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Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 4

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IV.
Der Abend des 24. August 1572

Unser Leser hat wohl nicht vergessen, daß in dem vorhergehenden Kapitel von einem Edelmann Namens de La Mole die Rede war, welcher mit einer gewissen Ungeduld von Heinrich von Navarra erwartet wurde. Dieser Edelmann ritt, wie es der Admiral vorhergesagt hatte, durch die Porte Saint-Marcel gegen Abend am 24. August 1572 in Paris ein und ließ, einen verächtlichen Blick auf die zahlreichen Wirthshäuser werfend, welche zu seiner Rechten und zu seiner Linken ihre malerischen Schilder ausstreckten, sein völlig dampfendes Pferd bis in das Herz der Stadt dringen, wo er, nachdem er über die Place Maubert, über den Petit-Pont, über den Pont Notre-Dame und die Quais hingezogen war, am Ende der Rue de Bresec anhielt, aus der man seitdem die Rue de l’Arbre-Sec gemacht hat, ein Name, den wir zur Erleichterung der Leser beibehalten wollen.

Der Name gefiel ihm ohne Zweifel, denn er ritt hinein, und da zu seiner Linken ein prachtvolles, an seiner Stange knarrendes Schild von Eisenblech seine Aufmerksamkeit erregte, so machte er einen zweiten Halt und las die Worte: »Zum schönen Gestirne,« welche unter ein Gemälde geschrieben waren, welches das anlockendste Bildniß für einen ausgehungerten Reisenden darstellte. Es war ein gebratenes Huhn, das mitten an einem schwarzen Himmel schwebte, während ein Mensch in einem rothen Mantel nach diesem Gestirne einer neuen Art seine Arme und seine Börse ausstreckte.

»Das ist ein Wirthshaus, das sich gut ankündigt,« sprach der Edelmann zu sich selbst, »und der Wirth muß, bei meiner Seele, ein kluger Bursche sein. Ich habe immer sagen hören, die Rue de l’Arbre-Sec wäre ein Quartier des Louvre, und wenn diese Anstalt nur einigermaßen dem Schilde entspricht, so werde ich mich hier vortrefflich befinden.«

Während der Ankömmling sich diesen Monolog zum Besten gab, hielt ein Anderer, der durch das entgegengesetzte Ende der Straße, das heißt durch die Rue Saint-Honoré eingeritten war, ebenfalls an und beschaute mit einer gewissen Begeisterung das Schild des schönen Gestirnes. Derjenige, welchen wir kennen, oder wenigstens dem Namen nach kennen, ritt einen Schimmel von spanischer Race und trug ein schwarzes, mit Schmelz verziertes Wamms. Sein Mantel war von dunkelveilchenblauem Sammet, er hatte schwarze lederne Stiefel, ein Schwert mit cisilirtem eisernem Griffe und einen Dolch ähnlicher Art. Gehen wir von seiner Tracht zu seinem Gesichte über, so bemerken wir: es war ein Mann von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, von dunkler Gesichtsfarbe, mit blauen Augen, zartem Schnurrbarte, und glänzenden Zähnen, welche, wenn er seinen Mund zu einem seinen, schwermüthigen Lächeln öffnete, sein Antlitz zu erleuchten schienen.

Der zweite Reisende bildete einen völligen Contrast mit dem ersten. Unter seinem Hute mit der aufgeschlagenen Krämpe erschienen reiche, krause, mehr rothe als blonde Haare. Unter diesem Hute glänzte auch ein graues Auge, das bei dem geringsten Anlasse in so heftige Flammen gerieth, daß man es dann hätte für schwarz halten sollen. Das Uebrige des Gesichtes bestand aus einem rosenfarbigen Teint, aus einer dünnen Lippe, über der ein falber Schnurrbart hervorstand, und aus bewunderungswürdigen Zähnen. Er war im Ganzen mit seiner weißen Haut, mit seinem hohen Wuchse und seinen breiten Schultern ein sehr schöner Reiter in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes, und seit einer Stunde, da er die Nase nach allen Fenstern emporhob, unter dem Vorwande, Wirthsschilder zu suchen, hatten ihn die Frauen viel angeschaut. Was die Männer betrifft, welche vielleicht Anfangs sich geneigt fühlten, zu lachen, als sie seinen Mantel, seine knappen Hosen und seine Stiefeln von alterthümlicher Form erblickten, so verwandelten sie dieses angefangene Lachen in einen artigen Gruß bei der Prüfung dieser Physiognomie, welche in einer Minute zehnerlei verschiedene Ausdrücke annahm, abgesehen von dem wohlwollenden Ausdrucke, welcher stets das Gesicht des verlegenen Provinzbewohners charakterisiert.

