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Kitabı oku: «La San Felice Band 13»

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Dreizehnter Theil

Erstes Capitel.
Das freie Gastmahl

Dieser Abend, welcher den Cardinal über das aufklärte, was zur Verzweiflung getriebene Menschen auszurichten vermögen, setzte ihn in Schrecken.

Er hatte die ganze Nacht den Wiederhall jenes Musketenfeuers gehört, ohne jedoch zu wissen, wovon die Rede war,

Bei Tagesanbruch erfuhr er zu seinem Schrecken das in der Nacht stattgehabte Blutbad. Er stieg sofort zu Pferde, und wollte sich selbst genaue Kenntniß von den Vorgängen der Nacht verschaffen.

Demzufolge erreichte er, von Cesare, Malaspina, Lamarra und zweihundert Mann seiner besten Cavalleristen begleitet, das Thor des heiligen Januarius passierend, die Strada Foria, ritt mitten durch die auf dem Largo delle Pigne stehenden Sanfedisten hindurch und durch die Strada dei Studi weiter nach der Toledostraße.

Auf dem Lorgo Spirito ward er von Fra Diavolo und Mammone empfangen und sah an den düsteren Mienen der beiden Anführer sofort, daß der Bericht über die von den Sanfedisten erlittenen Verluste durchaus nicht übertrieben war.

Man hatte noch nicht Zeit gehabt, die Todten wegzuschaffen und das Blut fortzuschwemmen.

Als der Cardinal auf dem Largo della Carità ankam, wollte sein Pferd nicht weiter, denn es hatte keinen Schritt thun können, ohne auf einen Todten zu treten.

Der Cardinal machte Halt, stieg ab, trat in das Kloster Monte Oliveto und schickte Lamarra und Cesare auf Entdeckung aus, indem er ihnen zugleich bei Strafe seiner Ungnade befahl, ihm nichts zu verschweigen.

Mittlerweile rief er Fra Diavolo und Mammone zu sich und befragte sie über die Ereignisse in der Nacht.

Von dem, was in der Toledostraße vorgegangen war, wußten sie noch gar nichts.

Der Mangel an Zusammenhang der zwischen den verschiedenen sanfedistischen Corps bestand, hielt die Communicationen ab, das zu sein, was sie bei einer regulären Armee gewesen wären.

Die beiden Anführer erzählten, daß sie gegen drei Uhr Morgens von einer Rotte Teufel angegriffen worden seien, die, ohne daß sie gewußt, woher dieselbe käme, und in dem Augenblick, wo sie es am wenigsten geahnt, über sie hergefallen wäre.

Ihre unversehens angegriffenen Leute hatten keinen Widerstand geleistet und der Cardinal hatte das Resultat dieses Ueberfalls gesehen.

Die Republikaner waren übrigens verschwunden wie ein Traum, nur hatte dieser Traum zum Beweis seiner Wirklichkeit einhundertundfünfzig Feinde auf dem Schlachtfeld zurückgelassen.

Der Cardinal runzelte die Stirne.

Dann kamen Cesare und Lamarra ihrerseits.

Die Nachrichten, die sie brachten, lauteten ebenfalls sehr schlimm.

Lamarra meldete, daß das der sanfedistischen Coalition angehörige albanesische Bataillon vom ersten bis auf den letzten Mann niedergemacht worden sei.

Cesare hatte erfahren, daß von dem Posten und der Batterie in der Chiaja nur noch neun Mann übrig waren.

Die von dem englischen Kriegsschiff gelieferten vier Kanonen waren vernagelt und folglich unbrauchbar, und die russischen Artilleristen hatten sich bei ihren Geschützen niedermachen lassen.

Nun hatte in derselben Nacht, das heißt in der so eben verflossenen, der Cardinal durch einen Boten, der in Salerno an’s Land gestiegen war, den vom 14. Juni datierten Brief der Königin erhalten, in welchem Briefe die Königin ihm sagte, daß Nelson’s Flotte, nachdem sie Palermo verlassen, um den Thronerben nach Ischia zu bringen, zurückgekehrt sei, um denselben Thronerben auf die von Nelson empfangene Nachricht, daß die französische Flotte von Toulon ausgelaufen sei, wieder ans Land zu setzen.

Es war allerdings nicht sehr wahrscheinlich, daß diese Flotte nach Neapel käme; dennoch aber war es möglich, und dann wäre Ruffo’s Unternehmen verloren gewesen.

