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Kitabı oku: «Der Chevalier von Maison-Rouge», sayfa 4

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VI.
Der Temple

An demselben Tage, zur selben Stunde, wo Maurice schmerzlich enttäuscht, über den Pont de la Tournelle zurückging, machten.mehrere Municipale, begleitet von Santerre, einen strengen Besuch in dem großen Thurme des Temple, den man seit dem 13. August 1792 in ein Gefängniß verwandelt hatte.

Dieser Besuch galt besonders einer Wohnung im dritten Stocke, welche aus einem Vorzimmer und drei Stuben bestand.

Eine von diesen Stuben war von zwei Frauen, einem jungen Mädchen und einem Kind von neun Jahren, insgesamt in Trauer, bewohnt.

Die Aeltere von diesen zwei Frauen mochte sieben und dreißig bis acht und dreißig Jahre alt sein; sie saß an einem Tische und las.

Die Zweite saß und arbeitete an einer Stickerei; sie mochte acht und zwanzig bis neun und zwanzig Jahre alt sein.

Das junge Mädchen war vierzehn und stand bei dein Kinde, das, krank und liegend, die Augen schloß, obgleich bei dem Geräusch, welches die Municipale machten, das Schlafen durchaus unmöglich war.

Die Einen schüttelten die Betten, die Andern entfalteten die Leinwandstücke, wieder Andere, welche ihre Nachforschungen beendigt hatten, schauten mit einer frechen Starrheit die unglücklichen Gefangenen an, die ihre Augen hartnäckig die Eine aus ihr Buch, die Andere aus ihre Stickerei, die Dritte auf ihren Bruder geheftet hielten.

Die Aelteste von diesen Frauen war groß, bleich und schön; diejenige, welche las, schien besonders ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihr Buch zusammenzudrängen, obgleich aller Wahrscheinlichkeit nach nur ihre Augen lasen und nicht ihr Geist.

Einer von den Municipalen näherte sich ihr, packte mit rohem Wesen das Buch, das sie in der Hand hielt, und schleuderte es mitten in das Zimmer.

Die Gefangene streckte die Hand nach dem Tische aus, ergriff einen zweiten Band und fuhr fort zu lesen.

Der Montagnard machte eine wüthende Geberde, um ihr den zweiten Band zu entreißen, wie er es mit dem ersten gethan hatte. Aber bei dieser Geberde, bei der die Gefangene, welche am Fenster stickte, bebte, sprang das Märchen vor, umschlang mit seinen Armen den Kopf der Leserin und flüsterte weinend:

»Oh! arme, arme Mutter!«

Dann küßte das Mädchen die Leserin.

Die Gefangene drückte hierauf ihren Mund aus das Ohr des Mädchens, als ob sie dasselbe küssen wollte, und sprach zu ihm:

»Marie, es ist ein Billet in der Mündung des Ofens verborgen, nimm es weg.«

»Vorwärts! vorwärts!« rief der Municipal, indem er das Mädchen brutal zurückzog und von seiner Mutter trennte. »Werdet Ihr Euch bald genug geküßt haben?«

»Mein Herr,« versetzte das Mädchen, »hat der Convent beschlossen, daß die Kinder ihre Mütter nicht mehr küssen dürfen?«

»Nein; doch er hat beschlossen, daß die Verräther, die Aristokraten und die Ci-devant bestraft werden sollen, und wir sind deshalb hier, um Euch zu befragen. Laß hören, Antoinette, antworte.«

Diejenige, welche man aus eine so plumpe Weise anredete, wurdigte den Fragenden nicht einmal eines Blickes. Sie wandte im Gegentheil den Kopf ab und eine leichte Rothe zog über ihre von dem Schmerz gebleichten und von den Thränen durchfurchten Wangen.

»Es ist unmöglich,« fuhr dieser Mann fort, »daß Du nichts von dem Versuche der letzten Nacht gewußt hast. Woher kommt er?»

Dasselbe Stillschweigen von Seiten der Gefangenen.

»Antworten Sie, Antoinette,« sprach Santerre, indem er sich ihr näherte, ohne den Schauer des Abscheus zu bemerken, der die junge Frau bei dem Anblick dieses Mannes ergriff, welcher am Morgen des ein und zwanzigste Januar Ludwig XVI. aus dem Temple geholt hatte, um ihn nach dem Blutgerüste zu führen. »Antworten Sie! Man hat in dieser Nacht gegen die Republik conspirirt und Sie der Gefangenschaft zu entziehen gesucht, die Ihnen in Erwartung der Strafe für Ihre Verbrechen, von den Willen des Volkes auferlegt worden ist. Sprechen Sie wußten Sie, daß man conspirirte?«

Marie bebte bei dem Tone dieser Stimme, die sie zu fliehen schien, indem sie, so viel sie konnte, auf ihren Stuhle zurückwich. Doch sie antwortete eben so wenig auf diese Frage, als aus die zwei andern, ebenso wenig Santerre, als dem Municipal.

