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Kitabı oku: «Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1», sayfa 2

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Derjenige, an welchen er sich wandte, wich einen Schritt zurück.

»Auf,« sprach er weiter, indem er sich an seinen Nachbar wandte, »auf, Abkömmling von Pelagius, es handelt sich darum, zum zweiten Male die Mauren aus Spanien zu vertreiben. Das wird etwas Leichtes sein, wenn die Castilier nicht für immer das Schwert des Cid verloren haben.«

Das fünfte Haupt blieb stumm und unbeweglich; es war, als hätte es die Stimme des Unbekannten in Stein verwandelt.

»Und mir,« versetzte das sechste Haupt, den Worten des Unbekannten, der es zu vergessen schien, entgegenkommend, »und mir hast Du nichts zu sagen?«

»Doch,« antwortete der Reisende, indem er einen von jenen durchdringenden Blicken, welche die Herzen ergründen, auf ihn heftete, »doch, ich habe Dir zu sagen, was Jesus zu Judas gesagt hat, und werde es Dir auch sogleich sagen.«

Derjenige, zu welchem er sprach, wurde weißer als sein Leichentuch, während ein die ganze Versammlung durchlaufendes Gemurmel von dem Fremden Rechenschaft über diese sonderbare Anschuldigung zu fordern schien.

»Du vergißt den Vertreter von Frankreich,« sagte der Präsident.

»Dieser ist nicht unter uns,« antwortete stolz der Fremde, »und Du weißt es wohl, Du, der Du sprichst, da sein Sitz hier leer ist. Erinnere Dich nun, daß die Fallen denjenigen lächeln machen, welcher in der Finsterniß sieht, welcher trotz der Elemente handelt und trotz des Todes lebt.«

»Du bist jung,« entgegnete der Präsident, »und Du sprichst mit dem Ansehen eines Gottes. Bedenke ebenfalls, die Kühnheit betäubt nur die unentschlossenen oder unwissenden Menschen.«

Ein Lächeln erhabener Verachtung trat auf die Lippen des Fremden und er sprach:

»Ihr seid insgesammt unentschlossen, da Ihr nicht auf mich zu wirken vermöget; Ihr seit insgesammt unwissend, da Ihr nicht wißt, wer ich bin, während ich weiß, wer Ihr seid; ich werde also bei Euch mit der Kühnheit allein siegen; doch wozu dient die Kühnheit demjenigen, welcher allmächtig ist?«

»Die Probe dieser Macht,« rief der Präsident; »gebt uns die Probe.«

»Wer hat Euch zusammenberufen?« sprach der Unbekannte, von der Rolle des Befragten zu der des Fragenden übergehend.

»Nicht ohne Zweck,« sagte der Fremde, sich an den Präsidenten und die fünf Häupter wendend, »nicht ohne Zweck seid Ihr gekommen, Ihr von Schweden, Ihr von London, Ihr von New-York, Ihr von Zürich, Ihr von Madrid, Ihr Alle endlich,« fuhr er sich an die Menge wendend fort, »nicht ohne Zweck seid Ihr von den vier Welttheilen gekommen, um Euch in dem Allerheiligsten des furchtbaren Glaubens zu versammeln.«

»Allerdings nicht,« antwortete der Präsident, »wir kommen demjenigen entgegen, welcher ein geheimnißvolles Reich im Orient gegründet, die zwei Hemisphären in einer Gemeinschaft des Glaubens vereinigt und die brüderlichen Hände des Menschengeschlechts mit einander verschlungen hat.«

»Gibt es ein gewisses Zeichen, an welchem Ihr ihn zu erkennen im Stande seid?«

»Ja,« sprach der Präsident, »und Gott hat die Gnade gehabt, es mir durch die Vermittelung seiner Engel zu enthüllen.«

»Also kennt Ihr allein dieses Zeichen?«

»Ich allein kenne es.«

»Ihr habt dieses Zeichen Niemand enthüllt?«

»Niemand in der Welt.«

»Nennt es ganz laut.«

Der Präsident zögerte.

»Nennt es,« wiederholte der Fremde mit befehlendem Tone, »nennt es, denn der Augenblick der Offenbarung ist gekommen.«

Der Präsident antwortete:

»Er wird auf seiner Brust einen diamantenen Stern tragen, und auf diesem Stern werden die drei ersten Buchstaben eines nur ihm allein bekannten Wahlspruches funkeln.«

»Wie heißen diese drei Buchstaben?«

»L. P. D.«

Der Fremde schob mit einer raschen Bewegung seinen Rock und seine Weste auf die Seite, und auf seinem Hemde von seinem Batist erschien glänzend wie ein flammendes Gestirn der diamantene Stern und auf diesem funkelten die drei Buchstaben in Rubin.

