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Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 10

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VIII.
Chantilly

Folgen wir jetzt den Prinzessinnen des Hauses Condé in die Verbannung nach Chantilly von der Richon dem Vicomte eine so schauderhafte Schilderung gemacht hatte, so sehen wir:

Unter diesen Alleen von Kastanienbäumen, welche mit einem Blüthenschnee bestreut sind, auf diesen Rasen, welche sich bis zu den blauen Teichen ausdehnen, einen Schwarm von Spaziergängern lachend, plaudernd und singend, beständig sich umher bewegen. Da und dort erscheinen, mitten unter dem hohen Grase, gleichsam in den grünen Wogen verloren, einige Figuren von Lesern, welche sich in die Blätter der Modeschriftsteller jener Zeit, in die Werke von Herrn la Calprenède, von Herrn d’Urfé oder von Fräulein von Scudery vertieft haben; im Innern von Geißblatt- und Rebwind-Lauben hört man Lauten stimmen und unsichtbare Menschen singen. In der großen Aller, welche nach dem Schlosse führt, eilt von Zeit zu Zeit mit der Schnelligkeit den Blitzes ein Reiter, der Ueberbringer irgend eines Befehles, vorüber.

Auf der Terrasse gehen mittlerweile drei in Atlas gekleidete und in einiger Entfernung von stummen, ehrfurchtsvollen Pagen gefolgte Damen mit ernsten Mienen und Ceremoniösen, majestätischen Geberden hin und her; eine Frau von edler Haltung, trotz ihrer siebenundfünfzig Jahre, spricht im Lehrertone über Staatsangelegenheiten; eine äußerst steife junge Frau, in düsterem Gewande horcht zu ihrer Rechten, die Stirne faltend, auf die weisen Theorien ihrer Nachbarin; eine andere Alte, die steifste und abgemessenste von allen Dreien, weil sie ihrem Stande nach die am wenigsten erhabene ist, spricht, hört und überlegt zu gleicher Zeit.

Die Dame in der Mitte ist die Frau Prinzessin Wittwe, die Mutter des Siegers von Rocroy, Nördlingen und Lens, den man, seitdem er verfolgt wird und diese Verfolgung ihn nach Vincennes gebracht hat, den großen Condé zu nennen anfängt, ein Name, den ihm die Nachwelt bewahren wird. Diese Dame, aus deren Zügen man noch die Ueberreste jener Schönheit zu erkennen vermag, welche sie zu der letzten und vielleicht tollsten Liebschaft von Heinrich IV. gemacht hat, ist zugleich in ihrer Mutterliebe und in ihrem Stolze als Prinzessin durch einen fachino italiano beleidigt worden, den man Mazarini nannte, als er Bedienter des Cardinal Bentivoglio war, und den man nun Seine Eminenz den Cardinal Mazarin nennt, seitdem er der Liebhaber von Anna von Oesterreich und erster Minister von Frankreich geworden ist.

Er hat es gewagt, Condé in das Gefängniß zu sperren und die Mutter sowie die Gemahlin den edlen Gefangenen nach Chantilly zu verbannen.

Die Dame rechts ist Claire Clemence von Maillé, Prinzessin von Condé, die man einer aristokratischen Gewohnheit jener Zeit zufolge kurz Frau Prinzessin nennt, um damit zu bezeichnen, die Frau des Hauptes der Familie Condé sei die erste Prinzessin von Geblüt, die vorzugsweise Prinzessin: sie ist stets stolz gewesen, aber seitdem sie verfolgt wird, hat ihr Stolz um den Grad der Verfolgung zugenommen, und sie ist hochmüthig geworden. Dazu verdammt, eine secundäre Rolle zu spielen, so lange der Herr Prinz frei war, hat sie die Gefangenschaft ihres Gemahls zum Stande einer Heldin erhoben: sie ist beklagenswerther als eine Wittwe, und ihr Sohn, der Herzog von Enghien, welcher demnächst sein siebentes Jahr erreicht, erscheint interessanter als eine Waise. Die Augen sind auf sie gerichtet, und ohne Furcht, sich lächerlich zu machen, ist sie in Trauer gekleidet. Seitdem von Anna von Oesterreich diesen in Thränen zerfließenden Damen die Verbannung auferlegt worden ist, hat sich ihr gellendes Geschrei in dumpfe Drohungen verwandelt: aus Unterdrückten sind sie Rebellinnen geworden. Die Frau Prinzessin, ein Themistokles in der Nachthaube, hat ihren Miltiades im Unterrock, und die Lorbeeren von Frau von Longueville, welche einen Augenblick Königin von Paris gewesen ist, verhindern sie zu schlafen.