Er war es, der sich zuerst an den andern Edelmann wandte, welcher, wie gesagt, ebenfalls das Schild des Gasthofes zum schönen Gestirne betrachtete.

»Mordi, Herr!« sprach er, mit einem furchtbaren Gebirgsaccente, in welchem man den Piemontesen unter hundert Fremden erkennen würde, »ist man hier nicht in der Nähe des Louvre? Jedenfalls glaube ich, daß Ihr denselben Geschmack habt, wie ich, und das ist schmeichelhaft für meine Herrlichkeit.«

»Mein Herr,« antwortete der Andere mit einem Provençalen Accente, der dem piemontesischen Accente des Ersten in keiner Beziehung nachgab, »ich glaube in der That, dieser Gasthof liegt in der Nähe des Louvre. Uebrigens frage ich mich noch, ob ich die Ehre haben werde, Eurer Meinung zu sein. Ich gehe mit mir zu Rathe.«

»Ihr seid nicht entschlossen, mein Herr? das Haus ist doch gewiß einladend. Dann habe ich mich durch Eure Gegenwart anlocken lassen. Gesteht wenigstens, daß das Gemälde sehr hübsch ist.«

»Oh! allerdings, aber das ist es gerade, was mich an der Wirklichkeit zweifeln läßt. Paris ist voll von Betrügern, wie man mir sagt, und man betrügt mit einem Schilde eben so gut, wie mit irgend etwas Anderem.«

»Bei Gott, mein Herr,« versetzte der Piemontese, »ich bekümmere mich nicht viel um Betrügereien, und wenn der Wirth mir einen Vogel liefert, der minder gut geröstet ist, als der seines Schildes, so stecke ich ihn selbst an den Spieß und verlasse ihn nicht eher, als bis ihn das Feuer gehörig abgebräunt hat.«

»Ihr bestimmt mich vollends,« sprach der Provençal lachend, »Ich bitte Euch, zeigt mir den Weg, mein Herr.«

»Oh! mein Herr, bei meiner Seele, das werde ich nicht thun, denn ich bin nur Euer unterthäniger Diener, der Graf Annibal von Coconnas.«

»Und ich, mein Herr, ich bin nur der Graf Joseph Boniface Lerac de La Mole und ganz zu Euren Diensten.«

»Dann nehmen wir uns beim Arme, mein Herr, und treten mit einander ein.«

Das Resultat dieses ausgleichenden Vorschlages war, daß die zwei jungen Leute, welche nun von ihren Pferden stiegen und die Zügel in die Hände eines Hausknechtes warfen, sich beim Arme nahmen und sich nach der Thüre des Gasthofes wandten, auf dessen Schwelle der Wirth stand. Aber gegen die Gewohnheit solcher Leute schien der würdige Eigenthümer dieses Hauses den Ankömmlingen keine Aufmerksamkeit zu schenken; er war ganz vertieft in ein Gespräch mit einem großen trockenen, gelben Burschen, der in einem zunderfarbigen Mantel stack, wie die Eule in ihren Federn.

Die zwei Edelleute waren so nahe zu dem Wirthe und zu dem Menschen in dem zunderfarbigen Mantel gekommen, mit dem er sprach, daß Coconnas, ärgerlich über das geringe Gewicht, welches man auf ihn und seinen Gefährten legte, den Wirth beim Aermel faßte. Dieser schien plötzlich zu erwachen und beurlaubte den Andern mit einem: »Auf Wiedersehen! Kommt bald und haltet mich besonders beständig auf dem Laufenden.«

»He, Mensch!« sprach Coconnas, »seht Ihr nicht, daß man mit Euch zu thun hat?«

»Ah, ich bitte um Vergebung, meine Herren,« versetzte der Wirth, »ich sah Euch nicht.«

»Ei, Mordi! Ihr mußtet uns sehen, und nun, da Ihr uns gesehen habt, so sagt Herr Graf, statt ganz kurz mein Herr zu sagen, wenn es Euch gefällig ist.«

La Mole hielt sich zurück und ließ Coconnas sprechen, der die ganze Sache auf sich genommen zu haben schien. An seiner gerunzelten Stirne konnte man jedoch leicht sehen, daß er bereit war, ihm im geeigneten Augenblicke zu Hilfe zu kommen.

»Nun, was wünscht Ihr, Herr Graf?« fragte der Wirth mit dem ruhigsten Tone.

»Das ist schon besser, nicht wahr?« sagte Coconnas, sich gegen La Mole umwendend, der mit dem Kopfe ein bestätigendes Zeichen machte. »Der Herr Graf und ich wünschen, angelockt durch Euer Schild, Abendbrod und Nachtlager in Eurem Gasthofe zu finden.«.

