmeister bestreitet, diese braven Krämer in der Handhabung der Waffen zu unterrichten, thäte wahrlich gut, ihm auch noch einen Professor der Höflichkeit hinzuzufügen. Wie, eine hübsche Frau beehrt ihren Commandanten mit einer Unterredung, und sie stürzen sich zwischen sie und ihn wie ein schlecht gezogener Pecari in ein Maisfeld? – Bei der nächsten Rathsversammlung werde ich den Vorschlag machen, ihre Anmaßung durch die Ruthen zu belohnen. Wissen Sie wohl, daß ich mich meines verwünschten Auftrags sogleich entledigen werde, indem ich Madame van der Beek für Sie um die Erlaubniß bitte, ihren Garten durchsuchen zu dürfen? Dort werden Sie den Menschen finden, von dem Sie behaupten, daß sie sahen wie er ein brennendes Bündel auf die Gebäude warf, die an dieses Haus anstoßen, wenn nicht etwa Tafia, Arak und und Furcht ihnen das Hirn verwirrt haben!«

Madame van der Beek bewilligte die Bitte des Notars; die Milizen vertheilten sich in dem Garten, doch beinahe augenblicklich rief neues Geschrei sie wieder zusammen.

Dieses Geschrei ertönte hinter dem Hause und wurde von den Dienstleuten der Madame van der Beek ausgestoßen; es bewies, daß der Alarm nicht vergeblich gewesen war, denn es bezeichnete den Anfang eines Brandes in den Wirthschaftsgebäuden.

Herr Maes zog tapfer seinen großen Säbel, und verkündete, daß er die Flammen und das Feuer bekämpfen würde, mit eben dem Tone, den ein Paladin angenommen haben würde, um seiner Dante die Versicherung zu geben, daß er für sie siegen oder sterben wollte. Er fügte hinzu, er hätte der Madame van der Beek wichtige Mittheilungen zu machen, und würde in einigen Augenblicken wieder bei ihr sein.

Nach der Entfernung des Herrn Maes und der Milizen, die nach der Seite des Hofes gestürzt waren, wo die Gefahr bestand, blieb ihr Garten während einiger Augenblicke verödet.

Esther, welche vor Furcht zitterte, daß ihre Frauen, wenn sie in ihr Gemach treten oder Herr Maes, wenn er das gegebene Versprechen erfüllte, Harruch entdecken möchte, beschloß, die Unordnung und Verwirrung, die augenblicklich in dem Hause und auf der Straße herrschten, zu benutzen, um ihn zu retten.

Sie ging zu dem Vorhang und fand den Guebern ganz so, wie sie ihn verlassen hatte; er schien ruhig und beinahe gleichgültig gegen das Loos, das seiner wartete.

»Flieht,« rief Esther ihm zu. »Hört das Wirbeln der Trommeln in den Straßen; in einigen Augenblicken vielleicht ist der Garten schon von Menschen erfüllt, die der Brand herbeizieht; es würde mir dann unmöglich sein, Eure Entfernung zu sichern.«.

»Wißt Ihr, wer dieses Feuer angelegt hat?« fragte Harruch.

»Ich will es nicht wissen; geht und haltet Euch überzeugt, daß eine Christin ihrem Eide eben so treu sein kann, wie ein Heide; Euer Gewissen möge zwischen mir und Euch richten.«

Harruch’s Gesicht nahm einen finstern Ausdruck an; es schien, als ob dieser Beweis der Seelengröße seinen Unwillen und seinen Zorn erregte.

»So geht doch,« fuhr Esther fort. »Ehe Ihr Euch aber entfernt, und wenn Ihr mir einige Dankbarkeit schuldig zu sein glaubt —«

»Ha, Ihr wollt einen Preis auf Eure Wohlthat setzen?« sagte Harruch.

»Nein, nein,« entgegnete Esther kopfschüttelnd, »ich werde die Besorgnisse, von denen meine Seele verzehrt wird, zu beschwichtigen wissen. Ihr gehört nicht zu Denen, welche den Schmerz einer armen Frau begreifen können, die um das einzige Wesen weint, welches sie auf dieser Welt liebt. Geht – geht —«

»Weib,« erwiederte der Gueber, »übereile Dich nicht, Den zu verdammen, von dem Du sprichst; laß Ormuzd zwischen ihm und Dir richten – Du sollst erfahren, was Du zu wissen wünschest: Dein Mann lebt.«

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04 aralık 2019
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