Kitabı oku: «Die beiden Dianen», sayfa 3
III.
Im Lager
»Ja, meine Herren,« sprach, in sein Zelt eintretend der Herzog von Guise zu den Edelleuten, die ihn umgaben, »ja, heute am 24. April 1557 Abends, nachdem wir am 15. auf das Gebiet von Neapel zurückgekehrt sind, nachdem wir Campli in vier Tagen genommen, beginnen wir die Belagerung von Civitella; Herren von Civitella, schlagen wir am 1. Mai unser Lager vor Aquila auf. Am 10. Mai sind wir in Arpino, am 21. in Capua, wo wir nicht einschlafen werden, wie Hannibal. Am 1. Juni, meine Herren, will ich Euch Neapel sehen lassen, wenn es Gott gefällt.«
»Und wie steht es mit dem Papst, mein lieber Bruder?« fragte der Herzog von Aumale. »Seine Heiligkeit, die mir so sehr die Unterstützung der päpstlichen Truppen versprochen, läßt uns bis jetzt, wie mir scheint, auf uns selbst beschränkt, und unsere Armee ist kaum stark genug, um sich so auf ein feindliches Gebiet zu wagen.«
»Paul II.,« sagte Franz, »ist zu sehr betheiligt bei dem Erfolge unserer Waffen, um uns ohne Hilfe zu lassen. Wie durchsichtig und erleuchtet ist diese Nacht, meine Herren! Byron, wißt Ihr, ob die Parteigänger, von deren Aufgebot in den Abruzzen Caraffa uns gesprochen, einigen Lärmen zu machen anfangen?«
»Sie rühren sich nicht, gnädigster Herr, ich habe ganz frische und sichere Nachrichten.«
»Unsere Musketenschüsse werden sie erwecken,« sagte der Herzog von Guise. »Herr Marquis d’Elboeuf,« fuhr er fort, »habt Ihr von den Zufuhren an Lebensmitteln und Munition sprechen hören, welche wir in Ascoli erhalten sollten, und die uns nun, denke ich, hier zukommen werden?«
»Ja, ich habe davon sprechen hören, doch in Rom, gnädigster Herr, und leider schon vor langer Zeit! . . .«
»Eine einfache Zögerung,« unterbrach ihn der Herzog von Guise, »sicherlich nur eine Zögerung, und wir sind Allem nach noch nicht völlig entblößt. Die Einnahme von Campli hat uns ein wenig wiederbelebt, und wenn ich in einer Stunde von jetzt an in das Zelt eines Jeden von Euch träte, meine Herren, so wette ich, ich würde ein gutes Abendbrod aufgetragen, und bei Tische mit Euch eine arme Witwe oder eine hübsche Waise von Campli finden, die Ihr zu trösten im Zuge wäret. Es läßt sich nichts Besseres denken, meine Herren. Ueberdies sind dies die Pflichten von Siegern, welche die Gewohnheit des Sieges süß finden lassen, nicht wahr? Entsprecht also Eurem Geschmack, ich halte Euch nicht zurück; morgen früh bei Tagesanbruch werde ich Euch auffordern, mit mir die Mittel zu suchen, diesen Zuckerhut Civitella anzugreifen; bis dahin, meine Herren, guten Appetit und gute Nacht.«
Der Herzog begleitete lachend die Führer des Heeres bis zur Thüre seines Zeltes zurück. Als aber der Vorhang, der dasselbe schloß, hinter dem letzten gefallen war und Franz von Guise sich allein fand, nahm plötzlich seine männliche Physiognomie einen sorgenvollen Ausdruck an; er setzte sich an einen Tisch, legte sein Haupt in seine Hände, und murmelte voll Unruhe:
»Hätte ich besser daran gethan, auf jeden persönlichen Ehrgeiz Verzicht zu leisten, nur General von Heinrich II. zu bleiben, und mich auf die Wiedereroberung von Mailand und die Befreiung von Siena zu beschränken? Nun bin ich auf dem Gebiet von Neapel, wohin mich alle meine Träume als König beriefen; doch ich bin ohne Verbündete, bald ohne Lebensmittel, und alle diese Anführer meiner Truppen, mein Bruder zuerst, Geister ohne Thatkraft und ohne Gewicht, geben sich schon der Entmuthigung hin wie ich sehe.«
In diesem Augenblick hörte der Herzog von Guise, daß Jemand hinter ihm ging. Er wandte sich rasch und ganz entrüstet gegen den verwegenen Unterbrecher um; als er ihn aber gesehen, reichte er ihm, statt ihm einen Vorwurf zu machen, die Hand und sprach:
»Nicht wahr, Ihr, Vicomte d’Ermès, nicht wahr, Ihr, mein lieber Gabriel, würdet nie zögern vorwärts zu gehen, weil das Brod zu selten und der Feind zu zahlreich ist, Ihr, der Ihr zuletzt Metz verlassen, und zuerst in Valenza und in Campli eingedrungen seid? Doch, Ihr kommt, um mir etwas Neues zu melden, Freund?«
»Ja, gnädigster Herr, ein Eilbote ist aus Frankreich eingetroffen,« antwortete Gabriel, »er bringt, wie ich glaube, Briefe von Eurem Bruder, dem hochwürdigsten Cardinal von Lothringen. Darf ich ihn bei Euch einführen?«
»Nein, doch er mag Euch die Sendung mit der er beauftragt ist, übergeben, Vicomte, und ich bitte Euch, sie mir selbst zu überbringen.«
Gabriel verbeugte sich ging hinaus, kam bald wieder zurück und überbrachte einen Brief, der mit dem Wappen des Hauses Lothringen versiegelt war.