»Meine Herren, ich bin in Verzweiflung, aber ich habe nur noch ein Zimmer, und ich befürchte, es wird Euch nicht zusagen.«

»Meiner Treue, desto besser,« sprach La Mole, »dann wohnen wir anderswo.«

»Nein, nein, ich wohne hier,« sagte Coconnas, »mein Pferd ist abgerieben, ich nehme also das Zimmer, da Ihr es nicht wollt.«

»Ah, das ist etwas Anderes,« sprach der Wirth, stets mit demselben unverschämten Phlegma, »wenn Ihr nur Einer seid, so kann ich Euch gar nicht aufnehmen«

»Mord und Todt« rief Coconnas, »bei meiner Treue, das ist ein lustiges Thier. So eben waren wir zu Zwei zu viel, nun sind wir als Einer zu wenig. Du willst uns also nicht beherbergen, Bursche?«

»Meine Herren, da Ihr die Sache in diesem Tone aufnehmt, so will ich Euch offenherzig antworten.«

»Antworte, aber geschwinde!«

»Nun, ich wünsche nicht die Ehre zu haben, Euch zu beherbergen.«

»Warum?« fragte Coconnas vor Zorn erbleichend.

»Weil Ihr keine Lackeien habt und mir dieß für ein volles Herrenzimmer zwei leere Lackeienzimmer machen würde. Wenn ich Euch nun das Herrenzimmer gebe, so laufe ich Gefahr, die andern nicht zu vermiethen.«

»Herr de La Mole, »sprach Coconnas, sich umwendend, »kommt es Euch nicht auch vor, wir sollten diesen Burschen zusammenhauen.«

»Das ist thunlich,« sprach La Mole und schickte sich, wie sein Gefährte an, den Wirth mit Peitschenhieben zu bearbeiten.

Aber trotz dieser doppelten Demonstration, welche von Seiten der zwei, wie es schien, entschlossenen Edelleute nichts sehr Beruhigendes hatte, gerieth der Wirth nicht aus der Fassung und begnügte sich, einen Schritt zurückzuweichen, um in seinem Hause zu sein.

»Man sieht,« sagte er spöttisch lachend, »daß diese Herren aus der Provinz kommen. In Paris ist die Mode, die Wirthe zu mißhandeln, welche ihre Zimmer nicht vermiethen wollen, abgekommen. Man haut die vornehmen Herren zusammen, und nicht die Bürger, und wenn Ihr zu sehr schreit, so rufe ich meine Nachbarn, und Ihr werdet mit Hieben bearbeitet, was eine zweier Edelleute ganz unwürdige Behandlung ist.«

»Mord und Teufel! er verspottet uns!« rief Coconnas ganz außer sich.

»Gregor, meine Büchse!« sprach der Wirth zu seinem Knechte, mit demselben Tone, als wenn er gesagt hätte: Einen Stuhl für diese Herren!

»Tod und Teufel!« brüllte Coconnas, sein Schwert ziehend, »macht Euch doch ein wenig warm, Herr de La Mole!«

»Nein, wenn es Euch gefällig ist, nein, denn während wir uns warm machen, wird das Abendbrod kalt.«

»Wie Ihr findet …« rief Coconnas.

»Ich finde, daß der Herr vom Schönen Gestirne Recht hat. Nur weiß er seine Reisenden nicht gut zu fassen, besonders wenn es Edelleute sind. Statt auf eine grobe Weise zu uns zu sagen: »»Meine Herren, ich will nichts von Euch,«« hätte er höflich zu uns sagen sollen: »Meine Herren, tretet ein!«« mit dem Vorbehalte, auf seine Rechnung zu sehen:Herrenzimmer so viel, Lackeienzimmer so viel, in Betracht, daß wir, wenn wir keine Lackeien haben, doch solche zu nehmen gedenken.«

»Hiernach schob La Mole den Wirth, welcher schon seine Hand nach der Büchse ausstreckte, sachte auf die Seite, ließ Coconnas vorbeigehen und trat hinter ihm in das Haus.

»Gleichviel,« sprach Coconnas, »es fällt mir sehr schwer, meinen Degen wieder in die Scheide zu stecken, ehe ich mich versichert habe, daß er so gut sticht, als die Spicknadel dieses Burschen.«

»Geduld, mein lieber Gefährte,« sagte La Mole, »alle Gasthöfe sind voll von Edelleuten, welche durch die Hochzeitfeste oder durch den nahe bevorstehenden flandrischen Feldzug nach Paris gezogen werden. Wir würden kein anderes Quartier mehr finden, und vielleicht ist es in Paris Gewohnheit, die ankommenden Fremden so zu empfangen.«

