Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 31
IV
In dem Augenblick, wo sich die Prinzessin unter dem enthusiastischen Beifallsgeschrei der Meute auf dem Balcon zeigte, hörte man plötzlich in der Ferne den Lärmen von Trommeln und Pfeifen, begleitet von einem freudigen Getöse.
Sogleich wandte sich die geräuschvolle Menge, welche das Haus des Präsidenten Lalasne stürmte, um Frau von Condé zu sehen, nach der Seite, von welcher der Lärmen sich hören ließ, und fing an, ohne sich viel um die Gesetze der Etiquette zu bekümmern, eben diesem immer näher kommenden Lärmen entgegenzustömen. Das war ganz einfach: sie hatten bereite zehnmal, zwanzigmal, hundertmal die Frau Prinzessin gesehen, während ihnen dieses Getöse etwas Unbekanntes verkündete.
»Diese Menschen sind wenigstens offenherzig,« murmelte lächelnd Lenet hinter der entrüsteten Prinzessin. »Aber was bedeutet die Musik, was soll das Geschrei? Ich gestehe Eurer Hoheit, daß ich beinahe eben so begierig bin, es zu erfahren, als es diese schlechten Höflinge gewesen sind.«
»Wohl,« erwiederte die Prinzessin, »verlaßt mich ebenfalls und lauft wie sie auf der Straße umher.«
»Ich würde es sogleich thun, Madame, wenn ich Euch eine gute Nachricht zurückzubringen sicher wäre.«
»Oh! was die guten Nachrichten betrifft,« sprach die Prinzessin mit einem ironischen Blick gegen den prachtvollen, über ihrem Haupte glänzenden Himmel, »ich erwarte keine mehr. Wir sind nicht im Glücke.«
»Madame,« erwiederte Lenet, »Ihr wißt, ich lasse mich nicht so leicht reizen; aber ich müßte mich sehr täuschen, wenn dieser Lärmen nicht irgend ein freudiges Ereigniß verkündigte.«
Das immer näher kommende Gemurmel, eine eifrige, gedrängte Menge, welche am Ende der Straße, die Arme hoch in der Luft und mit flatternden Sacktüchern, erschien, überzeugten die Prinzessin selbst, daß die Nachricht gut war. Sie horchte daher mit einer Aufmerksamkeit, welche sie einen Augenblick das Ausreißen ihres Hofes vergessen ließ, und vernahm die Worte:
»Branne! der Gouverneur von Branne! der Gouverneur gefangen!«
»Ah! Ah!« sagte Lenet, »der Gouverneur von Branne gefangen? Das ist gar nicht so schlimm; Es gibt uns einen Geißel, der uns für Richon haftet.«
»Hatten wir nicht bereits den Gouverneur der Insel Saint-George?« entgegnete die Prinzessin.
»Er macht mich sehr glücklich, daß der von mir beantragte Plan zum Behuf der Einnahme von Branne so gut gelungen ist,« sprach Frau von Tourville.
»Madame,« sagte Lenet, »wir wollen uns noch nicht mit einem so vollständigen Siege schmeicheln; der Zufall treibt sein Spiel mit den Plänen des Mannes und zuweilen sogar mit den Plänen der Frau.«
»Mein Herr, erwiederte Frau von Tourville, sich mit ihrer gewöhnlichen Bitterkeit zurückwerfend, »wenn der Gouverneur gefangen ist, so muß auch die Festung genommen sein.«
»Was Ihr da sagt, Madame, ist nicht völlig logisch; aber seid unbesorgt, haben wir Euch diesen doppelten Erfolg zu verdanken, so bin ich wie immer der Erste, der Euch seine Glückwünsche darbringt.«
»Bei allem Dem staune ich nur,« sprach die Prinzessin, welche bereits an dem glücklichen Ereignisse, das sie erwartete, eine für den aristokratischen, den Grund ihres Charakters bildenden, Stolz verletzende Seite suchte, . . . »ich muß nur staunen, daß, ich nicht zuerst von dem, was vorgeht, unterrichtet werde; das ist eine unverzeihliche Unschicklichkeit. Wie sie der Herr Herzog von Larochefoucault immer begeht.«
»Ei! Madame,« sagte Lenet, »es fehlt und an Soldaten zum Streiten, und Ihr wollt noch, daß wir sie von ihren Posten entfernen, um sie zu Boten zu machen! Ach! verlangen wir nicht zu viel, und wenn und eine gute Kunde zukommt, so nehmen wir sie so, wie sie und Gott schickt, und fragen wir nicht, wie wir sie erhalten haben.«
Mittlerweile wuchs die Menge immer mehr an, denn die einzelnen Gruppen verbanden sich mit der Hauptgruppe, wie sich die Bäche mit einem Flusse vermischend. Unter dieser Hauptgruppe, welche aus etwa tausend Menschen bestehen mochte, erschien ein kleiner, ungefähr dreißig Mann starker, Kern von Soldaten, und mitten unter diesen dreißig Mann ein Gefangenen den die Soldaten gegen die Wuth des Volkes zu beschützen schienen.