Die Duenna links ist die Marquise von Tourville, welche es nicht wagt, Romane zu schreiben, aber in der Politik componirt: sie hat nicht persönlich den Krieg geführt, wie der brave Pompée, und nicht wie er in der Schlacht von Corbie eine Kugel bekommen; aber ihr Gatte, ein ziemlich hochgeschätzter General, ist bei La Rochelle verwundet und bei Freyburg getödtet worden; Erbin seines Vermögens, glaubte sie natürlich zu gleicher Zeit euch Erbin seines militärischen Genies zu sein. Seit ihrer Ankunft bei den Prinzessinnen in Chantilly hat sie bereits drei Feldzugspläne gemacht, welche hintereinander die Bewunderung der Frauen des Gefolges erregten und nicht aufgegeben, aber auf den Tag verschoben wurden, wo man das Schwert ziehen und die Scheide wegwerfen würde. Sie wagt es nicht, die Uniform ihres Gemahls anzulegen, obgleich sie zuweilen große Lust dass zu hat, aber sie besitzt ein Schwert, welches in ihrem Zimmer über ihrem Kopfkissen hängt und von Zeit zu Zeit, wenn sie allein ist, zieht sie es mit einer höchst martialischen Miene aus der Scheide.

Trotz seines festlichen Aussehens dürfte also Chantilly nur eine große Kaserne sein, und wenn man gut suchen würde, fände man Pulver in den Kellern und Bajonette in den Hecken.

Die drei Frauen wenden sich bei ihrem düsteren Spaziergange immer wieder nach dem Hauptthore des Schlosses und scheinen auf die Ankunft irgend eines wichtigen Boten zu warten. Bereits hat die Frau Prinzessin Wittwe wiederholt den Kopf schüttelnd und seufzend gesagt:

»Wir werden scheitern, meine Tochter, wir werden gedemüthigt werden.«

»Man muß etwas Ruhm gut bezahlen,« entgegnete Frau von Tourville, ohne von ihrer eckigen Haltung zu verlieren, »und es gibt keinen Sieg ohne Kampf!«

»Wenn wir scheitern, wenn wir besiegt werden,« versetzte die junge Prinzessin, »so werden wir uns rächen.«

»Madame,« sprach die Prinzessin Wittwe,« wenn wir scheitern, so hat Gott den Herrn Prinzen besiegt. Wolltet Ihr Euch an Gott rächen?«

Die junge Prinzessin verbeugte sich vor der erhabenen Demuth ihrer Schwiegermutter, und auf diese Art sich becomplimentirend und gegenseitig Weihrauch streuend hatten die drei Personen viel Aehnlichkeit mit einem Bischofe und seinen zwei Diaconen, welche Gott zum Vorwande der Huldigungen nehmen, die sie einander gegenseitig darbringen.

»Weder Herr von Turenne, noch Herr von Larochefoucault, noch Herr von Bouillon,« murmelte die Wittwe. »Alles fehlt zugleich.«

»Noch Geld!« versetzte Frau von Tourville.

»Und auf wen soll man zählen,« sprach die Prinzessin, »wenn Claire selbst uns vergißt.«

»Wer sagt Euch, meine Tochter, das Frau von Cambes Euch vergißt?«

»Sie kommt nicht zurück!«

»Vielleicht ist sie verhindert; die Wege werden durch die Armee, von Herrn von Saint-Aignan bewacht, wie Ihr wißt.«

»Sie könnte wenigstens schreiben.«

»Wie soll sie dem Papiere eine so wichtige Angelegenheit anvertrauen: den Beitritt einer ganzen Stadt wie Bordeaux zu der Partei der Herren Prinzen! . . . Nein, von dieser Seite werde ich nicht beunruhigt.«

»Überdies,« versetzte Frau von Tourville, »hatte einer von den Plänen, die ich Eurer Hoheit vorzulegen mich beehrte, die Aufwiegelung der Guienne zum Zweck.«

»Ja, ja, und wir werden auch dazu gelangen, wenn es nothwendig ist,« erwiederte die Frau Prinzessin; »aber ich schließe mich der Ansicht meiner Frau Mutter an, und ich fange an zu glauben, daß Claire irgend eine Unannehmlichkeit widerfahren ist, sonst wäre sie schon hier. Vielleicht haben ihre Pächter nicht Wort gehalten; ein Croquant1 ergreift immer die Gelegenheit, nicht zu bezahlen, wenn er sich loszumachen vermag. Weiß man denn, was die Leute der Guienne trotz ihrer Versprechungen gethan oder nicht gethan haben? Gascogner! . . .«

»Schwätzer!« sagte Frau von Tourville. »Allerdings brav im Einzelnen, aber schlechte Soldaten in der Truppe- nur gut zu schreien: Es lebe der Herr Prinz! wenn sie Furcht vor dem Spanier haben.«

»Sie haßten jedoch Herrn von Epernon,« versetzte die Prinzessin Wittwe; »denn sie haben ihn in Agen im Bildnis aufgehängt und versprachen ihn in Person in Bordeaux zu hängen, wenn er je zurückkehren würde.«

»Er wird zurückgekehrt sein und sie selbst haben hängen lassen,« sagte die Frau Prinzessin ärgerlich.

