Kitabı oku: «Die Dame von Monsoreau», sayfa 25
Gorenflot ließ seinen Blick von dem Wirt auf Chicot und von Chicot zum Himmel übergehen.
Er begriff durchaus nicht, was ihm begegnete, und in seiner ganz mönchischen Demut erkannte er offenbar, dass sein Glück bei Weitem seine Verdienste überstieg.
Gorenflot berauschte sich drei Tage hinter einander: am ersten Tage mit Xeres, am zweiten mit Malaga, am dritten mit Alicante; doch Gorenflot gestand, dass ihm von allen diesen Trunkenheiten die des Burgunders die angenehmste dünke.
Während dieser vier Tage, in denen Gorenflot seine önophilen Versuche machte, hatte Chicot sein Zimmer nicht verlassen und vom Morgen bis zum Abend den Advokaten Nicolas David belauert.
Der Wirt schrieb diese Zurückgezogenheit von Chicot seiner Furcht vor dem vorgeblichen Royalisten zu und tat sein Möglichstes, diesem tausend Streiche zu spielen.
Doch nichts wirkte, wenigstens scheinbar. Nicolas David, der mit Peter von Gondy im Gasthofe zum Schwanen des Kreuzes eine Zusammenkunft verabredet hatte, wollte seine provisorische Wohnung nicht verlassen, befürchtend, der Bote der Herren von Guise könnte ihn nicht auffinden, und so blieb er in Gegenwart des Wirtes scheinbar gegen Alles unempfindlich. War die Türe hinter Meister Bernouillet geschlossen, so gab Nicolas David allerdings Chicot, der sein Loch nicht verließ, das belustigende Schauspiel seiner geheimen Wut.
Schon am andern Tage nach seiner Einquartierung sagte er, als er die schlimmen Absichten seines Wirtes bemerkte, diesem die Faust weisend oder vielmehr die Faust der Türe weisend, durch die er abgegangen war: »Noch fünf oder sechs Tage, Bursche, und du sollst es mir bezahlen.«
Chicot wusste genug, er war überzeugt, Nicolas David würde den Gasthof nicht verlassen, ehe er die Antwort des Legaten hätte.
Doch beim Herannahen des sechsten Tages, welcher der siebente der Ankunft im Gasthaus war, wurde Nicolas David, dem der Wirt, trotz der Einwendungen und Bitten von Chicot, bedeutet hatte, er brauche nunmehr sein Zimmer, wurde Nicolas David, sagen wir, krank.
Der Wirt forderte ihn auf, seine Wohnung zu verlassen, so lange er noch gehen könnte; der Advokat verlangte eine Frist bis zum andern Tage und behauptete, es würde dann besser sein; am andern Tage war es viel schlimmer.
Der Wirt theilte diese Kunde seinem Freunde, dem Liguisten, mit und sagte dabei, sich die Hände reibend:
»Nun! unser Royalist, unser Herodes-Freund wird die Revue des Admirals passieren, ran tan plan plan plan plan.«
Die Revue des Admirals passieren13 nannte man damals unter den Liguisten von dieser Welt in die andere übergehen.
»Bah!« versetzte Chicot, »Ihr glaubt, er werde sterben?«
»Ein abscheuliches Fieber, mein lieber Bruder, ein dreitägiges Fieber, ein viertägiges Fieber mit Verdoppelungen, dass er im Bette aufspringt; die Ärzte begreifen es gar nicht; er hat einen teufelsmäßigen Hunger; er wollte mich erdrosseln und schlägt meine Leute. Die Ärzte begreifen es nicht.«
Chicot dachte nach und fragte dann:
»Habt Ihr ihn gesehen?«
»Gewiss, da ich Euch sage, er habe mich erdrosseln wollen.«
»Wie war er?«
»Er war bleich, verstört, entstellt, und schrie, wie ein Besessener.«
»Was schrie er?«
›Gebt auf den König Acht; man führt Böses gegen den König im Schilde.‹
»Der Elende!«
»Der Schuft! Von Zeit zu Zeit sagt er sodann, er erwarte einen Menschen, der von Avignon komme, und er wolle diesen Menschen sehen, ehe er sterbe.«
»Seht Ihr … ah! er spricht von Avignon.«
»In jeder Minute.«
»Donner und Teufel!« rief Chicot.