Ueberdies konnte etwas, was schon einmal geschehen war, auch zum zweiten Male geschehen.

Nach-der Einnahme von Cotrone war die Plünderung so ergiebig gewesen, daß drei Viertel der Sanfedisten, die sich nun genugsam bereichert zu haben glaubten, mit Waffen, Gepäck und Beute desertiert waren.

Nun aber war die Hälfte von Neapel bereits durch die Lazzaroni geplündert und die sanfedistische Armee konnte nicht annehmen, daß die andere Hälfte der Gefahren verlohne, welchen ein jeder sich aussetzte, wenn er blieb.

Der Cardinal machte sich keine Täuschung Seine Armee war mehr eine Rotte hungriger Raben, Wölfe und Geier, als ein Heer von Kriegern, welche für den Triumph einer Idee oder eines Princips kämpfen.

Das Erste, was man zu thun hatte, war daher, dem Plündern der Lazzaroni Einhalt zu thun, damit auf alle Falle noch etwas für die übrigbliebe, welche einen Marsch von hundert Meilen in der Hoffnung gemacht, selbst zu plündern.

Demzufolge und seinen Entschluß mit der Schnelligkeit der Ausführung fassend, welche eine der hervorragendsten Seiten seines Genies war, ließ der Cardinal sich Feder, Tinte und Papier bringen und verfaßte eine Proclamation, in welcher er das fernere Plündern und Morden auf’s Strengste untersagte und zugleich versprach, daß den Insurgenten, welche sofort die Waffen niederlegten, nichts zu Leide geschehen solle, denn es sei Absicht des Königs, ihnen volle und unumschränkte Amnestie zu gewähren.

Man wird zugeben, daß es schwer ist, dieses Versprechen mit den strengen Befehlen des Königs und der Königin in Bezug auf die Rebellen zu vereinigen; wenn man nicht annehmen will, daß der Cardinal wirklich die Absicht hatte, kraft seiner Vollmacht als Alterego des Königs so viel Patrioten zu retten, als in seiner Macht stünde.

Die Folge bewies übrigens, daß dies in der That seine Absicht war.

Er setzte in seiner Proclamation noch hinzu, daß alle Feindseligkeiten gegen jedes Castell und jede Befestigung in dem Augenblick aufhören würde, wo sie zum Zeichen, daß sie die angebotene Amnestie annähmen, die weiße Fahne aufpflanzten, und er bürgte mit seiner Ehre für das Leben der Officiere, welche zu ihm kommen würden, um zu parlamentiren.

Diese Proclamation ward noch denselben Tag gedruckt und an allen Straßenecken, sowie auf allen öffentlichen Plätzen der Stadt, angeschlagen.

Da es leicht möglich war, daß die Patrioten von San Martino, wenn sie nicht in die Stadt herabkämen, von diesen neuen Verfügungen des Cardinals keine Kenntniß erhielten, so schickte er Scipio Lamarra mit einer weißen Fahne und von einem Trompeter begleitet zu ihnen, um ihnen diesen Waffenstillstand melden zu lassen.

Die Patrioten von San Martino, welche von ihrem Erfolg in der vergangenen Nacht und von dem erlangten Resultat noch ganz berauscht waren, denn sie zweifelten nicht, daß sie dieses friedliche Entgegenkommen des Cardinals ihrem Siege verdankten – antworteten, sie seien entschlossen, mit den Waffen in der Hand zu sterben und würden sich zu nichts verstehen, bevor nicht Ruffo und die Sanfedisten die Stadt geräumt hätten.

Aber auch diesmal war Salvato, der die Klugheit des Diplomaten mit dem Muthe , des Soldaten verband, nicht der Meinung Monthonnet’s, der im Namen seiner Cameraden beauftragt ward, eine ablehnende Antwort zu ertheilen.

Er begab sich mit den Vorschlägen des Cardinals in der Hand zu dem legislativen Körper, und nachdem er diesem den wahren Stand der Dinge auseinandergesetzt, kostete es ihm keine große Mühe, ihn zu bestimmen, Conferencen mit dem Cardinal zu eröffnen; weil diese Conferenzen, wenn sie zu einem Vertrag führten, das einzige Mittel seien, den compromittirten Patrioten das Leben zu retten.

Da die Castelle unter dem legislativen Körper standen, so ließ demgemäß letzterer Massa, dem Commandanten des Castello Nuovo, und Aurora, dem Commandanten des Castell d’Uovo, sagen, daß er, wenn sie nicht direct mit dem Cardinal unterhandeltem in ihrem Namen selbst unterhandeln würde.