Die sechs abgelaufenen Jahre waren an unserem alten Freund Gabriel beinahe spurlos vorübergegangen; seine Züge hatten nur einen männlicheren, entschiedeneren Charakter angenommen; man errieth nun in ihm einen Mann, der seinen eigenen Werth geprüft und kennen gelernt hat. Doch es war immer dieselbe reine, ernste Stirne, derselbe redliche, offene Blick, und, sagen wir es sogleich, dasselbe Herz voll Jugend und Illusion. Er war auch kaum erst vierundzwanzig Jahre alt.
Der Herzog von Guise zählte siebenunddreißig, und obgleich er eine edle, großherzige Natur besaß, war doch sein Gemüth von vielen Orten zurückgekommen, wohin das von Gabriel noch nie gegangen, und mehr als ein gescheitertes Aufstreben, mehr als ein vergeblicher Kampf hatten sein Auge vertieft und seine Schläfe entblößt. Dennoch begriff und liebte er den ritterlichen und ergebenen Charakter von Gabriel, und eine unwiderstehliche Sympathie zog den erfahrenen Mann zu dem vertrauensvollen Jüngling hin.
Er nahm aus seinen Händen den Brief seines Bruders und sprach, ehe er ihn öffnete:
»Hört, Vicomte d’Ermès, Hervé von Thelen, mein Geheimschreiber, den Ihr kanntet, ist unter den Mauern von Valenza gestorben; mein Bruder Aumale ist nur ein muthiger Soldat, aber unfähig; ich bedarf eines tüchtigen Armes und eines Vertrauten, Gabriel. Seitdem Ihr mich in Paris in meinem Hause vor fünf oder sechs Jahren aufgesucht, habe ich mich, wie ich glaube, überzeugen können, daß ihr ein erhabener Geist und, was noch besser ist, ein treues Herz seid. Ich kannte Euch nur dem Namen nach, und jeder Montgommery ist brav; doch Ihr waret mir durch Niemand empfohlen, und dennoch habt Ihr mir sogleich gefallen; ich nahm Euch mit mir zur Vertheidigung von Metz, und wenn diese Vertheidigung eines der schönsten Blätter meiner Geschichte sein soll, wenn es uns nach einem fünfundsechzig Tage lang anhaltenden Angriff gelungen ist, von den Mauern von Metz ein Heer, das hunderttausend Soldaten zählte, und einen General zu vertreiben, der sich Carl V. nannte, so erinnere ich mich, daß Eure stets gegenwärtige Unerschrockenheit und Euer stets wacher Verstand nicht wenig zu diesem glorreichen Erfolg beigetragen haben. Ein Jahr nachher waret Ihr abermals mit mir bei dem Siege von Renty, und wenn dieser Esel von Montmorency, den man mit Recht so nennt . . . doch ich habe nicht meinen Feind zu schmähen, ich habe meinen Freund und guten Kameraden, Gabriel, Vicomte d’Ermès, d’Ermès, den würdigen Verwandten der würdigen Montgommery zu loben. Ich habe Euch zu sagen, Gabriel, daß ich in Euch bei jeder Gelegenheit, und zwar seitdem wir in Italien eingerückt sind mehr als je guten Beistand, gute Freundschaft und guten Rath gefunden, und daß ich Euch nur Eines zum Vorwurf machen kann: daß Ihr gegen Euern General zu zurückhaltend und zu verschwiegen seid. Ja, es liegt sicherlich im Grunde Eures Lebens ein Gefühl oder ein Gedanke, den Ihr mir verbergt, Gabriel. Doch, bah! Ihr werdet mir das eines Tags anvertrauen; die Hauptsache ist, daß ich weiß, Ihr habt Etwas zu thun. Ei! bei Gott! ich habe auch Etwas zu thun, Gabriel, und wenn Ihr wollt, so verbinden wir unsere Geschicke, Ihr helft mir und ich helfe Euch. Habe ich irgend eine wichtige, schwierige Unternehmung einem andern Ich zu übertragen, so rufe ich Euch. Bedürft Ihr für Eure Pläne eines mächtigen Beschützers, so bin ich da. Ist das abgemacht?«