»Er!!« rief der Präsident erschrocken; »sollte er es sein?«

»Derjenige, welchen die Welt erwartet?« fragten ängstlich die Häupter.

»Der Großkophta?« murmelten dreihundert Stimmen.

»Nun!« rief der Fremde mit dem Ausdrucke des Triumphes, »werdet Ihr mir nun glauben, wenn ich Euch zum zweiten Male wiederhole: Ich bin, der ich bin.«

»Ja,« sagten die Gespenster sich niederwerfend.

»Sprecht, Meister,« riefen der Präsident und die fünf Häupter; »sprecht, und wir werden gehorchen.«

III.
L. P. D

Es trat ein Stillschweigen von einigen Sekunden ein; der Unbekannte schien mittlerweile seine Gedanken zu sammeln und sprach sodann:

»Meine edle Herren, Ihr könnt die Schwerter ablegen, welche Eure Arme unnöthig ermüden, und mir ein aufmerksames Ohr schenken, denn Ihr werdet viel in den wenigen Worten zu lernen haben, die ich an Euch richte.«

Die Aufmerksamkeit verdoppelte sich.

»Die Quelle der großen Flüsse ist beinahe immer göttlich und deshalb unbekannt; wie der Nil, wie der Ganges, wie der Amazonenfluß, weiß ich, wohin ich gehe, aber ich weiß nicht woher ich komme! Ich erinnere mich nur, daß ich mich an dem Tage, wo sich die Augen meiner Seele der Auffassung äußerer Gegenstände erschlossen, in Medina, der heiligen Stadt, befand und in den Gärten des Mufti Salaaym umher lief. Dies war ein ehrwürdiger Greis, den ich wie meinen Vater liebte, der jedoch nicht mein Vater war; denn wenn er mich voll Zärtlichkeit anschaute, so sprach er doch nur mit Ehrfurcht zu mir; dreimal des Tags entfernte er sich, um einen andern Greis zu mir gelangen zu lassen, dessen Namen ich nie anders als mit einer Ehrfurcht ausspreche, in welche sich Dankbarkeit mischt.

Dieser ehrwürdige Greis, ein erhabener Behälter aller menschlichen Wissenschaften, unterrichtet durch die sieben höchsten Geister in Allem, was die Engel lernen, um Gott zu begreifen, heißt Althotas; er wurde mein Erzieher, mein Lehrer; er ist noch mein Freund, ein ehrwürdiger Freund, denn er hat zweimal das Alter des Aeltesten unter Euch.«

Diese feierliche Sprache, diese majestätischen Geberden, dieser salbungsreiche und zugleich strenge Ton brachten auf die Versammlung einen von jenen Eindrücken hervor, welche sich in langen Schauern der Beklemmung auflösen.

»Als ich mein fünfzehntes Jahr erreichte, war ich bereits in die bedeutendsten Geheimnisse der Natur eingeweiht. Ich kannte die Botanik, nicht die enge Wissenschaft, welche jeder Gelehrte auf das Studium des Winkels der Welt, den er bewohnt, beschränkt, sondern ich kannte die sechzigtausend Pflanzenfamilien, welche auf der ganzen Welt vegetiren. Ich wußte, wenn mich mein Lehrer dazu zwang, indem er mir die Hände auf die Stirne legte und in meine geschlossenen Augen einen Strahl des himmlischen Lichtes fallen ließ, ich wußte durch eine, beinahe übernatürliche Betrachtung meinen Blick unter die Wellen des Meeres zu tauchen und die ungestalten, unbeschreibbaren Vegetationen zu klassificiren, welche zwischen den zwei Lagern schlammigen Wassers dumpf schwimmen und sich schaukeln und mit ihren riesigen Zweigen die Wiege aller der häßlichen und beinahe formlosen Ungeheuer bedecken, welche das Gesicht des Menschen nie erschaut hat und die Gott seit dem Tage, wo aufrührerische Engel seine einen Augenblick besiegte Macht sie zu schaffen zwangen, vergessen haben muß.

Ich hatte mich überdies den todten und den lebendigen Sprachen gewidmet. Ich kenne alle Idiome, welche man von der, Meerenge der Dardanellen bis zur Meerenge von Magelhaens spricht. Ich las die geheimnißvollen Hieroglyphen geschrieben auf jene Granitbücher, die man die Pyramiden nennt. Ich umfaßte alle menschliche Wissenschaften von Sanchuniathon bis Sokrates, von Moses bis auf den heiligen Hieronymus, von Zoroaster bis Agrippa.

