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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 53

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Zwanzigstes Kapitel
Gewißheit

Henri schlüpfte auf der dunkeln Seite an der Hecke hin, wobei er die Vorsicht gebrauchte, weder auf dem Sande, noch aus dem Blätterwerk Geräusch zu machen.

Genöthigt, zu gehen und während des Gehens sich zu bewachen, konnte er nicht gut sehen. Doch an der Haltung, an den Kleidern, am Gang erkannte er hartnäckig Remy in dem Mann mit dem wollenen Rock. Einfache Vermuthungen, für ihn gräßlicher als Wirklichkeiten, erhoben sich in ihm in Beziehung auf den Gefährten dieses Mannes.

Der Weg, an dem die Hagebuchen hinliefen, mündete gegen die große Dornhecke gegen eine Wand von Pappelbäumen aus, welche vom übrigen Theil den Parks den Pavillon des Herrn Herzog von Anjou trennte und ihn mit einem grünen Vorhang umhüllte, in dessen Mitte er, wie gesagt, völlig verschwand. Es fanden sich hier schöne Bassins, düstere Gebüsche von gebogenen Alleen durchschnitten, und hundertjährige Bäume, auf deren Dom der Mond Cascaden silbernen Lichtes ergoß, während darunter der Schatten schwarz, undurchsichtig, undurchdringlich war.

Als sich Henri dieser Hecke nahte, fühlte er, daß ihm der Muth beinahe entschwand.

Auf eine so kecke Weise die Befehle den Prinzen überschreiten, sich einer so vermessenen Indiscretion überlassen, war die Sache, nicht eines loyalen, redlichen Edelmannes, sondern eines feigen oder eifersüchtigen Spions, der sich zu den ungebührlichstem äußersten Schritten entschlossen hat.

Doch da der Mann, als er die Schranke öffnete, welche den großen Park dem kleinen trennte, eine Bewegung machte, wobei sich sein Gesicht entblößte, und da dieses Gesicht wirklich das von Remy war, so hatte der Graf keine Bedenklichkeiten mehr, er schritt entschlossen weiter, auf die Gefahr, was auch daraus entstehen möchte.

Man hatte die Thüre wieder zugemacht; Henri sprang über die Querbalken und folgte den zwei fremden Besuchen des Prinzen.

Diese beeilten sich.

Unter einer Allee von dichtbelaubten Kastanienbäumen, an deren Ende man den sanft beleuchteten Pavillon erblickte, konnte Henri nicht so leicht mehr den Leuten folgen, die ihn, wenn sie sich umgedreht hätten, sogleich bemerkt haben müßten.

Ueberdies erfaßte ihn ein neuer Gegenstand des Schreckens.

Bei dem Geräusch, das auf dem Sand die Tritte von Remy und seinem Gefährten machten, kam der Herzog aus dem Pavillon heraus.

Henri warf sich hinter den dicksten von den Bäumen und wartete.

Er konnte nichts sehen, wenn nicht, daß sich Remy sehr tief bückte, daß der Gefährte von Remy eine weibliche Verneigung nicht einen männlichen Bückling machte, und daß der Herzog entzückt dem letztern den Arm bot, wie er es bei einer Frau gethan haben würde.

Dann wandten sich alle Drei nach dem Pavillon und verschwanden unter dem Vorhause, dessen Thüre sich hinter ihnen schloß.

»Ich muß ein Ende machen,« sagte Henri, »und einen bequemeren Standpunkt wählen, von wo aus ich jedes Zeichen sehen kann, ohne selbst gesehen zu werden.«

Er entschloß sich für ein Gebüsch, das zwischen dem Pavillon und den Spalieren lag, ein Gebüsch, in dessen Mittelpunkt eine Springquelle spielte, ein undurchdringliches Asyl, denn bei der um diese Quelle verbreiteten Frische Feuchtigkeit würde es der Prinz nicht wagen, dem Wasser den Gebüschen zu trotzen.

Hinter der Statue verborgen, welche die Fontaine überragte, um die ganze Höhe den Piedestals emporgehoben, konnte Henri Alles sehen, was in dem Pavillon vorging, dessen Hauptfenster sich gerade vor ihm öffnete.

Da Niemand bis dahin dringen konnte oder vielmehr dringen durfte, so hatte man keine Vorsicht angewendet,

Eine Tafel war gedeckt, üppig bestellt und mit kostbaren, in venetianischen Gläsern eingeschlossenen Weinen beladen.

Nur zwei Sitze an dieser Tafel erwarteten zwei Gäste.