»Tod! Todt« schrie das Volk, »Tod dem Gouverneur von Branne!«
»Ah! Ah!« sagte die Prinzessin mit triumphierendem Lächeln, »es scheint offenbar, sie bringen einen Gefangenen, und dieser Gefangene ist der Gouverneur von Branne!«
»Ja,« versetzte Lenet; »aber seht, Madame, es scheint auch, der Gefangene läuft Gefahr, umgebracht zu werden. Hört Ihr die Drohungen, seht Ihr die wüthenden Geberden? Madame, sie werden die Soldaten überwältigen, sie werden ihn in Stücke zerreißen. Oh! die Tiger, sie riechen Fleisch und möchten gern Blut saufen.«
»Sie mögen saufen!« rief die Prinzessin mit der den Weibern, wenn ihre schlimmen Leidenschaften aufgeregt sind, eigenthümlichen Wildheit,, »sie mögen saufen, es ist das Blut eines Feindes.«
»Madame,« entgegnete Lenet, »bedenkt wohl, dieser Feind sieht unter dem Schutze der Ehre von Condé und überdies, wer sagt Euch, daß in diesem Augenblick Richon, unser braver Richon, nicht derselben Gefahr preisgegeben ist, wie dieser Unglückliche? Ah! sie sind auf dem Punkte, die Soldaten zu überwältigen; wenn sie ihn berühren, ist er verloren. Holla! zwanzig Mann,« rief Lenet, sich umwendend, -zwanzig bereitwillige Leute, um den Soldaten diese ganze Canaille zurücktreiben zu helfen. Wenn ein Haar von dem Haupte des Gefangenen fällt, seid Ihr mir mit dem Eurigen dafür verantwortlich.«
Bei diesen Worten stürzten zwanzig Musketiere den der Bürgergarde, den besten Familien von Bordeaux angehörend, wie ein Strom die Treppe hinab, durchbrachen die Menge mit Kolbenstößen und verbanden sich mit der Escorte; es war die höchste Zeit, einige Klauen, länger und schärfer als die andern, hatten bereite Fetzen von dem blauen Rocke des Gefangenen gerissen.
»Ich danke, meine Herren,« sagte der Gefangene, »denn Ihr habt es verhindert, daß mich diese Cannibalen verschlangen; das ist sehr wohl gethan. Teufel! wenn sie die Leute nur so fressen, so werden sie einen Tages die königliche Armee, sobald sie Eure Stadt stürmt, mit Haut und Haar aufspeisen.«
Und er zuckte die Achseln und lachte.
»Ah! das ist ein Tapferer,« rief die Menge als sie die vielleicht etwas geheuchelte, Ruhe des Gefangenen wahrnahm, und wiederholte dabei den Scherz, der seiner Eitelkeit schmeichelte: »es ist ein wahrhaft Muthiger! Er hat keine Furcht. Es lebe der Gouverneur von Branne!«
»Meiner Treue, ja,« rief der Gefangene, den lebe der Gouverneur von Branne. Es wäre mir sehr angenehm; wenn er leben könnte.«
Die Wuth des Volkes verwandelte sich nun in in Bewunderung, und diese Bewunderung drückte sich alsbald in kräftigen Worten aus. Es folgte eine wahre Huldigung, auf das den Gouverneur von Branne, das heißt unsern Freund Cauvignac, bedrohende Märtyrthum.
Denn es war, wie unsere Leser wohl schon errathen haben, Cauvignac, der unter dem prunkhaften Namen eines Gouverneur von Branne auf eine so traurige Weise in die Hauptstadt der Guienne einzog.
So beschützt durch seine Wachen und durch seine Geistesgegenwart, wurde der Kriegsgefangene in das Haus des Präsidenten Lalasne gebracht, und während die eine Hälfte der Escorte das Gitter bewachte, von der andern vor die Prinzessin geführt.
Cauvignac trat stolz und ruhig in die Wohnung von Frau von Condé ein; es ist jedoch nicht zu leugnen, daß ihm das Herz unter diesem heldenmüthigen Anschein gewaltig schlug.
Trotz des Zustandes, in welchen die drängende Menge seinen schönen blauen Rock, seine goldenen Galonen und die Feder auf seinem Hute versetzt hatte, wurde er mit dem ersten Blick erkannt.