»Oh! gnädigster Herr,« erwiderte Gabriel, »ich gehöre Euch mit Leib und Seele. Was ich vor Allem wünschte, wäre, daß Ihr an mich glaubtet und die Andern an mich glauben machen würdet. Ich habe ein wenig Selbstvertrauen erlangt, und Ihr habt die Gnade, ein wenig Achtung für mich zu hegen; bis jetzt habe ich also mein Ziel erreicht; daß sich in der Zukunft ein anderes meinen Bestrebungen bieten kann, leugne ich nicht, gnädigster Herr, und dann, da Ihr die Güte hattet, mir einen so schönen Antrag zu machen, werde ich zu Euch meine Zuflucht nehmen, wie Ihr bis dahin für Leben und Tod auf mich rechnen könnt.«
»So ist es gut! per Bacco, wie diese trunkenen Heiden von Cardinälen sagen; sei unbesorgt, Gabriel, Franz von Lothringen, Herzog von Guise, wird Dir warm in Beziehung auf Deine Liebe oder Deinen Haß dienen, denn nicht wahr, es ist bei uns das eine oder das andere dieser Gefühle im Spiel, mein Meister?«
»Das eine und das andere vielleicht, gnädigster Herr.«
»Ah! alle Wetter! und warum, wenn man die Seele so voll hat, warum sie nicht in die eines Freundes ergießen?«
»Ach! gnädigster Herr, ich weiß nicht einmal, ob ich liebe, und weiß gar nicht, daß ich hasse.«
»Wahrhaftig! sage mir doch, Gabriel, wenn Deine Feinde zufällig die meinigen wären, wenn der alte Unzüchter von einem Montmorency darunter sein sollte?«
»Das könnte wohl sein, gnädigster Herr, und wenn meine Zweifel begründet sind . . . . doch es handelt sich zur Stunde nicht um mich, sondern um Euch und Eure großen Pläne. Wozu kann ich Euch dienlich sein?«
»Vor Allem dazu, daß Ihr mir den Brief meines Bruders, des Cardinals von Lothringen, vorlest, Gabriel.«
Gabriel entsiegelte und entfaltete den Brief, warf einen Blick darauf, reichte ihn dem Herzog und sprach:
»Verzeiht, gnädigster Herr, dieser Brief ist in besonderen Charakteren geschrieben, und ich kann ihn nicht lesen.«
»Ah!« versetzte der Herzog, »der Eilbote von Jean Peuquoy hat ihn also gebracht? es ist ein vertraulicher Brief, wie ich sehe, ein Gitterbrief; warte, Gabriel.«
Er öffnete ein Kistchen von ziseliertem Eisen, zog ein regelmäßig durchbrochenes ausgeschnittenes Papier daraus hervor, legte es auf den Brief des Cardinals, reichte diesen Gabriel zum Lesen und sprach:
»Nun leset.«
Gabriel schien zu zögern; Franz nahm seine Hand, drückte sie, und sagte mit einem Tone voll Vertrauen und Treuherzigkeit:
»Leset, mein Freund.«
Der Vicomte d’Ermès las:
»Mein sehr geehrter, sehr erhabener Bruder (wann werde ich Euch mit einem einzigen Worte von vier Buchstaben, mit dem Worte: Sire nennen können . . .)«
Gabriel hielt abermals inne; der Herzog lächelte und sprach:
»Ihr staunt, Gabriel, doch ich hoffe, Ihr werdet keinen Verdacht gegen mich haben. Der Herzog von Guise ist kein Connetable von Bourbon, mein Freund; Gott erhalte unserem König Heinrich II. die Krone und das Leben! Doch es gibt in der Welt nicht nur den Thron von Frankreich. Da mich der Zufall mit Euch auf die Bahn eines vollen Vertrauens gebracht hat, so will ich Euch nichts verhehlen, Gabriel, ich will Euch in alle meine Pläne und in alle meine Träume einweihen; sie sind, wie ich glaube, nicht die einer geringen Seele.«
Der Herzog war aufgestanden, und ging mit großen Schritten in seinem Zelte auf und ab.