»Sagt doch,« versetzte der Wirt, »es wäre possierlich, wenn er abfahren müsste.«
»Sehr possierlich, doch es wäre mir nicht lieb, wenn er vor der Ankunft des Mannes von Avignon sterben würde.«
»Warum dies? Je früher er stirbt, desto früher sind wir von ihm befreit.«
»Ja; doch ich treibe den Hass nicht so weit, dass ich Leib und Seele verderben will; und da dieser Mann von Avignon kommt, um ihn Beichte zu hören …«
»Ei, seht doch, dass es irgend eine Ausgeburt seines Fiebers, irgend eine Einbildung ist, die ihm die Krankheit in den Kopf gesetzt hat, und dass er Niemand erwartet.«
»Bah! wer weiß.«
»Ihr seid von einem guten Christenteige,« versetzte der Wirt.
»Vergeltet das Böse mit Gutem, spricht das göttliche Gesetz.«
Der Wirt entfernte sich ganz verwundert.
Gorenflot hatte durchaus keinen Anteil an allen diesen Dingen genommen und legte sichtbar an Fett zu. Nach acht Tagen krachte die Treppe, die zu seinem Zimmer führte, unter seinem Gewichte und fing an ihn zwischen dem Geländer und der Wand einzupressen; so dass Gorenflot eines Abends Chicot voll Schrecken verkündigte, die Treppe magere ab. Im Übrigen beschäftigten ihn weder David, noch die Ligue, noch der klägliche Zustand, in welchen die Religion versunken war: seine einzige Sorge war es, die Gerichte zu wechseln und die verschiedenen Sorten Burgunderwein mit den verschiedenen Speisen, die er sich auftragen ließ, in Einklang zu bringen, während der Wirt, so oft er ihn ausgehen oder heimkehren sah, ganz erstaunt ausrief:
»Wer sollte glauben, dass dieser dicke Pater ein Stern der Beredsamkeit ist!«
Dreizehntes Kapitel
Wie der Mönch, den Advokaten Beichte hörte und wie der Advokat den Mönch Beichte hörte
Der Tag, der das Haus von Bernouillet von seinem Gast befreien sollte, kam endlich oder schien zu kommen. Meister Bernouillet stürzte in das Zimmer von Chicot mit einem so unmäßigen Gelächter, dass dieser eine Zeit lang warten musste, ehe er die Ursache davon in Erfahrung bringen konnte.
»Er stirbt!« rief der menschenfreundliche Wirt, »er verscheidet, er krepiert endlich!«
»Und das macht Euch dergestalt lachen?« fragte Chicot.
»Ich glaube wohl. Der Streich ist auch vortrefflich.«
»Was für ein Streich?«
»Gesteht nur, dass Ihr ihm denselben gespielt habt, mein edler Herr.«
»Ich, einem Kranken einen Streich?«
»Ja.«
»Was gibt es denn, was ist ihm denn begegnet?«
»Was ihm begegnet ist?«
»Ihr wisst, dass er beständig nach seinem Manne von Avignon schrie.«
»Nun, sollte dieser Mann gekommen sein?«
»Er ist gekommen.«
»Habt Ihr ihn gesehen?«
»Bei Gott! Geht irgend eine Person ein oder aus, ohne dass ich sie sehe?«
»Und wie war er?«
»Der Mann von Avignon? klein, mager und rosenfarbig.«
»So ist es!« entschlüpfte Chicot.
»Ihr seht wohl, dass Ihr ihn geschickt habt, da Ihr ihn kennt.«
»Der Bote ist angekommen,« rief Chicot aufstehend und seinen Schnurrbart kräuselnd. »Donner und Teufel! erzählt mir das, Gevatter Bernouillet.«
»Das ist ganz einfach, um so mehr, als Ihr, wenn Ihr den Streich nicht gemacht habt, mir wenigstens sagen werdet, wer es sein kann. Vor ungefähr einer Stunde hing ich ein Kaninchen am Laden auf, als ein großes Pferd und ein kleiner Reiter vor der Türe anhielten.«
›Ist Meister Nicolas hier?‹ fragte der kleine Mann.