»Herr Cauvignac!« rief Lenet.
»Herr Cauvignac, Gouverneur von Branne,« fügte die Prinzessin bei; »ah! Mein Herr, das sieht ganz hübsch wie Verrath aus.«
»Was sagt Eure Hoheit?« fragte Cauvignac, welcher gar wohl begriff, daß er seine ganze Kaltblütigkeit und seinen ganzen Witz zu Hilfe rufen mußte: »Ich glaube sie hat das Wort Verrath ausgesprochen?«
»Ja, mein Herr, Verratht denn unter welchem Titel erscheint Ihr vor mir?«
»Unter dem Titel einen Gouverneur von Branne, Madame.«
»Ihr seht wohl, Verrath. Von wem ist Euer Bestallungsbrief unterzeichnet?«
»Von Herrn von Mazarin.«
»Verrath, doppelter Verrath; ich sagte es. Ihr seid Gouverneur von Branne und Eure Compagnie hat Vayres in die Hände des Feindes geliefert: der Titel war der Lohn für die That.«
Bei diesen Worten trat das tiefste Erstaunen auf dem Gesichte von Cauvignac hervor. Er schaute umher, als suchte er die Person, an welche diese Worte gerichtet wären, und ließ dann, durch die Augenscheinlichkeit überzeugt, daß er der Gegenstand der Anschuldigung der Prinzessin war, mit einer Geberde der Entmuthigung die Hände an seinen Hüften herabfallen.
»Meine Compagnie hat Vayres überliefert,« sagte er, »einen solchen Vorwurf macht mir Eure Hoheit?«
»Ja, mein Herr; stellt Euch, als ob Ihr es nicht wüßtet, spielt den Erstaunten; ja, Ihr seid ein guter Komödiant, wie es scheint; aber ich werde mich weder durch Eure Gesichter noch durch Eure Worte bethören lassen, so sehr sie auch mit einander im Einklang stehen mögen.«
»Ich heuchle nicht, Madame,« antwortete Cauvignac: »wie soll ich wissen, Hoheit, was in Vayres vorgefallen ist, da ich nie dort gewesen bin?«
»Ausflucht, nichts Anderes als Ausflucht.«
»Ich habe ans solche Worte nichts zu erwiedern, Madame, wenn nicht, daß Eure Hoheit mit mir unzufrieden zu sein scheint. Eure Hoheit halte es meinem offenherzigen Charakter zu gut, daß ich mir die Freiheit nehme, mich zu vertheidigen: ich glaubte eher mich über sie beklagen zu dürfen.«
»Ihr, mein Herr, Euch über mich beklagen?« rief die Prinzessin ganz erstaunt über eine solche Keckheit.
»Allerdings, Madame,« antwortete Cauvignac, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen: »auf Euer Wort und auf das des hier gegenwärtigen Herrn Lenet, rekrutiere ich eine Compagnie Braver, ich gehe gegen sie um so heiligere Verbindlichkeiten ein, als diese beinahe insgesamt auf das Ehrenwort gestellt waren. Und nun, da ich komme und von Eurer Hoheit die versprochene Summe verlange . . . eine Erbärmlichkeit, dreißig oder vierzig tausend Livres, bemerkt wohl, nicht für mich bestimmt, sondern für die neuen Vertheidiger, die ich den Herren Prinzen angeworben hatte, weist mich Eure Hoheit ab, ja, sie weist mich ab; ich berufe mich auf Herrn Lenet.«
»Das ist wahr,« sagte Lenet, »als sich der Herr einfand, hatten wir kein Geld.«
»Konntet Ihr nicht ein paar Tage warten? Hing Eure Treue und die Eurer Leute von der Stunde ab?«
»Ich wartete so lange, als es Herr von Larochefoucault selbst von mir forderte, das heißt acht Tage. Nach Ablauf dieser acht Tage erschien ich abermals; diesmal völlige Weigerung; ich berufe mich wieder aus Herrn Lenet.«
Die Prinzessin wandte sich gegen den Rath, ihre Lippen waren zusammengepreßt und ihre Augen schleuderten Blitze unter ihrer gerunzelten Stirne hervor.
»Leider muß ich gestehen erwiederte Lenet, »daß das, was dieser Herr sagt, genau der Wahrheit entspricht.«
Cauvignac richtete sich triumphierend hoch auf.