»Sie wollen also nicht antworten?« rief Santerre heftig mit dem Fuße stampfend.

Die Gefangene nahm ein drittes Buch vom Tische.

Santerre wandte sich um: die rohe Macht dieses Menschen der achtzig tausend Mann befehligte und nur eine Geberde nöthig gehabt hatte, um die Stimme des sterbenden Ludwig XVI. zu bedecken, brach sich an der Würde einer armen Gefangenen, deren Kopf er ebenfalls fallen machen konnte, die er aber nicht zu beugen vermochte.

«Und Sie, Elisabeth!« sprach er zu der andern Frau, welche einen Augenblick ihre Stickerei unterbrochen hatte, um die Hände zu falten und zu beten, nicht zu diesen Menschen, sondern zu Gott, »werden Sie antworten?«

»Ich weiß nicht, was Sie fragen, und kann Ihnen folglich nicht antworten,« erwiderte sie.

»Ei, Mord und Tod! Bürgerin Capet,« versetzte Santerre ungeduldig, »es ist doch klar, was ich sage. Ich sage, daß man,gestern einen Versuch gemacht hat, um Euch entweichen zu lassen, und daß Ihr die Schuldigen kennen müßt.«

»Wir haben keine Verbindung mit Außen und können also weder wissen, was man für uns thut, noch was man gegen uns thut.«

»Es ist gut,« sprach der Municipal, »wir wollen einmal sehen, was Dein Neffe sagt.«

Und er näherte sich dem Bette des jungen Dauphin.

Bei dieser Drohung erhob sich Marie Antoinette plötzlich und rief:

»Mein Herr, mein Sohn ist krank und schläft. . . wecken Sie ihn nicht auf.«

»So antworte.«

»Ich weiß nichts.«

Der Municipal ging gerade auf das Bett des kleinen Gefangenen zu, der sich, wie gesagt, stellte, als schliefe er.

»Auf! Aus! erwache, Capet,« sagte er und schüttelte den Kleinen ungeschlacht am Arme.

Das Kind öffnete die Augen und lächelte.

Die Municipale umgaben sodann sein Bett.

Von Schmerz und Furcht bewegt, machte die Königin ihrer Tochter ein Zeichen; diese benutzte den günstigen Augenblick, schlüpfte in ein anstoßendes Zimmer, öffnete eine von den Mündungen des Ofens, zog ein Billet heraus, verbrannte es, kehrte dann sogleich in das Zimmer zurück und beruhigte ihre Mutter mit einem Blicke.

»Was wollt Ihr von mir?« fragte das Kind.

»Wissen, ob Du in dieser Nacht nichts gehört hast?«

»Nein, ich habe geschlafen.«

»Du liebst es sehr, zu schlafen, wie es scheint.«

»Ja, weil ich träume, wenn ich schlafe.«

»Und was träumst Du?«

»Daß ich meinen Vater wiedersehe, den Ihr getötet habt.«

»Du hast also nichts gehört?« fragte ungestüm Santerre.

»Nichts.«

»Diese jungen Wölfe sind in der That sehr gut mit der Wölfin einverstanden,« sprach der wüthende Municipal »und es hat dennoch ein Complott stattgefunden.«

Die Königin lächelte.

»Die Oesterreicherin verspottet uns,« rief der Municipal. »Nun wohl, da dem so ist, so wollen wir das Decret der Gemeinde in seiner ganzen Strenge vollziehen Erhebe Dich, Capet.«

»Was wollt Ihr machen?« rief die Königin, die sich selbst vergaß. »Seht Ihr nicht, daß mein Sohn krank ist, daß er das Fieber hat? Wollt Ihr ihm denn den Tod bereiten?«

»Dein Sohn,« entgegnete der Municipal, »ist ein Gegenstand beständiger Unruhe für den Rath des Temple. Er ist ein Zielpunkt aller Verschwörungen. Man schmeichelt sich mit der Hoffnung, Euch insgesammt zu entführen. Nun wohl, man komme. Tison!. . . Ruft Tison.«

Tison war ein Taglöhner, der die gemeineren Hausgeschäfte im Temple zu verrichten hatte. Er kam.

Es war ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, von dunkler Hautfarbe, mit einem rohen Gesichte und schwarzen, struppigen Haaren, welche bis aus die Augbrauen Herabfielen.