Der Herzog wandte sich nach dem einen, ließ den Arm des Gefährten von Remy los, bezeichnete ihm den andern Sitz, und schien ihn aufzufordern, seinen Mantel abzulegen, der, sehr bequem für einen nächtlichen Gang, sehr unbequem wurde, wenn man das Ziel dieses Ganges erreicht hatte und dieses Ziel ein Abendessen war.

Die Person, an welche die Einladung gerichtet war, warf nun ihren Mantel auf einen Stuhl, und das Licht der Kerzen beleuchtete ohne irgend einen Schatten das bleiche, majestätisch schöne Antlitz einer Frau, welche die erschrockenen Augen von Henri sogleich erkannten.

Es war die Dame den geheimnißvollen Hauses der Rue den Augustins, die Reisende aus Flandern, es war jene Diana endlich, deren Blicke tödtlich wirkten, wie Dolchstöße.

Diesmal trug sie die Kleider ihres Geschlechts; sie war angethan mit einem Gewande von Brocat; Diamanten glänzten an ihrem Hals, in ihren Haaren, an ihren Handgelenken.

Unter diesem Schmucke trat die Blässe ihres Gesichtes noch mehr hervor, und ohne die Flamme, welche aus ihren Augen hervorsprang, hätte man glauben können, der Herzog habe durch Anwendung eines Zaubermittels eher den Schatten dieser Frau, als die Frau selbst heraufbeschworen.

Hätte er die Stütze der Statue nicht gehabt, über der er seine Arme, welche kälter waren als der Marmor selbst, kreuzte, so wäre Henri rücklings in das Bassin der Springquelle gefallen.

Der Herzog schien trunken vor Freude; er umschloß gleichsam mit den Augen dieses wunderbare Geschöpf, das sich ihm gegenüber gesetzt hatte und die Gegenstände, welche man vor ihr aufgestellt, kaum berührte. Von Zeit zu Zeit streckte sich Franz über der Tafel aus, um eine von den Händen seiner stummen, bleichen Tischgenossin zu küssen, welche eben so unempfindlich für diese Küsse zu sein schien, als wäre ihre Hand aus dem Alabaster gemeißelt, dessen Durchsichtigkeit und Weiße sie hatte.

Immer wieder bebte Henri, fuhr mit der Hand an seine Stirne, wischte mit dieser Hand den eisigen Schweiß ab, der in Tropfen darauf stand, und fragte sich:

»Lebt sie? Ist sie todt?«

Der Herzog strengte alle seine Kräfte an und entwickelte seine ganze Beredtsamkeit, um die ernste Stirne der Dame zu entrunzeln.

Remy, der allein diese zwei Personen bediente, denn der Herzog hatte Jedermann entfernt, schien, von Zeit zu Zeit mit dem Ellenbogen seine Gebieterin streifend, wenn er hinter ihr vorbei ging, sie durch diese Berührung wieder zu ermuthigen und zum Leben, oder vielmehr zu der Lage der Dinge zurückzurufen.

Dann stieg eine dunkelrothe Woge auf die Stirne der jungen Frau, ihre Augen schleuderten einen Blitz, sie lächelte, als ob ein Zauberer eine unbekannte Feder dieses verständigen Automaten berührt und bei dem Mechanismus der Augen den Blitz, bei dem der Wangen die Färbung, bei dem der Lippen das Lächeln bewerkstelligt hätte.

Dann versank sie wieder in ihre Unbeweglichkeit.

Der Prinz näherte sich indessen und fing an durch seine leidenschaftlichen Reden seine schöne Eroberung zu erwärmen.

Diana, welche von Zeit zu Zeit nach der prachtvollen, über dem Kopfe den Prinzen an der ihr entgegengesetzten Wand hängenden Uhr schaute, schien sich sodann gegen sich selbst anzustrengen nahm, das Lächeln auf ihren Lippen bewahrend, einen thätigeren Antheil an dem Gespräch.

Unter dem Obdache den Blätterwerks zerriß sich, Henri die Fäuste und verfluchte die ganze Schöpfung von den Frauen, welche Gott gemacht hat, bis auf Gott, der ihn selbst geschaffen hatte.

Es kam ihm ungeheuerlich, gräuelhaft vor, daß diese so reine und so strenge Frau sich auf eine so gemeine Weise dem Prinzen hingab, weil er ein Prinz war, der Liebe, weil sie in diesem Palast vergoldet war.

Sein Abscheu gegen Remy war so groß, daß er ihm ohne Mitleid die Eingeweide geöffnet hätte, um zu sehen, ob ein solches Ungeheuer das Blut das Herz eines Menschen habe.