»Nun, Madame,« fuhr er fort, »man hatte ein Intrigant unter diesen Umständen gethan? Ein Intrigant würde sich und seine Leute an die Königin verkauft haben. Ich, der ich die Intrigue verabscheue, ich habe die Compagnie jedem Mann sein Ehrenwort zurückgebend entlassen, und allein vereinzelt, in einer völligen Neutralität das gethan, was Salomo der Weise im Zweifel thun heißt: ich habe mich jeder Handlung enthalten.«
»Aber Eure Soldaten, mein Herr, Eure Soldaten l« rief die Prinzessin wüthend.
»Madame,« antwortete Cauvignac, »da ich weder König noch Prinz, sondern nur Kapitän bin, da ich weder Unterthanen noch Vasallen habe, so nenne ich meine Soldaten nur die Soldaten, welche ich bezahle; weil aber die meinigen, wie Euch Herr Lenet bestätigt hat, durchaus nicht bezahlt wurden, so betrachteten sie sich als frei. Da werden sie sich nun gegen ihren neuen Chef gekehrt haben. Was ist zu machen? Ich gestehe, ich weiß es nicht.«
»Aber Ihr, Herr, der Ihr die Partei des Könige ergriffen habt, was könnt Ihr sagen? Eure Neutralität habe Euch bedrückt?«
»Nein, Madame; aber meine Neutralität schien, so unschuldig sie auch war, den Parteigängern Seiner Majestät verdächtig. An einem schönen Morgen wurde ich im Wirthause zum Goldenen Kalb, auf der-Straße von Libourne, verhaftet und vor die Königin geführt.?«
»Und da habt Ihr mit ihr unterhandelt?«
»Madame,« antwortete Cauvignac, »ein Mann von Gemüth hat sehr empfindliche Stellen, an denen ihn die Zartheit eines Fürsten zu fassen vermag. Mein Inneres war verwundet; man hatte mich von einer Partei zurückgestoßen, der ich blindlings mit dem ganzen Feuer, mit dem ganzen Vertrauen der Jugend beigetreten war. Ich erschien vor der Königin zwischen zwei Soldaten, welche mich zu tödten bereit waren; ich erwartete Vorwürfe, Schmähungen, den Tod; denn ich hatte wenigstens der Absicht nach den Prinzen gedient; aber gerade das Gegentheil . . . statt mich zu bestrafen, mir die Freiheit zu rauben, mich in ein Gefängniß zu schicken, das Schaffot besteigen zu lassen, sagte diese große Fürstin zu mir:
»»Braver, aber irregeleiteter Mann, ich kann mit einem Worte Deinen Kopf fallen machen, aber Du siehst, man ist dort undankbar gegen Dich gewesen, hier wird man dankbar sein; Du wirst im Namen der heiligen Anna, meiner Patronin, fortan unter den Meinigen zählen. Meine Herren,«« fuhr sie, sich an meine Wachen wendend fort, »»achtet diesen Officier, denn ich habe seine Verdienste schätzen gelernt, und ich mache ihn zu Eurem Anführer.Und Euch,«« fügte sie sich noch einmal an mich wendend bei: »»Euch mache ich zum Gouverneur von Branne; so rächt sich eine Königin von Frankreich.««
»Was könnte ich antworten?« fuhr Cauvignac, seine, natürliche Stimme und Geberde wieder annehmend, fort, nachdem er auf eine halb komische, halb sentimentale Weise die Stimme und Geberde von Anna von Oesterreich nachgeahmt hatte, »nichts. Ich war in meinen theuersten Hoffnungen verletzt, ich war in der völlig uneigennützigen Ergebenheit verletzt, die ich Eurer Hoheit zu Füßen zu legen die Ehre gehabt hatte, Eurer Hoheit, der ich, ich erinnere mich dessen mit Freuden, in Chantilly einen kleinen Dienst zu leisten im Stande gewesen bin. Ich habe es gemacht wie Coriolan, ich bin unter das Zelt der Volsker getreten.«
Diese mit einer dramatischen Stimme und einer majestätischen Geberde gesprochene Rede brachte eine große Wirkung auf die Anwesenden hervor, Cauvignac entging sein Triumph nicht, indem er die Prinzessin vor Wuth erbleichen sah.
»Aber wem seid Ihr denn endlich treu?« fragte sie.
»Demjenigen, welche die Zartheit meines Benehmens zu schützen wissen,« antwortete Cauvignac.