Etwas Derartiges konnte man jedoch Manthonnet nicht befehlen, denn dieser hing, da er nicht in ein Fort eingeschlossen war, sondern das Kloster San Martino besetzt hielt, nur von sich selbst ab.

Der legislative Körper forderte gleichzeitig Massa auf, sich mit dem Commandanten des Castells San Elmo zu besprechen, nicht damit dieser dieselben Bedingungen erwähne, welche den Commandanten der neapolitanischen Castelle angeboten worden wären – in seiner Eigenschaft als französischer Officier konnte er für sich allein und nach Gutdünken unterhandeln – sondern damit er die Capitulation der anderen Festungen billige und den Tractat mit unterzeichne, weil seine Unterschrift mit Grund als eine Bürgschaft mehr für dir Ausführung der Verträge zu betrachten war, denn er war ganz einfach ein Feind, während die Anderen Rebellen waren.

Man antwortete demgemäß dem Cardinal, er habe sich an die ablehnende Antwort der Patrioten von San Martino nicht zu kehren und die von ihm angebotene Amnestie sei angenommen.

Man ersuchte ihm demgemäß den Tag und die Stunde zu bestimmen, wo die Anführer der beiden Parteien zusammenkommen könnten, um die Grundlinien der Capitulation zu entwerfen.

Während dieses selben Tages, am 19. Juni, ereignete sich jedoch etwas, was sich schon längst hatte erwarten lassen.

Die Calabresen, die Lazzaroni, die Bauern, die Sträflinge und alle jene Raub- und Blutmenschen, welche Sciarpa, Mammone, Fra Diavolo, Panedigrano und anderen Banditen desselben Schlages folgten, um nach Herzenslust plündern und morden zu können, alle diese Menschen, mit einem Worte, beschlossen, als sie die Proclamation des Cardinals sahen, welche den Metzeleien und dem Sengen und Brenners ein Ziel setzte, diesem Befehl nicht zu gehorchen; sondern weiter zu plündern und zu morden.

Der Cardinal schauderte, als er fühlte, wie die Waffe, womit er bis jetzt gesiegt, seinen Händen entsank.

Er gab Befehl, den Gefangenen, welche man in die Gefängnisse bringen wolle, dieselben nicht mehr zu öffnen. Er verstärkte die russischen, türkischen und schweizerischen Corps, welche sich in der Stadt befanden, denn dieselben waren die einzigen, auf die er zählen konnte.

Nun begannen das Volk oder vielmehr die Mörder- und Räuberbanden, welche die Stadt ins Flammen setzten und mit Blut überschwemmtem als sie sahen, daß die Gefängnisse vor den Gefangenen, welche sie dahin brachten, geschlossen blieben, sie ohne Richterspruch zu erschießen und aufzuknüpfen.

Die weniger Grausamen führten die ihrigen zu dem königlichen Commandanten in Ischia, hier aber fanden die Patrioten Speciale, welcher sich begnügte, Todesurtheile über sie zu fällen, ohne sie erst zu verhören, wenn er es nämlich nicht vorzog, sie, um schneller mit ihnen fertig zu werden, ohne Richterspruch in’s Meer werfen zu lassen.

Von der Höhe von San Martino, von der Höhe des Castello d’Uovo und von der Höhe des Erster Nuovo sahen die Patrioten mit Entsetzen und mit Wuth Alles, was in der Stadt, in dem Hafen und auf dem Meere vorging.

Empört über dieses Schauspiel standen die Patrioten schon im Begriff, wieder zu den Waffen zu greifen, als der Oberst Mejean, wüthend darüber, daß er weder mit dem Directorium noch mit dem Cardinal Ruffo unterhandeln gekannt, den Republikanern sagen ließ, er habe im Castell San Elmo fünf oder sechs Geißeln, die er ihnen ausliefern würde, wenn die Metzeleien nicht aufhörten.

Unter der-Zahl dieser Geißeln befand sich ein Cousin des Chevalier Micheroux, Lieutenant des Königs, und ein dritter Bruder des Cardinals.

Man setzte Seine Eminenz von dem Stande der Dinge in Kenntniß.

Wenn die Metzeleien fortdauerten, so sollten eben so viel Geißeln, als man Patrioten gemordet hätte, von den Mauern des Castells San Elmo herabgestürzt werden.