»Tison,« sprach Santerre, »wer hat gestern den Gefangenen Speise gebracht?«

Tison nannte einen Namen.

»Und wer brachte ihnen ihr Weißzeug?«

»Meine Tochter.«

»Deine Tochter ist also Wäscherin?«

»Gewiß.«

»Und Du hast ihr die Kundschaft der Gefangenen gegeben?«

»Warum nicht? Eben so gut, daß sie das gewinnt, als wenn es eine Andere gewinnen würde. Es ist nicht mehr das Geld der Tyrannen, sondern das der Nation, da die Nation für sie bezahlt.«

»Man hat Dich beauftragt, die Wäsche sorgfältig zu untersuchen.«

»Nun! entledige ich mich nicht meiner Pflicht? Zum Beweis: Gestern fand ich ein Sacktuch, an das man zwei Knoten gemacht hatte; ich überbrachte es dem Rath und dieser befahl meiner Frau, die Knoten zu lösen, es zu dängeln und dann Madame Capet zu übergeben, ohne ihr etwas zu sagen.«

Bei der Erwähnung von zwei Knoten an einem Sacktuch bebte die Königin, ihre Augen erweiterten sich und Madame Elisabeth und sie tauschten einen Blick.

»Tison,« sprach Santerre, »Deine Tochter ist eine Bürgerin, deren Vaterlandsliebe Niemand in Verdacht zieht, doch von heute an ist ihr der Eintritt in den Temple nicht mehr gestattet.«

»O mein Gott!« rief Tison erschrocken, »was sagt Ihr mir da, »wie ich soll meine Tochter nur wiedersehen, wenn ich ausgehe!«

»Du wirft nicht mehr ausgehen,« sprach Santerre.

Tison schaute umher, ohne sein irres Auge aus irgend einem Gegenstand verweilen zu lassen; plötzlich aber rief er:

»Ich werde nicht mehr ausgehen l Ah! so ist es? Nun! ich will ganz von hier fort. Ich nehme meine Entlassung, ich bin kein Verräther, kein Aristokrat, daß man mich hier gefangen halten könnte. Ich sage Euch, daß ich von hier fort will.«

»Bürger,« sprach Santerre, »gehorche den Befehlen der Gemeinde und schweige, oder Du könntest Dich schlecht dabei befinden; das sage ich Dir. Bleibe hier und überwache, was vorgeht. Man beobachtet Dich, hüte Dich also.«

Die Königin, welche sich vergessen glaubte, erheiterte sich allmählig wieder und legte ihren Sohn in sein Bett.

»Laß Deine Frau herauskommen,« sprach der Municipal zu Tison.

Dieser gehorchte, ohne ein Wort zu sagen. Die Drohungen von Santerre hatten ihn sanft wie ein Lamm gemacht.

Die Frau Tison eilte herbei.

»Komm hierher, Bürgerin,« sprach Santerre; »wir werden in das Vorzimmer gehen, und während dieser durchsuchst Du die Gefangenen,«

»Höre doch, Frau,« sagte Tison, »sie wollen unsere Tochter nicht mehr in den Temple kommen lassen.«

»Wie? sie wollen unsere Tochter nicht mehr in de Temple kommen lassen. Wir werden unsere Tochter nicht mehr sehen?«

Tison schüttelte den Kopf.

»Was sagt Ihr mir denn da?«

»Ich sage, daß wir einen Bericht an den Rath des Temple machen werden, und daß der Rath entscheiden soll Mittlerweile . . .«

»Mittlerweile will ich meine Tochter wiedersehen,« versetzte die Frau.

»Stille!« rief Santerre, »man hat Dich hierher berufen, um die Gefangenen zu durchsuchen; durchsuche sie, dann wird man sehen.«

»Aber . . .«

»Oh! oh!« machte Santerre, die Stirne faltend, »mit scheint, die Leute werden verdorben.«

»Thue, was der Bürger General sagt, thue es, Frau, Du hörst, er sagt, nachher werde man sehen.«

Hierbei schaute Tison Santerre mit einem demüthigen Lächeln an.

»Es ist gut,« sprach die Frau; »geht, ich bin bereit, sie zu durchsuchen!«

Die Männer gingen hinaus.

»Meine liebe Madame Tison,« sagte die Königin, »glauben Sie mir. . .«

»Ich glaube nichts, als daß Du die Schuld von allem Unglück des Volkes bist, Bürgerin Capet,« versetzte das furchtbare Weib, mit den Zähnen knirschend. »Finde ich etwas Verdächtiges bei Dir, so sollst Du auch sehen.«

Vier Männer blieben an der Thüre, um die Frau Tison zu unterstützen, wenn die Königin Widerstand leisten würde.