»Und Alles dies,« sprach Frau von Tourville, »ist der Fehler von Herrn Lenet, von Herrn Pierre Lenet,« wiederholte sie mit Nachdruck, »von diesem hartnäckigen Rathe, den Ihr fortwährend behaltet, während er nur dazu taugt, unsern Plänen in den Weg zu treten. Wenn er meinen zweiten Entwurf nicht zurückgewiesen hätte, welcher, wie Ihr Euch erinnert, das Schloß Vayres, die Insel Saint-George und die Feste Blaye durch Überrumplung wegzunehmen beabsichtigte, so würden wir Bordeaux jetzt belagert halten, und Bordeaux müßte wohl capituliren.«

»Ohne der Meinung Ihrer Hoheiten vorgreifen zu wollen, wäre es mir lieber, wenn es sich von selbst anbieten würde,« sprach hinter Frau von Tourville eine Stimme, deren achtungsvoller Ton nicht ganz von einer gewissen ironischen Färbung frei war. »Eine Stadt, welche capitulirt, weicht der Gewalt und macht sich zu nichts verbindlich; eine Stadt, welche sich von selbst anbietet, compromittirt sich und ist genöthigt, bis zum Ende dem Glücke derjenigen zu folgen, welchen sie sich angeboten hat.«

Die drei Damen wandten sich um und erblickten Pierre Lenet, welcher, während sie abermals einen Gang nach dem großen Thore des Schlosses machten, worauf ihre Blicke immer wieder sich richteten, durch eine kleine Thüre auf die Terrasse getreten war und sich ihnen von hinten genähert hatte.

Was Frau von Tourville gesagt hatte, entsprach theilweise der Wahrheit Pierre Lenet, der Rath des Herrn Prinzen, ein kalter, gescheiter, ernster Mann, war von dem Prinzen beauftragt, Freunde und Feinde zu überwachen, und es machte ihn, was sich nicht verleugnen läßt, viel mehr Mühe, die Freunde des Herrn Prinzen zu verhindern, seine Sache zu gefährden, als die schlimmen Pläne seiner Feinde zu bekämpfen. Aber geschickt und verschmitzt wie ein Advokat, an die Chicanen und Ränke des Palastes gewöhnt, siegte er gewöhnlich durch irgend eine glückliche Gegenmine oder durch irgend eine unerschütterliche Trägheit. Gerade in Chantilly selbst aber lieferte er seine geistreichsten Schlachten. Die Eitelkeit von Frau von Tourville, die Ungeduld der Frau Prinzessin, die aristokratische Unbeugsamkeit der Wittwe waren von so hohem Belang, als die Schlauheit von Mazarin, der Stolz von Anna von Oesterreich und die Unentschlossenheit des Parlaments.

Von den Prinzen mit der Correspondenz beauftragt, hatte es sich Lenet zum Gesetze gemacht, den Prinzessinnen die Nachrichten nur zu geeigneter Zeit mitzutheilen, und ob die Zeit geeignet wäre, darüber entschied nur er als Richter; denn da die weibliche Diplomatie nicht immer durch das Geheimnis arbeitet, was der erste Grundsatz der männlichen Diplomatie ist, so waren viele Pläne von Lenet durch seine Freunde an seine Feinde verrathen worden.

Trotz des Widerstandes, den sie bei ihm finden mußten, erkannten die Prinzessinnen die Ergebenheit und besonders die Nützlichkeit von Pierre Lenet und empfingen daher den Rath mit einer freundschaftlichen Geberde. Es zeigte sich sogar ein leichtes Lächeln auf den Lippen der Wittwe.

»Nun, mein lieber Lenet, Ihr habt es gehört,« sprach sie, »Frau von Tourville beklagte sich oder beklagte vielmehr uns. Alles geht schlechter und schlechter. Ah! unsere Angelegenheiten, mein lieber Lenet!«

Madame,« erwiederte Lenet, »ich bin weit entfernt, die Dinge so schwarz zu sehen, wie sie Eure Hoheit sieht. Ich hoffe viel von der Zeit und der Rückkehr des Glückes. Ihr kennt das Sprichwort: Geduld und Zeit machen Alles möglich.«

»Geduld, Rückkehr des Glückes, das ist Philosophie, Herr Lenet, und nicht Politik!« rief die Frau Prinzessin.