»Wie geduldig seid Ihr doch, Herr de La Mole,« murmelte Coconnas, vor Wuth seinen rothen Schnurrbart drehend und den Wirth mit den Augen anblitzend, »aber der Schurke soll sich in Acht nehmen. Wenn seine Küche schlecht, wenn sein Bett hart, wenn sein Wein nicht drei Jahre auf Flaschen gezogen, wenn sein Aufwärter nicht geschmeidig ist, wie ein Rohr …«

»Bah, bah, mein Herr,« sagte der Wirth, das Messer von seinem Gürtel an einem Stahle wetzend, »beruhigt Euch, Ihr seid im Schlaraffenland.«

Dann murmelte er ganz leise und den Kopf schüttelnd:

»Das ist ein Hugenott. Die Schufte sind so unverschämt seit der Verheirathung ihres Bearners mit Mademoiselle Margot.«

Mit einem Lächeln, das seine Gäste beben gemacht haben würde, wenn sie es gesehen hatten, fügte er bei:

»Ah! das müßte doch lustig sein, wenn mir Hugenotten in die Hände gefallen wären, und wenn …«

»Werden wir zu Nacht speisen?« fragte Coconnas mit zornigem Tone, die Beiseitereden des Wirthes unterbrechend.

»Wie es Euch gefällt, mein Herr,« antwortete dieser, ohne Zweifel durch seinen letzten Gedanken besänftigt.

»Es ist uns gefällig, und zwar bald,« antwortete Coconnas.

Dann sich gegen La Mole umwendend, fragte er:

»Ei, sagt mir doch, mein Herr Graf, ist Euch Paris zufällig als eine heitere Stadt vorgekommen?«

»Meiner Treue, nein,« sprach La Mole, »es scheint mir, ich habe nur verwilderte oder zurückstoßende Gesichter gesehen. Vielleicht haben die Pariser Furcht vor dem Sturme. Seht, wie schwarz der Himmel und wie schwer die Luft ist!«

»Sagt mir, Graf, Ihr sucht den Louvre, nicht wahr?«

»Und Ihr ebenfalls, glaube ich, Herr von Coconnas.«

»Gut, wenn Ihr wollt, so suchen wir ihn mit einander.

»Ei, ist es nicht ein wenig zu spät, um auszugehen?« sprach La Mole.

»Spät oder nicht, ich muß ausgehen. Meine Befehle sind genau. So schnell als möglich nach Paris kommen und sogleich nach der Ankunft den Herzog von Guise aufsuchen.«

Bei dem Namen des Herzogs von Guise näherte sich der Wirth sehr aufmerksam.

»Es scheint mir, dieser Schuft behorcht uns,« sagte Coconnas, der als Piemontese sehr streitsüchtig war und dem Herrn des schönen Gestirnes die unhöfliche Weise, wie er seine Reisenden empfing, nicht verzeihen konnte.

»Ja, meine Herren, ich horche,« sagte dieser, die Hand an seiner Mütze legend, »aber um Euch zu dienen. Ich höre von dem großen Herzog von Guise sprechen und eile. Womit kann ich Euch dienen, meine gnädigen Herren?«

»Ah, ah, dieser Name ist magisch, wie es scheint; denn aus dem Unverschämten ist ein Unterthäniger geworden. Mordi! Meister, Meister … wie heißt Du?«

«Meister La Hurière,« antwortete der Wirth, sich verbeugend.

»Nun wohl, Meister La Hurière, glaubst Du vielleicht, mein Arm sei minder schwer, als der des Herrn Herzogs von Guise, der das Vorrecht hat, Dich so höflich zu machen.«

»Nein, mein Herr Graf, aber er ist minder lang,« versetzte La Hurière. »Ueberdieß muß ich Euch sagen, daß dieser große Heinrich der Abgott von uns Parisern ist.«

»Welcher Heinrich?« fragte La Mole.

»Es scheint mir, es gibt nur einen,« versetzte der Wirth.

»Und das ist?«

»Heinrich von Guise.«

»Um Vergebung, mein Freund, es gibt noch einen Andern, von dem ich Euch nichts Böses zu sagen bitte; dieß ist Heinrich von Navarra, abgesehen von Heinrich von Condé, der auch sein Verdienst hat.«

»Diese kenne ich nicht,« erwiederte der Wirth.

»Ja, aber ich kenne sie,« sprach La Mole, »und da ich an den König von Navarra adressiert bin, »so bitte ich Euch, in meiner Gegenwart nicht über ihn zu schmähen.«

Der Wirth beschränkte sich darauf, ohne Herrn de La Mole zu antworten, leicht seine Mütze zu berühren, und sagte sodann fortwährend mit freundlichen Augen gegen Coconnas:

»Der gnädige Herr wird also mit dem großen Herzog von Guise sprechen? Der gnädige Herr ist ein sehr glücklicher Mann und kommt ohne Zweifel wegen …«

«Warum?« fragte Coconnas.