Ihr wisst, dass sich der heillose Royalist unter diesem Namen einschreiben ließ.
›Ja, mein Herr,‹ antwortete ich.
›So sagt ihm, die Person, welche er von Avignon erwarte, sei angekommen.‹
›Gern, mein Herr, doch ich muss Euch von Einem benachrichtigen.‹
›Von was?‹
›Dass Meister Nicolas, wie Ihr ihn nennt, stirbt.‹
›Ein Grund mehr, dass Ihr meinen Auftrag ohne Verzug besorgt.‹
›Doch Ihr wisst vielleicht nicht, dass er an einem bösartigen Fieber stirbt?‹
›Wirklich?‹ rief der Mann, ›dann kann ich Euch nicht genug Eile empfehlen.‹
›Wie, Ihr beharrt darauf?‹
›Ich beharre.‹
›Trotz der Gefahr?‹
›Ich sage Euch, dass ich ihn sehen muss.‹
»Der kleine Mann ärgerte sich und sprach mit einem gebieterischen Tone, der keinen Widerspruch zuließ; ich führte ihn daher in das Zimmer des Sterbenden.«
»Er ist also dort?« fragte Chicot, die Hand in der Richtung dieses Zimmers ausstreckend.
»Er ist da … nicht wahr, das ist drollig?«
»Sehr drollig.«
»Welch ein Unglück, dass man ihn nicht hören kann!«
»Ja, das ist ein Unglück.«
»Die Szene muss äußerst komisch sein!«
»Im höchsten Grade; doch wer hindert Euch einzutreten?»
»Er hat mich weggeschickt.«
»Unter welchem Vorwand?«
»Unter dem Vorwand, er müsse beichten.«
»Wer hindert Euch an der Türe zu horchen?«
»Ihr habt Recht,« sagte der Wirt und stürzte aus dem Zimmer.
Chicot eilte seinerseits an sein Loch.
Peter von Gondy saß oben an dem Bette des Kranken; doch sie sprachen Beide so leise, dass Chicot nicht ein Wort von ihrer Unterredung hören konnte.
Hätte er übrigens auch diese Unterredung, welche ihrem Ende zuging, gehört, so würde er wenig dadurch erfahren haben, denn nach fünf Minuten stand Herr von Gondy auf, nahm von dem Sterbenden Abschied und entfernte sich.
Chicot lief an das Fenster.
Ein Lackei hielt, auf einem Stumpfschwanz sitzend, das große Pferd am Zügel, von welchem der Wirt gesprochen hatte: einen Augenblick nachher erschien der Botschafter der Herren von Guise, schwang sich auf den Sattel, und ritt um die Ecke der Straße, welche nach der Landstraße von Paris führte.
»Gottes Tod!« sagte Chicot, »wenn er nur nicht die Genealogie mit sich fortnimmt; in jedem Fall werde ich ihn einholen, und müsste ich zu diesem Behufe zehn Pferd, zu Tod, reiten.«
»Doch nein,« fuhr er fort, »diese Advokaten sind feine Füchse, der unsrige besonders, und ich habe den Verdacht … Ich möchte nur wissen,« fuhr Chicot ungeduldig mit dem Fuße stampfend, und ohne Zweifel in seinem Geiste seinen Gedanken mit einem andern verknüpfend, fort, »ich möchte nur wissen, wo dieser verwünschte Gorenflot ist?«
In diesem Augenblick kam der Wirt zurück.
»Nun?« rief Chicot.
»Er ist abgereist,« sprach der Wirt.
»Der Beichtvater?«
»Der eben so wenig ein Beichtvater ist, als ich.«
»Und der Kranke?«
»Er ist nach der Unterredung ohnmächtig geworden.«
»Ihr seid fest überzeugt, dass er sich noch in seinem Zimmer befindet?«
»Er wird aus demselben wahrscheinlich nur kommen, um sich auf den Kirchhof führen zu lassen.«
»Gut; geht und schickt mir meinen Bruder, sobald er wieder erscheint.«
»Selbst wenn er betrunken ist?«
»In welchem Zustande er sein mag.«
»Es ist also dringend?«
»Es ist für das Wohl der Sache.«
Bernouillet ging eiligst hinaus, denn er war ein Mann voll Eifer.