Die gegenseitigen Meldungen wurden immer schlimmer und führten natürlich beide Parteien zu einem Vertilgungskriege. Es stand in keiner Weise zu bezweifeln, daß muthige und verzweifelte Männer die von ihnen angedrohten Repressalien auch wirklich in Ausführung bringen würden.

Der Cardinal begriff, daß kein Augenblick zu verlieren sei.

Er rief alle Anführer sämtlicher unter seinem Commando stehenden Corps zusammen und bat sie, ihre Soldaten unter der strengsten Disciplin zu halten, indem er ihnen zugleich, wenn ihnen dies gelänge, die glänzendsten Belohnungen in Aussicht stellte.

Man formierte nun Patrouillen, die blos aus Unterofficieren bestanden. Die Patrouillen durchzogen die Straßen nach allen Richtungen, und durch Drohungen, Versprechungen und freigebige Geldspenden brachte man es endlich dahin, daß die Flammen erloschen und das Blut aufhörte zu fließen. Neapel athmete auf.

Es bedurfte aber nicht weniger als zweier Tage, um zu diesem Resultat zu gelangen.

Am 21. Junis beschlossen die Patrioten von San Martino und der beiden Castelle, den Waffenstillstand und die Ruhe, welche nach so vielen Anstrengungen die Folge desselben war, zu thun, was die Alten thaten, wenn sie zum Tode verurtheilt waren. Sie beschlossen das sogenannte freie Mahl zu halten.

Nur Cesare fehlte, um die furchtbaren Worte: Morituri te salutant! entgegenzunehmen.

Es war ein trauriges Fest, bei welchem jeder sein eigenes Leichenbegängniß zu feiern schien, etwas Aehnliches wie jenes letzte Gastmahl der Senatoren von Capua, an dessen Ende mitten unter verwelkten Blumen und beim Tone verhallender Musik man den Giftbecher kreisen ließ, aus welchem achtzig Gäste den Tod tranken.

Der Platz, welchen man dazu wählte, war der vor dem Nationalpalast, heutzutage Platz des Plebiscit.

Damals war er bei weitem nicht so umfangreich, als er gegenwärtig ist.

Der ganzen Länge der Tafel nach wurden Masten ausgepflanzt. Auf jedem derselben flatterte eine weiße Flagge, auf der mit schwarzen Buchstaben die Worte geschrieben standen:

»Freiheit oder Tod!«

Unter dieser Flagge und in der Mitte eines jeden Mastes befand sich eine Gruppe von drei Fahnen, deren unterste Enden die Stirne der Gäste streiften.

Die eine dieser Fahnen war dreifarbig. Es war die Fahne der Freiheit.

Die andere war roth. Sie war das Symbol des Blutes, welches vergossen worden, und dessen, welches noch vergossen werden sollte.

Die- dritte war schwarz. Sie war das Emblem der Trauer, welche das Vaterland einhüllen würde, wenn die einen Augenblick verscheuchte Tyrannei wieder darüber herrschte.

In der Mitte des Platzes, am Fuße des Freiheitsbaumes erhob sich der Altar des Vaterlandes.

Man begann damit, daß man hier die Todtenmesse zu Ehren der für die Freiheit gefallenen Märtyrer hielt.

Der Bischof della Torre, Mitglied des gesetzgebenden Körpers, hielt die Leichenrede.

Dann setzte man sich zu Tische.

Das Mahl war düster, traurig, fast stumm.

Nur dreimal ward es durch einen doppelten Toast auf die Freiheit und den Tod unterbrochen – diese beiden großen Gottheiten, welche von den unterdrückten Völkern angerufen werden.

Von ihren Vorposten aus konnten die Sanfedisten dieses letzte Gastmahl mit ansehen, aber sie verstanden die erhabene Trauer desselben nicht.

Nur der Cardinal berechnete, welche verzweifelten Anstrengungen Menschen fähig sind, welcher sich mit dieser erhabenen Ruhe auf den Tod vorbereiten, und er ward, mochte nun Furcht oder Bewunderung die Ursache sein, in seinem Entschluß, mit ihnen zu unterhandeln, dadurch nur um desto mehr bestärkt.

Zweites Capitel.
Die Capitulation

Am19. Juni waren, wie wir bereits gesagt, die Präliminarien der Capitulation zu Papier gebracht worden.

