Kitabı oku: «Johanna dArc die Jungfrau von Orleans», sayfa 2
Zweites Kapitel.
Die Stimmen
Wirklich hatte Johanna, sobald sie die Vorkehrungen zum Aufbruch des Ritters bemerkte, den um ihn herum gebildeten Kreis verlassen, und entfernte sich nun mit demselben langsamen und ruhigen Schritte, mit dem sie gekommen war, den Weg entlang, der nach Neuschâteau führt, ohne dem Anscheine nach zu beachten, dass der Boden, wie gesagt, mit zwei Zoll Schnee bedeckt war.
dies geschah, weil dieses seltsame junge Mädchen, dessen Geschichte wir zu schreiben unternahmen, in nichts seinen Gefährtinnen ähnlich war; ihre Geburt, ihre Kindheit, ihre Jugend, wurden von allen jenen weissagenden Zeichen angekündigt, begleitet oder gefolgt, die in den Augen derjenigen, welche sie umgeben, deutlich die Auserwählte des Herrn bezeichnen: man höre, was man damals mit dem Tone des Zweifels von ihr sagte, man Höre, was man seitdem mit der Stimme der Dankbarkeit und des Glaubens wiederholte.
Johanna, oder vielmehr Hannchen, wie man sie noch häufiger nannte, war zu Domremy geboren, einem anmutigen, von der Maas bewässerten, zwischen Neuschâteau und Vaucouleurs gelegenen Thale. Ihr Vater hieß Jakob d'Arc, und ihre Mutter Isabella Romée, Beide bekannt wegen ihrer strengen Redlichkeit, und im Genusse eines fleckenlosen Rufes. Die Nacht, in welcher Johanna geboren wurde, und die jene des Festes der heiligen Drei Könige im Jahre der Gnade 1412 war, woraus hervorgeht, dass zur Zeit, da diese Chronik beginnt, sie gerade siebzehn Jahre zählte, war eine von jenen festlichen Nächten, die der Himmel bisweilen der Erde spendet: obwohl das Wetter um diese Zeit gewöhnlich kalt und regnerisch zu sein pflegt, erhob sich gegen Abend ein sanfter Wind, ganz durch duftet von jenen süßen Wohlgerüchen, die man während der Dämmerung« des Monats Mai einatmet. Da es gegen das Ende eines Ruhetages geschah, dass diese Art von Wunder fühlbar wurde, hatte Jeder diese unverhoffte Wohltat genießen wollen, und die meisten Einwohner waren unter ihren Haustüren geblieben, als gegen Mitternacht ein Stern sich vom Himmel abzusondern schien, und in der Luft einen glänzenden Lichtstreifen furchend, auf das Haus des Jakob d'Arc herabschoß.
Zu gleicher Zeit krähten die Hähne, schlugen mit den Flügeln, und ließen unbekannte Töne vernehmen, obgleich die Zeit, zu welcher sie zu krähen pflegten, noch nicht gekommen war, und Jeder fühlte sich, ohne zu wissen warum, von einer so lebhaften Freude durchdrungen, dass alle Bewohner des Dorfes durch die Gassen zu eilen begannen, einander fragend, was denn so eben im Himmel oder auf Erden sich ereignet habe, wodurch ihr Herz in eine so große Fröhlichkeit versetzt werde. Unter jenen, die so herum eilten, befand sich ein alter Schäfer, wegen des Umstandes bekannt, dass er oft Weissagungen gemacht hatte, die sich verwirklichten, und der nicht nur zu Domremy, sondern auch auf zehn Meilen in der Runde in einem großen Wissensrufe stand; dieser alte Schäfer antwortete, von einigen Personen gefragt: ,.
»Drei vornehme Buhlerinnen haben Frankreich in's Verderben gestürzt,2 eine Jungfrau wird es retten.«
Man schenkte diesen Worten um so größere Aufmerksamkeit, als sie mit einer alten Prophezeiung Merlin's übereinstimmten, also lautend:
Descendet virgo dorsum sagitari
Et flores virgineos obscultavi
Und Jeder redete lange davon, in der Hoffnung irgend eines großen Ereignisses.
