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Kitabı oku: «Der Wolfsführer», sayfa 2

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VIII

Wir kamen bei dunkler Nacht in Mocquets Wohnung an.

Unser Nachtessen bestand in einer Omelette mit Speck und einer Kaninchenfricassee.

Dann bereitete mir Mocquet mein Bett.

Er hatte meiner Mutter Wort gehalten: ich erhielt eine gute Matratze, zwei weiße Betttücher und zwei gute, sehr warme Decken.

»Vorwärts!« sagte Mocquet zu mir, »schlüpfen Sie jetzt da hinein und schlafen Sie; wir werden morgen früh wahrscheinlich schon um vier Uhr ausrücken müssen.«

»So bald Du willst, Mocquet.«

»Ja, ja, am Abend sind Sie früh auf, aber morgen früh werde ich wohl einen Topf kalten Wassers in Ihr Bett schütten müssen, um Sie auf die Beine zu bringen.«

»Ich erlaube Dir das, Mocquet, wenn Du mich zweimal rufen mußt.«

»Nun, es wird sich schon zeigen.«

»Aber bist Du denn heute so außerordentlich schlaflustig, Mocquet?«

»Was soll ich anders thun als schlafen.«

»Ei nun, Morquet, ich denke, Du könntest mir eine von jenen Geschichten erzählen, die mir als kleinem Jungen so viel Freude machten.«

»Und wer soll dann morgen früh um zwei Uhr aufstehen, wenn ich Ihnen bis nach Mitternacht Geschichtchen vorschwatze?«

»Du hast Recht, Moquet.«

»Das meine ich auch.«

Ich zog mich aus und legte mich schlafen.

Mocquet warf sah ganz angekleidet auf sein Bett.

Nach fünf Minuten schnarchte er wie eine Baßgeige.

Ich drehte und wandte mich über zwei Stunden in meinem Bett um und um, ohne einschlafen zu können.

Wie manche schlaflose Nacht hatte ich am Vorabend von Jagderöffnungen zugebracht!

Endlich gegen Mitternacht siegte die Müdigkeit.

Morgens um vier Uhr fuhr ich in Folge, einer Empfindung von Kälte aus dem Schlafe auf.

Ich öffnete die Augen.

Mocquet hatte die Decke auf den Fuß meines Bettes zurückgeworfen und stand da, beide Hände auf seine Flinte gestemmt und das Pfeifchen im Munde.

Sein Gesicht strahlte beim Feuer seiner Pfeife, das bei jedem Athemzug einen Schein darauf warf.

»Nun, Mocquet?« sagte ich.

»Nun, er ist aufgejagt.«

»Der Wolf? Und wer hat ihn aufgejagt?«

»Dieser arme Mocquet hier.

»Ah, bravo!«

»Rathen Sie jetzt auch einmal, wo er sich einquartirt hat. Wahrhaftig, dieser Wolf ist ein guter Junge.«

»Nun wo denn, Mocquet?

»O ich wette hundert gegen eins, daß Sie’s nicht herausbekommen. Er ist im Dreieichenschlupf.

Dann ist er also verkauft und verloren?«

»Das will ich meinen.«

Der Dreieichenschlupf ist eine etwa zwei Morgen lange Gruppe von Bäumen und Gebüschen, mitten in der Ebene von Largny, ungefähr fünfhundert Schritte vom eigentlichen Wald.

»Und die Waldschützen?« fuhr ich fort.

»Sind in Kenntniß gesetzt,« antwortete Mocquet; »die besten Schützen im ganzen Bezirk, Moynat, Mildet, Vatrin, Lasseuille, kurz die gewandtesten Burschen, stehen am Saum des Waldes. Wir unsererseits, Herr Charpentier aus Wallu, Herr Hochedez aus Largny, Herr Destournelles aus Fossés und wir Beide umzingeln den Schlupf; man wird die Hunde loslassen, der Feldschütz muß sie anfeuern, und dann lustig darauf los!«

»Mocquet, Du wirst mich auf einen guten Platz stellen.

»Wenn ich Ihnen sage, daß Sie ganz in meiner Nähe stehen werden. Nur sollten Sie endlich einmal aufstehen.«

»Du hast Recht, Mocquet, Brrrr!«

»Nun, ich will mit Ihrer Jugend Mitleid haben und ein Reisbüschel ins Kamin legen.«

»Mocquet, ich wagte es nicht, Dich darum zu bitten, aber wenn Du es thust, auf Ehre, so ist das sehr schön von Dir.«

Mocquet holte im Hof einen Arm voll Holz. Er warf es ins Kamin und schob es mit dem Fuß zurecht; dann steckte er ein brennendes Zündhölzchen mitten ins Rebholz.

