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Kitabı oku: «Die Mohicaner von Paris», sayfa 86

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»Dieser litt am meisten, da er stillschweigend und ohne sich zu beklagen litt.«

Und wie ein Vater, der ein blindes Kind leitet und lenkt, leitete und lenkte der Abbé dennoch allmählich den Schmerz des Greises auf den Weg der Resignation.

Wir haben gesagt, diese moralische Wiedergenesung, in welche Dominique den Vater von Colombau eintreten machte, habe ungefähr einen Monat gedauert.

Man war zur Mitte des Märzes gekommen, als eines Morgens vor der Stunde, wo der Graf beim Abbé Dominique zu erscheinen pflegte, der Abbé Dominique beim Grafen erschien.

Er hielt einen Brief in der Hand, und seine Stirne hatte einen zugleich freudigen und besorgten Ausdruck.

»Herr Graf,« sagte er, »so lange mich nichts Gebieterisches nach Paris zurückrief, bin ich hier bei Ihnen geblieben; heute aber muß ich Sie verlassen.«

»Schlechterdings?« fragte der Graf.

»Hier ist ein Brief von meinem Vater, der mir mittheilt, er komme in Paris an, und seit fast acht Jahren habe ich meinen Vater nicht gesehen.«

»Ihr Vater, Dominique, ist ein glücklicher Mann, daß er einen solchen Sohn hat. Reisen Sie, mein Freund, ich halte Sie nicht zurück.«

Doch das Datum seines Briefes und die wahrscheinliche Ankunft seines Vaters in Paris berechnend, gab der Abbé dem Grafen noch vier und zwanzig Stunden, und man kam überein, Dominique sollte erst am folgenden Tage abreisen.

Der Tag war, was die anderen Tage gewesen waren, mit einer Verdoppelung von Traurigkeit mehr.

Man brachte den letzten Abend im Zimmer von Colombau zu.

Es wurde die Revue von Allem dem gemacht, was in diesem Monat, den der Vater ins Unendliche hätte verlängern mögen, gesagt worden war.

Der Graf bat Dominique inständig, sobald ihn seine Pflichten nicht mehr in Paris zurückhalten, wiederzukommen. Der Abbé Dominique machte sich hierzu von ganzem Herzen verbindlich. Er versprach ihm überdies, mit ihm sogleich bei seiner Ankunft in Paris einen Briefwechsel zu eröffnen, welcher eben so kostbar für den Vater als für den Freund sein sollte.

Sie sprachen so mit einander bis tief in die Nacht hinein, ohne nach der Stunde zu schauen und ohne sich darum zu bekümmern.

Dominique erzählte aufs Neue und wohl zum zehnten Male dem Grafen von Penhoël, unter welchen Umständen er seinen Sohn hatte kennen lernen. Er gab ihm eine ins Einzelne gehende Mittheilung der geringsten Vorfälle seines Lebens in Paris; sodann, als er vom Grafen immer gedrängt, weiter zu gehen, zur Hauptsache vom Tode des jungen Mannes kam, hielt er zögernd inne.

»Fahren Sie fort,« sagte der Graf.

Doch mit dem Vater von dieser Frau sprechen, die den Tod seines Sohnes verursacht hatte, das war ein Gegenstand, den er bis dahin noch nicht in Angriff genommen; es wäre sogar, sollte dieser Vater es fordern, eine furchtbare Pflicht, die er zu erfüllen hätte, Es war also ganz natürlich, daß das Wort aus den Lippen von Dominique stillstand.

»Fahren Sie fort,« wiederholte der Graf mit Festigkeit.

»Sie wollen, daß ich von ihr rede?« fragte der Priester.