»Wegen des Festes,« antwortete der Wirth mit einem sonderbaren Lächeln.

»Wegen der Feste solltet Ihr sagen, denn Paris überströmt von Festen, wie ich gehört habe. Man spricht wenigstens nur von Bällen, von Gelagen, von Ringelrennen. Belustigt man sich nicht ungemein in Paris?«

»Mäßig, gnädiger Herr, wenigstens bis jetzt,« antwortete der Wirth, »aber man wird sich belustigen, wie ich hoffe.«

»Die Hochzeit Seiner Majestät des Königs von Navarra zieht doch viele Menschen in diese Stadt,« sprach La Mole.

»Viele Hugenotten, ja Herr,« erwiederte La Hurière mit rauhem Tone. Dann sich fassend sprach er:

»Ah, um Vergebung, die Herren sind vielleicht von dieser Religion?«

»Ich von dieser Religion!« rief Coconnas, »ich bin ein Katholik wie unser heiliger Vater, der Papst.«

La Hurière wandte sich gegen La Mole um, als wollte er ihn fragen; aber entweder begriff dieser seinen Blick nicht oder er hielt es nicht für geeignet zu antworten.

»Wenn Ihr Seine Majestät den König von Navarra nicht kennt, Meister La Hurière, so kennt Ihr doch vielleicht den Herrn Admiral. Ich hörte, der Herr Admiral genösse einige Gunst bei Hofe, und da ich ihm empfohlen bin, so wünsche ich, wenn seine Adresse Euch nicht den Mund schindet, zu wissen, wo er wohnt.«

»Er wohnte in der Rue de Béthisy, mein Herr, hier rechts,« antwortete der Wirth mit einer innern Freude, die zu einer äußern zu werden sich nicht erwehren konnte.

»Wie? er wohnte?« fragte La Mole, »ist er denn ausgezogen?«

»Ja, wenigstens aus dieser Welt.«,

»Was soll das heißen?« riefen gleichzeitig die zwei Edelleute. »Der Admiral ist aus dieser Welt gezogen?«

»Wie, Herr von Coconnas,« fuhr der Wirth mit einem boshaften Lächeln fort, »Ihr gehört zu den Anhängern von Guise, und wißt dies nicht?«

»Was denn?«

»Daß der Admiral, als er vorgestern auf der Place Saint-Germain-l’Auxerrois vor dem Hause des Canonicus Peter Pille vorüberging, einen Büchsenschuß bekommen hat?«

»Und er ist todt!« rief La Mole.

»Nein, der Schuß hat ihm nur den Arm zerschmettert und zwei Finger abgeschlagen, aber man hofft, die Kugeln werden vergiftet gewesen sein.«

»Wie, Schurke! man hofft!« rief La Mole.

»Man glaubt, will ich sagen,« versetzte der Wirth. »Streiten wir uns nicht über ein Wort, ich habe mich nur versprochen.«

Und Meister La Hurière wandte La Mole den Rücken zu und streckte gegen Coconnas auf die hämischste Weise die Zunge heraus, diese Geberde mit einem Blicke des Einverständnisses begleitend.

»In der That!« sagte Coconnas strahlend.

»In der That!« murmelte La Mole mit schmerzlichem Erstaunen.

»Es ist, wie ich Euch zu sagen die Ehre habe,« antwortete der Wirth.

»Dann gehe ich, ohne einen Augenblick zu verlieren, in den Louvre. Werde ich wohl den König Heinrich dort finden?«

»Es ist wahrscheinlich, da er daselbst wohnt.«

»Und ich gehe auch in den Louvre,« sagte Coconnas, »ei, werde ich den Herzog von Guise wohl dort finden.«

»Es ist wahrscheinlich, ich habe ihn vorhin mit seinen zweihundert Edelleuten vorüber reiten sehen.«

»Dann kommt, Herr von Coconnas,« sprach La Mole.

»Ich folge Euch, mein Herr,« sagte Coconnas.

»Aber Euer Abendbrod, meine gnädigen Herrn?« sagte Meister La Hurière.

»Ah,« erwiederte La Mole, »ich speise vielleicht bei dem König von Navarra zu Nacht.«

»Und ich bei dem Herzog von Guise.«

»Und ich,« sprach der Wirth, nachdem er den zwei Edelleuten, welche den Weg nach den Louvre einschlugen, mit den Augen gefolgt war, »ich will meine Pickelhaube putzen, meine Büchse mit Zündkraut versehen und meine Partisane schleifen.«

V.
Vom Louvre insbesondere und von der Tugend im Allgemeinen

Von der ersten Person, die ihnen begegnete, unterrichtet, gingen die zwei Edelleute durch die Rue d’Averon, durch die Rue des Fossés-Saint-Germain-l'Auxerrois und befanden sich bald vor dem Louvre, dessen Thürme sich mit den ersten Schatten des Abends zu vermischen anfingen.