»Unser Haus, Gabriel, das so manche Königswürde berührt, kann meiner Ansicht nach auf jede Größe Anspruch machen. Doch Anspruch machen ist nichts, es soll erreichen. Unsere Schwester ist Königin von Schottland; unsere Nichte, Maria Stuart ist mit dem Dauphin Franz verlobt; unser Großneffe, der Herzog von Lothringen ist zum Schwiegersohn des Königs bezeichnet. Das ist noch nicht Alles, wir vermögen auch noch das zweite Haus Anjou zu repräsentieren, von dem wir durch die Frauen abstammen. Wir haben also Ansprüche oder Rechte auf die Provence und auf Neapel. Begnügen wir uns für den Augenblick mit Neapel. Würde die Krone einem Franzosen nicht besser stehen, als einem Spanier? Warum bin ich nach Italien gekommen? Um sie zu nehmen. Wir sind Verbündete des Herzogs von Ferrara, verwandt mit den Caraffa, Neffen des Papstes, Paul IV. ist alt: mein Bruder der Cardinal von Lothringen, wird sein Nachfolger. Der Thron von Neapel wankt, ich besteige ihn. Mein Gott, deshalb habe ich Siena und die Mailänder hinter mir gelassen, um bis zu den Abruzzen zu springen. Der Traum war glänzend doch ich befürchte sehr, er bleibt bis jetzt ein Traum. Bedenkt, Gabriel, ich hatte nicht zwölftausend Mann, als ich die Alpen überschritt. Doch der Herzog von Ferrara hatte mir siebentausend Mann versprochen; er behielt sie in seinen Staaten. Doch Paul IV. und die Caraffa hatten sich gerühmt, sie würden in dem Königreich Neapel eine mächtige Fraction auf die Beine bringen, und sie machten sich anheischig, Soldaten, Geld und Proviant zu liefern; sie haben nicht einen Mann, nicht einen Fourgon, nicht einen Thaler geschickt. Meine Officiere zaudern, meine Truppen murren; gleichviel! ich werde bis zum Ende gehen; ich werde nur, wenn es zum Aeußersten gekommen ist, dieses gelobte Land, auf dessen Boden ich trete, verlassen, und wenn ich es verlasse, so komme ich zurück.«
Der Herzog trat mit dem Fuß auf den Boden, als wollte er davon Besitz ergreifen, sein Blick funkelte, er war groß und schön.
»Gnädigster Herr,« rief Gabriel, »wie stolz bin ich, daß ich mit Euch, so schwach auch mein Antheil sein mag, zu so glorreichen Bestrebungen mich habe verbinden können.«
»Und nun,« sprach der Herzog. »nun da ich Euch zweimal den Schlüssel zu diesem Briefe meines Bruders gegeben habe, Gabriel, könnt Ihr ihn auch lesen und verstehen. Vollendet also, ich höre.«
»Sire! . . .« Hier bin ich geblieben,« sagte Gabriel. »Ich habe Euch zwei schlimme Nachrichten und eine gute mitzutheilen. Die gute ist die, daß man die Hochzeit unserer Nichte, Maria Stuart, auf den zwanzigsten des nächsten Monats anberaumt hat, und daß sie an genanntem Tage in Paris mit allem Gepränge vollzogen werden wird. Eine von den schlimmen Nachrichten ist aus England gekommen; Philipp II. von Spanien hat dort gelandet, und hetzt täglich die Königin Maria Tudor, seine Frau, welche ihm so leidenschaftlich gehorcht, auf, Frankreich den Krieg anzukündigen. Niemand zweifelt daran, daß es ihm gelingt, trotz der Interessen und des Wunsches der englischen Nation. Man spricht schon von einer Armee, welche sich auf den Grenzen der Niederlande versammeln soll, und für deren Commando man den