»Gut, Ihr seid mein Gefangener.«
»Ich habe die Ehre, Madame; doch ich hoffe, Ihr werdet mich als Edelmann behandeln. Allerdings bin ich Euer Gefangener, aber ohne gegen Eure Hoheit gekämpft zu haben; ich begab mich mit meinem Gepäcke nach meinem Gouvernement, als ich einer Abtheilung Eurer Soldaten in die Hände fiel, die mich verhaftete. Ich dachte nicht einen Augenblick daran, meinen Rang oder meine Gesinnung zu verheimlichen, und verlange daher, ich wiederhole es, nicht nur als Edelmann, sondern auch als Oberofficier behandelt zu werden.«
»Es soll geschehen, mein Herr,« antwortete die Prinzessin, »Ihr habt die Stadt als Gefängniß, nur müßt Ihr auf Euer Ehrenwort schwören, daß Ihr dieselbe nicht zu verlassen suchen werdet.«
»Madame, ich werde Allen schwören, was Eure Hoheit fordert.«
»Gut; Lenet, laßt dem Herrn die Formel geben, wir wollen seinen Schwur empfangen.«
Lenet diktierte die Worte des Eides, den er Cauvignac nach leisten lassen sollte. Cauvignac hob die Hand auf und schwur feierlich, die Stadt nicht eher zu verlassen, als bis die Prinzessin ihn seines Eides entbunden hatte.
»Nun entfernt Euch,« sagte die Prinzessin: »aber wir verlassen uns auf Eure Redlichkeit als Edelmann und ans Eures Ehre als Soldat.«
Cauvignac ließ sich das nicht zweimal sagen; er verbeugte sich und ging ab; aber während seines Abgangs hatte er Zeit, eine Geberde von Lenet aufzufassen, welche bedeutet:
»Madame, er hat Recht und wir haben Unrecht; so geht es, wenn man in der Politik knistert.«
Lenet, der jedes Verdienst zu schützen wußte, hatte allerdings die ganze Feinheit des Charakters von Cauvignac erkannt, und gerade weil er sich in keinem Punkte durch die Scheingründe, welche dieser angegeben, bethören ließ, bewunderte er, wie sich der Gefangene aus einer der schlimmsten Lagen zu ziehen wußte, in der sich ein Ueberläufer befinden kann.
Cauvignac aber ging sehr nachdenkend, das Kinn in der Hand, die Treppe hinab und sagte mit sich selbst sprechend:
»Nun handelte es sich darum, meine hundert und fünfzig Mann gegen etwa hunderttausend Livres abermals an sie zu verkaufen, was gar wohl möglich ist, da der gescheite und ehrenwerthe Ferguzon vollkommene Freiheit für sich und die Seinigen erhalten hat. Ich werde sicherlich früher oder später Gelegenheit dazu finden. Schön, schön,« fuhr Cauvignac ganz getröstet fort, »ich sehe, daß ich, indem ich mich fangen ließ, kein so schlechtes Geschäft gemacht habe, als ich Anfange glaubte.«
VII
Nun wollen wir einen Schritt zurück machen und die Aufmerksamkeit unserer Leser auf die ihnen nur unvollständig bekannten Ereignisse lenken, welche sich in Vayres zugetragen hatten.
Nach einigen nur so furchtbareren Stürmen, als der General der königlichen Truppen mehr Leute opferte, um weniger Zeit zu verlieren, waren die Außenwerke genommen worden; aber die braven Vertheidiger dieser Werke zogen sich, nachdem sie das Terrain Fuß für Fuß streitig gemacht hatten und das Schlachtfeld mit Todten bestreut war, durch den bedeckten Weg zurück und stellten sich in Vayres fest. Herr de La Meilleraye verleugnete sich nun nicht, daß er, wenn er fünf bis sechshundert Mann verloren hatte, um einen schlechten, von einer Palissade überragten Erdwall zu erobern, sechsmal so viel Verlieren würde, um ein Fort zu nehmen, das von guten Mauern umgeben war und von einem Manne vertheidigt wurde, dessen strategische Kenntnisse und militärischen Muth er auf seine Kosten schätzen zu lernen Gelegenheit gehabt hatte.
Man war also entschlossen, Laufgräben zu eröffnen und eine regelmäßige Belagerung zu machen, als man die Vorhut der Armee des Herzogs von Epernon erblickte, welche sich mit dem Heere des Herrn de La Meilleraye verband, wodurch die königlichen Streitkräfte verdoppelt wurden. Dies änderte völlig die Gestalt der Dinge. Man unternimmt mit vierundzwanzig tausend Mann, was man mit zwölftausend nicht zu unternehmen wagt. Der Sturm wurde auf den andern Tag beschlossen.
An der Unterbrechung der Laufgraben Arbeiten, an den neuen Vorkehrungen, die man traf, und besondere bei dem Anblick der eingetroffenen Verstärkung erkannte Richon, daß es die Absicht war, ihn ohne Unterlaß zu bedrängen, und einen Sturm für den andern Tag ahnend, versammelte er seine Leute, um ihre Stimmung zu beurtheilen, an welcher zu zweifeln er übrigens nach der Art und Weise, wie sie bei der Vertheidigung der ersten Schanzen zu Werke gegangen waren, keine Ursache hatte.
