Kitabı oku: «Die beiden Dianen», sayfa 56
XIX.
Ende der Reise nach Italien
»Nun, Herr Cardinal,« sagte der junge König mit einer gewissen Lebhaftigkeit, »dürfte ich nicht einmal an diesem Ort einen Augenblick Muße und Freiheit haben?«
»Sire,« antwortete Carl von Lothringen, »ich bedaure es, den von Eurer Majestät gegebenen Befehlen zuwider handeln zu müssen, doch die Angelegenheit, die meinen Bruder und mich hierher führt, ist so wichtig,« daß sie keinen Verzug duldet.«
In diesem Augenblick trat der Herzog von Guise ein, verbeugte sich stillschweigend vor dem König und der Königin und blieb stumm, unbeweglich, ernst, hinter seinem Bruder stehen.«
»Sprecht also, ich höre Euch, mein Herr,« sagte Franz zum Cardinal.
»Sire,« erwiderte dieser, »es ist eine Verschwörung gegen Eure Majestät entdeckt worden; ihr Leben ist nicht mehr in Sicherheit im Schloß von Blois, und es ist nothwendig, es auf der Stelle zu verlassen.«
»Eine Verschwörung? Blois verlassen! Was soll das bedeuten?«
»Das soll bedeuten, Sire, daß böse Menschen Eurer Majestät nach dem Leben und nach der Krone trachten.«
»Wie!« sagte Franz, »sie trachten nach meinem Leben, während ich so jung bin, während ich seit gestern erst auf dem Throne sitze, während ich wissentlich und mit meinem Willen nie einem Menschen etwas zu Leide gethan habe! Wer sind diese Bösen, Herr Cardinal?«
»Wer sollte es sein, wenn nicht die verfluchten Hugenotten und Ketzer?« antwortete Carl von Lothringen.
»Abermals die Ketzer!« rief der König. »Seid Ihr sicher, mein Herr, daß, Ihr Euch nicht durch unbegründeten Verdacht gegen sie einnehmen laßt?«
»Ach! diesmal ist leider kein Grund zu zweifeln vorhanden,« sprach der Cardinal.
Zu so ungelegener Zeit in seinen freudigen Träumen durch diese trostlose Wirklichkeit gestört, schien der König sehr ärgerlich zu sein; Maria war ganz bewegt durch ihre üble Laune, und der Cardinal ganz unruhig durch die Nachrichten, die er brachte. Der Balafré allein wartete ruhig und seiner Herr auf den Ausgang aller dieser Worte in einer unempfindlichen Haltung.
»Was habe ich denn meinem Volk gethan, daß es mich nicht liebt?« fragte Franz unwillig.
»Ich glaube, ich sagte Eurer Majestät, daß die Aufrührer nur Hugenotten sind,« erwiderte der Cardinal von Lothringen.
»Es sind aber nicht minder Franzosen,« sprach der König.« Kurz, Herr Cardinal, ich habe Euch meine ganze Macht in der Hoffnung anvertraut, Ihr würdet ihr den Segen erwerben, und ich sehe um mich her nichts als Unruhen, Klagen und Unzufriedenheit.«
»Oh! Sire! Sire!« sagte Maria Stuart im Tone des Vorwurfs.
Der Cardinal von Lothringen sprach mit einer gewissen Trockenheit:
»Sire, es wäre nicht gerecht, uns für das verantwortlich zu machen, was nur der unheilvollen Zeit zuzuschreiben ist.«
»Mein Herr,« fuhr der junge König fort, »ich wünschte einmal den Grund der Dinge zu kennen, um, falls Ihr einst nicht mehr an meiner Seite wäret, zu wissen, ob es auf mich oder auf Euch abgesehen ist.«
»Oh! Eure Majestät!« rief abermals Maria tief bewegt.
Franz II. hielt inne und machte es sich schon zum Vorwurf, daß er zu weit gegangen. Der Herzog von Guise offenbarte nicht die geringste Unruhe. Nach einem eisigen Stillschweigen sprach Carl von Lothringen mit der würdigen Miene eines ungerecht beleidigten Mannes:
»Sire, da wir zu unserem Schmerz unsere Bemühungen mißkannt oder fruchtlos sehen müssen, so bleibt uns als redlichen Unterthanen und ergebenen Verwandten nichts Anderes übrig, als uns zu entfernen, um den Platz Würdigeren oder Glücklicheren zu überlassen . . .«
Der König schwieg verlegen und der Cardinal fuhr nach einer Pause fort:
»Eure Majestät hat hat uns also nur zu sagen, in welche Hände wir unsere Aemter niederlegen sollen.