Nun bekam Chicot das Fieber; er wusste nicht, ob er Gondy nachlaufen, oder bei David eindringen sollte; war der Advokat so krank, als der Wirt behauptete, so hatte er ohne Zweifel Herrn von Gondy seine Depechen übergeben. Chicot ging also wie ein Narr in seinem Zimmer auf und ab, schlug sich vor die Stirne und suchte einen Gedanken unter den Millionen von Kügelchen, die in seinem Gehirne kochten.
Man hörte nichts mehr im Nebenzimmer; von seinem Beobachtungsposten aus konnte Chicot nur die Ecke des In seine Vorhänge eingehüllten Bettes sehen.
Plötzlich erscholl eine Stimme auf der Treppe, Chicot bebte: es war die des Mönches.
Von dem Wirte angetrieben, der ihn vergebens schweigen machen wollte, stieg Gorenflot eine nach der andern die Stufen der Treppe herauf und sang dabei mit weinschwerer Stimme ein Trinklied.
Chicot lief an die Türe und rief:
»Stille doch, Trunkenbold!«
»Trunkenbold,« sagte Gorenflot, »weil man getrunken hat!«
»Ruhig! komm hierher; und Ihr, Bernouillet, Ihr wisst …«
»Ja,« sprach der Wirt, machte ein Zeichen des Einverständnisses und sprang die Treppe hinab.
»Komm hierher, sage ich Dir,« fuhr Chicot fort, während er den Mönch in sein Zimmer zog, »und lass uns im Ernste mit einander reden.«
»Beim Teufel! Ihr scherzt, Gevatter,« entgegnete Gorenflot, »ich bin ernsthaft, wie der Esel, wenn er säuft.«
»Oder wenn er gesoffen hat,« versetzte Chicot die Achseln zuckend.
Dann führte er ihn zu einem Stuhle, auf welchem sich Gorenflot voll Wohlbehagen »ein Ah!« von sich gebend, niederließ.
Chicot schloß die Türe und kehrte zu Gorenflot mit einem so ernsten Gesicht zurück, dass dieser begriff, er müsste zuhören.
»Sprecht, was gibt es denn noch?« fragte der Mönch, als sollte dieses Wort alle Verfolgungen zusammenfassen, welche Chicot ihn aushalten ließ.
»Was es gibt?« erwiderte Chicot mit hartem Tone, »Du denkst nicht genug an die Pflichten Deines Standes; Du wälzest Dich in der Üppigkeit, Du verfaulst in der Völlerei, und mittlerweile mag aus der Religion werden, was da will.«
Gorenflot schlug große, verwunderte Augen zu Chicot auf.
»Ich?« sagte er.
»Ja, Du; schau nur wie gemein Du aussiehst. Dein Rock ist zerrissen; Du hast Dich auf dem Wege geschlagen, Dein Auge ist mit einem blauen Kreise umgeben.«
»Ich?« versetzte Gorenflot, immer mehr erstaunt über die Vorwürfe, an welche ihn Chicot nicht gewöhnt hatte.
»Allerdings; Du hast Kot über den Knien, und was für Kot? weißen Kot, und das dient zum Beweise, dass Du Dich in den Vorstädten betrunken hast.«
»Das ist meiner Treue wahr.«
»Unglücklicher! ein Genovever-Mönch, wenn Du noch Franciscaner wärst!«
»Chicot, mein Freund, ich bin also sehr schuldig?« sprach Gorenflot gerührt.
»Das heißt, Du verdienst, dass Dich das Feuer des Himmels bis auf die Sandalen verzehrt; nimm Dich in Acht, wenn das so fortgeht, so verlasse ich Dich.«
»Chicot, mein Freund, das würdest Du nicht tun.«
»Es gibt auch Bogenschützen in Lyon.«
»Oh! Gnade, mein teurer Beschützer!« stammelte der Mönch, der nicht zu weinen, sondern wie ein Stier zu blöken anfing.