Während des 20. hatte man mitten unter einer Emeute, welche die Stadt mit Blut überschwemmte und zuweilen, einen zufriedenstellenden Ausgang der Unterhandlungen als geradezu unmöglich erscheinen ließ, darüber verhandelt.

Am 2l. Mittags war die Emeute beschwichtigt und um vier Uhr Nachmittags hatte das freie Gastmahl stattgefunden.

Endlich am 22. Morgens kam der Oberst Mejean, von der royalistischen Cavallerie escortirt, von dem Castell San Elmo herab, um sich mit dem Directorium zu besprechen.

Salvato sah alle diese Vorbereitungen zum Frieden mit großer Freude.

Die Plünderung von Luisas Hause, das allgemein verbreitete Gerücht, daß sie die Backer denunziert und dass diese Denunciation die Ursache des Todes derselben gewesen, flößten ihm für die Sicherheit der Geliebten die lebhaftesten Besorgnisse ein. Für seine Person jeder Furcht unzugängig, war er doch, wenn es sich um Luisa handelte, furchtsamer und schüchterner als ein Kind.

Auch eine zweite Hoffnung begann in seinem Herzen zu erwachen. Seine Liebe zu Luisa war immer höher gestiegen und selbst der Besitz hatte sie noch gesteigert.

Da das Verhältniß zwischen Beiden mittlerweile zur allgemeinen Kenntniß gekommen, so war es unmöglich, daß Luisa in Neapel bliebe, und hier die Rückkehr ihres Gemahls abwarte.

Nun aber war es, wahrscheinlich, daß sie die den Patrioten gestellte Alternative, in Neapel zu bleiben oder zu, fliehen, benutzen würde, um nicht blos Neapel, sondern auch Italien zu verlassen. Dann gehörte sie wirklich ihm, dann ward sie die Seine auf immer und nichts konnte sie von ihm trennen.

In Bezug auf die Capitulation, welche unter seinen Befehlen diskutiert worden, hatte er Luisa mehrmals absichtlich den Artikel 5 dieser Capitulation erklärt, welcher dahin lautete; daß allen darin inbegriffenen Personen die Wahl zustände, entweder in Neapel zu bleiben, oder sich nach Toulon einzuschiffen.

Luisa hatte bei dieser Erklärung jedesmal geseufzt, ihren Geliebten an ihr Herz gedrückt, aber nichts geantwortet.

Luisa hatte nämlich trotz ihrer innigen Liebe zu Salvato sich noch zu nichts entschlossen, und wich, indem sie die die Augen schloß, um die Zukunft nicht zu sehen, vor dem unermeßlichen Schmerze zurück, welchen diese Zukunft, wenn der Augenblick kam, entweder ihrem Gatten oder ihrem Geliebten verursachen mußte.

Allerdings, wäre Luisa frei gewesen, so wäre es für sie wie für Salvato das höchste Glück gewesen, dem Freunde ihres Herzens bis ans Ende der Welt zu folgen. Dann hätte sie ohne Schmerz ihre Freunde, Neapel und selbst dieses kleine Haus verlassen, in welchem ihre so ruhige und so reine Kindheit von Jugend an verflossen war.

Neben diesem höchsten Glück aber richtete sich ein Schatten empor, den sie nicht verscheuchen konnte.

Wenn sie fortging, so gab sie das Alter des Mannes, der an ihr Vaterstelle vertreten, dem Schmerz und der Vereinsamung preis.

Ach, leider hat jene berauschende Leidenschaft welche man die Liebe nennt, jene Seele des Weltalls, welche den Menschen seine schönsten Thaten und seine größten Verbrechen begehen läßt, und die, so lange der Fehltritt noch nicht geschehen, an Entschuldigungen so sinnreich ist, der Reue und den Gewissensbissen nichts weiter entgegenzusetzen als Theorien und Seufzer.

Auf Salvatos Bitten wollte Luisa nicht ja antworten, und nein zu antworten wagte sie nicht.

Sie hegte im innersten Herzen jene unbestimmte Hoffnung der Unglücklichen, welche nur noch auf ein Wunder der Vorsehung hoffen, um einer verzweifelten Lage entrissen zu werden, in welche sie durch einen Irrthum oder seinen Fehltritt versetzt worden.

Mittlerweile verging die Zeit, und wie wir schon gesagt, kam am 22. Juni Morgens der Oberst Mejean von dem Castell San Elmo herab, um, von der royalistischen Cavallerie escortirt, mit dem Directorium zu conferiren.