Ich studirte die Medicin, nicht allein im Hippokrates, im Galien, im Averrhoes, sondern auch in dem großen Meister, den man die Natur nennt. Ich erlauschte die Geheimnisse der Kophten und Drusen Ich sammelte den unheilvollen und den glücklichen Samen. Ich konnte, wenn der Samum und der Orkan über mein Haupt hinzogen, ihrem Hauche unbekannte Körner anvertrauen, welche fern von mir den Tod oder das Leben trugen, je nachdem ich die Gegend, nach welcher ich mein zorniges oder lächelndes Gesicht wandte, gesegnet oder verflucht hatte.

Mitten unter diesen Studien, unter diesen Arbeiten, unter diesen Reisen erreichte ich mein zwanzigstes Jahr.

Eines Tages suchte mich mein Lehrer in der Marmorgrotte auf, in welche ich mich während der großen Hitze des Tages zurückzog. Sein Gesicht war zugleich streng und lächelnd; er hielt ein Fläschchen in der Hand.

‚Acharat,’ sprach er zu mir, ‚ich habe Dir immer gesagt, nichts werde geboren, nichts sterbe in der Welt; die Wiege und der Sarg seien Brüder; es fehle dem Menschen, um klar in seine vergangenen Existenzen zu sehen, nur die Hellsichtigkeit, die ihn Gott gleich machen werde, denn von dem Tage, wo er diese Hellsichtigkeit erlangt habe, werde er sich unsterblich wie Gott fühlen. Nun, ich habe einstweilen den Trank gefunden, der die Finsterniß zerstreut, bis ich denjenigen finde, welcher den Tod verjagt. Acharat, ich habe gestern getrunken, was in diesem Fläschchen fehlt.’

Ich hegte ein großes Vertrauen, eine tiefe Verehrung für meinen würdigen Lehrer, und dennoch zitterte meine Hand, als sie das Fläschchen berührte, das mir Althotas reichte, wie die Hand von Adam gezittert haben muß, da er den Apfel berührte, den ihm Eva bot.

‚Trinke,’ sagte er lächelnd zu mir.

Ich trank.

Dann legte er mir die Hände auf den Kopf, wie er dies zu thun pflegte, wenn er mich für den Augenblick mit dem zweiten Gesichte begaben wollte.

‚Schlafe und erinnere Dich,’ sprach er zu mir.

Ich entschlummerte sogleich. Dann träumte mir, ich liege auf einem Scheiterhaufen von Sandelholz und Aloen; ein Engel, der, den Willen des Herrn von Osten nach dem Westen tragend, vorüber kam, berührte meinen Scheiterhaufen mit dem Ende des Flügels und er fing Feuer. Aber statt von der Angst erfaßt zu werden, statt diese Flamme zu fürchten, streckte ich mich wollüstig inmitten der glühenden Zungen aus, wie es der Phönix thut, der ein neues Leben in dem Principe alles Lebens geschöpft hat.

Dann verschwand Alles, was Materielles in mir war, die Seele allein blieb; sie behielt die Form des Körpers, aber durchsichtig, ungreifbar, leichter, als die Atmosphäre, in der wir leben und über die sie sich erhob. Wie Pythagoras, der sich bei der Belagerung von Troja gewesen zu sein erinnerte, erinnerte ich mich sodann der zwei und dreißig Existenzen, die ich durchlebt hatte. Ich sah unter meinen Augen die Jahrhunderte wie eine Reihe großer Greise vorübergehen. Ich erkannte mich unter den verschiedenen Namen, die ich seit dem Tage meiner ersten Geburt bis zu meinem letzten Tode geführt hatte, denn Ihr wißt, meine Brüder, und das ist einer der positivsten Punkte unseres Glaubens, die Seelen, diese zahllosen Ausströmungen der Gottheit, welche bei jedem Hauche aus der Brust Gottes hervorkommen, erfüllen die Luft, vertheilen sich in einer großen Hierarchie, von den erhabensten bis zu den geringsten Seelen, und der Mensch, der zur Stunde seiner Geburt, vielleicht auf den Zufall, eine von den zuvor bestehenden Seelen einathmet, gibt sie zur Stunde seines Todes einer neuen Laufbahn und nachfolgenden Umwandlungen zurück.«

Derjenige, welcher sprach, sprach mit so überzeugtem Tone, schlug seine Augen mit einem so erhabenen Blicke zum Himmel auf, daß ihn bei dieser Periode seines Geistes, welche seinen ganzen Glauben zusammenfaßte, ein Gemurmel der Bewunderung unterbrach; das Erstaunen machte der Bewunderung Platz, wie der Zorn dem Erstaunen Platz gemacht hatte.