In diesem Paroxismus der Wuth und der Verachtung verging für Henri die Zeit dieses für den Herzog von Anjou so köstlichen Abendbrodes.

Diana läutete. – Erhitzt durch den Wein und die galanten Redensarten, stand der Prinz vom Tische auf, um Diana zu umarmen.

Alles Blut von Henri stockte in seinen Adern. Er suchte an seiner Seite, ob er einen Degen, in seiner Brust, ob er einen Dolch hätte.

Mit einem seltsamen Lächeln, das sicherlich noch nie seines Gleichen auf irgend einem Gesichte gehabt hatte, hielt Diana den Prinzen auf dem Wege zurück und sprach:

»Monseigneur, erlaubt, daß ich, ehe ich vom Tische aufstehe, mit Euch diese Frucht theile, nach der mich gelüstet.«

Bei diesen Worten streckte sie die Hand nach einem Körbchen von Goldfiligran aus, das zwanzig herrliche Pfirsiche enthielt, und nahm eine davon.

Dann machte sie von ihrem Gürtel ein Messerchen los, dessen Klinge von Silber, dessen Heft von Malachit war, zerschnitt den Pfirsich in zwei Theile bot einen davon dem Prinzen, der ihn ergriff gierig damit nach seinen Lippen fuhr, als ob er die von Diana geküßt hätte.

Diese leidenschaftliche Handlung brachte einen solchen Eindruck auf ihn selbst hervor, daß eine Wolke sein Gesicht in dem Augenblick verdunkelte, wo er in die Frucht biß.

Diana schaute ihn mit ihrem klaren Auge und ihrem unveränderlichen Lächeln zu.

Remy, der sich an einen Pfeiler von geschnitztem Holz mit dem Rücken angelehnt hatte, schaute ebenfalls mit düsterer Miene.

Der Prinz fuhr mit einer Hand über seine Stirne, wischte einige Schweißtropfen ab, die darauf perlten, und verschlang das Stück, in das er gebissen hatte.

Dieser Schweiß war ohne Zweifel das Symptom einer plötzlichen Unpäßlichkeit; denn während Diana die andere Hälfte der Pfirsich aß, ließ der Prinz das, was ihm von der seinigen übrig blieb, auf seinen Teller fallen, stand mit einer gewissen Anstrengung auf und schien seine schöne Tischgenossin einzuladen, mit ihm freie Luft im Garten zu schöpfen Diana erhob sich und nahm, ohne ein Wort zu sprechen, den Arm, den ihr der Prinz bot. Remy folgte ihnen mit den Augen, besonders dem Prinzen, den die Luft völlig wiederbelebte.

Während den Gehens trocknete Diana die kleine Klinge ihres Messers an einem goldgestickten Sacktuch ab und steckte es wieder in seine saffianlederne Scheide.

So kamen sie ganz nahe zu dem Gebüsch, wo Henri verborgen war. Der Prinz drückte verliebt den Arm der jungen Frau an sein Herz und sprach:

»Ich fühle mich wieder besser, dennoch weiß ich nicht, welche Schwere mein Gehirn bedrückt; ich sehe, Madame, ich liebe zu sehr.«

Diana riß einige Blumen von einem Jasmin, einen Zweig von einer Rebwinde und zwei schöne Rosen ab, welche eine ganze Seite des Sockels der Statue bedeckten, hinter der sich Henri erschrocken kleiner zu machen suchte.

»Was macht Ihr, Madame?« fragte der Prinz.

»Gnädigster Herr,« antwortete sie, »man hat mich stets versichert, der Wohlgeruch der Blumen sei das beste Mittel gegen Betäubung. Ich pflücke einen Strauß in der Hoffnung, von mir gegeben, werde dieser Strauß den magischen Einfluß haben, den ich ihm wünsche.«

Doch während sie die Blumen des Straußes zusammenfaßte, ließ sie eine Rose fallen, die der Prinz galanter Weise aufzuheben sich beeilte.

Die Bewegung von Franz war rasch, doch nicht so rasch, daß Diana nicht Zeit gehabt hätte, auf die andere Rose einige Tropfen von einer Flüssigkeit fallen zu lassen, welche in einem goldenen Flacon enthalten war, das sie aus ihrem Busen zog.

Dann nahm sie die Rose, die der Prinz aufgehoben hatte, steckte sie an ihren Gürtel sprach:

»Diese ist für mich, tauschen wir.«

Und für die Rose, die sie aus den Händen den Prinzen empfing, reichte sie ihm den Strauß.