Der Zweck seines Besuches war, sich zum Vermittler zwischen den Patrioten und dem Cardinal anzubieten, weil das Directorium die Bedingungen, die es stellte, nicht zu erlangen hoffte.

Man erinnert sich der Antwort Manthonnet’s: »Wir werden nicht eher unterhandeln, als bis der letzte Sanfedist die Stadt verlassen hat.«

Da der gesetzgebende Körper wissen wollte, ob die Castelle im Stande wären, die stolzen Worte Manthonnets aufrecht zu erhalten, so ließ er den Commandanten des Castells Nuovo rufen.

Die Sitzungen des legislativen Körpers fanden gegenwärtig im Nationalpalast statt.

Oronzo Massa, dessen Namen wir schon mehrmals genannt, ohne übrigens bei seiner Person zu verweilen, hat in einem Buche wie das, welches wir uns die Aufgabe gestellt zu schreiben, Anspruch auf etwas mehr als bloße Eintragung seines Namens in die Martyrologie des Vaterlandes.

Er war von edler Familie geboren. Schon in jungen Jahren Artillerie-Officier, hatte er, als vor vier Jahren die Regierung die blutige, despotische Bahn betreten, welche durch die Hinrichtung Emmanueles di Dio, Vitaglianos und Gaglianis eröffnet worden, seinen Abschied genommen. Als die Republik proclamirt ward, verlangte er als gemeiner Soldat zu dienen. Die Republik machte ihn zum General.

Er war ein Mann von Beredsamkeit, Unerschrockenheit und erfüllt von erhabenen Gesinnungen.

Cirillo war es, der im Namen der legislativen Versammlung das Wort an Massa richtete.

»Oronzo Massa,« sagte er zu ihm, »wir haben Sie rufen lassen, um von Ihnen zu hören, welche Hoffnung uns noch für Vertheidigung des Castells und die Rettung der Stadt bleibt. Antworten Sie uns offen, ohne weder im Guten noch im Schlimmen etwas zu übertreiben.«

»Sie verlangen, daß ich Ihnen mit voller Offenheit antworte,« entgegnete Oronzo Massa. »Ich werde es thun. Die Stadt ist verloren. Keine Anstrengung selbst wenn jeder Mensch ein Curtius wäre, kann sie retten. Was das Castello Nuovo betrifft, so sind wir noch Herren desselben, aber blos aus dem Grunde, weil wir Soldaten ohne Erfahrung und ungeübte, durch einen Priester commandirte Banden gegen uns haben. Das Meer, der Binnenhafen und der äußere Hafen sind in der Gewalt des Feindes. Der Palast kann sich gegen Artillerie nicht mehr halten. Die Courtiue ist zerstört, und wäre ich Belagerer, anstatt Belagerter zu sein, so wäre das Castell binnen zwei Stunden in meiner Gewalt.

»Dann nehmen Sie also den Frieden an?«

»Ja, vorausgesetzt daß, wie ich freilich bezweifle, wir denselben unter Bedingungen abschließen, die mit unserer Ehre als Soldaten und Bürger vereinbar sind.«

»Und warum-zweifeln Sie, daß wir den Frieden unter ehrenvollen Bedingungen abschließen? Kennen Sie nicht die welche das Directorium vorschlägt?«

»O ja, ich kenne sie und eben deshalb zweifle ich, daß der Cardinal sie annimmt. Der durch den siegreichen Marsch, der ihn bis unter unsere Mauern geführt hat, übermüthig gemachte, durch den König und die Königin angestachelte Feind wird den Anführern der Republik nicht Leben und Freiheit lassen wollen. Nach meiner Ansicht werden sich daher wenigstens zwanzig Bürger zur Rettung der übrigen opfern müssen. Da dies meine Ueberzeugung ist, so verlange ich zuerst auf diese Liste gesetzt zu werden, oder vielmehr mich selbst darauf zu setzen.«

Und während die Anwesenden von einem Schauer der Bewunderung durchrieselt wurden, schrieb er, an das Bureau des Präsidenten tretend, auf den oberen Rand eines Bogens weißen Papieres mit fester Hand die Worte:

»Oronzo Massa. – Für den Tod.«

Lauter Beifall erscholl und wie mit einer einzigen Stimme riefen die Gesetzgeber:

»Alle! Alle! Alle!«

Der Commandant des Castell d’Uovo war in Bezug auf die Unmöglichkeit, sich zu halten, derselben Meinung wie sein Camerad Massa.