»Als ich erwachte,« fuhr der Erleuchtete fort, »fühlte ich, daß ich mehr als ein Mensch, begriff ich, daß ich beinahe ein Gott war.

Da beschloß ich, nicht nur mein gegenwärtiges Dasein, sondern auch alle Existenzen, die ich fernerhin zu leben habe, dem Glücke der Menschheit zu weihen.

Am andern Tage, als hätte er mein Vorhaben errathen, kam Althotas zu mir und sprach:

‚Mein Sohn, es sind zwanzig Jahre, als Eure Mutter, indem sie Euch das Leben gab, verschied; seit zwanzig Jahren hält ein unüberwindliches Hinderniß Euren erhabenen Vater ab, sich Euch zu offenbaren; wir werden unsere Reisen wieder fortsetzen; Euer Vater wird unter denjenigen sein, welche uns begegnen, er wird Euch umarmen, doch Ihr werdet nicht wissen, daß er Euch umarmt hat.’

Es sollte also Alles bei mir, wie bei den Auserwählten des Herrn geheimnißvoll sein: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.

Ich sagte dem Mufti Salaaym Lebewohl, er segnete mich und überhäufte mich mit Geschenken; dann schlossen wir uns einer Karavane an, welche nach Suez abging.

Verzeiht, edle Herren, wenn ich bei dieser Erinnerung erschüttert bin; eines Tages umarmte mich ein ehrwürdiger Mann und ein seltsamer Schauer bewegte mein ganzes Wesen, als ich sein Herz schlagen fühlte.

Es war der Scherif von Mekka, ein sehr glänzender, sehr erhabener Fürst. Er hatte hundert Schlachten gesehen und mit einer Geberde seines Armes beugte er die Köpfe von drei Millionen Menschen. Althotas wandte sich ab, um nicht unruhig zu werden, vielleicht um sich nicht zu verrathen, und wir setzten unsern Weg fort.

Wir drangen in Asien vor; wir fuhren den Tigris hinauf; wir besuchten Palmyra, Damask, Smyrna, Konstantinopel, Wien, Berlin, Dresden, Stockholm, Moskau, Petersburg, New-York, Buenos-Ayres, das Cap, Aden; als wir uns endlich wieder beinahe auf dem Punkte fanden, von dem wir ausgegangen waren, begaben wir uns nach Abyssinien, fuhren den Nil hinab, landeten später in Rhodus und dann in Malta; ein Schiff kam dem unsrigen auf zwanzig Stunden in die See entgegen; zwei Ritter des Ordens führten uns, nachdem sie mich begrüßt und Althotas umarmt hatten, im Triumph in den Palast des Hochmeisters Pinto.

Ohne Zweifel, meine edle Herren, werdet Ihr mich fragen, warum der Muselmann Acharat mit so großer Ehre von denjenigen aufgenommen worden sei, welche in ihrem Gelübde die Vertilgung der Ungläubigen schwören. Althotas, ein Katholik und selbst Malteserritter, hatte mir immer nur von einem mächtigen, universellen Gott gesprochen, der mit Hülfe der Engel, seiner Diener, die allgemeine Harmonie gegründet und diesem harmoniösen Ganzen den schönen, großen Namen Kosmos gegeben. Kurz ich war Theosoph.

Meine Reisen waren vollendet; aber der Anblick aller dieser Städte mit den verschiedenen Namen, mit den widersprechenden Sitten, hatte kein Erstaunen bei mir erregt; das kam davon her, daß nichts unter der Sonne für mich neu war, daß ich im Verlaufe der zwei und dreißig Existenzen, die ich bereits gelebt, dieselben Städte besucht hatte, daß das Einzige, was mir etwa auffiel, die Veränderungen waren, die sich unter den Menschen, welche dieselben bevölkerten, bewerkstelligt hatten. Ich konnte dann im Geist über die Ereignisse hinschweben und den Gang der Menschheit verfolgen. Ich sah, daß alle Geister auf den Fortschritt abzielten und daß der Fortschritt zur Freiheit führte. Ich sah, daß alle nach und nach zum Vorschein gekommene Propheten vom Herrn erweckt worden waren, um den schwankenden Gang der Menschheit zu stützen, welche, blind von ihrer Wiege ausgegangen, jedes Jahrhundert einen Schritt gegen das Licht macht: die Jahrhunderte sind die Tage der Völker.