»Ja!.. Wer ist das Mädchen, das er liebte?«

»Eine Heilige, so lange er gelebt hat, eine Märtyrerin, seitdem er todt ist!«

»Sie haben sie gekannt, mein Freund?«

»Wie ich Colombau gekannt hatte.«

Und nun erzählte er ihm die Pietät von Carmelite für ihre Mutter; wie, als die Mutter ohne Beichte gestorben, man ihn geholt habe, damit man sie nicht ohne Gebete begrabe; wie Colombau Carmelite bei dieser Todtenwache habe kennen lernen. Dann erzählte er die Ankunft von Camille, das Leben der drei Freunde, die Abreise von Colombau, seine Rückkehr, die Abreise von Camille, das lange Warten von Carmelite, die Liebe der zwei jungen Leute während dieser Abwesenheit, den die Rückkehr des Creolen ankündigenden Brief, und endlich die entsetzliche Katastrophe, bei der der Eine unterlag und die Andere fortlebte.

Der Graf hörte diese ganze Erzählung unbeweglich, die Hände gekreuzt, den Kopf zurückgelehnt, die Augen aus den Plafond geheftet. Zuweilen durchfurchte eine stille, verborgene Thräne die Wangen des Greises.

Als Dominique geendigt hatte, rief er:

»Sie wären so glücklich bei mir in diesem alten Thurme von Penhoël gewesen!«

Dann fügte er mit einem Seufzer bei:

»Und ich, ich wäre so glücklich bei ihnen gewesen!«

»Herr Graf,« sagte Dominique, als er den Greis in dieser Stimmung des Geistes oder vielmehr des Herzens sah, »werde ich der unglücklichen Carmelite nicht die Verzeihung des Vaters von Colombau bringen?«

Der Graf bebte und schien einen Augenblick zu zögern.

Dann sprach er mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke des Gebetes, die Hände zum Himmel erhebend:

»Gott vergebe diesem Mädchen, wie ich ihm vergebe!«

Nachdem er diese Worte gesprochen, stand er aus und ging mit dem festen, regelmäßigen Schritte, der bei ihm Gewohnheit war, auf seinen Secretär zu.

Das Zimmer, in welchem eine einzige Lampe, die dem Erlöschen nahe, brannte, war dunkel. Er tappte einen Augenblick herum, um den Schlüssel zu finden, fand ihn, schlug die Klappe des Secretärs nieder, öffnete eine Schublade und steckte die Hand hinein mit der Sicherheit eines Mannes, welcher weiß, wo er aus den ersten Griff finden muß, was er sucht.

Er zog ein mit Seidenpapier umwickeltes Päckchen heraus.

Alsdann näherte er sich dem Abbé und zugleich der Lampe.

Der Abbé reichte ihm die Hand.

»Dank! Dank, daß Sie der armen Frau vergeben haben. Ihre Vergebung ist das Leben der Unglücklichen!«

»Mein Vater,« erwiderte der Greis, »es ist damit nicht genug, daß ich ihr vergebe, und ich denke mit Schrecken an ihre Verzweiflung, daß sie ihn überlebt hat. Ich beklage sie von ganzer Seele, und ich gelobe, so oft ich für ihn bete, zugleich auch für sie zu beten. Als Unterpfand der Erinnerung an die Frau, die mein Sohn gewählt hatte, gebe ich ihr endlich den einzigen Schatz, der mir in dieser Welt bleibt: das ist die blonde Haarlocke, welche seine Mutter am Tage seiner Geburt von seinem Kopfe geschnitten hat.«

Bei diesen Worten öffnete er das Papier, nahm eine Feder und schrieb aus das Papier folgende paar Worte:

»Vergebung und Segen der Frau, die mein Colombau geliebt hat.«

Und er unterzeichnete:

»Graf von Penhoël.«

Dann hob er die Haarlocke zu seinen Lippen empor, küßte sie lang und zärtlich, und reichte das Papier dem Mönche.

Dominique weinte und versuchte es nicht einmal, seine Thränen zu verbergen; denn es waren nicht mehr Thränen des Schmerzes, es waren Thränen der Bewunderung, die er vergoß.

Er bewunderte die Größe dieses Vaters, der sich seiner kostbarsten Reliquie zu Gunsten der Frau beraubte, die den Tod seines Sohnes verursacht hatte.