Lenet lächelte ebenfalls.

»Die Philosophie ist in allen Dingen nützlich, Madame, und besonders in der Politik. Sie lehrt uns beim Siege nicht stolz werden und bei einem Umschlage die Geduld nicht verlieren.«

»Gleichviel,« sprach Frau von Tourville, »ein guter Eilbote wäre mir lieber, als alle Eure Maximen, Nicht wahr, Frau Prinzessin?«

»Ja, ich muß es gestehen,« erwiederte Frau von Condé.

»Eure Hoheit wird befriedigt werden; denn sie wird heute drei erhalten,« versetzte Lenet mit derselben Kaltblütigkeit.

»Wie, drei!«

»Ja, Madame, den ersten hat man auf der Straße von Bordeaux gesehen, der zweite kommt von Stenay, und der dritte von Larochefoucault.«

Die zwei Prinzessinnen stießen einen Schrei freudigen Erstaunens aus. Frau von Tourville kniff sich in die Lippen.

»Es scheint mir,« sagte sie mit geheuchelter Freundlichkeit, um ihren Ärger zu verbergen und in ein goldenen Blatt die Bitterkeit zu wickeln, die sie losschleudern wollte, »es scheint mir, daß ein geschickter Nekromanted, wie Ihr, nicht auf so schönem Wege stehen bleiben und, nachdem er uns die Eilboten angekündigt hat, auch den Inhalt der Depechen mittheilen sollte.«

»Meine Wissenschaft, Madame, geht nicht so weit, als Ihr glaubt,« erwiederte er bescheiden. »Sie beschränkt sich auf den getreuen Diener. Ich melde, aber errathe nicht.«

In demselben Augenblick, als wäre Lenet von einem Geiste bedient worden, erblickte man zwei Reiter, welche im Galopp durch das Gitter den Schlosses sprengten. Sogleich verließ ein Hause von Neugierigen die Rasen und Blumenbeete und drängte sich an das Geländer, um einen Theil an den Nachrichten zu erhalten.

Die zwei Reiter stiegen ab, der eine derselben übergab dem andern, welcher sein Lackei zu sein schien, den Zügel seines von Schweiß triefenden Pferden und lief mehr als er ging zu den Prinzessinnen, welche er an einem Ende der Gallerie erblickte, während er durch das andere eintrat.

»Claire!« rief die Frau Prinzessin.

»Ja, Hoheit; empfangt meine Huldigung, Madame.«

Und ein Knie auf die Erde setzend, versuchte es der Jüngling, die Hand der Frau Prinzessin zu ergreifen, um sie ehrfurchtsvoll zu küssen.

»In meine Arme! teure Vicomtesse, in meine Arme!« rief Frau von Condé, sie aufhebend.

Und nachdem er sich mit allen Zeichen der Ehrfurcht hatte von der Frau Prinzessin umarmen lassen, wandte sich der Reiter gegen die Frau Prinzessin Wittwe, vor der er sich achtungsvoll verbeugte.

»Sprecht rasch, liebe Claire!« sagte diese.

»Ja, sprich.« wiederholte Frau von Condé, »hast Du Richon gesehen?«

»Ja, Hoheit, und er hat mir einen Auftrag an Euch gegeben.«

»Einen guten oder einen schlimmen?«

»Ich weiß es selbst nicht; er besteht in zwei Worten.«

»Ja welchen? Schnell, ich sterbe vor Ungeduld.«

Und die lebhafteste Angst war auf dem Gesichte der zwei Prinzessinnen ausgeprägt.

»Bordeaux – ja,« sagte Claire, selbst unruhig über die Wirkung, welche diese zwei Worte hervorbringen würden.

Aber sie ward bald beruhigt, denn die Prinzessinnen erwiederten diese Worte mit einem Triumphgeschrei, auf welches Lenet vorn Ende der Gallerie herbei lief.

»Lenet! Lenet! kommt, kommt!« rief die Frau Prinzessin; »Ihr wißt nicht, welche Nachricht die gute Claire uns überbringt?«

»Doch, Madame,« erwiederte Lenet lächelnd, »ich weiß es, und deshalb beeilte ich mich nicht.«

»Wie! Ihr wißt es?«

»Bordeaux, ja! Nicht wahr?« sprach Lenet.

»In der That, mein lieber Pierre, Ihr seid ein, Zauberer,« versetzte die Frau Wittwe.