Ich sagte mir nun, so viele erhabene Dinge seien mir nicht geoffenbart worden, damit ich sie in mir begrabe, vergebens verschließe der Berg seine Goldadern, vergebens verberge der Ocean seine Perlen; denn der beharrliche Gräber dringe in den Grund des Gebirges, denn der Taucher steige in die Tiefe des Meeres hinab; und statt es zu machen wie der Ocean und der Berg, wäre es besser, zu thun, wie die Sonne thut, und meine Herrlichkeiten auf die Welt auszustreuen..

Nicht wahr, Ihr begreift nun, daß ich nicht, um einfachen Maurergebräuchen zu entsprechen, vom Orient gekommen bin. Ich bin gekommen, um Euch zu sagen: Brüder, entlehnt die Flügel und die Augen vom Adler, erhebt Euch über die Welt, erreicht mit mir den Gipfel des Berges, wohin Satan Jesus führte, und werft die Augen auf die Königreiche der Erde.

Die Völker bilden eine ungeheure Phalanx; in verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Lagen geboren, haben sie ihre Stufen eingenommen und müssen jedes der Reihe nach zu dem Ziele gelangen, für welches sie geschaffen sind. Sie marschiren unablässig, obgleich sie zu ruhen scheinen, und wenn sie zufällig zurückweichen, so gehen sie nicht zurück, sondern sie nehmen einen Ansatz, um ein Hinderniß zu überspringen, oder um eine Schwierigkeit zu brechen.«

Frankreich ist in der Vorhut der Nationen, geben wir ihm eine Fackel in die Hand, die Flamme, die sie verzehrt, wird ein nützlicher Brand werden, weil sie die Welt erleuchtet.

»Deshalb fehlt der Vertreter von Frankreich hier; vielleicht wäre er vor seiner Sendung zurückgewichen. Es bedarf eines Mannes, der vor nichts zurückweicht  . . . ich werde nach Frankreich gehen.«

»Ihr seid in Frankreich,« entgegnete der Präsident.

»Ja, das ist der wichtigste Posten, ich nehme ihn für mich; es ist das gefährlichste Werk  . . . ich lade es mir auf.«

»Ihr wißt also, was in Frankreich vorgeht?« sagte der Präsident.

Der Illuminat lächelte.

»Ich weiß es, denn ich habe es selbst vorbereitet: ein alter, furchtsamer, verdorbener König, minder alt, minder furchtsam, minder verdorben, minder verzweifelt, als die Monarchie, die er vertritt, sitzt auf dem Throne von Frankreich. Es bleiben ihm kaum noch einige Jahre zu leben. Die Zukunft muß von uns auf eine geeignete Weise für den Tag seines Todes angeordnet sein. Frankreich ist der Schlüssel vom Gewölbe des Gebäudes; die sechs Millionen Hände, die sich auf ein Zeichen des höchsten Kreises erheben, müssen den Stein entwurzeln, und das monarchische Gebäude wird zusammenstürzen, und an dem Tage, wo man erfährt, daß es keinen König mehr in Frankreich gibt, werden die Fürsten Europa’s, welche am frechsten auf dem Throne sitzen, fühlen, wie ihnen ein Schwindel nach der Stirne steigt, und sich von selbst in den Abgrund werfen, den der große Einsturz des Thrones vom heiligen Ludwig bereitet hat.«

»Verzeiht, ehrenwerther Meister,« unterbrach ihn der Chef, welcher zur Rechten des Präsidenten stand und in dem man an seinem gebirgsdeutschen Accente den Schweizer erkennen konnte; »Euer Verstand hat ohne Zweifel Alles berechnet?«

»Alles,« antwortete lakonisch der Großkophta.

»Dennoch wird mich der sehr ehrenwerthe Meister entschuldigen, wenn ich so spreche; auf dem Gipfel unserer Berge, im Grunde unserer Thäler, auf den Ufern unserer Seen sind wir gewohnt, so frei zu reden, als der Hauch des Windes und das Gemurmel des Wassers; ich wiederhole jedoch, ich halte den Augenblick für ungünstig, denn es bereitet sich ein großes Ereigniß vor, dem die französische Monarchie seine Wiedergeburt zu verdanken haben wird. Ich, der ich die Ehre habe, mit Euch zu sprechen, erhabener Großmeister, ich habe eine Tochter von Maria Theresia sich in großem Prunke nach Frankreich wenden sehen, um das Blut von siebzehn Cäsaren mit dem des Nachfolgers von ein und sechzig Königen zu vermischen; und die Völker freuen sich blind, wie sie es immer thun, wenn man ihr Joch etwas nachläßt oder vergoldet. Ich wiederhole also in meinem Namen und in dem meiner Brüder, ich halte den Augenblick für ungünstig.«

Jeder wandte sich voll Ernst gegen denjenigen, welcher mit so viel Ruhe und Kühnheit der Unzufriedenheit des Großmeisters Trotz bot.