Und am andern Morgen, – nachdem sie bei Sonnenausgang dem Grabe von Colombau einen Besuch gemacht hatten, – umarmten sich die zwei Freunde und sagten sich auf Wiedersehen, ohne zu wissen, es sollten so entsetzliche Ereignisse zwischen ihnen vorgehen, daß sie sich nur im Himmel wiedersehen würden.

CXLVIII
Der Engel des Trostes

Lassen wir den alten Grafen mit gebeugtem Haupte vor dem Grabe seines Sohnes sitzen und kehren wir zu der armen Verzweifelten zurück, die man Carmelite nennt.

Die Wohnung, die sie in der Rue de Tournon inne hatte, bestand aus drei Zimmern wie ihre Wohnung in der Rue Saint-Jacques. Sie war, wie wir erwähnt haben, durch die Sorge ihrer drei Freundinnen: Regina, Frau von Marande und Fragola, meublirt und ausgeschmückt worden; diejenige aber, welche, – vielleicht genauer als die Andern mit dem Charakter von Carmelite bekannt, – dem Ganzen den Ton gegeben und besonders bei der Anordnung des Schlafzimmers präsidiert hatte, war Fragola.

In dieses Schlafzimmer waren übrigens alle Gegenstände gekommen, mit denen der Pavillon von Colombau meublirt gewesen war: besonders das Klavier, wo er und Carmelite jene letzte Symphonie gesungen hatten, – der Schwanengesang, der den Tod der zwei Liebenden prophezeien sollte, jedoch nur den Tod von einem Einzigen prophezeit hatte.

Die zwei Freundinnen von Carmelite, Regina und Frau von Marande, wollten sich diesem vollständigen Uebergange der Meubles von Colombau in das Zimmer von Carmelite widersetzen, doch Fragola begriff ihre Befürchtungen und beharrte daraus.

»Ja, allerdings, meine Schwestern,« sagte sie, »handelte es sich um eine Andere als Carmelite, so wäre das, was ich von Euch zu thun verlange, und was ich trotz Eurer Einwendungen thun werde, eine Unklugheit, vielleicht sogar eine Grausamkeit. Eine Frau, welche Colombau mit einer gewöhnlichen Liebe geliebt hätte, würde Anfangs einen gewissen Trost darin gesunden haben, unter den Erinnerungen dieser Liebe zu leben; allmählich aber, und sowie die Zeit verlaufen wäre, und die Vergessenheit wäre aus die Oberfläche ihres Schmerzes emporgestiegen, wären diese Gegenstände, statt für sie ein Motiv des Trostes zu sein, ein Motiv des Ueberdrusses, sodann der Ermüdung geworden, und eines Tags endlich, wenn sie völlig von dieser Liebe geheilt gewesen wäre, vielleicht ein Motiv des Vorwurfs. Doch seid unbesorgt, meine Schwestern, ich kenne Carmelite, und es ist bei ihr nicht so: ihr Schmerz wird ewig währen wie ihre Liebe, und dieses Zimmer wird ein Tabernakel werden, wo, wie in einer heiligen Arche, die Erinnerung an Colombau leben wird. Machen wir es also, wie ich Euch sage, und in zehn Jahren wird Euch Carmelite, wie heute, danken.«

Man gab Fragola Vollmacht in Betreff des Schlafzimmers, und das Mädchen seinerseits ließ alle Freiheit seinen Gefährtinnen bei den andern Zimmern.

Statt der Vorhänge mit den lebhaften Farben, statt des buntscheckigen Tapetenwerks, womit Camille die Wände des kleinen Hauses in Meudon bedeckt hatte, drapierte Fragola sodann Alles mit einer strengen Einfachheit; das war das Haus mit den braunen, düsteren Nuancen einer Witwe, und nicht die heitere, singende Wohnung eines Mädchens. Carmelite fühlte sich bei ihrem Eintritte von einem unbeschreiblich melancholischen Eindrucke ergriffen, bei dem es ihrem Herzen so behaglich wurde, als es, in einer entgegengesetzten Sphäre, dem von Rose-de-Noël, da sie ihren Hundestall der Rue de Triperet mit ihrem Paradiese in der Rue d’Ulm vertauschte, gewesen war.