»Aber Wenn Ihr es wüßtet,« sagte im Tone des Vorwurfs die Frau Prinzessin, »warum habe Ihr uns nicht durch diese paar Worte unserer Unruhe entzogen, die Ihr noch wahrnehmen mußtest.«

»Weil ich der Frau Vicomtesse von Cambes den Lohn für ihre Anstrengungen lassen wollte,« antwortete Lenet, sich ganz bewegt vor Claire verbeugend, »und dann auch, weil ich den Freudenausbruch Eurer Hoheiten auf dieser Terrasse und vor aller Welt befürchtete.«

»Ihr habt Recht, stets Recht, Pierre, mein guter Pierre,« sprach die Frau Prinzessin. »Wir wollen schweigen!«

»Und wir haben dies dem braven Richon zu verdanken,« versetzte die Prinzessin Wittwe. »Nicht wahr, Ihr seid zufrieden mit ihm, und er hat gut manövriert, sprecht, Gevatter Lenet?«

Gevatter war das Schmeichelwort der Prinzessin Wittwe, welche diesen Wort von Heinrich IV. geerbt hatte, der es oft gebrauchte.

»Richon ist ein Mann von Kopf und gewandter Ausführung,« sagte Lenet, »und Eure Hoheit mag glauben, wenn ich seiner nicht so sicher wie meiner selbst gewesen wäre, so hätte ich ihn Euch nicht empfohlen.«

»Was werden wir für ihn thun?« fragte die Frau Prinzessin.

»Man muß ihm einen Posten von Bedeutung geben,« erwiederte die Wittwe.

»Einen Posten von Bedeutung? Eure Hoheit, denkt nicht daran,« entgegnete spitzig Frau von Tourville, »sie vergißt, daß Richon kein Edelmann ist.«

»Ich auch nicht, Madame, ich bin es auch nicht,« versetzte Lenet, »was den Herrn Prinzen, wie ich vermuthe nicht abhält, einiges Vertrauen zu mir zu haben. Ich achte und bewundere gewiß den Adel Frankreichs, aber es gibt Umstande, unter denen, ich wage es zu behaupten, ein großen Herz mehr werth ist, als ein altes Wappen.«

»Und warum hat der gute Richon diese herrliche Kunde nicht selbst überbracht?« sprach die Prinzessin.

»Er ist in Guienne geblieben, um eine gewisse Anzahl Leute zu sammeln, und sagt mir, er könne bereits auf etwa dreihundert Soldaten zählen; nur meint er, sie werden in Ermangelung von Zeit schlecht dressiert sein, um sich im Felde zu halten, und es wäre ihm lieber, wenn man für ihn das Commando einen festen Platzes, wie Vayres oder Saint-Georges, erlangen würde. Da hält er sich für sicher, Euren Hoheiten vollkommen nützlich sein zu können.«

»Aber wie dies erlangen ist fragte die Prinzessin. »Wir stehen zu dieser Stunde zu schlecht bei Hofe, um Jemand zu empfehlen, und derjenige, welchen wir empfehlen würden, dürfte sogleich verdächtig werden.«

»Madame,« sprach die Vicomtesse, »vielleicht hätte man ein Mittel, das mir Herr Richon selbst an die Hand gegeben hat.«

»Welches?«

»Herr von Epernon ist, wie es scheint,« fuhr die Vicomtesse erröthend fort, »in ein gewisses Frauenzimmer verliebt.«

»Ah! ja, die schöne Nanon,« versetzte die Frau Prinzessin verächtlich, »wir wissen das.«

»Nun, es scheint, daß der Herzog von Epernon dieser Frau nichts abzuschlagen vermag, und daß diese Frau Alles bewilligt, was man ihr bezahlt. Könnte man nicht ein Patent für Herrn Richon von ihr erkaufen?«

»Das wäre gut angelegtes Geld,« sagte Lenet.

»Ja, aber die Kasse ist auf dem Trocknen, Ihr wißt es wohl, Herr Rath,« er sprach Frau von Tourville.

Lenet wandte sich lächelnd gegen Frau von Cambes um und sagte zu dieser:

»Das ist der Augenblick, Madame, Ihren Hoheiten zu beweisen, daß Ihr an Alles gedacht habt.«

»Was wollt Ihr damit sagen, Lenet?«

»Er will damit sagen, Madame, daß ich so glücklich bin, Euch eine schwache Summe, die ich mit großer Mühe von meinen Pächtern bezogen habe, anbieten zu können; der Betrag ist sehr gering, aber ich vermag im Augenblick nicht mehr. Zwanzigtausend Livres!« fuhr die Vicomtesse, die Augen niederschlagend und zögernd fort, denn sie war ganz beschämt, daß sie den ersten Damen des Königreiches, nach der Königin, eine so kleine Summe anbieten sollte.

»Zwanzigtausend Livres!« riefen die zwei Prinzessinnen, »Das ist ein ganzen Vermögen in diesen Zeit.« fügte die Wittwe bei.