»Was habt Ihr denn?« fragte Coconnas La Mole, der bei dem Anblicke des alten Schlosses stehen blieb und mit einer gewissen Achtung diese Zugbrücken, diese schmalen Fenster und diese spitzigen Thürme, welche plötzlich vor seine Augen traten, betrachtete.

»Meiner Treu, ich weiß es nicht, das Herz schlägt mir. Ich bin doch nicht übermäßig furchtsam, aber ich weiß nicht, warum mir dieser Palast so düster, ich möchte sagen, so furchtbar erscheint.«

»Und ich,« sagte Coconnas, »ich weiß nicht, wie mir geschieht, aber ich bin von einer besondern Heiterkeit. Mein Aussehen ist ein wenig vernachlässigt,« fuhr er, mit den Augen seine Reisekleider überlaufend, fort. »Bah! Man erscheint in Reitertracht. Dann schärften mir auch meine Befehle Eile ein. Ich werde also willkommen sein, da ich pünktlich gehorcht habe.«

Und die zwei jungen Edelleute setzten ihren Weg fort, jeder bewegt von den Gefühlen, die er ausgedrückt hatte.

Es war starke Wache im Louvre; alle Posten schienen verdoppelt. Unsere jungen Leute waren also Anfangs sehr in Verlegenheit. Aber Coconnas, welcher bemerkt hatte, daß der Name des Herzogs von Guise eine Art von Talisman bei den Parisern war, näherte sich einer Wache, berief sich auf diesen allmächtigen Namen und fragte, ob er nicht in den Louvre gelangen könnte.

Dieser Name schien seine gewöhnliche Wirkung auf den Soldaten hervorzubringen. Er fragte jedoch Coconnas, ob er die Parole hatte.

Coconnas war genöthigt, zu gestehen, er wüßte sie nicht.

»Dann geht zurück, Herr,« sagte der Soldat.

Ein Mensch, der mit dem Offizier des Postens plauderte und während seines Plauderns gehört hatte, wie Coconnas in den Louvre eingelassen zu werden verlangte, unterbrach in diesem Augenblick sein Gespräch, kam zu ihm und sagte in dem sonderbarsten Jargon der Welt:

»Was wollt Ihr von Herrn von Guise?«

»Ich will mit ihm sprechen,« antwortete Coconnas lächelnd.

»Unmöglich, der Herzog ist bei dem König.«

»Ich habe aber einen Avisbrief, worin ich beauftragt bin, nach Paris zu kommen.«

»Ah, Ihr habt einen Avisbrief?«

»Ja, und ich komme von sehr ferne her.«

»Ah, Ihr kommt von sehr ferne her?«

»Ich komme von Piemont.«

»Gut, gut, das ist etwas Anderes. Und Ihr heimßt?«

»Graf Annibal von Coconnas.«

»Gut, gut, gebt den Brief, Herr Annibal, gebt ihn.«

»Das ist auf mein Wort ein sehr artiger Mann,« sagte La Mole, mit sich selbst sprechend. »Könnte ich nicht einen ähnlichen finden, der mich zu dem König von Navarra führen würde?«

»Gebt doch den Brief,« fuhr der deutsche Edelmann, die Hand nach dem zögernden Coconnas ausstreckend, fort.

»Mordi!« versetzte der Piemontese mißtrauisch wie ein halber Italiener, »ich weiß nicht, ob ich soll. Ich habe nicht die Ehre, Euch zu kennen, mein Herr.«

Ich bin Pesme und gehöre dem Herzog von Guise.«

»Pesme,« murmelte Coconnas, »ich kenne diesen Namen nicht.«

»Es ist Herr von Besme, gnädiger Herr,« sagte die Wache. »Die Aussprache täuscht Euch. Gebt den Brief dem Herrn; ich stehe gut dafür.«

»Ah, Herr von Besme!« rief Coconnas, »ich glaube wohl, daß ich diesen Namen kenne. Hier ist der Brief mit dem größten Vergnügen. Entschuldigt mein Zögern, aber man muß sich so benehmen, wenn man treu sein will.«

»Gut, gut,« sprach Besme, »es bedarf keiner Entschuldigung.«

»Meiner Treue, Herr,« sagte La Mole, sich ebenfalls nähernd. »wolltet Ihr wohl, da Ihr so höflich seid, meinen Brief übernehmen, wie Ihr es mit dem meines Gefährten gethan habt?«

»Wie heißt Ihr?«

»Graf Lerac de La Mole.«

»Graf Lerac de La Mole?«

»Ja.«

»Ich kenne diesen Namen nicht.«

»Es ist ganz einfach, daß ich Euch nicht bekannt bin, mein Herr, denn ich bin ein Fremder und komme, wie der Graf von Coconnas, von sehr ferne her.«

»Und woher kommt Ihr?«

»Aus der Provence.«

Ebenfalls mit einem Briefe?«

»Ja.«

»Für Herrn von Guise?«

»Nein, für Seine Majestät den König von Navarra.