In dem Augenblicke, wo dieses Kapitel beginnt, lag Carmelite, immer bleich, – sie sollte diese Blässe bis zum Tode behalten, – noch schwach, auf einer langen Causeuse ausgestreckt und betrachtete mit Augen, in denen sich eine unbeschreibliche Schwermuth malte, eine junge Frau, welche bei ihr aus einem ziemlich hohen Polster saß und ihr vollends eine düstere Geschichte erzählte.

Diese junge Frau war Fragola.

Man erinnert sich, daß das reizende Kind Salvator um die Erlaubniß gebeten hatte, nichts für Carmelite geheim halten zu dürfen, und daß Salvator diese Erlaubniß gegeben hatte.

Mit dem Verstande des Herzens, der sich fast bis zum Genie erhebt, sagte Fragola sich selbst:

»Carmelite wird vielleicht im Körper genesen, doch sie wird sicherlich nie in der Seele genesen. Es soll eine neue Wissenschaft geben, die man Homöopathie nennt; diese Wissenschaft ist die Kunst, durch ähnliche Leiden zu curiren. Nun wohl, erzähle ich Carmelite eine Geschichte, welche noch trauriger als die ihrige, so ist es möglich, daß Carmelite. – dieses Goldherz, diese Engelsseele, sie, die fähig ist. Alles zu begreifen und zu fühlen, – aufhört, Thränen zu vergießen, wenn ich ihr sage: ›Meine Schwester, es ist genug geweint; meine Schwester, es ist genug gelitten. Vergießest Du alle Deine Thränen, über Deine eigenen Uebel, was wird Dir für die Schmerzen der Anderen bleiben? Glaubst Du denn, Du seist die einzige Trostlose aus Erden gewesen? Weißt Du nicht, daß es so tiefes Elend gibt, daß Dein Auge sich, dem Schwindel preisgegeben, bevor Du es sondiert hättest, schließen würde? Und ich, die ich mit Dir rede, habe Gesichter gekannt, welche die Thränen ausgehöhlt haben, wie die Waldbäche Schluchten aushöhlen. Doch ich kenne auch muthige Seelen in schwachen Körpern, welche, statt zu weinen, die Thränen der Andern getrocknet haben; welche, statt zu sterben, gekämpft haben!‹

Und da hatte die arme mit achtzehn Jahren so hart geprüfte Fragola Carmelite ihr eigenes Leben erzählt, das heißt ein Leben der Leiden, ohne Ruhe und Rast, das sich jedoch völlig verändert an dem Tage, wo sie im reizenden Haken der Rue Mâvon, unter dem Hauche der Liebe von Salvator eingelaufen.

Wir werden vielleicht eines Tags dieses Leben erzählen; doch wann? doch wie? wir wissen es jetzt nicht, vertieft, wie wir sind, in die Serie von Ereignissen, welche den Knoten unseres Buches bildet.

Carmelite hatte zugehört, geweint, geschauert; dann hatte sie unter dem Gewichte eines tiefen Eindruckes gesagt:

»Oh! theure Schwester, Du bist auch hart vom Schmerze geprüft worden. Umarme mich und laß uns die Thränen unserer Jugend vermengen, wie wir die Freuden unserer Kindheit vermengt haben.«

Da stürzte Fragola in die Arme ihrer Freundin, und so, eng verschlungen, die schwarzen Haare von Carmelite mit den blonden Haaren von Fragola vermischt, die bleichen Lippen der Einen an die Purpurlippen der Andern geklebt, athmeten sie in einem langen Kusse ihre gemeinschaftlichen Schmerzen ein, und der Engel des Trostes breitete seine weißen Flügel über ihren Häuptern aus.