Augenblicklich knisterte das Feuer und schlug lustig und hell im Kamin empor.

Ich setzte mich auf den Schemel vor dem Herd und kleidete mich an.

Die Toilette war bald fix und fertig, das dürft ihr glauben.

Mocquet selbst war höchlich erstaunt darüber.

»Jetzt,« sagte er, »geschwind noch einen Tropfen parfait amour, und dann Marsch!«

Und Mocquet füllte zwei Gläschen mit einer gelblichen Flüssigkeit, die ich nicht zu kosten brauchte, um sie zu erkennen.

»Du weißt, daß ich niemals Schnaps trinke, Mocquet!«

»Nun weiß Gott, Sie sind mir ein schöner Sohn Ihres Vaters. Aber was wollen Sie denn sonst genießen?«

»Nichts, Mocquet gar Nichts.

»Sie kennen das Sprichwort: Wenn das Haus leer ist, so kehrt der Teufel ein! Nein, Sie müssen Ihrem Magen irgend Etwas zum Besten geben, so lang ich Ihre Flinte lade, denn ich muß doch dieser armen Mutter mein Wort halten.

»Nun gut, Mocquet, ein Stückchen Brod und ein Glas Pignolet.«

Der Pignolet ist ein geringer Wein, den man in den Nichtweinländern erzielt.

Man nennt ihn sprichwörtlich Dreimännerwein, weil drei Männer nöthig sind, um ihn zu trinken: derjenige, der trinkt, und zwei Andere, die den Trinkenden halten.

Ich war an den Pignolet so ziemlich gewöhnt und trank ihn ganz allein.

Ich schluckte also mein Glas Pignolet hinab, so lange Mocquet meine Flinte lud.

Ich bemerkte, daß er mit seiner Messerspitze ein Zeichen in meine Kugel machte.

»Was machst Du da, Mocquet?« fragte ich.

»Ein Kreuz in Ihre Kugel,« antwortete er. »Da Sie nahe bei mir stehen werden, so können wir zusammen schießen, und es ist nicht wegen der Prämie, ich weiß wohl, daß Sie mir diese überlassen werden, sondern wegen des Ruhmes; wenn der Wolf fällt, so ist es immer gut zu wissen, wer ihn getödtet hat. Also zielen Sie richtig«

»Ich werde mein Besten thun, Mocquet.«

»Da haben Sie Ihre Flinte jetzt geladen. Also vorwärts und den Lauf in die Höhe!«

Ich befolgte die kluge Mahnung des alten Waldschützen, und wir machten uns auf den Weg.

IX

Der Sammelplatz war auf der Straße von Chavigny.

Da trafen wir unsere Waldhüter und einen Theil unserer Schützen.

Nach zehn Minuten hatten diejenigen, die noch fehlten, uns eingeholt.

Einige Minuten vor fünf Uhr waren wir vollzählig.

Es wurde beschlossen, daß man den Dreieichenschlupf in großer Distanz umgeben, dann aber allmälig näher rücken und den Feind einschließen wolle.

Die Bewegung sollte so still als möglich der sich gehen, sintemal die Herren Wölfe die Gewohnheit haben, schon beim geringsten Lärm auszureißen.

Jeder« sollte seinen Weg genau untersuchen, damit man sich versicherte, ob der Wolf noch immer im Schlupf stecke.

Der Kreis verengerte sich, ohne heiß Jemand Spuren einer Flucht anzeigte.

Der Feldschütz hielt die Hunde Mocquets an der Koppel.

Jeder stellte sich an demjenigen Theil des Schlupfes auf, wohin sein Weg ihn gerade führte.

Der Zufall wollte, daß Mocquet und ich auf die nördliche Seite des Gehäges, d.h. auf diejenige, die mit dem Wald parallel lief, zu stehen kamen. Wie Mocquet vorausgesagt, hatten wir den besten Platz.

Es war wahrscheinlich, daß der Wolf in den Wald zu entkommen suchen und folglich auf unserer Seite herausbrechen würde.

Wir lehnten uns jeder an eine Eiche und waren fünfzig Schritte Von einander entfernt.

Dann warteten wir athemlos und ohne uns zu rühren.

Die Hunde wurden auf der entgegengesetzten Seite von uns losgekoppelt.«

Sie bellten zweimal auf und dann schwiegen sie wieder.

Der Feldschütz ging hinter ihnen her in den Schlupf, Indem er mit seinem Stock an die Bäume klopfte und ho ha ho rief.

Aber die Hunde waren wie angenagelt: die Augen hingen ihnen aus dem Kopf, ihre Lefzen waren aufgeworfen, ihre Haare sträubten sich.

Es war unmöglich, sie einen Schritt vorwärts zu bringen.