Der Prinz nahm ihn gierig, roch voll Entzücken daran und schlang seinen Arm um den Leib von Diana. Doch dieser wollüstige Druck brachte ohne Zweifel die Sinne von Franz vollends in Verwirrung, denn er wankte auf seinen Knieen und war genöthigt, sich auf eine Rasenbank zu setzen, die sich in seiner Nähe fand.

Henri verlor diese zwei Personen nicht aus dem Gesicht, und dennoch hatte er auch einen Blick für Remy, der im Pavillon das Ende dieser Scene abwartete oder vielmehr jeden Umstand zu verschlingen schien.

Als er sah, wie der Prinz wankte, trat er bis auf die Schwelle des Pavillon vor.

Diana aber, als sie Franz wanken fühlte, setzte sich zu ihm, auf die Bank.

Die Betäubung von Franz währte diesmal länger als das erste Mal, der Prinz hatte den Kopf auf die Brust gesenkt, er schien den Faden seiner Gedanken, und beinahe das Gefühl seinen Daseins verloren zu haben, dennoch deutete die krampfhafte Bewegung seiner Finger auf der Hand von Diana an, daß er aus Instinct seine Liebeschimäre verfolgte.

Endlich erhob er langsam den Kopf, als sich seine Lippen in der Höhe den Gesichtes von Diana fanden, machte er eine Anstrengung, um die seiner schönen Tischgenossin zu berühren, doch die junge Frau stand auf, als hätte sie diese Bewegung nicht gesehen.

»Ihr leidet, Monseigneur?« sagte sie, »es wäre besser, wir würden zurückkehren.«

»Oh! ja, kehren wir zurück!« rief der Prinz entzückt vor Freude, »ja, kommt, ich danke.«

Und er stand ganz schwankend auf; statt daß sich Diana auf seinen Arm stützte, war er es nun, der sich auf den Arm von Diana stützte, dadurch vermochte er bequemer zu gehen, und er schien Fieber und Betäubung zu vergessen; plötzlich sich aufrichtend, drückte er gleichsam durch Ueberrumpelung einen Kuß auf den Hals der jungen Frau.

Diese bebte, als ob sie, statt des Eindrucks einen Kusses, die Verwundung eines glühenden Eisens gefühlt hätte.

»Remy, ein Licht! Ein Licht!« rief sie.

Sogleich kehrte Remy in den Speisesaal zurück, zündete an den Kerzen auf dem Tische ein einzeln stehendes Licht an, das er von einem Guéridon nahm, näherte sich rasch, dieses Licht in der Hand, dem Eingang des Pavillon und rief:

»Hier, Madame.«

»Wohin geht Eure Hoheit?« fragte Diana, indem sie das Licht ergriff und den Kopf abwandte.

»Oh! zu mir! zu mir!… und nicht wahr, Ihr werdet mich führen, Madame?« erwiederte der Prinz voll Trunkenheit.

»Gern, Monseigneur,« antwortete Diana; und sie hob das Licht in die Höhe und schritt dem Prinzen voran.

Remy öffnete im Hintergrunde des Pavillon ein Fenster, durch das die Luft so gewaltig eindrang, daß die Kerze, welche Diana trug, wie wüthend ihre ganze Flamme und ihren ganzen Rauch Franz, der gerade im Luftzug stand, in das Gesicht trieb.

Die zwei Liebenden, Henri hielt sie für solche, kamen so, eine Gallerie durchschreitend, bis zum Zimmer des Herzogs und verschwanden hinter der Tapete mit den Lilien, welche ihm als Thürvorhang diente.

Henri hatte Alles, was vorgefallen war, mit wachsender Wuth gesehen, und dennoch war diese Wuth so, daß sie an die Vernichtung gränzte.

Es war, als bliebe ihm nur Kraft genug, um das Schicksal zu versuchen, das ihm eine so grausame Prüfung auferlegt hatte.

Er hatte sein Versteck verlassen und schickte sich, gelähmt, die Arme hängend, die Augen blicklos, an, halb todt nach seiner Wohnung im Schloß zurückzukehren, als sich plötzlich der Thürvorhang, hinter dem er Diana und den Prinzen hatte verschwinden sehen, wieder öffnete, die junge Frau in den Speisesaal stürzte und Remy, der unbeweglich dastand und nur ihre Rückkehr abzuwarten schien, mit den Worten:

»Komm, komm, Alles ist vorbei!« mit sich fortriß.

Und Beide eilten wie betrunken, verrückt oder wahnsinnig in den Garten.