»Was mich betrifft, so wird ohne Zweifel nichts leichter sein, als mich zu ersetzen, und Eure Majestät braucht nur zwischen dem Kanzler Olivier, dem Herrn Cardinal von Tournon und Herrn de l’Hospital zu wählen.«
Maria Stuart verbarg ganz trostlos ihre Stirne in ihren Händen, und Franz II. hätte in seiner Reue gar zu gern seinen kindischen Zorn wieder gut gemacht, doch das hochmüthige Stillschweigen des großen Balafré schüchterte ihn ein.
»Aber,« fuhr Carl von Lothringen fort, »aber die Stelle des Großmeisters und die Leitung der Kriegsangelegenheiten erfordern so seltene Talente und einen so hoben Ruf, daß ich nach meinem Bruder kaum zwei Männer finde, die darauf Anspruch machen konnten: Herr von Brissac vielleicht . . .«
»Oh! Brissac, stets ärgerlich, stets mürrisch,« sagte der junge König, »das ist unmöglich.«
»Und sodann,« fuhr der Cardinal fort, »Herr von Montmorency, der in Ermangelung ersprießlicher Eigenschaften wenigstens Ruf hat.«
»Ei!« entgegnete Franz, »der Herr Connétable ist zu alt für mich, und er hat einst den Dauphin zu leicht behandelt, um dem König heute ehrfurchtsvoll zu dienen. Doch, Herr Cardinal, warum übergeht Ihr meine andern Verwandten, die Prinzen von Geblüt, den Prinzen Condé zum Beispiel?«
»Sire,« sagte der Cardinal, »mit Bedauern melde ich es Eurer Majestät; unter den Namen der geheimen Häupter der erwähnten Verschwörung ist der erste der des Herrn Prinzen von Condé.«
»Ist das möglich?« rief der junge König ganz erstaunt.
»Sire, es ist gewiß.«
»Das Complott gegen den Staat ist also sehr ernst?«
»Sire, es ist beinahe eine Empörung,« antwortete der Cardinal, »und da Eure Majestät meinen Bruder und mich der furchtbarsten Verantwortlichkeit überhebt, welche je auf uns lastete, so heischt es meine Pflicht, sie zu bitten, so bald als möglich unsere Nachfolger zu ernennen, denn die Reformierten werden in einigen Tagen unter den Mauern von Blois sein.«
»Was sagt Ihr da, mein Oheim?« rief Maria erschrocken.
»Die Wahrheit, Madame.«
»Und die Rebellen sind zahlreich?« fragte der König.
»Sire, man spricht von zweitausend Mann,« sagte der Cardinal, »Meldungen, die ich nicht glauben konnte, ehe ich von Paris durch Herrn von Mouchy, Nachricht von der Verschwörung erhalten hatte, signalisierten schon ihre Vorhut bei la Carrelière . . . Sire, Herr von Guise und ich, wir werden also . . .«
»Wie!« rief Franz lebhaft, »in einer solchen Gefahr würdet Ihr mich Beide verlassen?«
»Sire, ich glaubte zu verstehen, dies sei der Wille Eurer Majestät,« sagte Carl von Lothringen.
»Was wollt Ihr? Ich bin so traurig wenn ich sehe, daß Ihr mir Feinde macht . . . daß ich Feinde habe! . . . Doch sprechen wir nicht mehr hiervon, mein Oheim, und nennt mir lieber die einzelnen Umstände dieses frechen Unternehmens der Empörer. Was gedenkt Ihr zu thun, um ihm zu begegnen?
»Verzeiht, Sire,« erwiderte der Cardinal noch gereizt, »nach dem, was mir Eure Majestät zu verstehen gegeben hat, kam es mir vor, als ob Andere . . .«
»Ei! lieber Oheim, ich bitte Euch, sprecht nicht mehr von diesem Ausbruch einer Lebhaftigkeit, die ich beklage. Was kann ich mehr sagen? Soll ich mich entschuldigen und um Verzeihung bitten?«
»Oh! Sire,« rief Carl von Lothringen, »sobald uns Eure Majestät ihr kostbares Vertrauen wieder schenkt . . .«
»Völlig und von ganzem Herzen,« fügte der König, dem Cardinal seine Hand reichend, bei.