»He, Mocquet,« rief der Feldschütz, »das muß ein ganz gewaltiger Kerl von einem Wolf sein, denn Rocador und Tambelle wollen nicht anbeißen.«

« Mocquet hütete sich wohl zu antworten: der Ton seiner Stimme hätte dem Thier die Richtung verrathen, wo es Feinde zu finden hatte.

Der Feldschütz drang beständig vorwärts, indem er an die Bäume klopfte.

Die beiden Hunde folgten ihm, aber behutsam, von hinten, Schritt für Schritt, ohne Gebell und blos knurrend.

»Heiliges Gewitter!« rief der Feldschütz auf einmal, »ich bin ihm beinahe ans den Schwanz getreten. Der Wolf! der Wolf! der Wolf! Paß auf, Mocquet, paß auf!«

Und wirklich kam Etwas wie eine Kugel gegen uns.

Das Thier brach blitzschnell, gerade zwischen mir und Mocquet aus dem Schlupf hervor.

Es war ein ungeheurer Wolf, beinahe weiß vor Alter.

Mocquet feuerte seine beiden Schüsse auf ihn ab.

Er sah seine beiden Kugeln im Schnee aufprallen.

»Ei so schießen Sie doch,« rief er mir zu, »schießen Sie doch!«

Erst jetzt legte ich an, folgte dem Thier einen Augenblick und gab Feuer.

Der Wolf machte eine Bewegung, wie wenn er sich in die Schulter bisse.

»Getroffen! getroffen!« rief Mocquet; »der Junge hat getroffen! Mit den Unschuldigen ist der Herr!«

Inzwischen rannte der Wolf immer weiter und lief gerade auf Moynat und Mildet, die besten Schützen im ganzen Revier, zu.

Beide schoßen: das erste Mal in die Ebene, das zweite Mal in den Wald hinein.

Man sah die zwei ersten Kugeln sich kreuzen und Furchen im Schnee aufwerfen.

Diese zwei ersten Kugeln hatten den Wolf nicht berührt, aber ohne Zweifel war er unter den beiden andern gefallen.

Es war etwas unerhörtes, daß diese beiden Waldschützen einmal fehlschossen.

Ich hatte Moynat siebzehn Heerschnepfen hinter einander schießen gesehen.

Ich hatte Mildet ein Eichhörnchen, das von einem Baum auf den andern sprang, mitten entzweischießen gesehen.

Die Waldschützen waren dem Wolf in den Wald nachgelaufen.

Keuchend betrachteten wir die Stelle, wo sie verschwunden waren.

Wir sahen sie mit gesenkten Ohren und die Köpfe schüttelnd wieder zum Vorschein kommen.

»Nun, wie steht’s?« rief Mocquet ihnen entgegen.

»Ach was!« machte Mildet mit einer Armbewegung, »er ist jetzt in Taille-Fontaine.«

»In Taille-Fontaine!« rief Mocquet ganz verdutzt. »Die Tölpel haben ihn also alle zusammen gefehlt!«

»Warum denn nicht? Du hast ihn ja auch gefehlt.«

Mocquet schüttelte den Kopf.

»Ja, ja, sehe schon, es steckt irgend eine Teufelei dahinter,« sagte er. »Daß ich ihn gefehlt habe, ist zum Verwundern; doch ist es immerhin möglich. Aber daß Meynat ihn mit seinen beiden Schüssen gefehlt hat, daß Mildet ihn mit seinen beiden Schüssen gefehlt hat, nein, das geht nicht mit rechten Dingen zu.«

»Es ist aber doch so, mein guter Mocquet.

»Uebrigens haben Sie ihn getroffen, Sie,« sagte er zu nur.

»Ich . . . bist Du dessen gewiß?«

»Es ist eine Schande für uns Andere; aber so wahr ich mit meinem Familiennamen Mocquet heiße, so gewiß haben Sie ihn getroffen.«

»Nun gut, wenn ich ihn getroffen habe, so wird man das leicht sehen können, Mocquet. Er wird bluten. Laß uns schnell nachlaufen, Mocquet.«

Und ich wollte schon forteilen.

»Nein, bei Gott, nicht laufen,« rief Mocquet, indem er seine Zähne zusammenbiß und mit dem Fuß stampfte; »wir müssen im Gegentheil ganz langsam gehen, damit wir sehen, an was wir uns zu halten haben.«

Also langsam, aber jedenfalls laß uns geben.«

Und er begann der Spur des Wolfes Schritt für Schritt zu folgen.

»Bei Gott,« sagte ich »wir brauchen nicht zu fürchten, daß wir seine Fährte verlieren könnten; sie ist deutlich genug.«

»Ja, aber das ist es nicht, was ich suche.«

»Was suchst Du denn?«

»Sie werdens sogleich erfahren.«

Die Jäger, die mit uns den Schlupf umstellt, hatten sich zu uns gesellt und gingen hinter uns her, während der Feldschütz ihnen erzählte, was sich zugetragen hatte.