»Ich gehöre nicht dem König von Navarra,« – sprach von Besme mit plötzlich eintretender Kälte, »ich kann also Euren Brief nicht übernehmen.«

Und La Mole den Rücken zuwendend, ging er in den Louvre und machte Coconnas ein Zeichen, ihm zu folgen.

La Mole blieb allein.

In diesem Augenblicke ritt durch das mit dem Thore, durch welches Coconnas und Besme gegangen waren, parallel liegende Thor eine Truppe von ungefähr hundert Mann heraus.

»Ah! Ah!« sagte die Schildwache zu ihrem Cameraden, »das ist von Mouy mit seinen Hugenotten. Sie strahlen in der That. Der König wird ihnen den Tod des Mörders des Admirals versprochen haben, und da es der Mensch ist, der den Vater von Mouy getödtet hat, so wird der Sohn mit einem Steine zwei Schläge thun.«

»Um Vergebung,« versetzte La Mole, sich an den Soldaten wendend, »habt Ihr nicht gesagt, mein Braver, dieser Officier wäre Herr von Mouy?«

»Ja, mein Herr.«

»Und diejenigen, welche ihn begleiteten, wären …«

»Parpaillots6. Das habe ich gesagt.

»Ich danke,« sagte La Mole, ohne daß es schien, als bemerkte er den verächtlichen Ausdruck, dessen sich die Schildwache bediente, »mehr wollte ich nicht wissen.«

Und sich gegen den Führer der Reitertruppe wendend, sagte er zu diesem:

»Mein Herr, ich erfahre, Ihr seid Herr von Mouy.«

»Ja, mein Herr,« antwortete der Offizier mit höflichem Tone.

»Euer unter den Anhängern der Religion so wohl bekannter Name macht mich so kühn, mich an Euch zu wenden und Euch um einen Dienst zu bitten.«

»Um welchen, mein Herr? Doch vor Allem, mit wem habe ich zu sprechen die Ehre?«

»Mit dem Grafen Lerac de La Mole.«

Die zwei jungen Leute begrüßten sich.

»Ich höre, mein Herr,« sagte Mouy.

»Mein Herr, ich komme von Aix und bin der Ueberbringer eines Briefes von Herrn d’Aunac, dem Gouverneur der Provence. Dieser Brief ist an den König von Navarra gerichtet und enthält wichtige, dringende Nachrichten. Wie kann ich denselben dem König zustellen Wie kann ich in den Louvre gelangen?«

»Nichts leichter, als in den Louvre zu gelangen,« versetzte von Mouy, »nur glaube ich, der König von Navarra wird zu dieser Stunde zu sehr beschäftigt sein, um Euch zu empfangen. Doch gleichviel, wenn Ihr mir folgen wollt, so führe ich Euch bis zu seinem Gemach. Das Uebrige ist Eure Sache.«

»Tausend Dank!«

»Kommt, Herr,« sprach von Mouy.

Von Mouy stieg vom Pferde, warf den Zügel seinem Lakaien zu, ging nach der Pforte, gab sich der Schildwache zu erkennen, führte La Mole in das Schloß und sagte, die Thüre der Wohnung des Königs öffnend:

»Tretet ein, mein Herr, und erkundigt Euch.«

Und sich vor La Mole verbeugend, entfernte er sich.

»Als La Mole allein war, schaute er um sich her. Das Vorzimmer war leer, aber eine von den inneren Thüren offen. Er machte einige Schritte und befand sich in einem Gange. Er klopfte und rief, ohne daß Jemand antwortete. Es herrschte die tiefste Stille in diesem Theile des Louvre.«

»Wer sprach mir denn von einer so strengen Etiquette?« dachte er. »Man kommt und geht in diesem Palast, wie auf einem öffentlichen Platze.«

Und er rief abermals, aber ohne bessern Erfolg, als das erste Mal.

»Gehen wir vorwärts,« dachte er.

Und er schritt durch den Gang, welcher immer finsterer wurde.

Plötzlich öffnete sich eine Thüre, und es erschienen zwei Pagen, welche Fackeln trugen und damit eine Frau von imposanter Gestalt, von majestätischer Haltung und besonders von einer bewunderungswürdigen Schönheit beleuchteten.

Es fiel das volle Licht auf La Mole, welcher unbeweglich stehen blieb.