»Sprich, Bruder,« sagte der Großkophta, ohne daß er bewegt zu sein schien, »Dein Rath wird befolgt werden, wenn er gut ist. Wir Erwählten Gottes stoßen Niemand zurück und opfern nicht das Interesse einer Welt der Regung unserer Eitelkeit.«

Der Abgeordnete der Schweiz fuhr unter dem tiefsten Stillschweigen fort:

»Sehr ehrenwerther Großmeister, bei meinen Studien ist es mir gelungen, mich von einer Wahrheit zu überzeugen: davon, daß die Physiognomie der Menschen dem Auge, das darin zu lesen weiß, stets ihre Laster und ihre Tugenden enthüllt. Der Mensch componirt sein Gesicht, er versüßt seinen Blick, er läßt seine Lippen lächeln; alle diese Muskelnbewegungen sind in seiner Gewalt; aber der Haupttypus seines Charakters bleibt hervorspringend ein lesbares und unwidersprechliches Zeugniß von dem, was in seinem Herzen vorgeht. So hat auch der Tiger ein reizendes Lächeln und liebkosende Blicke, doch an seiner niedrigen Stirne, an seinen hervorspringenden Backenknochen, an seinem ungeheuren Hinterhaupte, an seinem blutigen Aufsperren des Rachens erkennt Ihr den Tiger. Der Hund runzelt die Stirne, zeigt die Zähne und geräth in Wuth; aber an seinem sanften, offenen Auge, an seinem gescheiten Gesichte, an seinem folgsamen Wesen erkennt Ihr, daß er dienstfertig und freundschaftlich ist. Gott hat auf das Antlitz jedes Geschöpfes seinen Namen und seine Eigenschaft geschrieben Wohl! ich habe auf der Stirne des Mädchens, das in Frankreich regieren soll, den Muth, den Stolz und die so zarte Menschenfreundlichkeit der deutschen Jungfrauen gelesen; ich habe, auf dem Antlitz des jungen Mannes, der ihr Gemahl werden wird, die ruhige Kaltblütigkeit, die christliche Milde und den gewissenhaften Geist des Beobachters gelesen. Wie sollte aber ein Volk, und besonders das französische Volk, das kein Gedächtniß für das Böse hat und nie das Gute vergißt, denn es genügt ihm an einem Karl dem Großen, an einem heiligen Ludwig und einem Heinrich IV., um zwanzig feige und grausame Könige zu beschirmen, wie sollte ein Volk, das stets hofft und nie verzweifelt, eine junge, schöne und gute Königin und einen sanften, milden und haushälterischen König nicht lieben, nach der unseligen, verschwenderischen Aera von Ludwig XV., nach dessen öffentlichen Orgien und duckmäuserischen Rachehandlungen, nach der Regierung der Pompadour und der Dubarry? Wird Frankreich nicht die Fürstin segnen, welche ein Muster der von mir erwähnten Tugenden sein und als Mitgift den europäischen Frieden bringen wird? Die Dauphine Marie Antoinette kommt über die Grenze, der Altar und das Ehebett werden in Versaille zugerichtet; ist dies der Augenblick für Frankreich und durch Frankreich Euer Reformationswerk zu beginnen? Verzeiht mir, sehr ehrenwerther Herr, aber ich mußte sagen, was ich im Grunde meines Herzens dachte, und was ich Eurer untrüglichen Weisheit zu unterwerfen für meine Pflicht halte.«

Nach diesen Worten verbeugte sich derjenige, welchen der Unbekannte unter dem Namen des Apostels von Zürich bezeichnet hatte, erntete das schmeichelhafte Gemurmel einstimmiger Billigung und wartete auf die Antwort des Großkophta.