Dann sprach Carmelite, welche in sich selbst hinabgestiegen war, nach einem langen Stillschweigen:

»Du hast Recht, Fragola, es ist das Eigenthümliche der schwachen Seelen, daß sie sich vom Schmerze besiegen lassen. Durch den Schmerz werden im Gegentheile die Herzen wie das Deinige geläutert und wiedergeboren. Dank Dir, meine Schwester, für Deine heilsame Lehre! Von dieser Stunde an werde ich Dein Beispiel befolgen, und wie Du durch die Liebe vom Tode errettet worden bist, so will ich von der Hand der Arbeit geführt ins Leben zurückkehren. Eines Tags sagte er mir, ich sei zu einer großen Künstlerin geboren. Er soll sich nicht getäuscht haben: der Mund meines Colombau konnte nicht lügen . . . Ich werde diese große Künstlerin werden, Fragola. Man sagt, es bedürfe oft eines großen Schmerzes, um ein großes Genie zu machen: an großen Schmerzen hat es mir nicht gefehlt. Gott sei Dank; sein Wille geschehe! Ich werde von der Kunst ihre Geheimnisvollen und erhabenen Tröstungen verlangen. Bekümmere Dich also nicht mehr um mein Leben, theure Schwester meiner Seele! Ich werde an Dich denken, und ich werde stark sein; ich werde an ihn denken, und ich werde groß sein.«

»Gut, Carmelite!« erwiderte Fragola, »und sei überzeugt, daß Dir Gott einst den Ruhm bewilligen wird, wenn nicht das Glück!«

In dem Augenblicke, wo Fragola diese Worte vollendete, hörte man an der Thüre klingeln.

Bei diesem Geräusche, das indessen durchaus nichts Beunruhigendes hatte, vermehrte sich die Blässe von Carmelite dergestalt, daß Fragola im Glauben, ihre Freundin sei im Begrifft, in Ohnmacht zu fallen, einen Schmerzensschrei ausstieß.

»Was hast Du denn?« fragte sie.

»Ich weiß es nicht,« erwiderte Carmelite, »doch es hat mich eine seltsame Empfindung ergriffen.«

»Wo?«

»Im Herzen.«

»Carmelite . . . «

»Höre, entweder werde ich wahnsinnig, oder die Person, welche geklingelt hat, bringt mir Nachrichten von Colombau.«

Die Kammerjungfer von Carmelite trat ein.

»Will Madame einen Priester empfangen, der von Bretagne kommt?«

»Der Abbé Dominique!« rief Carmelite.

»In der That, Madame, er ist es; nur hatte er mir verboten, seinen Namen zu sagen, aus Furcht, dieser Name könnte einen zu peinlichen Eindruck aus Madame machen.«

Die Stirne von Carmelite bedeckte sich mit einem kalten Schweiße. Sie preßte krampfhaft die Hand von Fragola.

»Nun,« fragte sie, »was sagte ich Dir?«

»Erhole Dich, Carmelite,« erwiderte Fragola, indem sie ihr mit ihrem Taschentuche über die Stirne strich; »erhole Dich, meine Schwester. Wirst Du so wiedergeboren? Du erbleichst beim ersten Kampfe; und welche süßere Prüfung konnte Dich die Vorsehung erdulden lassen, als die, daß sie Dir diesen Freund der Vergangenheit sandte?«

»Du hast Recht, Fragola,« sprach Carmelite; »doch schau mich nun an: ich bin stark.«

Sodann sich gegen ihre Kammerfrau umwendend:

»Lassen Sie Herrn Dominique eintreten.«

Der Abbé trat ein.

Es wäre ein herrliches Bild für einen Maler zu machen gewesen, der den Ausdruck dieser drei Gestalten hätte erfassen können: das Bild des Priesters aus der Thürschwelle, wie er zum Zeichen des Segens die Hand über diese zwei Mädchen ausstreckte, welche einander im Arme hatten.