»Das heißt viel Zeit verlieren,« sagte der Herzog von Guise mit ernstem Tone.
Dies war das erste Wort, das er seit dem Anfang der Unterredung gesprochen hatte.
Dann trat er vor, als ob das, was bis dahin vorgefallen, nur unbedeutende Präliminarien, nur ein langweiliger Prolog, wobei er dem Cardinal die Hauptrolle überlassen, gewesen wären. Nun aber, da diese knabenhaften Debatten erschöpft waren, nahm er laut das Wort und die Initiative und sprach:
»Sire, hört, um was es sich handelt: zweitausend Empörer werden, befehligt vom Baron la Renaudie und unter der Hand unterstützt vom Prinzen von Condé, dieser Tage von Poitou, von Béarn und andern Provinzen herabkommen, um Blois zu überrumpeln und Eure Majestät zu entführen suchen.«
Franz machte eine Bewegung des Erstaunens und der Entrüstung.
»Den König entführen!« rief Maria Stuart.
»Und Euch mit ihm,« fuhr der Balafré fort, »doch seid unbesorgt, wir wachen über Euren Majestäten.«
»Welche Maßregeln wollt Ihr nehmen?« fragte der König.
»Wir haben erst seit einer Stunde Nachricht,« antwortete der Herzog von Guise, »doch vor Allem, Sire, hat man Eure geheiligte Person zu sichern, Ihr müßt also schon heute diese offene Stadt Blois und ihr unvertheidigtes Schloß verlassen, um Euch nach Amboise zurückzuziehen, dessen befestigtes Schloß Euch vor einem Handstreich schützt.«
»Wie!« rief die Königin, »wir sollten uns in dem abscheulichen Schloß von Amboise einsperren, das so hoch genistet, so düster und traurig ist!«
»Kind!« sagte der Balafré zu seiner Nichte, wenn nicht mit dem Wort, doch wenigstens mit seinem strengen Blick.
Er erwiderte nur:
»Madame, es muß sein.«
»Wir werden also vor diesen Rebellen fliehen?« rief der junge König ganz bebend vor Zorn.
»Sire,« erwiderte der Herzog von Guise, »Man flieht nicht vor einem Feind, der uns noch nicht angegriffen, der uns nicht einmal den Krieg erklärt hat. Die Leute nehmen an, wir wissen nichts von den strafbaren Plänen dieser Meuterer.«
»Aber wir wissen es doch,« entgegnete Franz.
»Eure Majestät wolle die Gnade haben, sich in Ehrenfragen auf mich zu verlassen,« erwiderte Franz von Lothringen. »Wir vermeiden den Kampf nur, um ein anderes Schlachtfeld zu wählen, und ich hoffe, die Rebellen werden sich wohl die Mühe geben, uns bis Amboise zu folgen.«
»Warum sagt Ihr, Ihr hofft es?« fragte der König.
»Warum?« sprach der Balafré mit seinem stolzen Lächeln, »weil es eine Gelegenheit sein wird, um einmal für allemal mit den Ketzern und der Ketzerei ein Ende zu machen; weil es Zeit ist, sie anders als in Dichtungen und Allegorien zu schlagen, weil ich zwei Finger von meiner Hand . . . von meiner linken Hand gegeben hätte, um, ohne ein Unrecht von unserer Seite, diesen entscheidenden Kampf herbeizuführen, den die Unklugen zu unserem Triumph hervorrufen.«
»Ach!« sprach der König, »dieser Krieg ist darum nicht minder der Bürgerkrieg.«
»Nehmen wir ihn an, um ihm ein Ende zu machen, Sire,« sagte der Herzog von Guise. »Hört mit zwei Worten meinen Plan. Eure Majestät wolle sich erinnern, daß wir es hier nur mit Aufrührern zu thun haben. Abgesehen von diesem Aufbruch nach Blois, der sie hoffentlich nicht zu sehr scheu machen wird, werden wir in Beziehung auf sie den Anschein der völligsten Sicherheit und Unwissenheit behaupten. Und wenn sie herankommen, um uns als Verräther zu überrumpeln, so überrumpeln wir sie und fangen sie in ihrer eigenen Falle. Es darf also entfernt nicht das Aussehen der Unruhe und der Flucht haben, das empfehle ich besonders Euch, Madame,« sagte er, sich an Maria wendend. »Meine Befehle sollen gegeben und Eure Leute benachrichtigt werden, doch insgeheim. Außen vermuthe man nichts von unsern Vorkehrungen, von unseren Befürchtungen, und ich stehe für Alles.«
»Und welche Stunde ist zum Aufbruch bestimmt?« fragte Franz mit einer gewissen traurigen Resignation.