Mocquet und ich folgten den Spuren des Wolfes, die tief in den Schnee eingedrückt waren.

Als wir an den Platz kamen, wo ich das Thier getroffen haben sollte, sagte ich: »Siehst Du seht, Mocquet, daß ich doch gefehlt habe?

»Und warum sollten Sie gefehlt haben?«

»Ei man sieht ja kein Blut.«

»Dann suchen Sie einmal die Spur Ihrer Kugel im Schnee.«

Ich orientirte mich und ging in der Richtung weiter, die meine Kugel hatte nehmen müssen, im Fall sie wirklich den Wolf nicht berührt hatte.

Ich machte vergebens ein paar hundert Schritte.

Endlich kehrte ich zu Mocquet zurück.

Er winkte den Schützen sich um ihn zu sammeln.

»Nun,« sagte er zu mir, »und die Kugel?

»Ich habe sie nicht gefunden.«

»Da bin ich glücklicher gewesen als Sie; ich habe: sie gefunden.«

»Wie so? Du hast sie gefunden?«

»Drehen Sie sich einmal um und gehen Sie hinter mir drein.«

Ich führte das befohlene Manöver aus.

Die Jäger aus dem Schlupf hatten sich genähert.

Aber Mocquet hatte ihnen eine Linie bezeichnet, die sie nicht überschreiten sollten.

Die Schützen aus dem Walde kamen ebenfalls heran.

»Nun?« fragte Mocquet.

»Gefehlt! sagten Mildet und Meynat zugleich.

»Ich habe wohl gesehen, daß ihr in der Ebene gefehlt habt; aber im Wald . . .«

»Auch gefehlt!

Wißt ihr’s gewiß?«

»Man hat beide Kugeln in Baumstämmen gefunden.«

»Das ist kaum zu glauben,« meinte Watrin.

»Nein, man kann’s nicht glauben,« versetzte Mocquet, »und doch will Ich euch jetzt etwas noch Unglaublicheres zeigen.«

»Zeig’s!«

»Seht einmal den Schnee an. Was sehet ihr?«

»Die Fährte eines Wolfes, bei Gott!«

»Und bei seiner rechten Tatze, – da – was ist da?«

»Ein kleines Loch.«

»Nun! und ihr begreift nicht?«

Die Schützen sahen einander Verwundert an.

»Begreift ihr jetzt?« fuhr Mocquet fort.

»Unmöglich!« sagten die Schützen.

»Und es ist doch so, und ich will euch den Beweis liefern.«

Mocquet fuhren mit seiner Hand in den Schnee suchte einen Augenblick und zog mit einem Triumphgeschrei eine Platte Kugel hervor.

»Ei sieh da,« sagte ich, »das ist meine Kugel.«

»Sie erkennen sie also?«

»Ich glaub’s wohl, Du hast sie ja gezeichnet.«

»Und welches Zeichen habe ich hineingeschnitten?«

»Ein Kreuz.«

»Da seht ihr, meine Herren,« sagte Mocquet.

»Nun, so erklär’ es uns.«

»Seht ihr, er hat die gewöhnlichen Kugeln von sich abgelenkt, aber über die Kugel des Jungen, die ein Kreuz hatte, hat er keine Gewalt gehabt. Er hat sie in die Schulter bekommen, ich habe gesehen, wie er die Bewegung machte, als ob er sich beißen wollte.«

»Aber wenn er die Kugel in die Schulter bekommen hat,« fragte ich verwundert über das verblüffte Schweigen der Andern, »Wie kommt’s, daß sie ihn reicht getödtet hat?«

»Weil sie weder von Gold noch von Silber war, mein liebes Kind, und weil bloß goldene oder silberne Kugeln die Haut des Teufels ritzen und diejenigen tödten können, die einen Vertrag mit ihm geschlossen haben.«

»Aber Mocquet,« sagten die Schützen mit einem Schauder, »glaubst Du also . . .«

»Ja, ich wollte darauf schwören, daß wir’s mit dem Wolf des Holzschuhmachers Thibault zu thun gehabt haben.«

Die Waldschützen und die Jäger sahen einander an.

Zwei oder drei bekreuzten sich.

Alle schienen Mocquets Ansicht zu theilen und den Wolf des Holzschuhmachers Thibault wohl zu kennen.

Ich allein wußte Nichts von ihm.

»Ei,« drängte ich, »so sag mir doch endlich ein mal, was es mit diesem Wolf des Holzschuhmachers Thibault für eine Bewandtniß hat.«

Mocquet wollte nicht sogleich antworten.