Herzog Emanuel Philibert von Savoyen bezeichnet. Bei dem Mangel an Mannschaft, woran wir hier leiden, mein vielgeliebter Bruder, würde Euch dann König Heinrich II. nothwendig aus Italien zurückberufen, unsere Pläne auf dieser Seite wären hernach wenigstens vertagt. Doch bedenkt wohl, Franz, daß es besser ist, sie zu verschieben, als zu gefährden . . . keine Verwegenheit, und nicht mit dem Kopf durch die Wand. Unsere Schwester, die Königin Regentin von Schottland, mag immerhin drohen, sie werde mit dem Engländer brechen, glaubt mir, ganz verliebt in ihren jungen Gemahl, würde Maria von England keine Rücksicht darauf nehmen, und richtet Euch danach.«
»Beim Leibe Christi,« unterbrach der Herzog von Guise, indem er heftig mit der Faust auf den Tisch schlug, »er hat nur zu sehr Recht, mein Bruder, und er ist ein listiger Fuchs, der die Dinge zu riechen weiß. Ja, Maria, die Ehrbare, wird sich durch ihren gesetzlichen Gatten verführen lassen, und ich werde nicht offen ungehorsam gegen den König sein, der unter so ernsten Umständen seine Soldaten zurückverlangt, eher stehe ich von allen Königreichen der Welt ab; abermals also ein Hinderniß gegen diese verfluchte Exedition. Denn ich frage Euch, Gabriel, ist sie nicht verflucht trotz der Segnung des heiligen Vaters? Gabriel, unter uns gesagt, sprecht offenherzig, Ihr findet sie verzweifelt, nicht wahr?«
»Gnädigster Herr,« erwiderte Gabriel, »ich möchte nicht gern von Euch zu denjenigen gezählt werden, welche sich so leicht entmuthigen lassen, und dennoch, da Ihr meine Offenherzigkeit aufruft . . .«
»Ich verstehe Euch, Gabriel, und bin Eurer Ansicht. Ich sehe vorher, wir werden nicht auf einmal hier mit einander die großen Dinge machen, die wir so eben beabsichtigten; aber ich schwöre. daß die Sache nur aufgeschoben ist, und Philipp an irgend einem Orte schlagen, heißt ihn immerhin in Neapel schlagen; doch fahrt fort, Gabriel; wir haben noch eine schlimme Nachricht zu vernehmen, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht.«
Gabriel las weiter.
»Die andere ärgerliche Angelegenheit, die ich Euch mitzutheilen habe, ist, wenn sie auch ganz besonders Unsere Familie betrifft, nicht minder ernst; doch wir haben ohne Zweifel noch Zeit, zuvorzukommen, und ich mache Euch deshalb in aller Eile Mittheilung davon. Ihr müßt wissen, daß seit Eurer Abreise der Herr Connetable von Montmorency stets erbost und erbittert gegen uns ist und nicht abläßt, uns seiner Gewohnheit gemäß um die Güte des Königs für unsere Familie zu beneiden und sie zu verwünschen. Die nahe bevorstehende Feier der Hochzeit unserer lieben Nichte Maria mit dem Dauphin ist nicht geeignet, ihn in gute Laune zu versetzen. Das Gleichgewicht, das der König aus Politik zwischen den Häusern Guise und Montmorency aufrecht zu halten sucht, neigt sich hierdurch ganz sonderbar auf unsre Seite und der alte Connetable verlangt mit lauter Stimme ein Gegengewicht; er hat dieses Gegengewicht gefunden, mein lieber Bruder, es wäre dies die Verheirathung seines Sohnes Franz, des Gefangenen von Therouanne mit . . .«
Der junge Graf vollendete nicht, die Stimme versagte ihm, und eine jähe Blässe bedeckte seine Stirne.