Man fing bei der Königin an.

Man fand bei ihr ein Sacktuch mit drei Knoten, das unglücklicher Weise eine bereit gehaltene Antwort auf das von Tison erwähnte zu sein schien, einen Bleistift, ein Skapulier und Siegellack.

»Ah! ich wußte das wohl,« rief die Tison, »ich sagte es den Municipalen, die Oesterreicherin schreibe! vor Kurzem fand ich einen Tropfen Siegellack auf der Dille des Leuchters.«

»Oh! Madame,« sprach die Königin mir flehendem Tone, »zeigen Sie nur das Skapulier . . .«

»Ah! ja wohl,« versetzte die Frau, »Mitleid mit Dir… Hat man Mitleid mit mir? . . . Man nimmt mir meine Tochter.«

Madame Elisabeth und Madame Royale hatten nichts bei sich.

Die Frau Tison rief die Municipale zurück, und diese kamen. Santerre an ihrer Spitze; sie übergab ihnen die bei der Königin gefundenen Sachen, welche von Hand zu Hand gingen und der Gegenstand von zahllosen Muthmaßungen waren; das Sacktuch mit den drei Knoten besonders nahm lange die Einbildungskraft der Verfolger des königlichen Geschlechts in Anspruch,

»Nun wollen wir Dir das Decret des Convents vorlesen,« sagte Santerre.

»Was für ein Decret?« fragte die Königin^

»Das Decret, welches befiehlt, daß Du von Deinem Sohne getrennt werden sollst.«

»Es ist also wahr, dieser Beschluß ist gefaßt worden?«

»Ja. Der Convent ist zu sehr für die Gesundheit Deines Kindes besorgt, das ihm von der Nation zur Bewachung anvertraut worden ist, um es in Gesellschaft einer so entsittlichten Mutter, wie Du bist, zu lassen.«

Die Augen der Königin schleuderten Blitze.

»Erhebt wenigstens eine Anklage, Ihr Tiger!«

»Das ist bei Gott nicht schwierig,« versetzte ein Municipal, »höre!«

Und er sprach eine von jenen schändlichen Anklagen wie sie Sueton gegen Agrippina vorbringt.

»Oh!« rief die Königin hoch aufgerichtet, bleich, erhaben vor Entrüstung, »ich appellire an das Herz von allen Müttern.«

»Ruhig! ruhig!« versetzte der Municipal, »das Alles schön und gut; doch wir sind schon seit zwei Stunden hier, und können nicht den ganzen Tag verlieren. Steh auf, Capet, und folge uns.«

»Nie! nie!« rief die Königin, indem sie zwischen den Muncipale und den jungen Ludwig stürzte und das Bett zu vertheidigen sich anschickte, wie es eine Tigerin in ihrer Höhle thut, »nie werde ich mir mein Kind entreißen lassen.«

»Oh! meine Herren,« sprach Elisabeth mit einem bewunderungswürdigen Ausdruck der Bitte die Hände faltend, »meine Herren, im Namen des Himmels, haben Sie Mitleid mit zwei Müttern,«

»Sprechen Sie,« versetzte Santerre, »nennen Sie du Namen, gestehen Sie den Plan Ihrer Genossen, erklären Sie, was die zwei Knoten an dem mit Ihrer Wäsche durch die Tochter Tison überbrachten Sacktuch und die an dem Sacktuch, das man in Ihrer Tasche gefunden, bedeuten sollen, und man wird Ihnen Ihren Sohn lassen.«

Ein Blick von Madame Elisabeth schien die Königin anzuflehen, sie möge dieses furchtbare Opfer bringen.

Doch diese trocknete sich stolz eine Thräne, welche wie ein Diamant im Winkel ihres Auges glänzte, und sprach:

»Lebe wohl, mein Sohn. Vergiß nie Deinen Vater, der im Himmel ist, Deine Mutter, welche sich bald mit ihm wiedervereinigen wird; sprich jeden Abend und jeden Morgen das Gebet, das ich Dich gelehrt habe. Lebe wohl, mein Sohn.«

Sie gab ihm einen letzten Kuß, erhob sich kalt und unbeugsam und sagte:

»Ich weiß nichts, meine Herren, thun Sie, was Sie wollen.«

Doch diese Königin hätte mehr Kraft gebraucht, als das Herz einer Frau, und besonders das einer Mutter enthält. Sie fiel vernichtet aus einen Stuhl zurück, während man das Kind wegtrug, dessen Thränen flossen, das die Arme nach ihr ausstreckte, aber keinen Schrei hören ließ.