»Pfui! das hässliche Tier,« fuhr Chicot fort, »und ich frage Dich, in welchem Augenblick überlässest Du Dich solchen Ausschweifungen? In dem Augenblick, wo wir einen Nachbar haben, der in den letzten Zügen liegt.«
»Das ist wahr,« sprach Gorenflot mit zerknirschter Miene.
»Sage mir, bist Du ein Christ, ja oder nein?«
»Ich bin ein Christ,« rief Gorenflot aufstehend, »ich bin ein Christ, beim Papste in Rom, ich bin es, und würde es auf dem Roste des heiligen Lorenz laut verkünden.«
Und den Arm wie zu einem Schwure ausstreckend, sang er, dass die Fensterscheiben zitterten:
»Ich bin ein Christenblut,
dass ist mein einzig Gut!«
»Genug,« rief Chicot ihn mit der Hand knebelnd, »wenn Du ein Christ bist, so lass Deinen Bruder nicht ohne Beichte sterben.«
»Das ist richtig, wo ist mein Bruder, dass ich seine Beichte hören kann? … nämlich wenn ich getrunken habe, denn ich sterbe vor Durst.«
Chicot reichte dem Mönche einen Krug voll Wasser, den dieser beinahe ganz leerte.
»Ah! mein Sohn,« sagte er, den Krug wieder auf den Tisch stellend, »ich fange an klar zu sehen.«
»Das ist ein Glück,« erwiderte Chicot, entschlossen diesen Augenblick der geistigen Helle von Gorenflot zu benützen.
»Nun, sprich, mein zärtlicher Freund,« fuhr der Mönch fort, »wen soll ich Beichte hören?«
»Unsern unglücklichen, sterbenden Nachbar.«
»Man gebe ihm eine Pinte Wein mit Honig.«
»Ich habe nichts dagegen einzuwenden, doch er bedarf mehr des geistigen, als des zeitlichen Beistandes. Du wirst ihn aufsuchen.«
»Glaubt Ihr, ich sei hinreichend vorbereitet, Herr Chicot?« fragte schüchtern der Mönch.
»Du! ich habe Dich nie so voll Salbung gesehen, wie in diesem Augenblick. Du wirst ihn zum Guten zurückführen, wenn er verirrt ist, Du wirst ihn gerade in's Paradies schicken, wenn er die Straße dahin sucht.«
»Ich laufe.«
»Warte doch, ich muss Dir den Gang angeben, den Du zu befolgen hast.«
»Warum? man kennt sein Amt, da man bereits zwanzig Jahre Mönch ist.«
»Ja, doch Du sollst heute nicht allein Dein Amt verrichten, sondern auch meinen Willen tun.«
»Euren Willen?«
»Und wenn Du ihn pünktlich ausführst, hörst Du wohl? so lege ich im Füllhorn hundert Pistolen für Dich nieder, die Du nach Deiner Wahl vertrinken oder verspeisen kannst.«
»Vertrinken und verspeisen, das ist mir lieber.«
»Gut, es sei, hundert Pistolen, verstehst Du? wenn Du diesen würdigen Sterbenden Beichte hörst.«
»Ich werde ihn Beichte hören, oder die Pest soll mich ersticken! Wie soll ich ihn Beichte hören?«
»Merke wohl: Dein Gewand verleiht Dir ein großes Ansehen, Du sprichst im Namen Gottes und im Namen des Königs; Du musst durch Deine Beredsamkeit diesen Menschen zwingen, Dir die Papiere zuzustellen, welche man ihm von Avignon gebracht hat.«
»Warum soll ich ihn zwingen, mir diese Papiere zuzustellen?«
Chicot schaute den Mönch mitleidig an und erwiderte:
»Um tausend Thaler zu bekommen, doppelter Schafskopf.«
»Das ist richtig; ich gehe.«
»Warte doch, er wird Dir sagen, er habe so eben gebeichtet.«
»Nun, wenn er so eben gebeichtet hat?«