»Nun! was habt Ihr denn, Gabriel?« fragte der Herzog, »wie bleich und entstellt seht Ihr aus? welches Uebel hat Euch plötzlich befallen?«
»Es ist nichts, gnädigster Herr, durchaus nichts, ein wenig Müdigkeit vielleicht, eine Art von Betäubung; doch ich habe mich schon wieder erholt und fahre fort, gnädigster Herr. Wo war ich? Der Cardinal sagte, glaube ich, es gebe ein Mittel. Ah! nein, weiter unten. Ich habe es: »Es wäre dies die Verheirathung seines Sohnes Franz mit Frau Diana von Castro, der legitimierten Tochter des Königs und von Frau Diana von Poitiers. Ihr erinnert Euch, mein Bruder, daß Frau von Castro, mit dreizehn Jahren Witwe des Herzogs Horazio Farnese, der sechs Monate nach ihrer Verheirathung bei der Belagerung von Hesdin getödtet worden war, während dieser fünf Jahre im Kloster der Töchter Gottes in Paris geblieben ist. Der König hat sie auf das Ansuchen des Connetable an den Hof zurückberufen. Es ist eine Perle der Schönheit mein Bruder, und Ihr wißt, daß ich mich darauf verstehe. Ihre Anmuth hat ihr alle Herzen erobert, und vor allen das väterliche Herz. Der König, der sie schon früher mit dem Herzogthum Chatellerault beschenkte, hat sie nun abermals mit dem Herzogthum Angoulême apanagirt. Noch befindet sie sich keine zwei Wochen hier, und schon ist ihr Einfluß auf den Geist des Königs eine anerkannte Thatsache. Ihr reizendes Wesen und ihre Anmuth sind ohne Zweifel die Ursachen dieser so lebhaften Zuneigung. Die Sache ist so weit gekommen, daß Frau von Valentinois, welche es, ich weiß nicht warum, für passend erachtet hatte, ihr eine andere Mutter officiell zu geben, mir zu dieser Stunde auf die sich erhebende Macht eifersüchtig zu sein scheint. Die Angelegenheit stünde also gut für den Connetable, wenn er in sein Haus diese mächtige Verbündete bringen könnte. Ihr wißt, unter uns gesagt, daß Diana von Poitiers diesem alten Unzüchter nicht viel zu verweigern hat, und wenn unser Bruder Aumale der Schwiegersohn ist, so steht Anne von Montmorency in noch viel näherer Verbindung mit ihr. Der König ist andererseits geneigt, das große Ansehen, das er uns in seinem Rathe und in dem Heere gewinnen sieht, auszugleichen. Diese verdammte Heirath hat also sehr viele Chancen des Vollzugs . . .«
»Eure Stimme zittert abermals, Gabriel,« unterbrach der Herzog, »ruht aus, und laßt mich selbst diesen Brief vollenden, der mich im höchsten Grade interessiert. Denn der Connetable würde in der That einen gefährlichen Vortheil vor uns erringen. Doch ich glaubte, sein großer Dummkopf Franz wäre an eine von Fiennes verheirathet. Gebt mir den Brief, Gabriel.«
»Wahrhaftig, ich befinde mich sehr wohl, gnädigster Herr,« erwiderte Gabriel, der etwas weiter gelesen hatte, »ich kann die paar Zeilen, welche noch übrig sind, wohl vollenden. »Diese verdammte Heirath hat also viele Chancen des Vollzugs, nur eine einzige ist für uns. Franz von Montmorency ist durch eine geheime Heirath an Fräulein von Fiennes gebunden, eine Ehescheidung ist vorläufig nothwendig; Doch es bedarf der Einwilligung des Papstes, und Franz ist nach Rom abgereist, um sie zu erlangen. Es liegt also Euch ob, mein lieber Bruder, ihm bei Seiner Heiligkeit zuvorzukommen und es durch unsere Freunde, die Caraffa, und Euren Einfluß dahin zu bringen, daß man sein Scheidungsgesuch verwirft, welches indessen, wie ich Euch im Voraus bemerken muß, durch einen Brief des Königs unterstützt wird. Doch die angegriffene Stellung ist so sehr Lebensfrage, daß Ihr alle Eure Kräfte aufbieten müßt, um sie zu vertheidigen, wie Ihr es mit Saint-Dizier und Metz gethan habt. Ich werde meinerseits und zu gleicher Zeit mit aller Energie zu Werke gehen, denn das muß sein. Und hiernach bitte ich Gott mein lieber Bruder, Euch ein gutes und langes Leben zu verleihen.
Paris, den 12. April 1557.