Doch bei ihrem Anblick hatte Henri seine ganze Kraft wiedererlangt, er stürzte ihnen entgegen, sie fanden ihn plötzlich mitten in der Allee, aufrecht, die Arme gekreuzt schrecklicher in seinem Stillschweigen, als es irgend Einer in seinen Drohungen gewesen wäre. Henri war in der That zu jenem Grad von Verzweiflung gelangt, daß er Jeden getödtet hätte, dem es eingefallen wäre, zu behaupten, die Frauen seien nicht Ungeheuer, von der Hölle abgesandt, um die Welt zu beschmutzen.

Er faßte Diana beim Arm und hielt sie kurz zurück, trotz des Angstgeschreis, das sie austieß, trotz des Messers, welches ihm Remy so scharf auf die Brust setzte, daß es sein Fleisch verletzte.

»Oh! Ihr erkennt mich ohne Zweifel nicht,« sprach er mit einem furchtbaren Zähneknirschen, »ich bin jener Neuling, der Euch liebte, und dem Ihr nicht Liebe schenken wolltet, weil es für Euch keine Zukunft mehr, sondern nur eine Vergangenheit gab. Ah! schöne Heuchlerin, und Du, feiger Lügner, ich kenne Euch nun, ich kenne Euch und verfluche Euch; dem Einen sage ich: ich verachte Dich; dem Andern: ich verabscheue Dich.«

»Gebt Raum!« rief Remy mit erstickter Stimme, »gebt Raum, junger Narr… wenn nicht…«

»Es sei,« erwiederte Henri, »tödte meinen elenden Leib, da Du meine Seele getödtet hast.«

»Stille!« murmelte Remy wüthend, während er seine Klinge immer mehr eindrückte, so daß man schon das Eisen in der Brust den jungen Mannen hörte.

Doch Diana stieß heftig den Arm von Remy zurück, faßte den von Du Bouchage und stellte diesen sich gegenüber.

Sie war leichenbleich; ihre schönen Haare hingen steif auf ihre Schultern herab; als sie mit ihrer Hand das Faustgelenke von Henri berührte, durchdrang diesen eine Kälte, der einer Leiche ähnlich.

»Mein Herr,« sprach sie, »beurtheilt nicht vermessen die Dinge Gottes!… ich bin Diana von Méridor, die Geliebte von Herrn von Bussy, den der Herzog von Anjou auf eine elende Weise tödten ließ, als er ihn retten konnte. Vor acht Tagen hat Remy Aurilly, den Schuldgenossen des Prinzen, erdolcht, und was den Prinzen betrifft, so habe ich ihn so eben mit einer Frucht, mit einen Strauß und mit einem Lichte vergiftet. Platz! mein Herr, Platz für Diana von Méridor, welche auf der Stelle in das Kloster der Hospitaliterinnen geht.«

Sie sprach es, ließ den Arm von Henri los, und nahm wieder den von Remy, der auf sie wartete.

Henri fiel auf die Kniee und folgte, rückwärts geworfen, mit den Augen der furchtbaren Gruppe der Mörder, welche wie eine höllische Erscheinung in der Tiefe des Gebüsches verschwanden.

Erst eine Stunde nachher gelang es dem jungen Mann, der von der Anstrengung gelähmt, vom Schrecken niedergeworfen war, während sein Kopf in Flammen stand, wieder so viel Kräfte zusammenzuraffen, um sich bis zu seiner Wohnung zu schleppen; und auch dabei mußte er wohl mehr als zehnmal von Neuem anheben, um das Fenster zu erklettern. Er machte ein paar Schritte im Zimmer, schwankte und fiel auf sein Bett.

Alles schlief im Schloß.

Einundzwanzigstes Kapitel
Verhängniß

Am andern Tag, gegen neun Uhr, bestreute eine schöne Sonne die sandigen Alleen von Château-Thierry mit Gold.

Zahlreiche, am Tage vorher bestellte Arbeiter hatten mit Tagesanbruch die Ausschmückung des Parkes und der für den Empfang des Königs, den man erwartete, bestimmten Gemächer begonnen.

Nichts rührte sich noch in dem Pavillon, wo der Herzog ruhte, denn er hatte am Abend seinen zwei alten Dienern ihn zu wecken verboten. Sie sollten warten, bis er riefe.

Gegen neun Uhr sprengten zwei Couriere mit verhängten Zügeln in die Stadt und verkündeten die nahe bevorstehende Ankunft Seiner Majestät.

Die Schöppen, der Gouverneur und die Garnison stellten sich auf, um auf dem Weg, auf dem der Zug kommen sollte, Spaliere zu machen.