»So antwortest Du ihm, er habe gelogen; derjenige, welcher so eben sein Zimmer verlassen, sei kein Beichtvater, sondern ein Intrigant, wie er.«
»Aber er wird sich ärgern.«
»Was liegt Dir daran, da er stirbt.«
»Das ist wahr.«
»Du wirst also von Gott sprechen, Du wirst vom Teufel sprechen, Du wirst sprechen, von was Du willst, musst ihm aber auf die eine oder die andere Weise die Papiere von Avignon aus den Händen ziehen.«
»Und wenn er widersteht?«
»So verweigerst Du ihm die Absolution, so verfluchst Du, so anathematisirst Du ihn.«
»Oder ich nehme ihm die Papiere mit Gewalt ab.«
»Auch das … doch sprich, bist Du hinreichend vom Rausche befreit, um meine Instruktionen pünktlich zu erfüllen?«
»Pünktlich, Ihr werdet es sehen.«
Gorenflot fuhr mit der Hand über sein breites Gesicht und schien die oberflächlichen Spuren der Trunkenheit zu verwischen; seine Augen wurden ruhig, obgleich man sie bei aufmerksamer Beschauung etwas stier hätte finden können; sein Mund artikulierte nur noch abgemessene Worte mit Mäßigung; seine Gebärde wurde nüchtern, wenn sie auch noch ein wenig zitternd blieb.
Dann wandte er sich feierlich nach der Türe.
»Einen Augenblick,« sagte Chicot, »wenn er Dir die Papiere gegeben hat, fasse sie fest in eine Hand und klopfe mit der andern an die Wand.«
»Und wenn er mir sie verweigert?«
»So klopfe auch.«
»Also soll ich in dem einen wie in dem andern Falle klopfen?«
»Ja.«
»Es ist gut.«
Hiernach verließ Gorenflot das Zimmer, während Chicot, einer unsäglichen Aufregung preisgegeben, sein Ohr fest an die Wand drückte, um auch das geringste Geräusch zu vernehmen.
Zehn Minuten nachher verkündigte ihm das Krachen des Bodens, dass Gorenflot bei seinem Nachbar eintrat, und bald sah er ihn in dem Kreise, den sein Gesichtsstrahl umfassen konnte, erscheinen.
Der Advokat erhob sich in seinem Bette und betrachtete die fremde Erscheinung.
»Ei! guten Morgen, mein Bruder,« sagte Gorenflot mitten im Zimmer stille stehend und seine breiten Schultern ins Gleichgewicht setzend.
»Was wollt Ihr hier, mein Vater?« murmelte der Kranke mit schwacher Stimme.
»Mein Sohn, ich bin ein unwürdiger Klosterbruder; ich höre, dass Ihr in Gefahr seid, und komme, um über die Interessen Eurer Seele mit Euch zu sprechen.«
»Ich danke,« erwiderte der Sterbende, »doch ich glaube, Eure Sorge ist überflüssig: es geht mir besser.«
Gorenflot schüttelte den Kopf und rief:
»Ihr glaubt?«
»Ich bin dessen sicher.«
»Eine List von Satan, der Euch gern ohne Beichte sterben sehen möchte.«
»Satan wäre betrogen,« versetzte der Kranke, »denn ich habe so eben gebeichtet.«
»Wem?«
»Einem würdigen, Priester, der von Avignon ankommt.«
Gorenflot schüttelte abermals den Kopf und sprach:
»Das ist kein Priester.«
»Wie? es ist kein Priester!«
»Nein.«
»Woher wisst Ihr das?«
»Ich kenne ihn.«
»Denjenigen, welcher von hier weggeht?»
»Ja,« sagte Gorenflot mit so überzeugtem Ausdrucke, dass der Sterbende, so schwer auch die Advokaten aus der Fassung zu bringen sind, doch unruhig wurde.