Euer gehorsamsten unterthänigster Diener
G. Cardinal von Lothringen.«
»Gut! es ist noch nichts verloren,« sprach der Herzog von Guise, als Gabriel den Brief des Cardinals beendigt hatte, »und der Papst, der mir Soldaten verweigert, kann mir wenigstens eine Bulle zum Geschenk machen.«
»Ihr hofft also,« entgegnete Gabriel zitternd, »Ihr hofft, Seine Heiligkeit werde die Ehescheidung von Jeanne von Fiennes nicht zugeben, und sich der Heirath von Franz von Montmorency widersetzen?«
»Ja, ja, ich hoffe es; doch wie bewegt seid Ihr, mein Freund! Dieser gute Gabriel! mit welcher Leidenschaft geht er in unsere Interessen ein . . . Ich bin Euch auch ganz und gar zugethan, Gabriel, dessen könnt Ihr Euch versichert halten. Sprechen wir ein wenig von Euch . . . wie wäre es, da Ihr bei dieser Expedition, deren Ausgang ich nur zu gut vorhersehe, kaum, wie ich glaube, neue glänzende Thaten den ungeheuren Diensten beifügen könnt, für die Ich gegen Euch verpflichtet hin, wie wäre es, wenn ich anfinge meine Schuld nun ebenfalls an Euch abzutragen? Ich will auch nicht zu sehr zurückbleiben, mein Freund. Könnte ich Euch nicht in irgend einer Beziehung nützlich oder angenehm sein? Sprecht, sagt es offenherzig.«
»Oh! durchlauchtigster Herr, Ihr seid zu gnädig gegen mich,« versetzte Gabriel, »und ich sehe nicht . . .«
»Seit den fünf Jahren, die Ihr heldenmüthig unter den Meinigen kämpft, habt Ihr nicht einen Pfennig von mir angenommen. Ihr müßt Geld nöthig haben, was Teufels! Jedermann braucht Geld. Was ich Euch anbiete, ist weder ein Geschenk noch ein Anlehen, sondern eine Vergütung. Also keine leere Bedenklichkeiten, und obgleich es bei uns knapp zugeht . . .«
»Ja, ich weiß, gnädigster Herr, daß die kleinen Mittel zuweilen Euren großen Ideen fehlen, und ich brauche so wenig Geld, daß ich Euch einige tausend Thaler antragen wollte, welche der Armee sehr ersprießlich sein dürften, während sie mir sehr unnütz sind.«
»Ich nehme sie an, denn ich gestehe, sie kommen gelegen: doch man kann also gar nichts für Euch thun, junger Mann ohne Wünsche! Ah! halt!« fügte er, die Stimme dämpfend, bei, »dieser Schelm Thibault, Ihr wißt, mein Leibdiener hat vorgestern bei der Plünderung von Campli für mich die junge Frau des Anwalts der Stadt auf die Seite bringen lassen, es soll die Schönheit des Ortes sein, natürlich nach der Frau des Statthalters, der man nicht habhaft werden konnte. Doch ich habe, meiner Treue! andere Sorgen im Kopf, und meine Haare fangen an grau zu werden. Ohne Umstände, Gabriel, wollt Ihr meinen Antheil an der Beute? Blut Gottes! Ihr seid geschaffen, für einen Anwalt zu entschädigen! was sagt Ihr dazu?«
»Ich sage, gnädigster Herr, daß ich die Frau des Statthalters, welcher man sich nicht bemächtigen konnte, im Gemenge getroffen und weggeführt habe, aber nicht um meine Rechte zu mißbrauchen, wie Ihr denken könnt. Ich hatte im Gegentheil die Absicht, eine edle, reizende Dame der Gewaltthätigkeit der Soldaten zu entziehen. Seitdem habe ich jedoch gesehen, daß es der Schönen nicht widerstreben würde, sich auf die Seite der Sieger zu schlagen. und daß sie gern, wie der gallische Soldat rufen dürfte: Vae victis! Insofern ich aber leider weniger als je geneigt bin, das Echo zu bilden, so kann ich sie, wenn Ihr es wünscht, hierher zu einem Manne führen lassen, der ihre Reize und ihren Rang zu schätzen würdig ist.«
»Oh! oh!« rief der Herzog lachend, »das ist eine Strenge, welche beinahe nach den Hugenotten riecht. Solltet Ihr etwa eine Neigung für die Leute dieser Religion haben? Ah! nehmt Euch in Acht, mein Freund. Ich bin aus Ueberzeugung und, was noch schlimmer ist, aus Politik ein eifriger Katholik. Ich würde Euch ohne Barmherzigkeit verbrennen lassen. Doch Scherz bei Seite, warum des Teufels seid Ihr nicht ein wenig leichtfertig?«
»Vielleicht weil ich verliebt bin,« sagte Gabriel.