Um zehn erschien der König unten am Hügel. Er ritt seit dem letzten Relai. Es war dies eine Gelegenheit, die er stets und hauptsächlich bei seinem Einzug in die Städte ergriff, da er sich mit Recht für einen schönen Reiter halten durfte.

Die Königin Mutter folgte ihm in einer Sänfte; fünfzig Edelleute bildeten, gut beritten und reich gekleidet, ihren Cortège.

Eine Compagnie Leibwachen, befehligt von Crillon selbst, hundert und zwanzig Schweizer, eben so viele Schottländer, unter der Anführung von Larchant, und das ganze Haus der Vergnügungen des Königs, Maulthiere, Bedientenvolk aller Art, bildeten ein Heer, dessen Reihen den pittoresken Krümmungen der Landstraße folgten, welche vom Fluß zum Gipfel den Hügeln aufsteigt.

Endlich kam der Cortège in die Stadt unter dem Läuten der Glocken, dem Donner der Kanonen, dem Klange der Musiken aller Art.

Der Jubel der Einwohner war groß; der König war in jener Zeit so selten, daß er, von Nahem gesehen, noch einen Reflex der Gottheit zu haben schien.

Vergebens suchte der König, während er durch die Menge ritt, seinen Bruder. Er fand nur Henri Du Bouchage am Gitter des Schlosses.

Sobald Heinrich III. im Innern war, erkundigte er sich nach der Gesundheit den Herzogs von Anjou bei dem Officier, der es übernommen hatte, Seine Majestät zu empfangen.

»Sire,« antwortete dieser, »Seine Hoheit bewohnt seit einiger Zeit den Pavillon im Park, und wir haben sie diesen Morgen noch nicht gesehen. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß sie sich wohl befindet, da sie sich gestern wohl befunden hat.«

»Das ist ein sehr abgelegener Ort, dieser Pavillon im Park, wie es scheint, da man die Kanonen dort nicht hört?« fragte Heinrich unzufrieden.

»Sire,« wagte einer von den Dienern den Herzogs zu bemerken, »Ihre Hoheit erwartete vielleicht Eure Majestät nicht so bald.«

»Alter Narr,« brummte Heinrich, »glaubst Du denn, ein König komme nur so zu den Leuten, ohne sie zuvor zu benachrichtigen? Der Herr Herzog von Anjou weiß meine Ankunft seit gestern.«

Dann, als befürchtete er, alle diese Leute durch eine sorgliche Miene traurig zu machen, rief Heinrich, der sanft und gut auf Kosten von Franz erscheinen wollte:

»Da er uns nicht entgegen kommt, gehen wir ihm entgegen.«

»Zeigt uns den Weg,« sagte Catharina aus ihrer Sänfte heraus.

Die ganze Escorte schlug den Weg nach dem alten Parke ein.

In dem Augenblick, wo die ersten Leibwachen zu den Hagebuchen gelangten, durchdrang ein düsterer, herzzerreißender Schrei die Lüfte.

»Was ist das?« fragte der König, sich gegen seine Mutter umwendend.

»Mein Gott!« flüsterte Catharina, welche auf allen Gesichtern zu lesen suchte, »das ist ein Schrei der Angst oder der Verzweiflung.«

»Mein Prinz! mein armer Herzog!« rief der andere alte Diener von Franz, der mit allen Zeichen den heftigsten Schmerzes an einem Fenster erschien.

Alle eilten nach dem Pavillon, der König durch die Anderen fortgerissen.

Er kam in dem Augenblick dahin, wo man den Körper des Herzogs von Anjou aufhob, den sein Kammerdiener, welcher ohne Befehl eingetreten war, um die Ankunft des Könige zu melden, auf dem Boden seines Schlafzimmers liegend gefunden hatte.

Der Prinz war kalt, steif, und gab kein anderes Lebenszeichen als eine seltsame Bewegung der Augenlider und ein verzerrendes Zusammenziehen der Lippen von sich.

Der König blieb auf der Schwelle stehen und Jedermann hinter ihm.

»Das ist ein abscheuliches Vorzeichen!« murmelte er.

»Ich bitte, entfernt Euch, mein Sohn,« sagte Catharina zu ihm.

»Der arme Franz!« sprach Heinrich, glücklich, entlassen zu sein und auf dieses Art das Schauspiel dieses Todeskampfes zu vermeiden.

Alles Volk entströmte nach dem König.