Am folgenden Tage erfuhr man, dass gerade zu dieser Mitternachtsstunde Isabelle Romée, das Weib des Jakob d'Arc, von einer Tochter entbunden wurde.
Am folgenden Tage wurde dieses Mädchen getauft, und erhielt den Namen Johanna. Der Priester, welcher sie taufte, hieß Nynet. Sie hatte zwei Paten und zwei Patinnen. Ihre zwei Paten hießen Johann Barrent und Johann Lingue, und ihre zwei Patinnen Johanna und Agnes.
Ungeachtet aller Zeichen der Vorbestimmung, die bei ihrer Geburt sich kund gaben, verfloss Johanna's Kindheit wie jene der übrigen Kinder; als sie das Alter von sieben Jahren erreicht hatte, verwendeten sie ihre Eltern, wie es bei Landleuten gebräuchlich ist, zur Hütung ihrer Heerde; ein Umstand, den man anfangs nicht beachtete, aber späterhin bemerkte, war: dass nie ein Schaf oder Hammel Johanna's sich verirrte. Wenn irgend ein Lamm sich verlief, brauchte sie ihm bloß bei dem Namen zu rufen, den sie ihm zu geben pflegte, und das Lamm kehrte sogleich zurück. Wenn der Wolf aus dem Walde hervorbrach, brauchte sie ihm bloß mit ihrem Schäferstabe entgegen zu gehen, mit einem einfachen Baumzweige, oder auch nur mit einer Blume, und der Wolf trabte auf der Stelle in den Wald zurück, aus dem er gekommen war. Endlich ereignete sich, so lange sie im väterlichen Hause war, nie das mindeste Unglück darin, und war die erbliche Hütte Zeugin irgend eines Unfalles, so erinnerte man sich späterhin, dass dieser Unfall immer wahrend der Abwesenheit Johanna's eintrat. Johanna erreichte so das Alter von zwölf Jahren, und der Segen Gottes folgte ihren Schritten, aber ohne dass irgend etwas von der Zukunft sich ihr kund gab, für welche sie bestimmt war.
Eines Tages, da sie auf einer zwischen Domremy und Neuschâteau gelegenen Wiese mit mehreren von ihren Gefährtinnen die Heerden hütete, machten die jungen Mädchen den Vorschlag, gemeinschaftlich einen Blumenstrauß zu binden, und wenn er fertig sein würde, ihn zum Preise eines Wettlaufes unter ihnen zu bestimmen. Johanna nahm den Vorschlag an, und wirkte mit den Uebrigen zur Vollendung des Blumenstraußes mit, dann gelobte sie ihn in dem Momente des Fortlaufens, um zu erfahren, wer ihn gewänne, der heiligen Katharina, mit dem Versprechen, denselben auf ihren Altar zu legen, wenn er in ihren Besitz käme; kaum hatte sie dieses Gelübde getan, als das Zeichen zum Aufbruch gegeben wurde, und die jungen Mädchen wie ein Schwarm von Turteltauben dahinstoben; aber bald überflügelte Johanna alle ihre jungen Freundinnen, und zwar mit einer solchen Schnelligkeit, dass ihre Füße kaum den Boden berührten, und jene, die ihr zunächst folgte, nach einer Strecke von hundert Schritten, ganz entmuthigt, mit dem Ausrufe stehen blieb:
»Hannchen! Hannchen! Du läufst nicht auf dem Boden, wie wir, Du stiegst durch die Luft, wie ein Vogel.«
»In der Tat fühlte sich das junge Mädchen, ohne zu wissen, warum und wie, emporgehoben, wie dies bisweilen in einem Traume geschieht, und immer so über den Boden hinstreichend, gelangte sie an das Ziel, und raffte den Blumenstrauß auf; doch da sie den Kopf emporhob, stand ein schöner junger Mann da, den sie nicht gesehen hatte, schaute sie lächelnd an, und sagte zu ihr:
»Johanna, lauft schnell nach Hause, denn Eure Mutter bedarf Eurer.«
Johanna, in der Meinung, dass dieser junge Mann irgend ein Bursche aus Neuschâteau sei, den ihre Mutter oder ihre Brüder mit diesem Auftrage zu ihr schickten, ließ ihre Heerde unter der Obhut von einer ihrer Gefährtinnen, und machte sich eilig auf den Weg nach Hause; aber auf der Schwelle angekommen, fragte ihre Mutter sie, warum sie vor der gewöhnlichen Zeit zurückkehre, und woher sie komme, und warum sie so ihre Heerde verlasse.