Die Thür schloß sich hinter den Municipalen, welche das königliche Kind wegtrugen, und die drei Frauen blieben allein.

Es trat einen Augenblick verzweifeltes Stillschweigen ein, das nur durch Schluchzen unterbrochen wurde.

Die Königin sprach zuerst.

»Meine Tochter,« sagte sie, »das Billet?«

»Ich habe es verbrannt, wie Sie mich geheißen, meine Mutter.«

»Ohne es zu lesen?«

»Ohne es zu lesen.»

»So fahre wohl, letzter Schimmer, äußerste Hoffnung!« sprach Madame Elisabeth.

»Oh! Sie haben Recht, Sie haben Recht, meine Schwester, das heißt zu viel leiden.«

Dann sich gegen ihre Tochter umwendend:

»Doch Du hast wenigstens die Handschrift gesehen, Marie?«

»Ja, meine Mutter, einen Augenblick.«

Die Königin stand auf, schaute nach der Thüre, ob sie nicht beobachtet würde, nahm eine Nadel aus ihren Haaren, näherte sich der Wand, zog aus einer Spalte ein kleines, in Form eines Billets gefaltetes Papier, zeigte dieses Billet der Prinzessin und sagte:

»Sammle alle Deine Erinnerungen, ehe Du mir antwortest, meine Tochter; war die Handschrift dieselbe wie diese hin?«

»Ja, ja, meine Mutter,« rief die Prinzessin, ich erkenne sie!«

»Gott sei gelobt!« sprach die Königin, voll Inbrunst auf die Kniee fallend. »Wenn er seit diesem Morgen schreiben konnte, so ist er gerettet. Dank! mein Gott! Dank! ein so edler Freund verdiente wohl eines Deiner Wunder.«

»Von wem sprechen Sie denn«, meine Mutter?« fragt die Prinzessin. »Wer ist dieser Freund? Sagen Sie mir seinen Namen, daß ich ihn Gott in meinen Gebet empfehlen kann.«

»Du hast Recht, meine Tochter; vergiß diesen Namen nie, denn er ist der eines Edelmanns voll Ehre und Muth, dieser ist nicht aus Ehrgeiz ergeben, denn er hat sich nicht in den Tagen des Unglücks enthüllt. Er hat nie die Königin von Frankreich gesehen, oder die Königin von Frankreich hat vielmehr ihn nie gesehen, und er gibt sein Leben hin, um sie zu vertheidigen. Vielleicht wird er belohnt, wie man heut zu Tage jede Tugend belohnt, durch einen furchtbaren Tod. . . Doch wenn er stirbt . . oh! dort oben, dort oben werde ich ihm danken . . . es ist . . .«

Die Königin schaute unruhig umher, dämpfte ihre Stimme und sprach:

»Es ist der Chevalier von Maison-Rouge. . . bete für ihn.«

VII.
Spielerschwur

Der Entführungsversuch, so bezweifelbar er auch gewesen war, weil er nicht einmal einen Anfang der Ausführung gehabt hatte, erregte doch auf das Lebhafteste den Zorn und das Interesse der Andern. Was übrigens diesem Ereigniß eine beinahe materielle Wahrscheinlichkeit verlieh, war der Umstand, daß der Sicherheitsausschuß in Erfahrung brachte, seit drei Wochen, oder seit einem Monat sein Emigranten in Menge aus verschiedenen Punkten der Grenze nach Frankreich zurückgekehrt. Es war klar, daß Menschen, welche ihren Kopf wagten, dies nicht ohne eine Absicht thaten, und diese Absicht war ohne allen Zweifel, zur Entführung der königlichen Familie beizutragen.

Aus den Vorschlag des Conventsmitgliedes Osselin war bereits das furchtbare Decret bekannt gemacht worden, das jeden Emigranten, der wieder einen Fuß nach Frankreich gesetzt zu haben überwiesen, jeden Franzosen, der Auswanderungspläne gehabt zu haben überwiesen, jeden Bürger, der bei seiner Flucht oder bei seiner Rückkehr eines Emigrirten oder einen Emigranten unterstützt zu haben, jeden Bürger endlich, der einem Emigrirten eine Zufluchtsstätte gewährt zu haben überwiesen würde, zum Tode verurtheilte.

Dieses furchtbare Gesetz war die Einweihung der Schreckensregierung. Es fehlte nichts mehr, als das Gesetz der Verdächtigen.