»Ah! ja, ich erinnere mich; ein Haß, eine Liebe. Nun wohl, kann ich Euch vielleicht dazu dienlich sein, daß Ihr Euren Feinden oder Eurer Freundin näher kommt? Solltet Ihr vielleicht Titel nöthig haben?«
»Ich danke, gnädigster Herr, das ist es auch nicht, was mir fehlt; ich habe Euch, als ich anfing, gesagt, daß ich nicht nach unbestimmten Ehrenstellen, sondern nach ein wenig persönlichem Ruhm trachte. Da Ihr nun glaubt, es sei nicht mehr viel hier zu machen und ich könne Euch kaum zu etwas nützlich sein, so wäre es eine große Freude für mich, wenn Ihr mich nach Paris schicken wolltet, um dem König für die Heirath Eurer königlichen Nichte die Fahnen zu überbringen, welche Ihr in der Lombardei und in den Abruzzen gewonnen habt. Mein Glück würde besonders den höchsten Grad erreichen, wenn Ihr durch einen Brief Seiner Majestät und dem Hof bezeugen wolltet, daß einige von diesen Fahnen von mir, und zwar nicht ohne Gefahr genommen worden sind.«
»Nun, das ist leicht, und mehr noch, es ist billig,« sprach der Herzog von Guise« »Ich bedaure es, daß ich mich von Euch trennen soll. Doch es wird nicht auf lange Zeit sein. Bricht der Krieg in Flandern aus, wie Alles zu beweisen scheint, so werden wir uns dort wiedersehen, nicht wahr, Gabriel? Euer Platz ist da, wo man sich schlägt, und deshalb wollt Ihr von hier weggehen, wo man sich, beim Leibe Christi! nur noch langweilt. Doch man wird sich in den Niederlanden anders belustigen, und es ist mein Wille, Gabriel, daß wir uns mit einander vergnügen.«
»Ich werde äußerst glücklich sein, Euch zu folgen, gnädigster Herr.«
»Wann wollt Ihr indessen abreisen, Gabriel, um dem König die Hochzeitsgeschenke zu überbringen, von denen Ihr gesprochen?«
»Ich glaube, es wäre das Beste, wenn ich sobald als möglich aufbrechen würde, da die Heirath am 21. Mai stattfinden wie Euch Monseigneur der Cardinal von Lothringen meldet.«
»Es ist wahr. Nun, so reist morgen, Gabriel, und Ihr werdet nicht zu viel Zeit haben. Ruht aus, mein Freund, ich schreibe mittlerweile den Brief, der Euch dem König empfehlen wird, und auch die Antwort an meinen Herrn Bruder, die Ihr zu übernehmen die Güte haben wollt: sagt ihm mündlich, ich hoffe, die fragliche Angelegenheit beim Papst zu einem guten Ende zu führen.«
»Vielleicht dürfte meine Gegenwart in Paris dazu beitragen, dieser Angelegenheit den von Euch gewünschten Ausgang zu geben,« sagte Gabriel, »und somit würde Euch meine Abwesenheit noch nützen.«
»Stets geheimnisvoll, Vicomte d’Ermès; doch bei Euch gewöhnt man sich daran. Gott befohlen also, und gute Nacht, für die letzte, die letzte, die Ihr bei mir zubringen werdet.«
»Ich werde morgen früh meine Briefe und Euern Segen holen, gnädigster Herr. Ah! ich lasse bei Euch meine Leute, die mir bei allen meinen Feldzügen gefolgt sind, Ihr habt nicht zu viele Arme hier. Ich bitte Euch nur um Erlaubniß, nebst zwei von ihnen meinen Stallmeister Martin-Guerre mitnehmen zu dürfen; er wird mir genügen, denn er ist mir ergeben und ein braver Soldat, der nur vor zwei Dingen Angst hat, vor seiner Frau und vor seinem Schatten.«
»Wie so?« fragte der Herzog lachend.
»Gnädigster Herr, Martin-Guerre hat sich auf seiner Reise nach Artigues bei Rieux geflüchtet, um seiner Frau Bertrande zu entgehen, die er anbetete, aber schlug. Schon vor Metz trat er in meinen Dienst: doch der Teufel oder seine Frau erscheint ihm, um ihn zu quälen oder um ihn zu bestrafen, von Zeit zu Zeit unter der Form seines Sosie. Ja, plötzlich sieht er an seiner Seite einen andern Martin-Guerre, sein lebendiges Ebenbild, ihm so ähnlich wie sein Widerschein im Spiegel, und das erschreckt ihn; doch außerdem spottet er der Kugeln und würde eine Redoute allein nehmen. Bei Renty und bei Valenza hat er mir zweimal das Leben gerettet.«
»Nehmt also diesen muthigen Feigling mit, Gabriel, drückt mir noch einmal die Hand, mein Freund, und morgen bei Tagesanbruch seid bereit; meine Briefe werden Eurer harren.«
Am andern Tag war Gabriel wirklich frühzeitig bereit, er hatte die Nacht mit Träumen und ohne zu schlafen hingebracht. Nachdem er die letzten Instruktionen eingeholt und vom Herzog von Guise Abschied genommen, reiste er am; 26. April um 6 Uhr Morgens mit Martin-Guerre und zweien von seinen Leuten nach Rom und von da nach Paris ab.