»Seien Sie gegrüßt, meine Schwestern!« sagte der Mönch, indem er sich an die zwei Mädchen wandte, dabei sich aber ganz besonders vor Carmelite mit der Ehrfurcht verbeugte, die man für eine Witwe hat.

Die zwei Mädchen grüßten ebenfalls, Fragola, indem sie aufstand, Carmelite, indem sie den Kopf neigte, denn ihr armer Körper war so schwach, daß sie nicht daran denken durste, sich vor einigen Tagen aufrecht zu halten.

Fragola rückte einen Lehnstuhl gegen den Abbé.

Er dankte Fragola mit dem Kopfe nickend, stützte nur eine von seinen Händen aus die Lehne, ohne sich zu setzen, und sprach:

»Meine Schwestern, ich komme von einer langen und schmerzlichen Pilgerfahrt: ich kehre vom Schlosse Penhoël zurück.«

Bei diesen Worten bedeckten sich die Wangen von Carmelite mit einer solchen Blässe, daß Fragola. welche stand, vor ihr aus die Kniee fiel, ihre Hände in den ihrigen drückte und zu ihr sagte:

»Meine Schwester, erinnere Dich Deines Versprechens.«

»Vom Schlosse Penhoël,« murmelte Carmelite; »also haben Sie den Grafen gesehen?«

»Ja, meine Schwester.«

»Oh! unglücklicher, unglücklicher Vater!« rief Carmelite, denn sie begriff wohl, es habe für ein anderes Herz einen Schmerz so groß als der ihrige, wenn nicht noch größer, geben müssen.

Der Priester errieth Alles, was in der Seele des Mädchens vor sich ging, und welchen Bangigkeiten diese Seele preisgegeben sein mußte.

»Der Graf von Penhoël,« sagte er, »ist ein würdiger und edler Vater. Er beklagt Sie, meine Schwester, und ich bringe Ihnen seinen Segen.«

Carmelite stieß einen Schrei aus; sie hatte Kraft genug, um aufzustehen, und aus ihre Kniee gleitend, befand sie sich zu den Füßen des Abbé Dominique.

»Ah! mein Vater! mein Vater!« sprach sie,n Thränen zerfließend, »er hat mich also nicht verflucht . . . «

Sie konnte nicht mehr sagen: ihre Augen schlossen sich, ihr Gesicht wurde weiß wie Alabaster, ihre Arme streckten sich aus die Kissen des Lehnstuhls aus. sie ließ ihren Kopf aus ihre Arme sinken, und mit einem Seufzer, der wie der letzte klang, schien das Leben aus dieser schwachen Hülle zu entfliehen.

»Mein Gott!« sprach mit frommem Tone der Mönch, als er das leblose Gesicht des Mädchens sah. »willst Du aus Deinem Diener einen neuen Todesboten machen?«

Fragola hatte bei der Hand alle Salze, deren sie sich bei solchen Umständen bediente, denn die Ohnmachten von Carmelite waren häufig. Sie ließ sie Salze einathmen; sodann, als sie sah, daß dieselben ungenügend waren, rieb sie ihre Schläfe mit Essig.

Die Ohnmacht blieb beharrlich, und nichts deutete an, Carmelite sollte wieder zu sich kommen.

Fragola ging an den Tisch; sie nahm hier einen Flacon, dessen sie sich bei den verzweifelten Fällen bediente. Es war Essigsäure, mit der sie die Brust ihrer Freundin einzureiben pflegte, wenn die Ohnmachten aus eine beunruhigende Art fortwährten.