Der Chevalier von Maison-Rouge war ein zu thätiger und zu, verwegener Feind, als daß seine Rückkehr nach Paris und seine Erscheinung im Temple nicht die strengsten Maßregeln nach sich gezogen haben sollte. Schärfere Durchsuchungen, als man je vorgenommen, fanden in in einer Menge von verdächtigen Häusern statt. Doch außer der Entdeckung von einigen emigrirten Frauen, welche sich fangen ließen, und ein paar Greisen, die sich nicht die Mühe geben wollten, den Henkern die wenigen Tage, die ihnen blieben, streitig zu machen, hatten die Nachforschungen kein Resultat.

Die Sectionen waren, wie man sich leicht denken kann, einige Tage lang in Folge dieses Ereignisses sehr beschäftigt, und der Secretaire der Section Lepelletier, einer der einflußreichsten von Paris, hatte wenig Zeit, an seine Unbekannte zu denken.

Anfangs, als er die Rue Vieille-Saint-Jacques verließ, beschloß er zu vergessen; er versuchte es auch, dies zu thun, doch es ging, wie sein Freund Lorin gesagt hatte:

 
»Sobald man denkt, daß man vergessen soll,
Komm, die Erinnerung.«
 

Maurice hatte indessen nichts gesagt, nichts gestanden. Er hatte in seinem Innern die Einzelheiten dieses Abenteuers verschlossen, welche der Nachforschung seines Freund entgehen konnten. Doch dieser kannte Maurice als eine heitere, offenherzige Natur, er sah ihn jetzt unablässig träumerisch, die Einsamkeit suchend, und vermuthete, wie er sagte, der Schelm Cupido sei hier eingedrungen. Es ist zu bemerken, daß Frankreich unter seinen achtzehn Jahrhunderten der Monarchie wenige so mythologische Jahre gehabt hat, als das Jahr der Gnade 1793.

Der Chevalier war indessen nicht gefangen; Man hörte nicht mehr von ihm sprechen. Ihres Gemahls und ihre Kindes beraubt, begnügte sich die Königin zwischen ihre Tochter und ihrer Schwägerin zu weinen, wenn sie allein war.

Der junge Dauphin begann unter den Händen des Schusters Simon das Märtyrthum, das ihn in zwei Jahren mit seinem Vater und mit seiner Mutter vereinigen sollte Es trat ein Augenblick der Ruhe ein.

Der Vulkan der Montagnards ruhte, ehe er die Girondisten verschlang.

Maurice fühlte das Gewicht dieser Ruhe, wie mag die Schwere der Atmosphäre bei stürmischem Wetter fühlt; er wußte nicht, was er mit einer Muße machen sollte, die ihn ganz und gar der Gluth eines Gefühles preisgab, welches, wenn es auch nicht Liebe war, doch sehr der Liebe glich; er las den Brief wieder, küßte seinen schönen Saphir und beschloß, trotz des Schwures, den er geleistet, einen letzten Versuch zu wagen, der indessen, wie er sich gelobte, der letzte sein sollte.

Es war dem jungen Mann wohl eingefallen, er sollte sich nach der Section des Jardin des Plantes begeben und dort Erkundigungen bei dem Secretaire, seinem Kollegen, einziehen. Doch der erste Gedanke, und wir könnten wohl sagen, der einzige Gedanke, den er gehabt, seine schöne Unbekannte wäre in irgend ein politisches Komplott verwickelt, hielt ihn zurück: der Gedanke, eine Indiskretion von seiner Seite könnte diese reizende Frau auf den Revolutionsplatz führen und diesen Engelskopf auf dem Blutgerüste fallen machen, bewirkte, daß ein gräßlicher Schauer die Adern von Maurice durchlief. Er beschloß also, das Abenteuer allein und ohne irgend eine Kündigung zu versuchen. Sein Plan war übrigens sehr einfach. Die an jeder Thüre angebrachten Listen sollten ihm die ersten Anzeichen geben; Fragen bei den Concierges müssten sodann das Geheimnis vollends aufklären. In seiner Eigenschaft als Secretaire der Rue Lepelletier war er vollkommen befugt, zu fragen.

Uebrigens wußte Maurice den Namen seiner Unbekannten nicht; doch er sollte durch Analogien geführt werden. Ein so reizendes Geschöpf mußte notwendig einen mit ihrer Form im Einklang stehenden Namen haben, den Namen einer Sylphide, einer Fee, eines Engels. Denn bei ihrer Ankunft auf Erden hätte man ihre Erscheinung als die eines erhabenen, übernatürlichen Wesens begrüßen müssen.

Der Name würde ihn also unfehlbar führen.

Maurice zog eine Carmagnole von grobem, braunem Tuch an, setzte eine rothe Festtagsmütze auf und trat seine Forschungsreise an, ohne Jemand davon in Kenntniß zu setzen.