»Seltsam! Seltsam!« murmelte Catharina, welche ohne eine andere Gesellschaft, als die der beiden Diener, bei dem Prinzen oder vielmehr bei dem Leichnam kniete; und während man in der ganzen Stadt umherlief, um den Arzt des Prinzen zu finden, und ein Courier nach Paris eilte, um die Ankunft der Aerzte des Königs zu beschleunigen, welche in Meaux bei der Königin geblieben waren, untersuchte sie, allerdings mit weniger Wissenschaft, aber nicht mit weniger Scharfsichtigkeit, als es Miron selbst hätte thun können, die Anzeichen dieser seltsamen Krankheit, der ihr Sohn unterlag.

Sie hatte Erfahrung, die Florentinerin; sie befragte auch vor Allem, kalt und ohne sie in Verwirrung zu bringen, die zwei Diener, die sich in ihrer Verzweiflung die Haare ausrauften und das Gesicht zerschlugen.

Beide antworteten, der Prinz sei in der Nacht nach Hause gekommen, nachdem ihn zu sehr ungelegener Zeit Herr Henri Du Bouchage, der im Auftrag des Könige erschienen, gestört habe.

Dann fügten sie bei, nach dieser im großen Schloß ertheilten Audienz habe der Prinz ein kostbares Abendbrod bestellt, befohlen, daß sich Niemand, ohne gerufen zu werden, im Pavillon einfinden solle, endlich auf das Bestimmteste eingeschärft, daß ihn am Morgen Niemand wecken und daß Niemand bei ihm eintreten dürfe, ehe er ein Zeichen hierzu gegeben habe.

»Er erwartete ohne Zweifel irgend eine Geliebte?« fragte die Königin Mutter.

»Wir glauben das, Madame,« antworteten demüthig die Diener, »doch die Discretion hat uns abgehalten, uns Gewißheit hierüber zu verschaffen.«

»Beim Abtragen mußtet Ihr doch bemerken, ob mein Sohn allein zu Nacht gespeist hat?«

»Wir haben noch nicht abgetragen, Madame, da Monseigneur ausdrücklich befahl, daß Niemand in den Pavillon eintreten dürfe.«

»Gut,« sagte Catharina, »es ist also Niemand hierher gekommen?«

»Niemand, Madame.«

»Entfernt Euch.«

Diesmal blieb Catharina allein.

Sie ließ den Prinzen auf dem Bett, wie man ihn gelegt hatte, und begann eine ängstliche Untersuchung jedes der Symptome oder jeder der Spuren, welche sich ihren Augen als das Resultat ihren Argwohns oder ihrer Befürchtungen zeigten.

Sie sah die Stirne von Franz von einer schwarzbraunen Farbe überzogen, seine Augen blutig und blau umkreist, und erblickte auf seinen Lippen eine Furche, der ähnlich welche brennender Schwefel auf lebendigem Fleisch hervorbringt.

Sie beobachtete dasselbe Zeichen an den Nasenlöchern und auf den Nasenflügeln.

»Wir wollen doch sehen,« sagte sie, rings umherschauend.

Und das Erste, was sie erblickte, war der Leuchter, in welchem sich die ganze, am Abend vorher von Remy angezündete Kerze verzehrt hatte.

»Diese Kerze hat lange gebrannt,« sagte sie, »Franz war also lang in diesem Zimmer. Ah! hier ist ein Strauß auf dem Boden.«

Catharina griff hastig darnach und murmelte, als sie bemerkte, daß alle diese Blumen, mit Ausnahme einer einzigen, welche geschwärzt vertrocknet, noch frisch waren:

»Was ist das? was hat man auf die Blätter dieser Blume gegossen! … Mir scheint, ich kenne eine Flüssigkeit, welche die Rosen so vertrocknen macht.«

Schauernd warf sie den Strauß von sich.

»Das würde mir die Nasenlöcher und die Auflösung den Fleisches auf der Stirne erklären; doch die Lippen?«

Catharina lief in den Speisesaal, die Bedienten hatten nicht gelogen, nichts war seit dem Ende des Mahles berührt worden.

Eine auf dem Rande der Tafel liegende Hälfte eines Pfirsich, dem ein Halbkreis von Zähnen eingedrückt war, fesselte besonders die Aufmerksamkeit von Catharina.

Diese Frucht, so frischroth im Herzen, war geschwätzt wie die Rose und hatte im Innern marmorartig violette und braune Flecken. Die zerfressende Thätigkeit zeichnete sich besonders auf der Schnitte an der Stelle aus, wo das Messer hatte durchkommen müssen.

»Das ist für die Lippen,« sagte sie, »doch Franz hat nur einen Biß in diese Frucht gethan. Er hat diesen Strauß, dessen Blumen noch frisch sind, nicht lange in seiner Hand gehalten, das Uebel ist nicht ohne Gegenmittel, das Gift kann nicht tief eingedrungen sein.