Die Frau blieb ebenfalls stehen und fragte den jungen Mann mit einer Stimme, welche wie eine kostbare Musik in seinen Ohren klang:

»Was wollt Ihr, mein Herr?«

»Ah! Madame,« erwiederte La Mole, die Augen niederschlagend, »ich bitte Euch, entschuldigt mich, ich verlasse so eben Herrn von Mouy, der die Güte gehabt hat, mich hierher zu führen, und ich suchte den König von Navarra.«

»Seine Majestät ist nicht hier, mein Herr; der König ist, glaube ich, bei seinem Schwager. Aber könntet Ihr in seiner Abwesenheit nicht der Königin sagen …?«

»Allerdings, Madame,« versetzte La Mole, »wenn irgend Jemand sich herablassen wollte, mich zu ihr zu führen.«

»Ihr steht vor ihr.«

»Wie?« rief La Mole.

»Ich bin die Königin von Navarra,« sagte Margarethe.

La Mole machte eine so ungestüme Bewegung des Erstaunens und Schreckens, daß die Königin lächelte.

»Sprecht geschwinde, mein Herr,« sagte sie, »denn man erwartet mich bei der Königin Mutter.«

»Oh! Madame, wenn Ihr sogleich erwartet werdet, so erlaubt mir, mich zu entfernen, denn es wäre mir in diesem Augenblick unmöglich, mit Euch zu sprechen. Ich bin nicht im Stande, zwei Gedanken zusammenzufassen; Euer Anblick hat mich geblendet. Ich denke nicht mehr, ich bewundere.«

Margarethe ging voll Anmuth und Güte auf den schönen jungen Mann zu, der, ohne es zu wissen, als vollendeter Höfling gehandelt hatte, und sagte:

»Beruhigt Euch, mein Herr, ich werde warten, und man wird auf mich warten.«

»Oh! vergebt, Madame, wenn ich Euere Majestät von Anfang nicht mit aller Achtung begrüßt habe, welche sie von einem ihrer unterthänigsten Diener anzusprechen befugt ist.«

»Ihr hieltet mich wohl für eine von meinen Frauen?« fuhr Margarethe fort.

»Nein, Madame, sondern für den Schatten der schonen Diana von Poitiers. Man sagt mir, sie erscheine zuweilen im Louvre.«

»Mein Herr,« versetzte Margarethe, »ich habe nicht bange, daß Ihr Euer Glück bei Hofe machen werdet. Ihr hattet einen Brief für den König, wie Ihr sagtet? das war unnöthig. Doch gleich viel, wo ist er? Ich werde ihm denselben zustellen. Doch eilt, ich bitte Euch.«

In einem Augenblick schob La Mole die Nesteln seines Wammses auf die Seite und zog aus seiner Brust den in einem seidenen Umschlage verwahrten Brief hervor.

Die Königin nahm den Brief und betrachtete die Schrift.

»Seid Ihr nicht Herr de La Mole?« sagte sie.

»Ja, Madame. Oh, mein Gott, sollte ich das Glück haben, Euerer Majestät dem Namen nach bekannt zu sein?«

»Ich habe Euren Namen von dem König, meinem Gemahl, und von meinem Bruder, dem Herzog von Alençon, aussprechen hören. Ich weiß, daß man Euch erwartet.«

Und sie steckte in ihren von Stickereien und Diamanten starrenden Leib den Brief, der aus dem Busen des jungen Mannes kam und von der Wärme seiner Brust noch lau war.

La Mole folgte gierig mit den Augen jeder Bewegung von Margarethe.

»Mein Herr,« sprach die Königin, »geht nun in die untere Gallerie hinab und wartet, bis Jemand von dem König von Navarra oder dem Herzog von Alençon, kommt. Einer von meinen Pagen wird Euch führen.

Nach diesen Worten setzte die Königin ihren Weg fort. La Mole drückte sich an die Wand, aber der Gang war so eng und der Wulst der Königin von Navarra so breit, das ihr seidenes Gewand das Kleid des jungen Mannes streifte, während ein starker Wohlgeruch sich auf der Stelle verbreitete, wo sie vorübergekommen war.

La Mole bebte am ganzen Leibe und suchte einen Ruhepunkt an der Mauer, da er fühlte, daß er dem Niederfallen nahe war.

»Kommt, Herr,« sagte der Page, welcher den Auftrag hatte, La Mole in die untere Gallerie zu führen.

»Oh, ja, ja!« rief La Mole ganz berauscht, denn da ihm der junge Mann den Weg andeutete, auf welchem sich Margarethe entfernt hatte, so hoffte er, rasch gehend, sie noch einmal zu sehen.

6.Ein Spottname für die Hugenotten.

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