»Da es nun nicht besser bei Euch geht,« fuhr Gorenflot fort, »und da dieser Mensch kein Priester war, so müsst Ihr beichten.«
»Das ist mir ganz genehm,« sprach der Advokat mit etwas stärkerer Stimme, »doch ich will beichten, bei wem es mir beliebt.«
»Ihr habt nicht mehr Zeit, einen Andern suchen zu lassen, mein Sohn, und da ich hier bin …«
»Wie! ich hätte nicht mehr Zeit,« rief der Kranke mit einer Stimme, welche immer stärker wurde, »wenn ich Euch sage, dass es besser bei mir geht, wenn ich Euch versichere, dass ich ganz gewiss dem Tode entkommen werde!«
Gorenflot schüttelte zum dritten Male den Kopf und sprach mit demselben Phlegma:
»Und ich versichere Euch, mein Sohn, dass ich auf nichts Gutes mehr bei Euch rechne; Ihr seid durch die Ärzte und ebenso durch die göttliche Vorsehung verurteilt; ich weiß wohl, es ist grausam, Euch dies zu sagen, aber wir kommen am Ende Alle dahin, mag es nun etwas früher oder etwas später sein; es gibt eine Waage, die Waage der Gerechtigkeit, und dann ist es tröstlich, in diesem Leben zu sterben, da man im andern wieder aufersteht. Pythagoras selbst sagte dies, mein Sohn, und das war nur ein Heide. Auf, mein liebes Kind, beichtet.«
»Doch ich versichere Euch, mein Vater, dass ich mich bereits viel besser fühle, was ohne Zweifel eine Wirkung Eurer heiligen Gegenwart ist.«
»Ein Irrtum, mein Sohn, ein Irrtum,« sprach Gorenflot, »es gibt im letzten Augenblicke ein wieder Aufflackern des Lebens. Das ist die Lampe, die sich noch einmal entzündet, um einen letzten Schein von sich zu geben. Sprecht,« fuhr der Mönch fort, während er sich neben das Bett des Kranken setzte, »nennt mir Eure Intrigen, Eure Komplotte, Eure Machinationen.«
»Meine Intrigen, meine Komplotte, meine Machinationen?« wiederholte Nicolas David, zurückweichend vor dem seltsamen Mönche, den er nicht kannte, und der ihn so gut zu kennen schien.
»Ja,« sagte Gorenflot, indem er ruhig seine beiden Ohren zum Hören bereit hielt und seine beiden Daumen über seinen verschlungenen Händen an einander drückte, »wenn Ihr mir dann Alles gesagt habt, so gebt Ihr mir die Papiere, und Gott wird es vielleicht gestatten, dass ich Euch absolviere.«
»Was für Papiere?« rief der Kranke mit einer so starken, so kräftig klingenden Stimme, als ob er sich seiner vollen Gesundheit erfreuen würde.
»Die Papiere, welche der angebliche Priester Euch von Avignon überbracht hat.«
»Und wer sagt Euch, der angebliche Priester habe mir Papiere gebracht?« fragte der Advokat, ein Bein aus der Decke vorstreckend, mit so heftiger Betonung, dass Gorenflot in dem Anfange der Gottseligkeit gestört wurde, in die er sich auf seinem Lehnstuhle versenkte.
Gorenflot dachte, der Augenblick sei gekommen, um Kraft anzuwenden.
»Derjenige, welcher es gesagt hat, weiß, was er sagt,« sprach der Mönch, »vorwärts, die Papiere, die Papiere, oder keine Absolution.«
»Ei, ich kümmere mich den Teufel um Deine Absolution, Lumpenkerl!« rief David aus dem Bette springend und Gorenflot bei der Gurgel packend.
»Oh! oh!« schrie der Mönch, »Ihr habt das hitzige Fieber? Ihr wollt nicht beichten …«
Geschickt und kräftig auf die Gurgel des Mönches gedrückt, unterbrach der Daumen des Advokaten seinen Satz und dieser wurde durch ein Pfeifen fortgesetzt, das einem Röcheln glich.