»Doch wenn es nur oberflächlich gewirkt hat, warum diese völlige Lähmung und diese so vorgerückte Arbeit der Zersetzung? Ich muß nicht Alles gesehen haben.«

Während Catharina diese Worte sprach, ließ sie ihre Augen abermals umherlaufen und sah an seinem Stabe von Rosenholz, durch seine goldene Kette gehalten, den roth und blauen Lieblingspapagei von Franz hängen.

Der Vogel war todt, steif, seine Flügel waren gesträubt.

Catharina schaute ängstlich nach dem Lichte zurück, mit dem sie sich schon einmal beschäftigt hatte, um sich durch sein gänzliches Verbrennen zu versichern, daß der Prinz frühzeitig in sein Gemach zurückgekehrt war.

»Der Rauch!« sagte Catharina zu sich selbst, »der Rauch, der Docht der Kerze war vergiftet, mein Sohn ist todt.«

Sogleich rief sie. Das Zimmer füllte sich mit Dienern und Officieren.

»Miron! Miron!« sagten die Einen.

»Einen Priester!« sagten die Andern.

Doch während dieser Zeit hielt die Königin Mutter an die Lippen von Franz einen von den Flacons, welchen sie beständig in ihrer Tasche trug, und beobachtete dir Züge ihren Sohnes, um die Wirkung den Gegengiftes zu beurtheilen.

Der Herzog öffnete noch einmal die Augen den Mund, doch in seinen Augen glänzte kein Blick mehr, in seine Kehle stieg die Stimme nicht mehr empor.

Düster und stumm entfernte sich Catharina aus dem Zimmer, wobei sie den zwei Dienern ein Zeichen machte, daß sie ihr folgten, ehe sie mit irgend Jemand gesprochen hätten.

Sie führte sie sodann in einen andern Pavillon, wo sie sich, den einen und den andern unter ihrem Blicke haltend, niedersetzte.

»Der Herr Herzog von Anjou,« sagte sie, »ist in seinem Abendbrod vergiftet worden; Ihr habt ihm dieses Abendbrod servirt.«

Bei diesen Worten sah man Totenblässe das Gesicht der zwei Männer überströmen.

»Man foltere uns,« sagten sie, »man tödte uns, aber man beschuldige uns nicht.«

»Ihr seid Dummköpfe; glaubt Ihr, wenn ich einen Verdacht gegen Euch hätte, die Sache wäre nicht schon abgemacht? Ich weiß wohl, Ihr habt Euren Herrn nicht ermordet, doch Andere haben es gethan, und ich muß die Mörder kennen. Wer ist in den Pavillon gekommen?«

»Ein elend gekleideter alter Mann, den der Herzog seit zwei Tagen empfing.«

»Aber…die Frau?«

»Wir haben sie nicht gesehen… Welche Frau meint Eure Majestät?«

»Es ist eine Frau da gewesen, welche einen Strauß gemacht hat.«

Die zwei Diener schauten sich mit solcher Einfalt an, daß Catharina ihre Unschuld mit einem einzigen Blicke erkannte.

»Man hole mir den Gouverneur der Stadt und den Gouverneur des Schlosses, ,« sagte sie.

Die zwei Diener stürzten nach der Thüre.

»Wartet einen Augenblick!« rief Catharina, welche diese Leute mit diesem einzigen Wort gleichsam auf die Schwelle nagelte. »Nur Ihr allein und ich, nur wir wissen, was ich Euch gesagt habe; ich werde es nicht sagen; wenn es Jemand erfährt, so erfährt er es durch einen von Euch; an diesem Tage sterbt Ihr Beide.«

Catharina befragte die zwei Gouverneure weniger offen. Sie sagte ihn nur, der Herzog habe von einer gewissen Person eine schlimme Kunde erhalten, die ihn tief ergriffen, dies sei die Ursache seines Uebels, wenn man die Personen abermals befragte, würde sich der Herzog vielleicht von seiner Erschütterung erholen.

Die Gouverneure ließen die Stadt, den Park, die Umgegend durchforschen, Niemand wußte, was aus Remy und Diana geworden.

Henri allein kannte das Geheimniß, doch es war keine Gefahr, daß er es enthüllte.

Gedeutet, übertrieben, verstümmelt, durchlief die gräßliche Nachricht den ganzen Tag Château-Thierry und die Provinz; Jeder erklärte je nach seinem Charakter und seinem Sinn den Unfall, der dem Herzog widerfahren war.

Doch Niemand, mit Ausnahme von Catharina und Du Bouchage, gestand sich, daß der Herzog ein todter Mann war.

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