»Sire, diesen Nachmittag um drei Uhr,« sprach der Herzog von Guise, »ich habe zum Voraus die nöthigen Vorkehrungen treffen lassen.«
»Wie! zum Voraus?«
»Ja, zum Voraus, Sire,« antwortete der Balafré mit Festigkeit, »denn ich wußte zum Voraus, Eure Majestät würde dem Rathe der Vernunft und der Ehre beitreten.«
»Gut also!« sprach mit einem schwachen Lächeln der unterjochte junge König, »wir werden um drei Uhr bereit sein, mein Herr, und haben alles Vertrauen zu Euch.«
»Sire,« erwiderte der Herzog, »ich danke für dieses Vertrauen und werde mich desselben würdig zeigen. Doch Eure Majestät entschuldige mich, unter solchen Umständen sind die Minuten gezahlt, und ich habe zwanzig Briefe zu schreiben, hundert Aufträge zu geben. Mein Bruder und ich verabschieden uns also unterthänigst von Eurer Majestät.«
Er verbeugte sich ziemlich kurz vor dem König und der Königin und ging mit dem Cardinal hinaus.
Franz und Maria schauten sich einen Augenblick stillschweigend und ganz betrübt an.
»Nun! mein Herzchen,« sagte der König endlich, »und unsere geträumte schöne Reise nach Rom?«
»Sie beschränkt sich auf eine Flucht nach Amboise,« erwiderte seufzend Maria.
In diesem Augenblick trat Madame Dayelle, die erste Kammerfrau der Königin, ein.
»Ist es denn wahr, was man uns sagt?« fragte sie nach den üblichen Verbeugungen. »Wir sollen sogleich ausbrechen und Blois verlassen, um nach Amboise zu ziehen?«
»Es ist nur zu wahr, meine gute Dayelle,« antwortete Maria.
»Aber wißt Ihr denn auch, Madame, daß sich in jenem Schlosse nichts findet, gar nichts, nicht einmal ein Spiegel. der in gutem Zustande wäre?«
»Man muß also Alles von hier mitnehmen, Dayelle,« sagte die Königin. »Schreibt sogleich eine Liste der unentbehrlichen Dinge; ich will sie Euch dictiren. Zuerst mein neues Kleid von carmoisinrothem Damast mit goldenen Posamenten . . .«
Und sie kehrte zum König zurück, der nachdenkend und traurig in der Fenstervertiefung stehen geblieben war, und sagte:
»Mein lieber Sire, begreift Ihr die Frechheit dieser Reformierten? Doch verzeiht, Ihr müßtet Euch auch mit den Gegenständen beschäftigen, die Ihr nöthig habt, um nicht unversehens überfallen zu werden.«
»Nein,« erwiderte Franz, »ich überlasse diese Sorge Aubert, meinem Kammerdiener . . . Ich denke nur an meinen Kummer.«
»Glaubt Ihr, der meinige sei minder lebhaft?« fragte Maria. »Madame Dayelle schreibt: Mein Kleid von weißem Damast mit silbernen Posamenten. Aber man muß vernünftig sein,« fuhr sie, sich an den König wendend, fort. »Man muß sich nicht dem aussetzen, daß man an den nothwendigsten Dingen Mangel leidet . . . Madame Dayelle, bemerkt meinen Nachtmantel von Toile d’argent mit Luchs gefüttert. Nicht wahr, Sire, das alte Schloß von Amboise ist seit Jahrhunderten nicht mehr vom Hof bewohnt worden?«
»Ich glaube seit Karl VIII. hat kein König von Frankreich mehr als zwei bis drei Tage dort verweilt.«
»Und wer weiß, ob wir nicht einen ganzen Monat dort bleiben müssen!« rief Maria. »Oh! die abscheulichen Hugenotten! Madame Dayelle, denkt Ihr, das Schlafzimmer sei wenigstens nicht gar zu kahl?«
»Madame,« erwiderte die Kammerfrau das Sicherste wäre, zu thun, als ob wir gar nichts dort finden sollten.«