»Mein Vater,« sprach sie zu dem Mönche, »würden Sie wohl die Güte haben, in daß anstoßende Zimmer zu gehen?«

»Ich entferne mich, meine Schwester,« erwiderte Dominique. »Ich werde selbst zu Hause erwartet. und um eine Pflicht zu erfüllen, die ich für heilig erachtete, bin ich zuerst hierher gekommen. Sie möge mir verzeihen, daß ich ihr mit so wenig Schonung die Worte des Vaters meines Freundes überbracht habe.«

Hiernach legte er in ihre Hand die Reliquie, welche er vom Grafen von Penhoël empfangen hatte, und deren ganzen Werth er Fragola mit ein paar Worten erklärte, und er ging ab, das Mädchen ihrer frommen Sorge überlassend.

Einige Reibungen genügten, um das Leben wieder in diesen unbeweglichen Körper zu bringen, welcher seelenlos zu sein schien. Carmelite kam zu sich, öffnete die Augen, und suchte vor Allem den Abbé Dominique.

»Wo ist er?« fragte sie mit erstaunter Miene; »oder habe ich vielmehr nur einen Traum gemacht?«

»Nein,« erwiderte Fragola, »er war da.«

»Dominique, nicht wahr?«

.Ja.«

»Wo ist er hingekommen?«

»Du bist ohnmächtig geworden, und aus Discretion hat er sich entfernt.«

»Oh! wie gern möchte ich ihn wiedersehen!« rief Carmelite.

»Du wirst ihn wiedersehen, doch morgen, später vielleicht, wenn Du die Kraft haben wirst, ihn anzuhören und ihm zu antworten.«

»Oh! ich bin stark! ich bin stark!« rief Carmelite. »Bedenke doch, daß ich ihn um tausend Einzelheiten zu fragen habe: er hat ihn zuletzt verlassen. Wo ist er? wo ruht er? Nicht wahr, Fragola, wir machen eine Pilgerfahrt nach seinem Grabe?«

»Ja, meine Schwester, ja, sei ruhig.«

»Sprach er nicht zu mir von seinem Vater? sagte er mir nicht, sein Vater habe mir verziehen, sein Vater habe mich gesegnet?«

»Ja, er hat Dir verziehen; ja, er hat Dich gesegnet. Du siehst also, daß Gott mit Dir ist.«

»Oh!« murmelte Carmelite, auf ihre Causeuse zurückfallend, »ich bin nicht mit ihm!«

Und sie faltete die Hände und betete ganz leise, die Lippen bewegend, doch ohne daß man die Worte hörte, die sie sprach.

»So ist es gut,« sagte Fragola, »bete, arme, theure Seele, Alles ist im Gebete: die Ruhe, der Trost, die Stärke. Bete, schließe Deine schönen Augen, und suche zu schlummern.«

»Ei! könnte ich es?« fragte Carmelite; »hier, nimm meine Hand.«

»Sie glüht vor Fieber.«

»Mir scheint, Fragola, ohne das Fieber würde ich nicht leben.«

Fragola kniete wieder vor ihrer Freundin nieder, nahm die Hände von Carmelite in die ihrigen und sprach:

»O meine Schwester, wo ist denn die Stärke, auf die Du vorhin so stolz warst? Das erste Wort hat Dich gebeugt wie ein Rohr, gebrochen wie eine Blume. Du hast mich getäuscht, doch Du täuschst Dich selbst: Du bist nicht so stark, als Du glaubtest!«

»Ich habe mich aus den Schmerz vorbereitet, und nicht aus die Freude. Ich wäre gegen den Schmerz stark gewesen, ich war schwach gegen die Freude.«

»Arme Freundin!«

Carmelite drückte krampfhaft die Hände von Fragola.

»Nicht wahr, er hat gesagt, er werde wiederkommen?«

»Ja.«

»Wann?«

»Bald; aber . . . «

»Was denn?«

»Damit Du geduldig seine Wiederkehr erwartest . . . «

»Nun?«

»Hat er mir etwas für Dich zurückgelassen.«

Diesmal rückte Fragola, wie man sieht, nur Schritt für Schritt vor. Sie befürchtete eine zweite Krise, welche bei dem Zustande der Schwäche von Carmelite ernster werden konnte, als die erste.