Er erstaunte auch im höchsten Grade, als er die neue Haltung der Garnison wahrnahm. Seine Leute warfen einen düstern, unruhigen Blick auf das königliche Heer, und ein dumpfes Murren machte sich aus ihren Reihen hörbar.
Richon verstand keinen Spaß unter den Waffen, und besondere keinen Spaß dieser Art.
»Holla! wer murrt?« sagte er, sich nach der Seite umwendend, wo das mißbilligende Getöse am deutlichsten gewesen war.
»Ich,« erwiederte ein Soldat, der mehr Keckheit besaß, als die anderen.
»Du!«
»Ja, ich.«
»Dann komm hierher und antworte.«
Der Soldat trat aus Reihe und Glied und näherte sich seinem Chef.
»Was fehlt Dir, daß Du Dich beklagst?« fragte Richon, die Arme kreuzend und den Soldaten fest anschauend.
»Was Mir fehlt?«
»Ja, was Dir fehlt? Haft Du Deine Brodration?«
»Ja, Commandant.«
»Deine Fleischration?«
»Ja, Commandant.«
»Deine Weinration?«
»Ja, Commandant.«
»Bist Du schlecht quartiert?«
»Nein.«
»Hast Du einen Soldrückstand zu fordern?«
»Nein.«
»Dann sprich: was wünschest Du, was willst Du und was bedeutet dieses Gemurre?«
»Es bedeutet, daß wir uns gegen unsern König schlagen, was für einen französischen Soldaten hart ist.«
»Du bedauerst also, nicht im Dienste Seiner Majestät zu sein?«
»Bei Gott, ja.«
»Und Du wünschest mit Deinem König wiedervereinigt zu werden?«
»Ja,« sagte der Soldat, der durch die Ruhe von Richon getäuscht glaubte, die Sache würde sich mit der einfachen Ausschließung aus den Condé’schen Reihen endigen.
»Es ist gut,« sprach Richon, den Mann bei seinem Wehrgehänge ergreifend; »da ich aber die Thore geschlossen habe, so mußt Du den einzigen Weg nehmen, der Dir übrig bleibt.«
»Meinen?« fragte der Soldat erschrocken.
»Diesen,« erwiederte Richon, hob ihn mit seinen herculischen Armen auf und schlenderte ihn über die Brustwehre.
Der Soldat stieß einen Schrei aus und fiel in den Graden, der zu seinem Glück mit Wasser gefüllt war.
Ein finsteres Schweigen erfolgte auf diese kräftige Handlung. Richon glaubte die Meuterei gedämpft zu haben, wandte sich wie ein kühner Spieler, welcher Alles für Alles einsetzt, gegen seine Leute um und sagte:
»Wenn noch mehr Parteigänger des Königs da sind, so mögen sie sprechen, und man wird sie nach ihrem Belieben hinauslassen.«
Etwa hundert Soldaten riefen:
»Ja, ja! wir sind Parteigänger des Königs und wollen hinaus.«
»Ah! Ah!« erwiederte Richon, der nun Begriff, daß es sich nicht um eine einzelne Meinung, sondern um einen allgemeinen Aufruhr handelte. »Ah! das ist etwas Anderes. Ich glaubte, es wäre nur ein Meuterer hier, und sehe nun, daß ich es mit fünf hundert Feigen zu thun habe.«
Richon hatte Unrecht, die Gesamtheit anzuklagen: es hatten nur etwa hundert Mann gesprochen, die Uebrigen waren still geblieben; aber der Rest murrte nun in die Anschuldigung der Feigheit mitverfochten ebenfalls.
»Stille,« sagte Richon, »wir wollen nicht Alle zu gleicher Zeit sprechen; ein Officier, wenn ein Officier vorhanden ist, der an seinem Eide zum Verräther werden will, führe das Wort für Alle; er, das schwöre ich, kann ungestraft sprechen.«
Ferguzon trat nun einen Schritt vor, begrüßte seinen Commandanten mit ausgezeichneter Höflichkeit und sprach:
»Commandant, Ihr hört den Wunsch der Garnison. Ihr kämpft gegen Seine Majestät unsern König; die Mehrzahl von uns war aber nicht davon in Kenntniß gesetzt, daß man uns anwarb, um gegen einen solchen Feind Krieg zu führen. Einer von den hier anwesenden Braven, dem man in seiner Gesinnung Gewalt angethan, hatte mitten im Sturme sich in der Richtung seiner Muskete täuschen und Euch eine Kugel vor den Kopf jagen können; aber wir sind wahre Soldaten und keine Feige, wie Ihr mit Unrecht gesagt habt. Hört also die Ansicht meiner Gefährten, so wie die meinige. Gebt uns dem König zurück, oder wir werden uns selbst zurückgeben.«
Diese Rede wurde mit einem allgemeinen Hurrah aufgenommen, welches bewies, daß die von dem Lieutenant ausgedrückte Meinung, wenn auch nicht die der ganzen Garnison, doch wenigstens die der Mehrzahl bildete. Richon begriff, daß er verloren war.