»Bemerkt also diesen mit Gold eingefaßten Spiegel, diese Nachtlade von veilchenblauem Sammet, diesen haarigen Teppich, der um das Bett zu legen ist. Aber, Sire,« sagte sie mit leiser Stimme, zum König zurückkehrend, »hat man je gesehen, daß Unterthanen so gegen ihren Herrn marschiert sind und ihn gleichsam aus seinem Hause vertrieben haben?«
»Ich glaube, nie, Maria,« antwortete der König betrübt. »Man hat zuweilen gesehen, daß Halunken Widerstand gegen den Befehl des Königs geleistet haben, wie dies vor fünfzehn Jahren in Merindol und in la Cabriére der Fall war; . . . aber zuerst den König angreifen . . . ich muß gestehen, ich hätte mir das nie eingebildet.«
»Oh! mein Oheim von Guise hat also Recht; wir vermöchten nicht zu viel Vorsichtsmaßregeln gegen diese wüthenden Rebellen zu nehmen . . . Und nun, Dayelle, fügt ein Dutzend Schuhe, Kopfkissen und zwölf Betttücher bei . . . Ist das Alles? . . . Ich glaube in der That, ich verliere den Verstand. Meine Liebe, bemerkt auch dieses sammtene Nadelkissen, diesen goldenen Handleuchter, diese goldene Haarnadel. Ich sehe nichts mehr.«
»Nimm Madame nicht ihren doppelten Schmuck von Edelsteinen mit?« fragte Madam Dayelle.
»Doch, doch! ich nehme ihn mit,« rief Maria lebhaft. »Ließe ich ihn hier, so fiele er vielleicht in die Hände dieser Ungläubigen. Nicht wahr, Sire? Ich glaube wohl, daß ich ihn aufnehme.«
»Die Vorsicht ist gut,« sagte Franz mit einem unmerklichen Lächeln.
»Ich übergehe, wie mir scheint, nichts Wichtiges, meine liebe Dayelle?« fragte Maria, mit den Augen im Zimmer umher suchend.
»Madame denkt hoffentlich an ihre Gebetbücher?« fragte die Kammerfrau mit einer etwas gezwungenen Miene.
»Ach! Ihr erinnert mich daran,« rief Maria naiv. »Nehmt hauptsächlich die schönsten mit, das, welches mir mein Oheim, der Cardinal, geschenkt hat, und das von scharlachrothem Sammet mit goldenen Beschlägen. Madame Dayelle ich empfehle dies Alles Eurer Fürsorge. Ihr seht, wie sehr wir, der König und ich, durch die harte Nothwendigkeit dieser Abreise in Anspruch genommen sind.«
»Madame braucht meinen Eifer nicht anzuspornen,« sagte die Kammerfrau. »Wie viel Kisten und Koffer soll ich bestellen, um dies Alles fortzuschaffen? Ich denke fünf werden genügen.«
»Fordert sechs,« antwortete die Königin. »Man muß sich bei so traurigen Nothwendigkeiten doch nicht zu sehr einschränken. Sechs, wohlverstanden, die für meine Damen nicht mit eingerechnet. Doch sie mögen selbst für sich sorgen, ich bin durchaus nicht in der Stimmung, mich mit solchen Einzelheiten zu beschäftigen . . . Es ist wahr, es geht mir wie Euch, Franz, ich muß immer an diese Hugenotten denken . . . Ach! Ihr könnt nun gehen, Madame Dayelle.«
»Keinen Befehl für die Lakaien und Maulthiertreiber, Madame?«
»Sie sollen ganz einfach ihre Tuchkleider anziehen,« sagte die Königin. »Geht, meine liebe Dayelle, geht geschwinde.«
Dayelle verneigte sich und machte drei oder vier Schritte gegen die Thüre. Doch die Königin rief sie zurück und sprach:
»Dayelle, wenn ich sage, unsere Leute sollen nur ihre Tuchkleider anziehen, Ihr versteht, so meine ich damit für die Reise. Aber sie werden besorgt sein, ihre Saien14 von veilchenblauem Sammet und ihre veilchenblauen mit gelbem Sammet gefütterten Mäntel mitzunehmen, hört Ihr!«
»Schon gut, Madame. Madame hat nichts mehr zu befehlen?«
»Nichts mehr. Doch dies Alles soll eifrigst besorgt werden, wir haben nur noch bis drei Uhr Zeit. Und Vergeßt die Mäntel der Lakaien nicht.«
Diesmal ging Dayelle hinaus.