»Etwas für mich?« rief Carmelite. »Oh! so gib geschwinde!«

»Warte ein wenig,« erwiderte Fragola, indem sie ihren Arm um den Hals von Carmelite schlang, sie an sich zog und küßte.

»Warum warten, Fragola?«

»Ei!« sagte das Mädchen, »weil . . . «

Sie zögerte.

»Weil . . . ?« wiederholte Carmelite.

»Weil es ein Glück ist, und ich Dich daraus vorbereiten will.«

»Mein Gott! Du machst mich sterben.«

»Um Dich besser aufleben zu machen, theure Schwester.«

»Sprich, sprich schnell, ich will es! was hat Dir der gute Dominique für mich hinterlassen?«

»Ein Geschenk.«

»Ein Geschenk, mir?« fragte Carmelite erstaunt.

»Ein Geschenk, das Dir der Graf von Penhoël macht, eine kostbare Gabe . . . ein Schatz!«

Und sie lächelte mit ihrem Engelslächeln zwischen jedem Worte.

»Fragola, ich bitte inständig,« sagte lebhaft, fast ungeduldig Carmelite, »gib mir das, was Du mir zu übergeben hast.«

»Erlaube mir, Dich wie ein Kind zu behandeln, Carmelite.«

Carmelite ließ ihren Kopf aus ihre Brust sinken.

»Mache, was Du willst,« sagte sie, »nur befürchte, mich über meine Kraft zu reizen.«

»Du bist nun niedergeschlagen, Du bist nahe daran, ruhig zu sein; von da bis zur Kaltblütigkeit ist es nur ein Schritt. Habe den Willen, und Du wirst stark sein.«

»Sieh!« sagte Carmelite.

Und sie lächelte Fragola zu.

»Willst Du noch etwas Besseres?« fuhr sie fort; »denn Du hast Recht, immer Recht! Ich will, so lange es Dir beliebt, meinen Kopf aus Deine Brust legen, und erst in einer Viertelstunde wirst Du mir das Geschenk des Grafen von Penhoël geben . . . «

Sie machte eine Anstrengung, lächelte und fügte bei:

»Des Vaters von Colombau.«

»Ah!« erwiderte Fragola, ebenfalls lächelnd, »Du bist eine Heldin, und ich werde Dich nicht warten lassen.«

Sie stand aus, und Carmelite war es nun, die sie zurückhielt.

»Fragola, meine edle, meine fromme Fragola.« sprach sie, »wer hat Dich, besser als die berühmtesten Aerzte, diese Wissenschaft des Herzens gelehrt, mit der Du meine Wunden heilst? Ah! das Leben wird mir sanft dünken, so lange ich Dich bei der Hand halte,«

»Gut,« sagte Fragola, »man muß das Kind für seinen Gehorsam belohnen.«

Und sachte ihre Hand von der ihrer Freundin losmachend, nahm sie hinter der Causeuse von einer Chissonniere von Rosenholz, wo sie dieselbe niedergelegt hatte, die Reliquie des Grafen, reichte das Papier Carmelite offen, und sprach die eigenen Worte des Grafen wiederholend:

»Seine Mutter hat sie am Tage seiner Geburt von seinem Kopfe geschnitten.«

»Gott der Güte!« rief Carmelite, auf die Haarlocke mit der Wuth einer Löwin losstürzend, die ihr Kleines wiederfinden würde; »Gott der Güte! es sind Haare von meinem Colombau!«

Und zum ersten Male wurde das Herz des Mädchens, leer und kalt wie ein Grab seit dem Tode von Colombau, von einem unaussprechlichen Glücke überströmt.

Und sie nahm die Haarlocke, drehte sie in allen Richtungen, küßte sie tausendmal, bedeckte sie mit Thränen, hob sie bis an die Lippen von Fragola empor und sprach:

»Du liebtest ihn auch wie einen Bruder; küsse seine schönen Haare, o meine Schwester!«

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Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
Hacim:
1547 s. 12 illüstrasyon
Telif hakkı:
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