»Ach ja, wahrhaftig,« rief er endlich, »der General hat mir gesagt, ich könne Ihnen die Geschichte erzählen, wenn Sie einmal fünfzehn Jahre alt seien. Sie sind jetzt so alt, nicht wahr?«

»Ich bin sechzehn Jahre alt,« antwortete ich mit Stolz.

»Nun wohl, der Wolf des Holzschuhmachers Thibault, mein lieber Herr Alexander, das ist der Teufel. Sie haben gestern Abend eine Geschichte von mir verlangt, nicht wahr?«

»Ja.«

»Kommen Sie jetzt mit mir in mein Haus zurück, so will ich Ihnen eine Geschichte erzählen, und zwar eine schöne.«

Waldschützen und Jäger trennten sich mit stillem Händedruck; jeder zog seines Wegs, und ich ging mit Mocquet heim, der mir die nachfolgende Geschichte erzählte.

Vielleicht werdet ihr mich fragen, warum ich euch diese Geschichte, da ich sie doch schon so lange wisse, noch nicht erzählt habe. Ich antworte, daß sie sich in einer Lade meines Gedächtnisses befand, die beständig verschlossen geblieben ist und sich erst vor drei Tagen wieder geöffnet hat. Ich könnte euch auch sagen, bei welcher Gelegenheit; aber wahrscheinlich würde euch diese Erzählung, die uns nur hindern würde, auf die eigentliche Geschichte einzugehen, nicht sonderlich interessieren. Ich will daher lieber meine Erzählung sogleich beginnen.

Ich sage meine Erzählung, während ich vielleicht sagen sollte: die Erzählung Mocquets. Aber wahrlich, wenn man achtunddreißig Jahre lang über einem Ei gebrütet hat, kann man am Ende wohl glauben, man habe es gelegt.

Samstag den 31. Mai 1856.

I
Der Wolfsjägermeister Sr. Hoheit

Er war ein gewaltiger Jäger, der edle Herr Jean, Baron von Vez.

Wenn ihr in dem schönen Thal hingehet, das von Berval nach Longpré führt; so erblicket ihr links einen alten Thurm, der euch um so höher und furchtbarer erscheinen wird, als er ganz vereinzelt steht.

Gegenwärtig gehört er einem alten Freunde des Erzählers dieser Geschichte, und Jedermann ist dermaßen an seinen furchtbaren Anblick gewöhnt, daß der nächste beste Bauer im Sommer eben so furchtlos den Schatten seiner hohen Mauern sucht, wie die Dohlen mit ihren großen schwarzen Flügeln und ihrem gellen Geschrei, und die sanft zwitschernden Schwalben die alljährlich ihre Nester hier aufhängen.

Aber zur Zeit, von welcher wir sprechen, d.h. gegen das Jahr 1780, bot das Herrenhaus von Vez nicht dasselbe Bild dar und gewährte, man muß es sagen, nicht dieselbe Sicherheit. Es war ein düsteres, strenges Gebäude aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, und äußerlich wenigstens hatte die Reihenfolge der Jahre Nichts von seiner schreckenerregenden Physiognomie weggenommen. Allerdings ging keine Schildwache mehr in gemessenem Schritt und blankem Helm auf den Wällen hin und her; kein Bogenschütze mit gellem Horn wachte mehr auf seinem Thurme; am Schlupfthor standen keine zwei Bewaffnete mehr, um beim mindesten Lärmzeichen das Schutzgatter fallen zu lassen und die Brücken aufzuziehen. Aber schon die Einsamkeit des Gebäudes, wo sich alles Leben in den Mittelpunkt zurückgezogen zu haben schien, verlieh dem düstern Granitriefen, besonders bei Nacht, die furchtbare Majestät stummer Unbeweglichkeit.

Gleichwohl war der Herr dieser alten Burg kein böser Geselle, und, wie seine genaueren Bekannten sagten, die ihm mehr Gerechtigkeit widerfahren ließen als Andere, es war bei ihm mehr Geschrei als Wolle, und er jagte den Christenmenschen mehr Angst ein, als er ihnen Leid anthat.

Wir sagen wohlverstanden den Christenmenschen, denn den Thieren des Waldes war er ein erklärter und unversöhnlicher Todfeind.

Er war Wolfsjägermeister des Herrn Ludwig Philipp von Orleans, des vierten seines Namens, und dieses Amt gestattete ihm, seiner zügellosen Leidenschaft für die Jagd nach Herzenslust zu fröhnen.

In allen Dingen, obschon es nicht so leicht ging, war es noch möglich den Baroit Jean Vernunft beizubringen; aber hatte sich der würdige Herr einmal in Jagdangelegenheiten eine Idee in den Kopf gesetzt, dann mußte er auch um jeden Preis seinen Willen durchsetzen.