»Diese teure Claire,« rief die Frau Prinzessin, »wie werden wir uns je unserer Schuld gegen sie entledigen?«

»Eure Hoheit mag später daran denken.«

»Und wo ist diese Summe?e fragte Frau von Tourville.

»In dem Gemach Ihrer Hoheit, wohin sie mein Stallmeister Pompée meinem Befehle gemäß getragen hat.«

»Lenet,« sprach die Frau Prinzessin, »Ihr werdet Euch erinnern, daß wir diese Summe Frau von Cambes schuldig sind.«

»Sie ist schon in unserem Passivum eingetragen,« erwiederte Lenet, zog sein Schreibebuch ans der Tasche und zeigte bei dem Datum des Tages die zwanzigtausend Livres der Vicomtesse, welche bei einer Colonne aufgerechnet waren, deren Gesamtsumme die Prinzessinnen hätte erschrecken müssen, würden sie sich die Mühe gegeben haben, ein wenig zu addieren.

»Aber, wie habt Ihr es gemacht, daß Ihr durchgekommen seid, liebe Schöne?« sprach die Frau Prinzessin, »man sagt uns, Herr von Saint-Aignan halte die Straße besetzt und untersuche Menschen und Gegenstände gerade wie ein Steuerinnehmer.«

»Durch die Klugheit von Pompée, Madame, sind wir dieser Gefahr entgangen,« antwortete die Vicomtesse; »wir machten einen großen Umweg, der unsere Ankunft um anderthalb Tage verzögerte, aber unsere Reise sicherte; sonst wäre ich schon seit vorgestern bei Eurer Hoheit.«

»Beruhigt Euch, Madame,« sprach Lenet, »es ist noch keine Zeit Verloren, man hat nur den heutigen Tag und den morgigen gut anzuwenden. Eure Hoheiten mögen sich erinnern, daß wir heute drei Couriere erwarten; einer ist bereits eingetroffen, die zwei andern fehlen also noch.«

»Darf man den Namen der zwei andern erfahren?« fragte Frau von Tourville, immer in der Hoffnung, den Rath auf einem Versehen zu ertappen, denn sie führte gegen ihn einen Krieg, der, wenn auch nicht erklärt, darum doch nicht minder ernster Natur war.

»Der erste, wenn meine Ahnungen mich nicht täuschen, wird Gourville sein,« antwortete Lenet, »er kommt vorn Herzog von Larochefoucault.«

»Vom Prinzen von Marsillac, wollt Ihr sagen,« versetzte Frau von Tourville.

»Der Herr Prinz von Marsillac ist jetzt Herzog von Larochefoucault, Madame.«

»Sein Vater ist also gestorben?«

»Vor acht Tagen.«

»Wo dies?«

»In Verteuil.«

»Und der zweite?« fragte die Frau Prinzessin.

»Der zweite ist Blanchefort, Kapitän der Garben des Herrn Prinzen. Er kommt von Stenay von Herrn von Turenne.«

»Wenn es sich so verhält,« sprach Frau von Tourville, »so könnte man, um jeden Zeitverlust zu vermeiden, sich an den ersten Plan halten, den ich für den wahrscheinlichen Fall des Beitritts der Herren von Turenne und Marsillac gemacht habe.«

Lenet lächelte auf seine gewöhnliche Weise und entgegnete mit dem höflichsten Tone:

»Verzeiht, Madame, aber die von dem Herrn Prinzen selbst festgestellten Pläne sind zu dieser Stunde in der Ausführung begriffen und verheißen einen vollständigen Erfolg.«

»Die von dem Herrn Prinzen festgestellten Pläne,« versetzte Frau von Tourville spitzig, »von dem Herrn Prinzen, der im Thurme von Vincennes sitzt und mit Niemand in Verbindung steht! . . .«.

»Hier sind die Befehle des Herrn Prinzen von seiner eigenen Hand geschrieben und von gestern datiert,« sprach Lenet und zog aus seiner Tasche einen Brief des Prinzen von Condé, »ich habe sie diesen Morgen erhalten. Wir stehen im Briefwechsel mit einander.«

Das Papier wurde dem Rathe von den zwei Prinzessinnen beinahe aus den Händen gerissen, und sie Verschlangen mit Freudenthränen den Inhalt.

»Ah! die Taschen von Lenet enthalten also ganz Frankreich?« sagte lachend die Frau Prinzessin Wittwe.

»Noch nicht, Madame, noch nicht,« antwortete der Rath, »aber mit Gottes Hilfe werde ich sie zu diesem Behufe hinreichend vergrößern lassen. Nun aber,« fügte er absichtlich die Vicomtesse bezeichnend bei, »nun aber muß die Frau Vicomtesse der Ruhe bedürfen, denn die lange Reise . . .«

Die Vicomtesse begriff das Verlangen von Lenet, mit den zwei Prinzessinnen allein zu bleiben, machte, auf ein Lächeln der Wittwe, das sie in diesem Gedanken bekräftigte, eine ehrfurchtsvolle Verbeugung und entfernte sich.