»Habt Ihr mir nicht gerufen?« fragte Johanna.
»Nein,« antwortete die Mutter.
Hierauf legte Johanna ihren Blumenstrauß vor dem Altare der heiligen Katharina nieder, und kehrte wieder durch den Garten ihres Hauses zurück, um nicht die ganze Straße entlang gehen zu müssen, und um so den Weg durch Abschneiden kürzer zu machen; aber im Garten angekommen, hörte sie eine Stimme zur Rechten, von der Kirche her; Johanna hob den Kopf empor, und sah eine leuchtende Wolke; die Stimme kam aus dieser Wolke, und sprach:
»Johanna, Du bist geboren, um wunderbare Dinge zu verrichten, denn Du bist die vom Herrn zur Wiedereinsetzung des Königs Karl auserwählte Jungfrau; als Mann gekleidet, wirst Du die Waffen ergreifen, Kriegsanführer sein, und Alles im Königreiche wird nach Deinem Rathe geschehen.«
Nachdem die Stimme diese Worte gesprochen hatte, hörte sie auf, sich vernehmen zu lassen, die Wolke verschwand, und das junge Mädchen blieb still und unbeweglich, über ein solches Wunder erschrocken.
Späterhin, und nach Johanna's Vollzuge ihrer Mission bemerkte man, dass sie diese erste Erscheinung am 17. August 1424 gehabt hatte, nämlich gerade am Tage der Schlacht von Verneuil, in welcher gefallen waren: der Graf von Douglas, Herr Jakob, sein Sohn, der Graf von Buchan, der Graf von Aumale, Johann von Harcourt, der Graf von Tonnere, der Graf von Bentadour, der Herr von Roche-Baron, der Herr von Samaches, und so viele andere edle und loyale Ritter, dass man diese Schlacht für den Adel Frankreichs eben so verhängnisvoll hielt, als es jene von Crécy, von Poitiers und Azincourt gewesen waren.
Indessen erholte sich Johanna wieder, und schlug wieder den Weg nach der Wiese ein, an ihre Heerde denkend, die sie allein gelassen: ihre Heerde hatte sich von selbst geschart, und wartete vereinigt unter einem schöne n Maibaume auf sie, den man den Baum der Damen oder den Baum der Feen nannte, weil Bauern, die bisweilen bei Nacht heimkehrten, daselbst lange weiße Gestalten tanzen gesehen zu haben behaupteten, welche jedes mal, wenn man sich ihnen näherte, in der Luft zerstoben, oder im Nebel verschwammen. Eine von Johanna's Tanten gehörte ebenfalls zu jenen, die daselbst ähnliche Erscheinungen getroffen zu haben vorgaben; aber obgleich Johanna oft dort mit ihre n jungen Freundinnen tanzte, und vorzüglich sang, hatte sie für ihre Person nie etwas dergleichen gesehen. Dieser Baum stand einem Walde gegenüber, den man den Wald Chenu hieß, und neben einer Quelle, wohin arme fieberkranke Leute in großer Zahl kamen: dieser Baum, einer der schönsten,, die man sehen konnte, und der eine große Berühmtheit allen diesen Erzählungen verdankte, gehörte dem Herrn Peter von Bolemont, Seigneur von Domremy..