Er hatte, sagte man, eine natürliche Tochter des Prinzen geheirathet, was ihm, außer seinem Titel als Wolfsjägermeister, eine beinahe unbeschränkte Gewalt über die Waldbesitzungen seines erlauchten Schwiegervaters verschaffte, eine Gewalt, die ihm auch Niemand zu bestreiten sich einfallen ließ, besonders seit der Herzog von Orleans, nach seiner abermaligen Vermählung mit Frau von Montesson im Jahre 1773, sein Schloß zu Villers-Coterets beinahe gänzlich verlassen hatte und in seinem reizenden Hause in Bagnolet blieb, wo er die Schöngeister der Zeit empfing und Comödie spielte.

Es war daher eine große Seltenheit, wenn nicht jeden Tag, den Gott gab, ob nun die Sonne die Erde erfreute, ob der Regen ihr ein trübes Aussehen gab, ob der Winter die Felder mit seinem weißen Leichentuch bedeckte, ob der Frühling seinen grünen Teppich über die Wiesen breitete, es war, sage ich, eine große Seltenheit, wenn nicht jeden Morgen zwischen acht und neun Uhr das Hauptthor des Schlosses seine beiden Flügel öffnete, worauf dann der Zug in nachstehender Ordnung sieh hinaus ergoß. Zuerst kam der Baron Jean, dann sein Oberrüdenknecht Markotte, dann die andern Rüdenknechte, dann die angekoppelten Hunde, am Riemen gehalten von den Hundejungen und unter die Oberaufsicht des Meisters Engoulevent gestellt, eines zukünftigen Rüdenknechts, der, wie einst der Scharfrichter in Deutschland, als der letzte unter den Edelleuten und der erste unter den Bürgern allein hinter dem Adel und vor der Bürgerschaft einherschritt, seinerseits unmittelbar nach den Rüdenknechten und vor den Hundejungen kam, denn er war der erste unter den Hundejungen und der letzte unter den Rüdenknechten.

Es war ein stattlicher Aufzug: englische Pferde, französische Hunde; zwölf Pferde, vierzig Hunde.

Zuvörderst müssen wir berichten, daß der Baron Jean mit diesen zwölf Pferden und diesen vierzig Hunden auf alle Thierarten Jagd machte.

Aber ohne Zweifel that er es seinem Titel zu Lieb, daß er vorzugsweise gern dem Wolf zu Leibe ging. Aechte Jäger mögen die Feinnäsigkeit und Tüchtigkeit seiner Hunde daraus erkennen, daß er, nach dem Wolf, dem wilden Schwein den Vorzug ertheilt; nach dem wilden Schwein kam der Hirsch, dann der Damhirsch, dann das Reh. Endlich, wenn die Hundejungen das Nest leer fanden, koppelte er auch aufs Gerathewohl los und band mit dem nächsten besten Hasen an; denn, wie schon gesagt, er jagte alle Tage, der würdige Herr, und er wäre lieber einen ganzen Tag ungegessen und ungetrunken geblieben, obschon er häufig Durst litt, als daß er vierundzwanzig Stunden zugebracht hätte, ohne seine Hunde laufen zu sehen.

Aber man weiß es ja, die Pferde mögen noch so schnell, die Hunde mögen noch so fein sein, die Jagd hat nun einmal ihre guten und ihre bösen Viertelstündchen.

Eines Tags erschien Markotte ganz verdutzt auf dem Platze, wo der Baron Jean ihn erwartete.

»Nun, Markotte,« fragte der Baron Jean mit gerunzelten Brauen, »was gibts denn wieder, ich sehe Dir’s an, daß die Jagd heute schlecht ablaufen wird.

Markotte schüttelte den Kopf.

»Ei so sprich doch!,« drängte der Baron mit ungeduldiger Geberde.

»Nun ja, gnädiger Herr, ich habe von dem schwarzen Wolf Wind bekommen.«

»Ah schön, schön!« rief der Baron Jean mit funkelnden Augen.

Und in der That war es schon das fünfte oder sechste Mal, daß der würdige Herr besagtes, an seinem ungewohnten Pelz so leicht erkenntliches Thier aufgetrieben hatte, ohne daß es ihm gelingen wollte, in Schußweite zu kommen oder es mit den Hunden zu fangen.