Frau von Tourville blieb und versprach sich eine reiche Ernte geheimnisvoller Nachrichten, aber auf eine unmerkliche Geberde der Frau Wittwe gegen ihre Schwiegertochter kündigten die zwei Prinzessinnen gleichzeitig durch eine erhabene und nach allen Regeln der Etiquette ausgeführte Verbeugung Frau von Tourville an, das Ende der politischen Sitzung, zu der man sie berufen hatte, sei gekommen. Die Dame mit den Theorien begriff ganz gut die Aufforderung, machte den Prinzessinnen eine noch viel ernstere und ceremoniösere Reverenz, als sie es gethan hatten, und entfernte sich, Gott zum Zeugen für den Undank der Fürsten nehmend.

Die zwei Prinzessinnen gingen in ihr Cabinet, und Lenet folgte ihnen.

»Wenn nun,« sagte Lenet, nachdem er sich versichert hatte, daß die Thüre geschlossen war, »wenn nun Eure Hoheiten Gourville empfangen wollten, er ist angekommen und wechselt nur die Kleider, da er es nicht wagte, sich in seinem Reisegewand vor Euch zu zeigen.«

»Welche Kunde bringt er?«

»Die Kunde, daß Herr von Larochefoucault diesen Abend oder morgen mit fünfhundert Edelleuten hier sein wird.«

»Fünfhundert Edelleute!« rief die Prinzessin, »das ist eine ganze Armee.«

»Welche unsern Weg schwieriger machen wird. Mir wären fünf bis sechs Diener lieber gewesen, als dieser ganze Troß; wir hätten uns leichter Herrn von Saint-Aignan entzogen. Nun wird es beinahe unmöglich sein, den Süden zu erreichen, ohne beunruhigt zu werden.«

»Desto besser, wenn man uns beunruhigt,« rief die Prinzessin; »denn geschieht dies, so werden wir kämpfen und siegen: der Geist von Herrn von Condé wird mit uns marschiren.«

Lenet schaute die Prinzessin Wittwe an, als wollte er auch ihre Ansicht vernehmen; aber in den Bürgerkriegen der Regierung von Ludwig XIII. Erzogen, hatte Charlotte von Montmorency so viele hohe Häupter sich beugen sehen, um in das Gefängniß zu gehen oder auf das Blutgerüste zu rollen, weil sie hatten aufrecht bleiben wollen, und sie fuhr deshalb traurig über ihre von schmerzlichen Erinnerungen schwere Stirne und sprach:

»Ja, darauf sind wir beschränkt. Uns verbergen oder schlagen: ein furchtbares Ding! Wir lebten ruhig mit etwas Ruhm, den Gott unserem Hause gesandt hatte; wir suchten, wenigstens hoffe ich, daß Keines von uns andere Absichten hatte, wir suchten in dem Rang zu bleiben, in welchem wir geboren sind, und nun treiben uns die Zufälle der Zeit an, unsern Herrn zu bekämpfen.«

»Madame,« entgegnete ungestüm die junge Prinzessin, »ich sehe mit weniger Schmerz, als Eure Hoheit, die Nothwendigkeit, in die wir versetzt sind. Mein Gemahl und mein Schwager erdulden eine unwürdige Gefangenschaft; dieser Gemahl und dieser Schwager sind Eure Söhne; überdies ist Eure Tochter geächtet. Das entschuldigt gewiß alle Unternehmungen, die wir versuchen dürften.«

»Ja,« sprach die Wittwe mit einer Traurigkeit voll Resignation, »ja, ich ertrage dies mit mehr Geduld, als Ihr, Madame, aber es scheint auch, als wäre es unser Schicksal geworden, geächtet oder gefangen zu sein. Kaum war ich die Gattin des Vaters Eures Gemahls, als ich verfolgt von der Liebe König Heinrich IV. Frankreich verlassen mußte. Kaum waren wir dahin zurückgekehrt, als wir nach Vincennes mußten, verfolgt von dem Hasse von Richelieu. Heute im Gefängniß, ist mein Sohn im Gefängnis auf die Welt, gekommen und konnte nach Verlauf von zweiunddreißig Jahren das Zimmer wiedersehen, wo er geboren wurde. Ach! Euer Schwiegervater, der Herr Prinz, hatte also Recht bei seinen düsteren Prophezeiungen; als man ihm das Gewinnen der Schlacht von Rocroy meldete, als man ihn in den Saal führte, der mit den Fahnen ausgeschmückt war, welche man den Spaniern abgenommen hatte, sprach er, sich gegen mich umwendend: »»Gott kennt die Freude, die mir diese That meines Sohnes bereitet; aber erinnert Euch, Madame, je mehr sich unser Haus Ruhm erringt, desto mehr wird ihm Unglück widerfahren. Wenn ich nicht das Wappen von Frankreich hätte, das doch zu schön ist, um es aufzugeben, so nähme ich zum Wappen eines Falken, den seine Schellen verrathen, mit der Devise: Fama nocet!« Wir haben zu viel Geräusch gemacht, meine Tochter, und das schadet uns. Seid Ihr nicht auch meiner Meinung, Lenet?«