Johanna blieb den ganzen Tag in der Umgebung dieses Baumes, den sie sehr liebte, Kronen flechtend zu Ehren der heiligen Katharina und der heiligen Margareth, denen sie eine große Andacht weihte, und Kronen an die Aeste dieses Baumes hängend; brach dann der Abend an, so führte sie ihre Heerde wieder nach Hause.
Da Johanna mit zwölf Jahren groß zu werden begann, und zudem schlank und gut gewachsen war, beschlossen ihre Eltern, sie nicht mehr auf das Feld zu schicken, und dass ihr Bruder Peter, ein Jahr jünger als sie, fortan statt ihrer die Heerde hüten solle; man lehrte sie dann die verschiedenen Nadelarbeiten, die sich für eine Frauensperson schicken, und es gelang ihr bald, hierin eben so geschickt zu sein, als die geschickteste Hausfrau des Dorfes.
Die Erinnerung an das Abenteuer im Garten, tauchte jedoch zehnmal des Tages wieder in ihrem Innern auf, und der Klang jener von ihr gehörten wunderbaren Stimme, schlug unablässig an ihr Ohr. An einem Sonntage, da sie nach Entfernung Aller in der Kirche geblieben war, in ihr Gebet versunken, vernahm sie plötzlich die nämliche Stimme, welche ihr bei ihrem Namen rief; sie schaute empor, und es dünkte ihr, das Gewölbe der Kirche habe sich aufgetan, um eine schöne goldene Wolke hereinschweben zu lassen, und mitten in dieser Wolke sah sie einen jungen Mann, den sie für denjenigen erkannte, der mit ihr auf der Wiese sprach; aber da er diesmal lange weiße Flügel an den Schultern trug, begriff sie, dass er ein Engel sei, fühlte sich ganz erfreut ob diesem Anblicke, und fragte ihn sanft:
»Monseigneur, habt Ihr mir gerufen?«
»Ja, Johanna,« antwortete der Engel, »ich.«
»Was wollt Ihr von Eurer Magd?« fragte Johanna.
»Johanna,« versetzte der schöne junge Mann, »ich bin der Erzengel Michael, und ich komme im Namen des Königs des Himmels, um Dir zu sagen, dass er Dich unter den Frauenspersonen auserwählt hat, um das Königreich Frankreich von der Gefahr zu befreien, die es bedroht.«
»Und was kann ich hierzu tun, ich arme Schäferin auf den Feldern?« fragte Johanna.
»Bleibe immer ein sittsames Kind, wie Du es bisher warst,« entgegnete der Engel, »und wenn die Zeit gekommen sein wird, werden wir es Dir sagen, die heilige Katharina, die heilige Margareth, und ich; denn Beide haben eine wunderbare Freundschaft zu Dir gefasst, zur Belohnung der großen Andacht, die Du ihnen weihst.«
»Der Wille Gottes geschehe,« erwiderte das junge Mädchen, »und er verfüge über seine Magd, wann und wie es ihm belieben wird.«
»Amen!« sagte der Engel, und die Wolke, über ihm sich wieder schließend, entschwebte durch das Gewölbe der Kirche, und verschwand.
Von diesem Momente an hegte Johanna keinen Zweifel mehr: es war weder eine Erscheinung, noch ein Traum, sondern eine wunderbare Wirklichkeit, und da in diesem Augenblicke der Priester, der die Messe gelesen hatte, durch die Kirche schritt, um in das Pfarrhaus zu gehen, bat ihn Johanna, sie Beichte zu hören, und erzählte ihm, was sie so eben gesehen und gehört hatte. Der Priester, ein alter einfacher und guter Pfarrer, hatte eine große Freude über dieses Geständnis Johannas, die er wegen ihrer Bescheidenheit und Andacht immer geliebt hatte; dann anempfahl er ihr, von diesen Erscheinungen Niemanden etwas zu sagen, und pünktlich die Befehle zu vollziehen, die sie vom Himmel erhalten würde.