Es blieb nun nach Manthonnet, den man zu der Ansicht der noch übrigen Anführer bekehren mußte. Durch seinen wunderbaren Muth verblendet, war es stets der Letzte, welcher sich klugen Rathschlägen fügte.

Man bestimmte, daß der General Massa nach San Martino hinaufgehen und sich mit den am Fuße des Castells San Elmo postierten Truppen besprechen und, wenn er eine Verständigung mit diesen erzielte, den Oberst Mejean benachrichtigen sollte, daß seine Gegenwart dem Directorium nothwendig sei.

Der Commandant des Castello d’Uovo erhielt vom Cardinal freies Geleit.

Der Commandant Massa überzeugte Manthonnet, das Beste, was man thun könne, sei, auf die von dem Directorium vorgeschlagenen, ja sogar auf noch schlimmere Bedingungen hin zu unterhandeln, und setzte verabredetermaßen den Oberst Mejean in Kenntniß, daß man ihn erwartete, um diese Bedingungen dem Cardinal zu überbringen.

So kam es, daß am 22. Juni der Cammandant des Castells San Elmo seine Festung verließ und in die Stadt herabkam.

Er begab sich direct nach dem Hause, welches der Cardinal an der Magdalenenbrücke bewohnte, aber ohne dem Directorium zu verschweigen, daß er kaum hoffe, die gestellten Bedingungen von dem Cardinal angenommen zu sehen.

Er ward sofort bei dem Cardinal vorgelassen und überreichte diesem die schon von dem General Massa und dem Cammandanten Aurora unterzeichneten Artikel der Capitulation.

Der Cardinal, der ihn erwartete, hatte den Chevalier Micheroux, den englischen Cammandanten Foote, den Commandanten der russischen Truppen, Bailly, und den Cammandanten der ottomanischen Truppen, Achmet, bei sich.

Der Cardinal nahm die Capitulation, las sie und ging mit dem Chevalier Micheroux und den Anführern der englischen, russischen und türkischen Hilfstruppen in ein Nebenzimmer.

Zehn Minuten später trat er wieder ein, ergriff die Feder und schrieb ohne weitere Diskussion seinen Namen unter den Aurora’s.

Dann reichte er die Feder dem Commandanten Foote, dieser gab sie seinerseits weiter an den Commandanten Bailly und dieser an den Commandanten Achmet.

Die einzige Forderung, welche der Cardinal stellte, war, daß der Tractat, obschon am 22. unterzeichnet, auf den 18. zurückdatirt werde.

Diese Forderung, auf welche der Oberst Mejean ohne Zögern einging und die für alle Welt ein Geheimniß war, ist Dank der genauen Kenntniß, die wir von jener Epoche haben, und der Correspondenz des Königs und der Königin, welche wir im Jahre 1860 so glücklich waren in unsere Hände zu bekommen, für uns kein Geheimniß.

Der Cardinal wollte, daß das Datum des Tractats ein früheres wäre als das des Briefes, welchen er von der Königin erhalten und der ihm untersagte, unter irgend einem Vormund mit den Rebellen zu unterhandeln.

So konnte er den Vorwand geltend machen, er habe den Brief erst erhalten, als die Capitulation bereits unterzeichnet gewesen sei.

Da wir es hier mit einem rein historischen Punkt zutun haben, so ist es von der größten Wichtigkeit, unseren Lesern genau den Text der zehn Artikel vorzulegen, welche nie anders als unvollständig oder gefälscht in die Oeffentlichkeit gelangt sind.

Es handelt sich um einen furchtbaren Prozeß, in welchem der Cardinal Ruffo, durch die Geschichte oder vielmehr einen Geschichtschreiber, einen parteiischen und schlecht unterrichteten Richter, in erster Instanz verurtheilt, gegen Ferdinand, Caroline und Nelson an die Nachwelt appelliert.

Die Capitulation lautete folgendermaßen:

»Art. l. – Das Castello Nuovo und das Castello d’Uovo werden dem Commandanten der Truppen Seiner Majestät des Königs beider Sicilien und der seiner Bundesgenossen, des Königs von England, des Kaisers aller Reussen und des Sultans der ottomanischen Pforte mit allen Vorräten an Munition und Proviant, Artillerie und in den Magazinen vorhandenen Effecten aller Art übergeben, welche nach Unterschrift der gegenwärtigen Capitulation durch die Inventur der betreffenden Commissäre zu specificiren sind.