Er hielt in der Hand einen von jenen Knüppeln, die man eine Constitution nannte, eine Waffe, welche, von seiner Faust geführt, den Werth einer Herkuleskeule hatte. In seiner Tasche trug er seine Bestallung als Secretaire der Section Lepelletier mit sich. Dadurch warm also zu gleicher Zeit seine körperliche Sicherheit und seine moralische Gewährschaft gegeben. Er fing damit an, daß abermals die Rue Saint-Victor und die Rue Vieille-Saint-Jacques durchlief, und bei dem Scheine des abnehmenden Tages alle die Namen las, welche mit einer mehr oder minder geübten Hand auf die Füllung jeder Thüre geschrieben waren.

Maurice war bei seinem hundertsten Hause und schlich bei seiner hundertsten Liste, ohne daß ihn etwas hätte glauben machen können, er wäre entfernt auf der Spur seiner Unbekannten, die er nur unter der Bedingung erkennen wollte, daß sich seinen Augen ein Name, in der Art dessen, was er geträumt, bieten würde, als ein braver Schuhmacher, der die Ungeduld aus dem Gesichte des Lesers wahrnahm, seine Thüre öffnete, mit seinem ledernen Riem und seiner Pfrieme heraustrat und Maurice über seine Brille anschaute.

»Willst Du Auskunft über die Miethsleute dies Hauses haben, Bürger?« sagte er; »in diesem Fall sprich ich bin bereit, Dir zu antworten.«

»Ich danke, Bürger,« stammelte Maurice, »ich such den Namen eines Freundes.«

»Nenne den Namen, Bürger, ich kenne Jedermann in diesem Quartier; wo wohnte Dein Freund?«

»Er wohnte, wie ich glaube, in der Rue Vieille-Saint-Jacques, doch ich befürchte, er ist ausgezogen.«

»Aber wie hieß er? Ich muß seinen Namen wissen.

Maurice zögerte einen Augenblick; dann sprach er de ersten den besten Namen aus, der sich seinem Gedächtniß bot.

»René,« sagte er.

»Und sein Stand?«

Maurice war umgeben von Lohgerbereien.

»Lohgerbergeselle.«,

»In diesem Fall,« sprach ein Bürger, der stehen geblieben war und Maurice mit einer gewissen Gutherzigkeit anschaute, in welche sich indessen etwas Mißtrauen mischte »in diesem Falle müßte man sich an den Meister wenden.

»Das ist richtig,« sagte der Portier, »das ist ganz richtig; die Meister wissen die Namen ihrer Arbeiter und hier kommt der Bürger Dirmer, der ist Vorsteher einer Gerberei und hat mehr als fünfzig Arbeiter in seinem Geschäft; er kann Dir Auskunft geben.«

Maurice wandte sich um und sah einen guten Handwerksmann von hohem Wuchse, von einem gefälligen Gesichte und einem Reichthum in der Kleidung, der den wohlhabenden Geschäftsmann ankündigte.

»Nur müßte man, wie der Bürger Portier gesagt hat, den Namen dieses Freundes wissen,« fuhr der Handwerksmann fort.

»Ich habe ihn genannt, René.«

»René ist nur ein Taufnamen, und ich frage nach dem Familiennamen.«

»Meiner Treue,« versetzte Maurice, den dieses Verhör ungeduldig zu machen anfing, »den Familiennamen weiß ich nicht.«

»Wie!« sprach der Bürger mit einem Lächeln, worin Maurice mehr Ironie, als jener durchscheinen lassen wollte, zu entdecken glaubte, »wie, Bürger, Du weißt den Familiennamen Deines Freundes nicht!«

»Nein!«

»Dann wirst Du ihn wahrscheinlich nicht finden.«

Und der Bürger grüßte höflich, machte ein paar Schritte und trat in ein Haus der Rue Vieille-Saint-Jacques.

«Allerdings, wenn Du seinen Familiennamen nicht weißt . . .« sagte der Portier.

»Nein, ich weiß ihn nicht!« versetzte Maurice, dem es um eine Gelegenheit zu haben, seine schlimme Laune überströmen zu lassen, nicht unangenehm gewesen wäre, wenn man Händel mit ihm gesucht hätte, und der, es ist nicht zu leugnen, nicht weit davon entfernt war, selbst Streit zu suchen, «und was hernach?«

»Nichts, Bürger, gar nichts; nur da Du den Namen Deines Freundes nicht weißt, ist es, wie Dir der Bürger Dirmer gesagt hat, wahrscheinlich, daß Du ihn nicht finden wirst.«

Und der Bürger Portier kehrte, die Achseln zuckend in seine Loge zurück.