Drei Jahre verflossen, ohne dass Johanna wieder etwas von dem sah, was sie gesehen hatte, aber sie fuhr fort, groß zu werden, frisch und bescheiden, wie eine Feldblume, und obgleich nichts von diesem himmlischen Schutze materiell den Augen dessen sich kund gab, was sie umgab, fühlte sie sich doch innerlich in der Gnade des Herrn; daher dünkte es ihr oft, wenn sie allein war, die Chöre der Engel zu vernehmen, und dann erhob sie sanft die Stimme, und sang Liedchen nach einer unbekannten Weise, die sie nicht wieder finden konnte, wenn diese himmlische Musik verklungen war. Oft auch, wenn der Winter gekommen war, wenn der Schnee die Erde bedeckte, ging sie aus, und sagte, dass sie einen Blumenstrauß für ihre Heiligen pflücken wolle: so nannte sie die heilige Katharina und die heilige Margareth, und Jeder machte sich lustig über sie, die ganz mit Schnee bedeckten Gefilde ihr zeigend, und sie lächelte sanft, verließ das Dorf auf dem Wege nach Neuschâteau, und kehrte mit einer schönen Krone von Veilchen, von Schlüsselblumen und Goldknöpfen3 heim, die sie gepflückt und unter dem Baume der Damen geflochten hatte.
Welche Sicherheit verhießen; es gab keinen Anbau, und folglich keine Ernten mehr, mit Ausnahme eines Bogenschusses im Umkreise der Mauern; eine Schildwache stand immer auf dem Kirchthurme, und läutete Sturm, sobald sie den Feind bemerkte. Bei diesem Dröhnen kehrten die Feldarbeit« eilig zurück, ohne sich um ihre Heer» den zu kümmern; denn auch die Heerden hatten diesen Schall erkennen gelernt, und rannten hastig heimwärts, sobald sie die Glocke ertönen hörten, brüllend und blökend mit kläglicher Stimme, und an den Thoren um den Vortritt sich drängend und kämpfend, um sich unter dem Schutze der Menschen in Sicherheit zu bringen.
Dann schauten sie ihre jungen Gefährtinnen erstaunt an, und als sie ebenfalls hingingen, und nichts fanden, sagten sie, dass die Feen der Johanna diese Kronen schon geflochten geben. Noch seltsamer endlich war der Umstand, dass die scheuesten Thiere sie durchaus nicht fürchteten, und die kleinen Rehe und jungen Pfaue zu ihren Füßen spielten und hüpften, und oft irgend eine Grasmücke oder irgend ein Stieglitz kam und sich auf ihre Schulter setzte, und da sein melodisches Lied sang, wie wenn er auf dem höchsten Zweige eines Baumes gesessen wäre.
Während dieser drei Jahre ging es mit den Angelegenheiten des Königs und Frankreichs immer schlimmer; das Königreich war bis an die Loire einer großen Wüste gleich geworden, die Felder lagen öde, die Dörfer in Ruinen, und die einzigen bewohnten Orte waren die Wälder und Städte; die Wälder, wegen ihrer Dicke, welche eine Zuflucht bot; die Städte, wegen ihrer Mauern, welche Sicherheit verhießen; es gab keinen Anbau, und folglich keine Ernten mehr, mit Ausnahme eines Bogenschusses im Umkreis der Mauern; eine Schildwache stand immer auf dem Kirchturm, und läutete Sturm, sobald sie den Feind bemerkte. Bei diesem Dröhnen kehrten die Feldarbeiter eilig zurück, ohne sich um ihre Heerden zu kümmern; denn auch die Heerden hatten diesen Schall erkennen gelernt, und rannten hastig heimwärts, sobald sie die Glocke ertönen hörten, brüllend und blökend mit kläglicher Stimme, und an den Toren um den Vortritt sich drängend und kämpfend, um sich unter dem Schutz der Menschen in Sicherheit zu bringen.