»Ja,« fuhr Markotte fort, »aber die Teufelsbestie hat ihre Nacht so gut angewandt, sie hat ihre Fährten dermaßen gekreuzt und vermischt, daß ich, nachdem ich den halben Wald durchstreift hatte, wieder auf meinen Ausgangspunkt zurückkam.«

»Du glaubst also, Markotte es sei keine Hoffnung vorhanden, dem Thier an den Pelz zu kommen?«

»Ich glaube nicht.«

»Alle Teufel!« rief Herr Jean, der größte Flucher, der seit dem seligen Nimrod auf dem Erdboden erschienen, »und doch ist es mir heute gar nicht recht just zu Muthe, es muß also unter allen Umständen irgend ein Thier aufgetrieben werden, um meine Lebensgeister zu erfrischen. Sag, Markotte, was können wir statt dieses verdammten schwarzen Wolfes jagen?«

»Leider,« antwortete Martern, »habe ich mich so gänzlich mit ihm beschäftigt, daß ich kein anderes Thier aufgetrieben habe.

Wenn der gnädige Herr vielleicht aufs Gerathewohl loskoppeln und das erste beste Thier, das aufstößt, jagen wollte?«

Der Baron Jean wollte eben Markotte antworten, daß ihm dies genehm sei, als er den kleinen Engoulevent mit dem Hut in der Hand herankommen sah.

»Warte,« sagte er, »da kommt Meister Engoulevent, der uns, wie es scheint, einen Rath zu ertheilen hat.«

»Ja; habe einem edlen Herrn, wie Ihr seid, einen Rath zu ertheilen,« antwortete Engoulevent; indem er seinem schlauen, verschmitzten Gesichte einen demüthigen Ausdruck gab, »aber es ist meine Pflicht, zu melden, daß ich ganz in der Nähe einem schönen Damhirsch auf die Spur gekommen bin.«

»Den wollen wir näher sehen, Engoulevent,« antwortete der Wolfsjägermeister, »und wenn Du Dich nicht getäuscht hast, so bekommst Du einen neuen Thaler.«

»Wo ist Dein Damhirsch?« fragte Markotte. »Aber nimm Deine Haut in Acht, wenn wir Deinetwegen vergebens lostoppeln müssen.«

»Gebt mir den Matador und den Jupiter, dann wollen wir bald sehen.«

Matador und Jupiter waren die zwei besten Angriffshunde des edlen Herrn von Vez.

Engoulevent war auch noch keine hundert Schritte mit ihnen im Gebüsch vorgedrungen, als er bereits aus ihrem Gewedel und Gebell ersehen konnte, daß sie die Fährte aufnahmen.

Und in der That stieß der Damhirschs ein prächtiger Zehnender, beinahe augenblicklich den Hunden auf. Die ganze Meute wurde losgekoppelt und schloß sich den beiden Veteranen an. Markotte rief: Aufgeschaut! gab mit dem Horn das Signal, daß ein Thier aufgejagt war, und nun begann die Jagd, zur großen Befriedigung des edlen Herrn von Vez, der obschon er seinen schwarzen Wolf nicht verschmerzen konnte, dennoch auch mit einem Damhirsch von zehn Enden vorlieb nahm.

Die Jagd währte schon zwei Stunden und der Damhirsch hielt noch immer Stand. Er hatte die Jagd aus dem Wäldchen von Haramont bis auf den Galgenweg und von da bis an’s äußerste Ende von Oigny verlockt, und er trug noch immer seinen Kopf hoch, denn er war keines von diesen Thieren des Flachlandes, die sich von elenden Dachshunden am Schwanze zupfen lassen.

Aber als es auf den Boden von Bourgfontaine kam, da mochte sich das Thier doch unbehaglich fühlen, denn es verzichtete jetzt auf die großen Kraftanstrengungen, wodurch es bisher seinen Vorsprung gewonnen hatte, und begann zu wechseln.

Zuerst sprang es in den Bach, der aus dem Teich von Baisemont in den Teich von Bourg führt, und watete ihn eine Viertelstunde weit hinauf, obschon ihm das Wasser bis an die Kniee ging; dann machte es einen Sprung nach rechts, sprang von Neuem in den Bach, machte einen Sprung nach links und jagte nun in so gewaltigen Sätzen, als ihm der Rest seiner Kräfte nur immer gestattete, weiter.

Aber die Hunde des edlen Herrn Jean ließen sich durch solche Kleinigkeiten nicht irre machen.

Als verständige Hunde und von guter Rate theilten sie sich von selbst in die Aufgabe. Die einen liefen am Bach hinauf, die andern hinab; die einen schnüffelten rechts, die andern schnüffelten links, bis sie sich endlich aus den Ränken des Thieres zurechtfanden und seine Fährte wieder bekamen; beim ersten Schrei, den einer von ihnen ausstieß, sammelten sie sich dann um diesen, Und nun begannen sie ihre Verfolgung aufs Neue mit einem Feuereifer, als ob der Damhirsch zwanzig Schritte vor ihnen stände.