Maurice hatte gute Lust, den Bürger Portier durchzuprügeln, doch dieser war alt und seine Schwäche rettete ihn. Zwanzig Jahre weniger und Maurice hätte das schmähliche Schauspiel der Gleichheit vor dem Gesetze, aber die Ungleichheit vor der Kraft gegeben.

Der Tag neigte sich überdies und Maurice hatte nur noch einige Minuten Licht.

Er benutzte es, um in das erste Gäßchen und da, in das zweite einzudringen; er prüfte jede Thüre, untersuchte jeden Winkel, er schaute über jeden Zaun, er hob sich über jede Mauer, warf einen Blick in das Innere jedes Gitters, durch jedes Schlüsselloch, klopfte endlich, einige verlassene Magazine, ohne Antwort zu erhalte und verbrauchte beinahe zwei Stunden in dieser fruchtlosen Nachforschung.

Es schlug neun Uhr Abends. Es war völlig Nacht geworden; man hörte kein Geräusch, man bemerkte keine Bewegung mehr in diesem öden Quartier, aus dem das Leben sich mit dem Tag zurückgezogen zu haben schien.

Voll Verzweiflung war Maurice im Begriff, ebenfalls auf seinen Rückzug zu denken, als er plötzlich bei der Biegung eines schmalen Ganges Licht glänzen sah. Er wagte sich sogleich in diesen düsteren Gang, ohne zu bemerken, daß in demselben Augenblick, wo er eindrang, ein neugieriger Kopf, der seit einer Viertelstunde aus einer Baumgruppe, welche die Mauer überragte, allen seine Bewegungen folgte, hastig hinter eben dieser Mauer verschwand. Einige Secunden, nachdem der Kopf verschwunden war, warfen sich drei Männer, die aus einer kleinen in derselben Mauer angebrachten Thüre hervorkamen, in den Gang, in welchem sich Maurice verloren hatte, während zu größerer Vorsicht ein Vierter die Thüre diese Ganges schloß.

Maurice fand am Ende des Ganges einen Hof: auf der andern Seite dieses Hofes glänzte das Licht. Er klopfte an die Thüre eines armseligen, einsamen Hauses; doch bei dem ersten Schlag, den er that, erlosch das Licht.

Maurice verdoppelte sein Klopfen, doch Niemand antwortete; er sah, daß man entschlossen war, nicht zu antworten; er begriff, daß er hier seine Zeit unnütz verlieren würde, durchschritt den Hof und kehrte unter den Gang zurück.

Zu gleicher Zeit drehte sich die Thüre des Hauses sachte auf ihren Angeln, drei Männer traten hervor und ein Pfiff machte sich hörbar.

Maurice wandte sich um und sah drei Schatten in der Entfernung von zwei Längen seines Stockes.

In der Finsterniß, bei dem Scheine des Lichtes, das für für die Augen besteht, welche seit langer Zeit an die Dunkelheit gewöhnt sind, schimmerten drei Klingen mit selben Reflexen.

Maurice begriff, daß er abgeschnitten war. Er wollte mit seinem Stocke ein Rad schlagen, doch der Gang war so eng, daß sein Stock die beiden Mauern berührte. In demselben Augenblick betäubte ihn ein heftiger Schlag aus den Kopf. Es war ein unvorhergesehener Angriff, den die vier Männer machten, welche aus der kleinen Thüre der Mauer hervorkamen, Sieben Männer warfen sich zu gleicher Zeit auf Maurice, schlugen ihn trotz seines verzweifelten Widerstandes nieder, umwickeln seine Hände mit Stricken und verbanden ihm die Augen.

Maurice hatte keinen Schrei ausgestoßen, nicht um Hilfe gerufen. Die Kraft und der Muth wollen immer sich selbst genügen und scheinen sich einer fremden Hilfe zu schämen,

Hätte Maurice aber auch gerufen, so wäre doch in diesem öden Quartiere Niemand gekommen. . Maurice wurde also gebunden und geknebelt, ohne daß er eine Klage von sich gab.

Er hatte sich überlegt, daß wenn man ihm die Augen verband, dies nicht geschah, um ihn sogleich zu tödten. In dem Alter von Maurice ist jede Frist eine Hoffnung.

Er sammelte daher seine ganze Geistesgegenwart und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

»Wer bist Du?« fragte eine noch von dem Kampf aufgeregte Stimme.

»Ich bin ein Mann, den man ermordet,« antwortete Maurice.

»Mehr noch, Du bist ein todter Mann, wenn Du laut sprichst, wenn Du rufst oder schreist.«

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04 aralık 2019
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