Um diese Zeit, nämlich gegen den Anfang des Jahres 1428, wurde Monseigneur Thomas von Montaigu, Ritter, Graf von Salisbury, von den drei Ständen Englands beauftragt und entsendet, Frankreich zu bekriegen. Da nun die Kunde von diesem Feldzuge dem Herzog von Orleans zukam,der seit der Schlacht von Azincourt Gefangener in der Stadt London war, ohne dass die Engländer ihm gestatteten, sich loszukaufen, ging er zu dem Grafen von Salisbury, und bat ihn, als guter und loyaler Feind, nicht Güter und Domainen mit Krieg zu überziehen, die er, als abwesend, nicht mehr vertheidigen könne; der Graf versprach es ihm eidlich, landete, nach Ueberschiffung des Meeres, mit einer großen Macht zu Calais, und schlug sogleich den Weg nach jenem Theile Frankreichs ein, der noch nicht erobert war.
Auf diese Art wurde die Gefahr dringender, als sie jemals gewesen war; daher erschienen Johanna's Visionen wieder. Das erste mal, da sie den heiligen Michael wieder sah, war er, wie er es dem jungen Mädchen versprochen hatte, von der heiligen Katharina und der heiligen Margareth begleitet; die beiden Heiligen nannten sich selbst der Johanna, und dankten ihr für ihre Andacht zu ihnen, und sagten ihr, dass, weil sie fromm, gut und sittsam geblieben, Gott sie noch immer für jene halte, welche Frankreich befreien sollte: sie befahlen ihr folglich, zu dem Könige Karl VII. zu gehen, und ihm zu sagen, dass sie aus Auftrag Gottes komme, um Kriegsanführer zu werden, und mit den Franzosen gegen die Engländer und Burgunder zu marschieren.
Johanna blieb stumm bei diesem Befehle: denn sie war schwach und furchtsam wie ein junges Mädchen, konnte nicht leiden sehen, ohne gerührt zu werden, kein Blut stießen sehen, ohne zu weinen; wie kam es also, dass man ihr, einem Herzen voll Mitleiden, befahl, das harte Werk eines Kriegsmeisters zu vollbringen? Daher bebte sie, das arme Kind von sechzehn Jahren, vor der schrecklichen Zukunft zurück, die ihr beschieden war, Gott bittend, sie in ihrer Niedrigkeit zu lassen, und irgend einer Andern, Würdigeren, als sie, das Gewicht dieser blutigen Erwählung aufzuladen.
Aber Johanna war gewählt; weder stumme Herzensaufschwünge, noch Bitten mit lauter Stimme, sollten den Beschluss der Vorsehung ändern. Eines Tages, da sie bei einer kleinen, der Jungfrau Maria geweihten, und an einem Kreuzwege des Waldes Chenu erbauten Kapelle kniete, schwebte die Wolke wieder zwischen ihren Augen und dem Himmel herab, aber diesmal noch leuchtender, als gewöhnlich; sie öffnete sich dann, und enthüllte die drei Abgesandten des Herrn; nur waren diesmal die beiden Heiligen, die bei ihrer ersten Erscheinung nur eine Armlänge hatten, in natürlicher Größe. Nun schlug Johanna die Augen nieder, denn menschliche Blicke konnten diesen göttlichen Glanz nicht ertragen, und sie hörte, ohne zu wissen, welche von den drei himmlischen Personen mit ihr sprach, eine Stimme, die ihr den Vorwurf machte:
»Warum zögerst Du so, Johanna? Auf was wartest Du, da der Befehl gegeben ist, und warum beeilst Du Dich nicht, ihn zu vollziehen? In Deiner Abwesenheit wird Frankreich zerfleischt, die Städte sind zertrümmert, rechtschaffene Leute gehen zu Grunde, die Edlen werden niedergemetzelt, und ein kostbares Blut fließt zu Boden, wie wenn es das unnütze und schlammige Wasser der Ströme wäre. Ziehe also von dannen, Johanna, ziehe also hurtigen Schrittes von dannen, da der König des Himmels Dich gesendet hat!«
Johanna ging nun zu ihrem Beichtvater, und erzählte ihm, was sie so eben gesehen und gehört hatte. Der alte Priester erteilte ihr den Rat, zu gehorchen.