»Madame,« antwortete Lenet, verdüstert durch die Erinnerungen, welche die Prinzessin hervorgerufen hatte, »Eure Hoheit hat Recht, aber wir sind zu weit gegangen, um nun zurückzuweichen; mehr noch: unter den Umständen, tu denen wir uns befinden, handelt es sich darum, einen raschen Entschluß zu fassen, denn wir dürfen uns unsere Lage nicht verbergen. Wir sind nur scheinbar frei, die Königin hat ihre Augen auf uns gerichtet und Herr von Saint-Aignan belagert uns. Wir müssen darauf bedacht sein, Chantilly trotz der Wachsamkeit der Königin und der Belagerung von Herrn von Saint-Aignan zu verlassen.«

»Verlassen wir Chantilly, aber den Kopf hoch in der Luft,« rief die Frau Prinzessin.

»Ich bin auch dieser Ansicht,« sprach die Prinzessin Wittwe, »die Condé sind keine Spanier und verrathen nicht; es sind keine Italiener und schmieden keine Ränke, was sie thun, thun sie am lichten Tage und mit erhabener Stirne.«

»Madame,« sagte Lenet mit dem Tone innerer Sicherheit, »Gott ist mein Zeuge, daß ich der Erste bin, der die Befehle Eurer Hoheit vollzieht, wie sie auch lauten mögen; aber um Chantilly zu verlassen, wie Ihr dies thun wollt, müssen wir eine Schlacht liefern. Ohne Zweifel ist es nicht Eure Absicht, Frauen am Tage des Kampfes zu sein, nachdem Ihr Männer im Rathe gewesen seid; Ihr werdet an der Spitze Eurer Parteigänger marschieren, Ihr werdet Euren Soldaten das Kriegsgeschrei zuwerfen; aber Ihr vergeßt, das neben Eurem kostbaren Dasein eine nicht minder kostbare Existenz zu tagen beginnt: es ist die des Herrn Herzogs von Enghien, Eures Sohnes und Enkels; werdet Ihr Euch der Gefahr aussetzen, in demselben Grabe die Gegenwart und die Zukunft Eures Hauses zu begraben? Glaubt Ihr, der Vater werde Mazarin nicht als Geißel dienen, während der verwegenen Unternehmungen, die man im Namen des Sohnes ausführt? Kennt Ihr die Geheimnisse des Thurmes von Vincennes nicht mehr, welche auf eine so unselige Weise von dem Großprior den Vendome, von dem Marschall d’Ornano und von Pup-Laurent ergründet werden sind? Habt Ihr das unheilvolle Zimmer vergessen, das, nach den Worten von Frau von Rambouillet, wie Arsenik in das Gewicht fällt? Nein, meine Damen,« fuhr Lenet die Hände faltend fort, »nein, Ihr werdet Chantilly verlassen, wie es Frauen geziemt, die man verfolgt; erinnert Euch, das Eure sicherste Wache die Schwäche ist: ein Kind, das man seines Vaters, eine Frau, die man ihres Gatten beraubt, eine Mutter, der man ihren Sohn nimmt, entziehen sich, so gut sie können, der Falle, worin man sie festhielt. Wartet, um zu handeln und laut zu sprechen, bis Ihr dem Stärkeren nicht mehr als Bürgschaft dient; seid Ihr Gefangene, so werden Eure Parteigänger stumm bleiben, seid Ihr aber frei, so werden sie sich erklären, denn sie haben nicht mehr zu befürchten, das man ihnen die Bedingungen Eurer Loskaufung diktiert. Unser Plan ist mit Gourville besprochen. Wir sind eines guten Geleites sicher, mit welchem wir die Beleidigungen auf dem Wege vermeiden werden; denn es stehen heute zwanzig verschiedene Parteien im Felde und erheben sich gegen Freund und Feind. Willigt ein; Alles ist bereit.«

1.Ein Schimpfname gewisse rebellischer Bauern, besonders zur Zeit von Heinrich IV. Und Ludwig XIII.

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04 aralık 2019
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