»Ich will nun Dich Beichte hören, Kuttenknecht Beelzebubs,« rief der Advokat David, »und was das hitzige Fieber betrifft, so wirst Du sehen, ob es mich dergestalt fesselt, dass ich dadurch Dich zu erdrosseln verhindert werde.«
Bruder Gorenflot war stark, aber er befand sich unglücklicher Weise in dem Augenblick der Reaktion, wo die Trunkenheit auf das Nervensystem wirkt und dasselbe lähmt, was gewöhnlich geschieht, wie zugleich durch eine entgegengesetzte Reaktion die moralischen Fähigkeiten Stärke zu gewinnen anfangen.
Alle seine Kräfte zusammenraffend, vermochte er daher nur von seinem Sitze auszustehen, das Hemd des Advokaten mit seinen breiten Händen zu fassen und ihn heftig von sich zurückzustoßen.
Es ist nicht zu leugnen, so gelähmt Bruder Gorenflot auch war, so stieß er doch Nicolas David so ungestüm zurück, dass dieser mitten in das Zimmer rollte.
Doch wütend erhob der Advokat sich wieder, sprang nach dem langen Degen, den Meister Bernouillet bereits bemerkt hatte, und der gerade über seinen Kleidern an der Wand hing, zog ihn aus der Scheide und setzte die Spitze an den Hals des Mönches, der, erschöpft durch diese äußerste Anstrengung, auf seinen Stuhl niedergefallen war.
»Nun ist es an Dir, zu beichten,« sprach der Advokat mit dumpfer Stimme, »beichtest Du nicht, so wirst Du sterben.«
Völlig wieder nüchtern durch den unangenehmen Druck der kalten Klinge auf sein Fleisch, begriff Gorenflot den Ernst seiner Lage.
»Oh! Ihr waret also nicht krank,« sagte er, »Euer scheinbarer Todeskampf war also eine Komödie?«
»Du vergisst, dass es nicht an Dir ist, zu fragen, sondern zu antworten,« sagte der Advokat.
»Auf was antworten?«
»Auf das, was ich Dich fragen werde.«
»Sprecht.«
»Wer bist Du?«
»Ihr seht es wohl.«
»Das heißt nicht antworten,« entgegnete der Advocat, seinen Degen etwas fester ansetzend.
»Ei! den Teufel, merkt doch ein wenig auf! Wenn Ihr mich tötet, ehe ich Euch antworte, so werdet Ihr nichts, gar nichts erfahren.«.
»Du hast Recht, Dein Name?«
»Bruder Gorenflot.«
»So bist Du also ein wirklicher Mönch?«
»Wie, ein wirklicher Mönch? Ich glaube wohl!«
»Warum befindest Du Dich in Lyon?«
»Weil ich verbannt bin.«
»Wer hat Dich in dieses Gasthaus geführt?«
»Der Zufall.«
»Wie viele Tage bist Du hier?«
»Seit sechzehn Tagen.«
»Warum bespähst Du mich?«
»Ich habe Euch nicht bespäht.«
»Woher wusstest Du, dass ich Papiere erhalten habe?«
»Man sagte es mir.«
»Wer hat es Dir gesagt?«
»Derjenige welcher mich zu Euch schickte.«
»Wer hat Dich zu mir geschickt?«
»Ich kann es Euch nicht sagen.«
»Du wirst es mir dennoch sagen.«
»Oh weh!« rief der Mönch. »Barmherziger Himmel! Ich rufe, ich schreie!«
»Und ich töte.«
Der Mönch stieß einen Schrei aus, ein Blutstropfen erschien an der Degenspitze des Advokaten.
»Sein Name?« rief dieser.
»Ah! Meiner Treue, mag es gehen, wie es will,« sagte der Mönch, »ich habe ausgehalten, so lange ich konnte.«
»Ja, vorwärts, Deine Ehre ist gedeckt. Derjenige, welcher Dich zu mir geschickt hat …«
»Ist …«
Gorenflot zögerte noch, es fiel ihm schwer, die Freundschaft zu verraten.
»Vollende,« sprach der Advokat, mit dem Fuße stampfend.
»Wehe mir! Es ist Chicot.«
»Der Narr des Königs?«
»Er selbst!»
»Und wo ist er?«
»Hier bin ich!« sprach eine Stimme, und Chicot erschien auf der Schwelle, bleich, ernst und den bloßen Degen in der Hand.