»Aber,« versetzte Johanna, »wenn ich auch von dannen ziehen möchte, wie könnt' ich es tun?« Ich kenne die Wege nicht, ich kenne weder das Volk noch den König; sie werden mir nicht glauben; Jedermann wird über mich lachen, und mit Recht, denn was gibt es Unsinnigeres, als zu den Großen zu sagen: »»Ein Kind wird Frankreich befreien, durch seine Fähigkeit die militärischen Unternehmungen leiten, den Sieg durch seinen Mut zurückführen;-« und was ist übrigens seltsamer und unschicklicher, mein Pater, als ein junges Mädchen in Mannskleidern?«
Auf diese so vernünftige Rede wusste der alte gute Priester nur zu antworten, dass Gott sehr mächtig sei, und dass man gehorchen müsse; als dann Johanna zu weinen begann, an das ihr auferlegte peinliche Werk denkend, tröstete und stärkte er sie, so gut er es vermochte, indem er zu ihr sagte, sie solle noch warten, und das erste mal, da sie den heiligen Michael und die beiden Heiligen wieder sähe, sie fragen, wie sie es anstellen, welchen Weg sie nehmen, und an welchen Ort sie gehen müsse.
Einige Monate lang, entweder weil die Stimmen, wie sie sie nannte, ob ihrer Unschlüssigkeit zürnten, oder weil die Zeit, zu handeln, noch nicht gekommen war, sah Johanna jedoch nichts. Dann wurde sie besorgt; das arme Kind wähnte, bei dem Herrn in Ungnade gefallen zu sein, und da sie von ihren himmlischen Beschützerinnen sich verlassen sah, setzte sie ein Gebet zusammen, um sie zu bitten, wieder zu ihr zu kommen, dann kniete sie sich vor den Altar der heiligen Katharina hin, und sagte es aus der tiefsten Tiefe ihres Herzens her. Das Gebet lautete, wie folgt:
»Ich bitte Unsern Erlöser und Unsere Liebe Frau, mir Rat und Beistand hinsichtlich dessen zu senden, was ich nach ihrem Willen tun soll, und zwar durch die Vermittlung des seligen heiligen Michael, und der seligen heiligen Katharina und der heiligen Margareth.«
Kaum hatte Johanna diese Worte ausgesprochen, als die leuchtende Wolke herabschwebte, und sich wie gewöhnlich öffnete, und die himmlischen Abgesandten erschienen. Nur war es diesmal der Engel Gabriel, der die beiden Heiligen begleitete. Nun senkte Johanna den Kopf, und die gewöhnliche Stimme ließ sich vernehmen:
»Woher kommt es, dass Du zweifelst und zauderst, Johanna?« sagte die Stimme. »Woher kommt es, dass Du fragst, auf welche Weise die Dinge, welche Du vollbringen sollst, geschehen werden? Du weißt den Weg nicht, der zum Könige führt, sagst Du; auch die Israeliten wussten den Weg nicht, der sie in das gelobte Land führen konnte, und dennoch brachen sie auf, und die Flammensäule führte sie.«
»Aber,« erwiderte Johanna, durch die Sanftheit dieser Stimme ermutigt, von der sie glaubte, sie würde zürnen, »wo ist der Feind, den ich bekämpfen, und wie lautet der Auftrag, den ich vollziehen soll?«
»Der Feind, den Du bekämpfen sollst,« antwortete die Stimme, »ist in der Gegend von Orleans, und damit Du keinen Zweifel mehr hegst, dass wir Dir die Wahrheit sagen, wisse, dass heute sein Kriegsanführer, der Graf von Salisbury, getötet wurde; der Auftrag, den Du vollziehen sollst, besteht darin, die Belagerung der guten Stadt des Herzogs von Orleans aufzuheben, der Gefangener in England ist, und Karl VII. zur Salbung nach Rheims zu führen; denn so lange er nicht gesalbt sein wird, wird er nur Dauphin sein, und nicht König.«