Sie ließ nicht lange auf sich warten, denn dieser erwiderte bald:

»Wenn Ihr in den Physiognomien leset, erhabene Brüder, so lese ich in der Zukunft. Maria Antoinette ist stolz; sie wird im Kampfe hartnäckig werden und unter unsern Angriffen untergehen. Der Dauphin Louis Auguste ist gut und mild, er wird im Kampfe schwach werden und wie seine Frau und mit ihr untergehen; nur wird sich jedes von ihnen durch die entgegengesetzte Tugend oder durch den entgegengesetzten Fehler zu Grunde richten. Sie schätzen sich in diesem Augenblick; wir werden ihnen nicht die Zeit gönnen, sich zu lieben, und in einem Jahre verachten sie sich. Warum übrigens sich berathschlagen, meine Brüder, von welcher Seite das Licht komme, da dieses Licht mir geoffenbart ist? da ich vom Orient komme, geleitet wie die Hirten durch das Gestirn, das eine zweite Wiedergeburt verkündigt? Morgen schreite ich zum Werke, und mit Eurer Unterstützung fordre ich zwanzig Jahre von Euch, um unser Werk zu vollbringen; zwanzig Jahre werden genügen, wenn wir vereinigt und stark auf ein Ziel losgehen.«

»Zwanzig Jahre!« murmelten mehrere Gespenster, »das ist sehr lang.«

Der Großkophta wandte sich an diese Ungeduldigen und sprach:

»Ja, gewiß, es ist sehr lang für Jeden, der sich einbildet, man tödte ein Princip, wie man einen Menschen tödtet mit dem Messer von Jacques Clement oder mit dem Federmesser von Damiens, Wahnsinnige!  . . . das Messer des Menschen tödtet allerdings; aber dem wiedererzeugenden Stahle ähnlich, schneidet es einen Zweig ab, um zehn andere aus dem Stamme hervorspringen zu lassen, und an der Stelle des in seinem Grabe liegenden königlichen Leichnams, erweckt es einen Ludwig XIII., einen albernen Tyrannen; einen Ludwig XIV, einen verständigen Despoten; einen Ludwig XV., ein Idol, benetzt mit den Thränen und dem Blute seiner Anbeter, wie die ungeheuerlichen Gottheiten, die ich in Indien mit einem eintönigen Lächeln die Frauen und die Kinder, welche Guirlanden unter die Räder ihres Wagens werfen, zerquetschen sah. Ah! Ihr findet, zwanzig Jahre seien zu viel, um den Königsnamen aus den Herzen von zwanzig Millionen Menschen zu vertilgen, welche vor Kurzem noch Gott das Leben ihrer Kinder boten, um das des kleinen Königs Ludwig XV. zu erkaufen! Ah! Ihr glaubt es sei eine leichte Aufgabe, Frankreich die Lilien verhaßt zu machen, welche strahlend wie die Gestirne des Himmels, liebkosend wie die Wohlgerüche der Blumen, an die sie erinnern, tausend Jahre hindurch das Licht, die Menschenliebe, den Sieg in alle Winkel der Erde getragen haben! Versucht es doch, meine Brüder, versucht es: ich gebe Euch nicht zwanzig Jahre, ich gebe Euch ein Jahrhundert! Ihr seid zerstreut, zitternd, einander unbekannt; ich allein weiß alle Eure Namen; ich allein schätze, um ein Ganzes daraus zu machen. Euren getheilten Werth; ich allein bin die Kette, die Euch in einem großen, brüderlichen Knoten verbindet. Wohl! ich sage Euch Philosophen, Oekonomisten, Ideologen, ich will, daß Ihr in zwanzig Jahren die Grundsätze, die Ihr mit leiser Stimme am Familienherde murmelt, die Ihr mit unruhigem Auge im Schatten Eurer alten Thürme niederschreibt, die Ihr einander, den Dolch In der Hand, anvertraut, um mit diesem Dolche den Unklugen oder den Verräther niederzustoßen, der Eure Worte lauter, als Ihr sie sagt, wiederholen würde; ich will, daß Ihr diese Grundsätze ganz öffentlich auf der Straße verkündigt, daß Ihr sie am hellen Tage druckt, daß Ihr sie in ganz Europa durch friedliche Emissäre oder an der Spitze der Bajonette von fünfmal hundert tausend Soldaten verkündigt, welche als Kämpfer für die Freiheit, diese Grundsätze auf ihre Fahnen geschrieben, sich erheben werden; ich will endlich, daß Ihr, die Ihr bei dem Namen des Tower von London, Ihr, die Ihr bei dem Namen der Kerker der Inquisition zittert, ich will bei dem Namen der Bastille, der ich Trotz bieten werde, daß wir, Ihr und ich, aus Mitleid lachen, während wir die Trümmer dieser furchtbaren Kerker, auf denen Eure Frauen und Eure Kinder tanzen werden, mit Füßen treten. Doch Alles dies kann nur nach dem Tode, nicht des Monarchen, sondern der Monarchie, nach der Verachtung der öffentlichen Gewalten, nach dem völligen Vergessen jeder socialen Niedrigkeit, nach der Vertilgung der aristokratischen Kasten und der Theilung der adeligen Güter geschehen. Ich verlange zwanzig Jahre, um eine alte Welt zu zerstören und eine neue aufzubauen, zwanzig Jahre, das heißt zwanzig Secunden der Ewigkeit, und Ihr sagt, das sei zu viel!«