»Art. 2. – Die die Garnison bildenden Truppen werden ihre Forts behalten, bis die Schiffe, von welchen sogleich die Rede sein wird und welche bestimmt sind, Alle, die es wünschen, nach Toulon zu gehen, dahin zu bringen, segelfertig sein werden.

»Art. 3. – Die Besatzungen ziehen mit militärischen Ehren ab, das heißt mit Waffen und Gepäck, unter Trommelschlag, mit brennenden Lunten und fliegenden Fahnen, jede mit zwei Stücken Geschütz. An dem Meeresstrande werden, sie die Waffen ablegen.

»Art. 4. – Die Personen und das bewegliche Eigenthum sämtlicher die beiden Garnisonen bildenden Individuen werden respektiert und dafür gebürgt.

»Art. 5. – Allen obenerwähnten Individuen steht die Wahl frei sich entweder auf Parlamentärschiffen, welche man dazu verwenden wird, um sie nach Toulon zu bringen, einzuschiffen, oder unbelästigt mit ihren Familien in Neapel zu bleiben.

»Art. 6. – Die in der gegenwärtigen Capitulation festgesetzten Bedingungen erstrecken sich auf alle in den Forts befindlichen Personen beiderlei Geschlechtes.

»Art. 7. – In gleicher Weise der Wohlthaten dieser Bedingungen theilhaftig sind alle von den Truppen Seiner Majestät des Königs beider Sicilien oder von denen seiner Bundesgenossen in den Gefechten, welche vor der Blockade der Castelle stattgefunden, gemachten Gefangenen insoweit sie den regulären Truppen angehören.

»Art. 8. – Der Erzbischof von Salerno, Micheroux, Dillon und der Bischof von Avellino bleiben als Geißeln in den Händen des Commandanten des Fortes San Elmo bis zur Ankunft der ausgewanderten Patrioten in Toulon.

»Art. 9. – Mit Ausnahme der soeben genannten Personen werden sämtliche in den Forts sitzende Geißeln und Staatsgefangenen sofort nach Unterzeichnung der vorliegenden Capitulation in Freiheit gesetzt werden.

»Art. 10. – Die Artikel der vorstehenden Capitulation können nicht eher zur Ausführung gelangen, als bis sie von dem Commandanten des Castells San Elmo gutgeheißen worden sind.

»Gegeben auf dem Castello Nuovo am 18. Juni 1799.

(Unterz.)Massa, Commandant des Castello Nuovo; Aurora, Commandant des Castello d’Uovo; Cardinal Ruffo, Generalvicar des Königreiches Neapel; Antonio, Chevalier Micheroux, Bevollmächtigter Seiner Majestät des Königs beider Sicilien bei den russischen Truppen; E. T. Foote, Commandant der Schiffe Sr. Majestät des Königs von Britannien; Bailly, Commandant der Truppen Sr. Majestät des Kaisers von Rußland; Achmet, Commandant der ottomanischen Truppen.

Unter den Unterschriften der verschiedenen bei der Capitulation betheiligten Anführer las man folgende Zeilen:

»Kraft des von dem Kriegsrath in dem Castell San Elmo am 3. Messidor über den vom 1. Messidor datierten Brief des Generals Massa, Commnudanten des Castello d’Uovo, gefaßten Beschlusses billigt der Commandant des Castells San Elmo die vorstehende Capitulation.«

»Fort San Elmo am 3. Messidor im Jahre VII der französischen Republik (21. Juni 1799).

»Mejean.«

An demselben Tage, wo die Capitulation wirklich unterzeichnet ward, das heißt am 22. Juni; schrieb der Cardinal, hoch erfreut, zu einem so glücklichen Resultat gelangt zu sein, an den König einen umständlichen Bericht über die ausgeführten Operationen, und beauftragte den Capitän Foote, einen der Unterzeichner der Capitulation, diesen Brief dem Könige in eigener Person zu überbringen.

Der Capitän Foote machte sich mit dem »Seahorse« sofort auf den Weg nach Palermo.

Er war seit einigen Tagen im Commando dieses Schiffes auf den Capitän Ball gefolgt, welchen Nelson zu sich zurückberufen hatte.

Am nächstfolgenden Tage ertheilte der Cardinal alle erforderlichen Befehle zur möglichst schnellen Bereitmachung der Schiffe, mittelst deren die patriotische Garnison nach Toulon transportiert werden sollte.

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04 aralık 2019
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