»Aber ich kann nicht so allein gehen,« versetzte Johanna. An wen muss ich mich wenden, auf dass er mir Hilfe und Beistand leiste?«
»Du hast Recht,« antwortete die Stimme; »geh also in den benachbarten Ort, Namens Vaucouleurs, der allein in der Champagne seine Treue dem Könige bewahrte, und dort verlange mit dem guten Ritter Robert von Beaudricourt zu sprechen; sag ihm beherzt, in wessen Namen Du kommst, und er wird Dir glauben. Und damit man Dich nicht zu täuschen suche, oder etwa an einen Andern weise, blick auf, und Du wirst das wahre Ebenbild dieses Ritters sehen.«
Johanna hob den Kopf empor, und sah wirklich einen Ritter ohne Helm, ohne Schwert und ohne Sporen; sie schaute ihn einige Secunden lang an, um seine Züge ihrem Gedächtnisse wohl einzuprägen; dann verschwand nach und nach diese neue Erscheinung. Johanna kehrte sich zu dem Heiligen und den heiligen Jungfrauen um, allein sie waren wieder zum Himmel empor geschwebt.
Von nun an zauderte Johanna nicht mehr, und bereitete sich in ihrem Herzen zum Aufbruch vor; aber den Entschluss zu ergreifen, so Eltern und Heimat zu verlassen, dies war für ein junges Mädchen so schrecklich, dass die Tage sich folgten, und Johanna kraftlos, ihre Zeit mit Weinen zubrachte. Eines Tages, da sie ganz in Tränen zerstoß, überraschte sie ihr junger Bruder Peter: sie liebte ihn sehr, und auch er liebte sie sehr. Er fragte sie, was ihr fehle. Johanna erzählte ihm Alles. Der Knabe erbot sich, mit ihr fortzugehen; dies war Alles, war er ihr bieten konnte.
Einige Tage verflossen noch; die Nachricht von der Belagerung von Orleans, und von der großen Gefahr, in welcher die Stadt schwebte, verbreitete sich von allen Seiten, und verdoppelte die Bestürzung derjenigen, die dem Könige treu geblieben waren. Unter diesen Verhältnissen geschah's, dass der heilige Dreikönigstag kam, und zu Domremy die Ereignisse stattfanden, die wir in unserem ersten Kapitel erzählten.
Diese Ereignisse verkündeten der Johanna, dass die Stunde ihres Ausbruchs gekommen sei; denn sie hatte den Herrn von Beaudricourt so ähnlich dem Bildnisse gesehen, dass sie nur einen Blick auf ihn zu werfen brauchte, um ihn wieder zu erkennen; sie hatte also den Entschluss gefasst, die Einsamkeit zu suchen, um einmal noch ihre Stimmen um Rat zu fragen, und wenn ihre Stimmen ihr aufzubrechen gebieten sollten, wär's auch auf der Stelle, so war sie diesmal entschlossen, ihnen zu gehorchen.
Die Zweite, Isabelle von Frankreich, Gemahlin Eduards III. die, auf ihren Sohn Eduard III. die Rechte übertragend, welche sie auf den Thron von Frankreich zu haben behauptete, jenen berüchtigten Krieg herbeigeführt hatte, der noch währte, und folglich die Schlachten von Crécy, Poitiers und Azincourt, die drei blutigsten Episoden desselben:
Und die Dritte, Isabelle von Bayern, Mutter Karls VII., welche jetzt die Engländer und Burgunder gegen ihren eigenen Sohn aufhetzte.
Die Jungfrau, welche Frankreich retten sollte, war die von jenen drei königlichen Buhlerinnen so hart kompromittierte, niedrige Bäuerin, deren Geschichte wir schreiben. A.D.