In beständigem Galopp, unter beständigem Blasen und Gebell, kamen Baron Jean, die Rüdenknechte und die Meute an die Teiche von Saint-Antoine, einige hundert Schritte von dem Waldsaum von Oigny.

Hier, zwischen dem Waldsaum von Oigny und der Hecke von Osoraies, erhob sich die Hütte des Holzschuhmachers Thibault.

Sagen wir mit ein paar Worten, wer der Holzschuhmacher Thibault, d. h. der eigentliche Held unserer Geschichte, war.

Vielleicht wird man mich fragen, wie ich, der ich Könige auf den Schauplatz beschieden, der ich Prinzen, Herzöge und Barone gezwungen habe, untergeordnete Rollen in meinen Romanen zu spielen, wie ich jetzt auf einmal dazu komme, einen simpeln Holzschuhmacher zum Helden dieser Geschichte zu erkiesen.

Ich antworte fürs Erste, daß es in meinem lieben Villers-Coterets mehr Holzschuhmacher als Barone, Herzoge und Prinzen gibt, und daß ich, wenn ich einmal die Absicht hatte, den umliegenden Wald zum Schauplatz der Ereignisse zu machen, die ich erzählen will, schlechterdings einen der wirklichen Bewohner desselben nehmen mußte, da ich keine Fantasiebilder, wie die Incas des Herrn den Marmontel oder die Abencerragen des Herrn von Florian, zum Besten geben möchte.

Ferner nimmt der Autor sein Sujet nicht, sondern das Sujet nimmt ihn, und so ist es mir mit diesem ergangen, mag man es nun gut oder schlecht finden.

Ich will also ein Bild des Holzschuhmachers Thibault zu entwerfen versuchen, und werde auf das Conterfei dieses ganz simpeln Sterblichen so fiel Fleiß verwenden, als ein Maler auf ein Portrait, das ein regierender Fürst seiner Braut schicken will.

Thibault war ein Mann von fünf- bis siebenundzwanzig Jahren, groß, schlank, kräftig, aber mit einer natürlichen Hinneigung zur Wehmuth. Diese Wehmuth entsprang bei ihm aus einer kleinen Dosis Neid, den er, vielleicht ohne Willen und Wissen, gegen seinen vom Glück mehr Begünstigten Nebenmenschen empfand.

Sein Vater hatte einen Fehler begangen, der zu allen Zeiten schwer ist, aber in jener Epoche des Absolutismus, wo Niemand sich über seinen Stand emporzuschwingen vermochte, noch weit schwerer war, als in unserer Zeit, wo ein fähiger Bursche es zu Allem bringen kann.

Er hatte ihm eine Erziehung geben lassen, die weit über seine sociale Stellung hinausging. Thibault war beim Abbé Fortier, dem Lehrer von Villers-Coterets, in die Schule gegangen; er konnte lesen, schreiben und rechnen; er hatte sogar etwas Latein gelernt, worauf er sich nicht wenig einbildete.

Thibault hatte viel Zeit auf das Lesen verwendet. Er hatte besonders diejenigen Bücher gelesen, die am Ende des vorigen Jahrhunderts an der Tagesordnung waren. Ein ungeschickter Chemiker, hatte er das Gute vom Schlechten nicht zu scheiden verstanden, oder vielmehr, er hatte das Schlechte ausgeschieden, hatte dieses hauptsächlich in großen Dosen verschlungen und das Gute auf den Grund des Glases hinabsinken lassen.

Freilich hatte Thibault mit zwanzig Jahren von etwas ganz Anderem geträumt, als daß er Holzschuhmacher werden sollte. Er dachte einen Augenblick an den Kriegerstand.

Aber seine Kameraden, welche die doppelte Livree des Königs und Frankreichs getragen hatten und als Soldaten in den Dienst getreten waren, hatten sämmtlich als Gemeine den Abschied bekommen und sich in fünf- oder sechsjähriger drückendster Knechtschaft nicht einmal die Corporalsborten erwerben können.

Thibault dachte einen Augenblick an den Marinedienst.

Aber eine Laufbahn in der Marine war den Plebejern noch weit strenger verschlossen als in der Landarmee.

Nach fünfzehn bis zwanzig Jahren, voll von Gefahren aller Art, von Stürmen und Kämpfen, konnte er es im besten Fall bis zum Bootsmann bringen.

Nun war Thibaults Ehrgeiz nicht aus das kurze Wamms und die Hose von Segeltuch gerichtet, sondern auf den königsblauen Frack, die rothe Weste und die goldene Epaulette, die einer Katzenpfote gleicht.

Aber es war nicht ein einziges Beispiel vorhanden, daß der Sohn eines Holzschuhmachers Fregattencapitain, oder auch nur Lieutenant, ja selbst Fähnrich geworden wäre.

Türler ve etiketler

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Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
Hacim:
320 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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