»Ich kann mich nicht allein vertheidigen,« sagte er, »und will mich nicht ergeben. Da mich meine Soldaten verlassen, so mag Einer für sie unterhandeln, wie es ihm beliebt und wie es ihnen beliebt, aber dieser Eine werde ich nicht sein. Wenn nur die paar Braven, welche mir treu geblieben sind, vorausgesetzt, es finden sich solche, mit dem Leben davon kommen, . . . mehr verlange ich nicht. Sprecht, wer wird der Unterhändler sein?«
»Ich, mein Commandant, wenn Ihr wollt und wenn mich meine Gefährten mit ihrem Vertrauen beeren.«
»Ja, ja, der Lieutenant Ferguzon! der Lieutenant Ferguzon!« riefen fünfhundert Stimmen, unter denen man die Barrabas und Carrotel unterscheiden konnte..
»Ihr also, mein »Herr,« sprach Richon. »Ihr möget frei in Vayres aus und eingehen.«
»Und Ihr habt mir keine besondere Instructionen zu geben, mein Commandant?« fragte Ferguzon.
»Die Freiheit für meine Leute.«
»Und für Euch?«
»Nichts.«
Eine solche Verleugnung hätte verirrte Menschen zurückgebracht; aber sie waren nicht nur verirrt, sie waren verkauft.
»Ja! Ja! die Freiheit für uns!« riefen sie.
»Seid unbesorgt, Commandant,« sprach Ferguzon, »ich werde Euch in der Capitulation nicht vergessen.«
Richon lächelte traurig, guckte die Achseln, ging in seine Wohnung zurück und schloß sich in seinem Zimmer ein.
Ferguzon begab sich sogleich zu den Royalisten. Herr de La Meilleraye wollte indessen nichts ohne das Gutheißen der Königin thun, die Königin aber hatte, um, wie sie sagte, nicht mehr der Schmach des Heeres beizuwohnen, das kleine Haus von Nanon verlassen und ihr Quartier in dem Stadthanse von Libourne genommen.
Der Marschall gab deshalb Ferguzon zwei Soldaten zur Bewachung, stieg zu Pferde und eilte nach Libourne. Er fand Herrn von Mazarin, dem er eine große Neuigkeit mitzutheilen glaubte; aber bei den ersten Worten des Marschalls trat ihm der Minister mit seinem gewöhnlichen Lächeln entgegen und sagte:
»Wir wissen Alles, Herr Marschall, die Sache ist gestern Abend in Ordnung gekommen. Unterhandelt mit dem Lieutenant Ferguzon, aber macht Euch für Herrn Richon nur mit Eurem Worte verbindlich.«
»Wie, nur mit meinem Worte?« entgegnete der Marschall; »ist mein Wort verpfändet, so gilt es hoffentlich so viel als eine Handschrift.«
»Thut es immerhin, Herr Marschall: ich habe von Seiner Heiligkeit besondere Indulgenzen, welche mir gestatten, die Leute ihres Eides zu entbinden.«
» Es ist möglich,« sprach der Marschall; » aber diese Indulgenzen gehen die Marschälle von Frankreich nichts an.«
Mazarin lächelte und bedeutete dem Marschall durch ein Zeichen, er könnte nach dem Lager zurückkehren.
Der Marschall kam brummend zurück, gab Ferguzon einen geschriebenen Schirmbrief für sich und seine Leute, und verpfändete sein Wort in Beziehung auf Richon. Zwei Stunden nachher, als Richon bereits von seinen Fenstern aus die Verstärkung erblickte, die ihm von Ranailly zugeführt wurde, trat man in sein Zimmer und verhaftete ihn im Namen der Königin.
Im ersten Augenblick prägte sich eine große Zufriedenheit auf dem Antlitz des braven Commandanten aus; blieb er frei, so konnte Frau von Condé den Verdacht des Verrathes gegen ihn hegen; war er gefangen, so bürgte gerade seine Gefangenschaft für ihn.
In dieser Hoffnung blieb er zurück, statt sich mit den Andern zu entfernen.