Dann aber wandte sich Maria gegen den König um und fragte:
»Nicht wahr, Sire, Ihr billigt meine Ansicht, was die Mäntel unserer Leute betrifft? Die Herren Reformierten werden uns doch wenigstens erlauben; daß wir den Dienern unseres Hauses ein anständiges Aussehen geben. Man darf auch das Königthum nicht zu sehr vor diesen Rebellen demüthigen! Ich hoffe sogar, Sire, daß wir noch Mittel finden werden, ihnen zum Trotze, in diesem Amboise, so abscheulich es ist, ein kleines Fest zu geben.«
Franz schüttelte traurig den Kopf.
»Oh! verachtet diese Idee nicht,« sprach Maria. »Es würde sie mehr einschüchtern, als man denkt, wenn wir ihnen zeigten, daß wir sie am Ende nicht fürchten. Ein Ball wäre unter diesen Umständen, ich scheue mich nicht, es zu sagen, vortreffliche Politik, wie selbst Eure Mutter, welche die Kluge spielt, keine bessere finden würde. Gleichviel! mein Herz ist darum nicht minder schmerzlich von dem Allem ergriffen, mein lieber, armer Sire. Ach! die schändlichen Reformierten!«
XX.
Zwei Aufforderungen
Seit dem unseligen Tournier am 10. Juli hatte Gabriel ein ruhiges, zurückgezogenes, düsteres Leben geführt. Dieser Mann der Thatkraft und der Bewegung, dessen Tage einst so ausgefüllt und so leidenschaftlich gewesen waren, gefiel sich nun in der Einsamkeit und in der Vergessenheit.
Nie zeigte er sich bei Hofe, er sah keinen Freund, er verließ kaum sein Hotel, wo seine Stunden langsam, traurig, träumerisch zwischen seiner Amme Aloyse und dem Pagen André hingingen, der zu ihm zurückgekehrt war, als sich Diana von Castro plötzlich in das Kloster der Benedictinerinnen in Saint-Quentin geflüchtet hatte.
Noch jung. dem Alter nach, war Gabriel ein Greis durch den Schmerz.
Er erinnerte sich, er hoffte nicht mehr.
Wie oft während dieser Monate, welche länger dauerten als Jahre, beklagte er es, nicht todt zu sein. Wie oft fragte er sich, warum sich denn der Herzog von Guise und Maria Stuart zwischen ihn und den Zorn von Catharina von Medicis gestellt und ihm die bittere Wohlthat des Lebens auferlegt haben! Was machte er in der That auf dieser Welt? Wozu war er nütze? War denn das Grab unfruchtbarer, als dieses Dasein, in welchem er ein Pflanzenleben führte, wenn man es überhaupt ein Dasein nennen konnte!
Es gab indessen auch Augenblicke, wo seine Jugend und seine Kraft sich in seinem Innern gegen ihn selbst empörten.
Da streckte er seine Arme aus, da erhob er sein Stirne, da schaute er sein Schwert an.
Und er fühlte unbestimmt, sein Leben sei noch nicht beendigt, es gebe für ihn noch eine Zukunft, und die heißen Stunden des Streites und vielleicht des Sieges würden früher oder später in seinem Schicksal wiederkehren.
Alles wohl betrachtet, sah er jedoch nur zwei Chancen, die ihn seinem wahren Leben, der Thäligkeit, zurückgeben konnten: den Krieg mit fremden Mächten oder die Religionsverfolgung.
Der Graf von Montgommery sagte sich, würden sich Frankreich und der König in einen neuen Krieg verwickelt sehen, wäre eine Eroberung zu versuchen, oder ein Einfall zurückzuschlagen, so müßte sein jugendlicher Feuereifer ohne Mühe wiedererwachen, und es würde ihm süß sein, zu sterben, wie er gelebt: im Kampfe.