Ein langes Gemurmel der Bewunderung und Beistmmung folgte aus die Rede des düsteren Propheten; er hatte offenbar alle Sympathien dieser geheimnißvollen Mandatare des europäischen Geistes gewonnen.

Der Großkophta genoß einen Augenblick seinen Triumph und fuhr dann, als er ihn vollständig fühlte, fort:

»Sprecht nun, meine Brüder, nun, da ich mich ganz hingebe, nun da ich den Bären in seiner Höhle anzugreifen im Begriffe bin und mein Leben gegen die Freiheit der Welt einsetze, was werdet Ihr für den Erfolg der Sache thun, der wir unser Leben, unser Vermögen und unsere Freiheit geweiht haben? Was werdet Ihr thun, sagt es? dies Euch zu fragen, bin ich gekommen.«

Ein durch seine Feierlichkeit erschreckendes Stillschweigen folgte auf diese Worte; man sah in dem düsteren Saale nur unbewegliche Gespenster, versunken in den ernsten Gedanken, der zwanzig Throne erschüttern sollte.

Die sechs Häupter trennten sich von den Gruppen und kehrten nach einer Berathung von einigen Minuten zu dem obersten Haupte zurück.

Der Präsident sprach zuerst.

»Ich vertrete Schweden,« sagte er. »Im Namen von Schweden biete ich, um den Thron von Wasa zu vernichten, die Bergleute, welche diesen Thron errichtet haben, nebst hunderttausend Silberthalern.«

Der Großkophta zog seine Schreibtafel hervor und schrieb das Anerbieten auf, das ihm gemacht worden war.

Derjenige, welcher zur linken des Präsidenten stand, sprach sodann:

»Ich, der Abgesandte der irländischen und schottischen Kreise, kann nichts im Namen von England bieten, das wir uns zu bekämpfen eifrig finden werden; doch im Namen des armen Irland, im Namen des armen Schottland biete ich eine Contribution von dreitausend Mann und dreitausend Kronen jährlich.«

Der Großkophta schrieb dieses Anerbieten neben das vorhergehende.

»Und Ihr?« sagte er zu dem dritten Haupte.

»Ich,« antwortete dieser, dessen Kraft und Ungestüm sich unter dem beengenden Rocke des Eingeweihten verriethen, »ich vertrete Amerika, von dem jeder Stein, jeder Baum, jeder Wassertropfen, jeder Blutstropfen der Empörung angehört. So lange wir Geld haben, werden wir geben; so lange wir Blut haben, werden wir vergießen; nur können wir nicht eher handeln, als bis wir frei sind. Getheilt, gleichsam eingepfercht, numerirt, stellen wir eine riesige Kette mit getrennten Ringen dar; eine mächtige Hand müßte die zwei ersten Glieder zusammenfügen und die andern würden sich wohl von selbst verbinden. Mit uns also müßte man anfangen, sehr ehrenwerther Meister. Wollt Ihr die Franzosen vom Königthum befreien, so macht uns zuerst von der fremden Herrschaft frei.«

»So soll es geschehen,« antwortete der Großkophta; »Ihr werdet zuerst frei sein, und Frankreich wird Euch unterstützen. Gott hat in allen Sprachen gesagt: »»Helfet einander.«« Wartet also; für Euch, Bruder, wird das Warten wenigstens nicht lange dauern, dafür stehe ich Euch.«

Dann wandte er sich an den Abgeordneten der Schweiz.

»Ich, was mich betrifft,« sagte dieser, »ich kann nichts versprechen, als meine persönliche Beihülfe. Die Söhne der Republik sind seit geraumer Zeit die Verbündeten der französischen Monarchie; sie verkaufen ihr Blut an dieselbe seit Marignan und Pavia; es sind getreue Schuldner und sie werden ausliefern, was sie verkauft haben. Zum ersten Male, sehr ehrenwerther Großmeister, schäme ich mich unserer Rechtschaffenheit.«

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Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
Hacim:
1798 s. 15 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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