Man begnügte sich aber nicht damit, daß man ihm den Degen nahm, wie er Anfangs erwartet hatte, sondern sobald er entwaffnet war, warfen sich vier Mann, die ihn am Thore erwarteten, auf ihn und banden ihm die Hände auf den Rücken.
Richon setzte dieser unwürdigen Behandlung nur die Ruhe und Resignation eines Märtyrers entgegen. Er war eine von den kraftvollen Seelen, den Vorfahren der Volkshelden des 18ten und 19ten Jahrhunderts.
Richon wurde nach Libourne gebracht und vor die Königin geführt, welche ihn hochmüthig vom Scheitel bis zur Zehe maß, vor den König, der ihn mit einem wüthenden Blick niederschmetterte, vor Herrn von Mazarin, welcher zu ihm sagte:
Ihr habt ein hohes Spiel gespielt, Herr Richon.«
»Und ich habe verloren, nicht wahr, Monseigneur? Nun fragt es sich nur noch, um was wir spielen.«
»Ich fürchte, Ihr habt um Euren Kopf gespielt,« erwiederte Mazarin.
»Man melde Herrn von Epernon, daß ihn der König sehen will,« sagte Anna von Oesterreich. »Dieser Mensch aber hat hier sein Urtheil zu erwarten.«
Und mit stolzer Verachtung sich zurückziehend, verließ sie das Zimmer, dem König die Hand reichend und gefolgt von Mazarin und den Höflingen.
Herr von Epernon war wirklich vor einer-Stunde eingetroffen, aber der verliebte Greis konnte sich nicht enthalten, vor allen Andern Nanon zu besuchen. Im Herzen der Guienne war ihm zu Ohren gekommen, wie schön Canolles die Insel Saint-George vertheidigt hatte, und als ein Mann voll Vertrauen zu seiner Geliebten machte er Nanon Complimente über das Benehmen ihres theuren Bruders, dessen Physiognomie übrigens, wie er sehr naiv Bemerkte, weder so viel Adel, noch so viel Muth ankündige.
Nanon hatte etwas Anderes zu thun, als innerlich über die Fortsetzung dieses Quiproquo zu lachen. Es handelte sich in diesem Augenblick nicht nur um ihr eigenes Glück, sondern auch um die Freiheit ihres Geliebten. Nanon war so rasend in Canolles verliebt, daß sie an den Gedanken einer Untreue von seiner Seite nicht glauben wollte, obgleich sich derselbe sehr oft in ihrem Innern regte. In seiner Sorge, sie zu entfernen, hatte sie nur eine zärtliche Theilnahme erblickt; sie hielt ihn für gefangen durch Gewalt, sie beweinte ihn und sie sehnte sich nach dem Augenblick, wo sie ihn mit Hilfe von Herrn von Epernon befreien könnte.
Sie hatte auch durch zehn Briefe, die sie an den Herzog schrieb, mit aller Gewalt seine Rückkehr beschleunigt.
Endlich kam er an und Nanon trug ihm ihre Bitte in Betreff ihres angeblichen Bruders vor, welchen sie sobald als möglich den Händen seiner Feinde, oder vielmehr denen den Frau von Cambes entziehen wollte, denn sie glaubte, Canolles laufe keine andere Gefahr, als die, sich immer mehr in die Vicomtesse zu verlieben.
Aber diese Gefahr war für Nanon eine Todesgefahr. Sie bat daher Herrn den Epernon mit aufgehobenen Händen um Befreiung ihres Bruders.
»Das kommt vortrefflich,« erwiederte der Herzog, »ich habe so eben erfahren, daß der Gouverneur den Vayres sich hat gefangen nehmen lassen. Nun, man wechselt ihn gegen den braven Canolles aus.
»Oh! das ist eine Gnade des Himmels, mein theuerer Herzog,« rief Nanon.
»Ihr liebt diesen Bruder also ungemein, Nanon?«
»Oh! mehr als mein Leben.«
»Wie seltsam, daß Ihr nie von ihm sprachet, vor jenem Abend, wo ich so albern war . . .«
»Also Herr Herzog?« unterbrach ihn Nanon.
»Ich schicke den Gouverneur von Vayres an Frau von Condé zurück, die uns dafür Canolles gibt; das kommt im Krieg jeden Tag vor und ist eine ganz einfache Auswechselung.«
»Ja, aber wird Frau von Condé Herrn den Canolles nicht höher schätzen, als einen einfachen Officier?«
»Wohl, dann schickt man ihr statt eines Officiers zwei, drei; kurz man ordnet die Sache so, daß Ihr zufrieden sein werdet, meine Schönste, und wenn unser braver Commandant der Insel Saint-George nach Libourne kommt, bereiten wir ihm einen Triumph.«