Und dann würde er gern so die unfreiwillig von ihm gegen den Herzog von Guise und gegen den jungen König Franz II. eingegangene Schuld bezahlen.
Gabriel dachte auch, es wäre schön, sein Leben als Zeugniß für die neuen Wahrheiten hinzugeben, von denen seine Seele in den letzten Zeiten erleuchtet worden war. Die Sache der Reformation nämlich, seiner Ansicht nach die Sache der Gerechtigkeit und der Freiheit, war auch ohne Zweifel eine edle und heilige. Sache.
Der junge Graf las beständig die Controversen- und Predigtbücher, welche damals im Ueberfluß erschienen. Er begeisterte sich für die großen, in herrlichen Worten von Luther, Melanchthon, Calvin, Theodor von Bezé und so vielen Andern enthüllten Grundsätze. Die Bücher aller dieser freien Denker verführten, überzeugten ihn, rissen ihn hin. Er hätte sich glücklich und stolz gefühlt, mit seinem Blute das Zeugniß seines Glaubens zu unterzeichnen.
Es war immer der edle Instinct dieses edlen Herzens, sein Dasein irgend Jemand oder irgend Etwas zu weihen.
Früher hatte er hundertmal sein Leben gewagt, und seinen Vater, oder seine vielgeliebte Diana zu retten oder zu rächen . . .(O ewig blutige Erinnerungen in diesem verwundeten Herzen!) In Ermangelung dieser geliebten Wesen waren es nun heilige Ideen, die er gern vertheidigt hätte.
Sein Vaterland statt seines Vaters, seine Religion statt seiner Liebe.
Ach! ach! man mag sagen, was man will, das ist nicht dasselbe! Und die Begeisterung für die Begriffe hat in ihren Leiden und in ihren Freuden nicht den Werth der Zärtlichkeit für die Geschöpfe.
Gleichviel! Gabriel wäre zufrieden gewesen, sich für die eine oder für die andere von diesen zwei Sachen zu opfern, und auf eines dieser Opfer rechnete er für die gewünschte Entwicklung seines Schicksals.
* * *
Am Morgen des 6. März 1560, bei einem regnerischen Wetter, als Gabriel, mit dem Ellenbogen auf einen Stuhl an der Ecke seines Kamins gelehnt, über diesen Gedanken brütete, die ihm zur Gewohnheit geworden waren, führte Aloyse einen gestiefelten und bespornten, und wie nach einer langen Reise mit Koth bedeckten Boten bei ihm ein.
Dieser Bote kam von Amboise mit einem starken Geleite als Ueberbringer mehrerer Briefe vom Herzog von Guise, dem Generallieutenant des Königreichs.
Einer dieser Briefe war an Gabriel gerichtet und enthielt Folgendes:
»Mein lieber und theurer Gefährte,
»Ich schreibe Euch dies in aller Eile, ohne daß mir die Muße oder die Möglichkeit gegönnt sind, mich zu erklären. Ihr sagtet uns, dem König und mir, Ihr wäret uns ergeben, und wenn wir dieser Ergebenheit bedürften, so brauchten wir Euch nur zu rufen.
»Wir rufen Euch heute.
»Reist auf der Stelle nach Amboise ab, wo sich der König und die Königin auf einige Wochen einquartiert haben. Bei Eurer Ankunft werde ich Euch sagen, auf welche Weise Ihr ihnen dienen könnt.
»Wohlverstanden übrigens, es wird Euch freistehen, zu handeln oder nicht zu handeln. Euer Eifer ist mir zu kostbar, als daß ich ihn mißbrauchen oder gefährden sollte. Doch mögt Ihr mit uns sein oder neutral bleiben, ich würde mich gegen eine Pflicht zu verfehlen glauben, wenn ich des Vertrauens gegen Euch ermangelte.
»Begebt Euch also so schnell als möglich hierher, und Ihr werdet wie immer willkommen sein.
»Euer wohlgewogener
»Franz von Lothringen.Amboise, den 4. März 1560.
»N.S. Hierbei ein Geleitbrief, solltet Ihr zufällig unter Weges von einer königlichen Truppe angehalten werden.«
Der Bote des Herzogs von Guise war schon wieder abgegangen, um seine anderen Aufträge zu besorgen, als Gabriel diesen Brief bis zum Ende gelesen hatte.
Der glühende junge Mann stand rasch auf und sprach mit seiner Amme:
»Meine gute Aloyse, ich bitte Dich, laß André kommen und sage, man soll mir den Apfelschimmel satteln und mein Feldgeräthe bereit halten.«
»Ihr geht abermals von hinnen, gnädiger Herr?« fragte die gute Frau.
»Ja, Amme, in zwei Stunden begebe ich mich nach Amboise.«
Es war nichts zu erwidern, und Aloyse ging traurig, aber ohne ein Wort zu sagen, hinaus, um die Befehle ihres jungen Gebieters vollziehen zu lassen.
Doch während man diese Vorbereitungen traf, verlangte ein anderer Bote insgeheim mit dem Grafen von Montgommery zu sprechen.
Dieser machte kein Geräusch und hatte kein Geleite. Er trat schweigend und bescheiden ein und überreichte Gabriel, ohne ein Wort zusprechen, einen Brief, mit dem er für ihn beauftragt war.
Gabriel bebte, als er den Mann zu erkennen glaubte, der ihm einst von la Renaudie die Einladung, sich in die protestantische Versammlung der Place Maubert zu begeben, überbracht hatte.
Es war in der That derselbe Mann und der Brief hatte dieselbe Unterschrift.
Dieser Brief war folgenden Inhalts:
»Freund und Bruder,
»Ich wollte Paris nicht verlassen, ohne Euch gesehen zu haben, doch es hat mir an Zeit gefehlt, die Ereignisse drängen sich und treiben mich fort; ich muß von hinnen und habe Euch nicht die Hand gedrückt, habe Euch nichts von unseren Hoffnungen und Entwürfen erzählt.«
»Doch wir wissen, daß Ihr für uns, und ich weiß, welch ein Mann Ihr seid. Bei Eures Gleichen bedarf es keiner Vorbereitungen, Versammlungen und Reden. Ein Wort genügt.
»Hört dieses Wort: Wir bedürfen Eurer. Kommt.
Seid vom 10. bis zum 12. dieses Monats in Noizai, bei Amboise. Ihr werdet dort unsern braven und edlen Freund Castelnau finden. Er wird Euch sagen, um was es sich handelt, und was ich dem Papier nicht anvertrauen kann.
»Es bleibt bei unserer Verabredung, daß Ihr zu nichts verbunden seid, daß Ihr das Recht habt, Euch entfernt zu halten, und daß Ihr Euch stets enthalten könnt, ohne dem geringsten Verdacht und dem kleinsten Vorwurf preisgegeben zu sein.
»Doch kommt nach Noizai, ich werde Euch dort finden; und in Ermangelung Eurer Unterstützung werden wir Euren Rath von Euch fordern.
»Kann etwas bei der Partei in Erfüllung gehen, ohne daß Ihr davon unterrichtet seid?
»Auf Wiedersehen also, auf baldiges Wiedersehen in Noizai. Wir rechnen wenigstens auf Eure Gegenwart.
L. R.
»N. S., für den Fall, daß Euch unter Weges eine Truppe von den Unsrigen begegnen sollte, wißt, daß unser Losungswort diesmal wieder Genf und unser Feldgeschrei Ehre dem Herrn ist.«
»In einer Stunde reise ich ab,« sagte der Graf von Montgommery zu dem schweigsamen Boten, der sich Verbeugte und abging.
»Was bedeutet dies Alles?« fragte sich Gabriel, als er allein war, »und was sollen diese zwei Aufforderungen heißen, welche von zwei so entgegengesetzten Seiten kommen und mich beinahe auf denselben Tag und, beinahe an denselben Ort bescheiden! Gleichviel! es ist sicher, daß ich gegen den allmächtigen Herzog, wie gegen die unterdrückten Religionsgenossen Verbindlichkeiten habe. Meine Pflicht ist es, vor Allem abzureisen: mag dann kommen, was da will! Wie schwierig auch meine Lage werden dürfte, für mein Gewissen gibt es keinen Zweifel, daß ich nie ein Verräther sein werde.«
Und eine Stunde nachher brach Gabriel nur von André allein begleitet auf.
Aber er sah die seltsame, furchtbare Alternative nicht vorher, in die ihn gerade seine Redlichkeit stellen sollte.