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Kitabı oku: «La San Felice Band 3», sayfa 3

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Drittes Capitel.
Fra Pacifico

Michele hatte sich nicht geirrt. Es hatte Lärm auf dem Altmarkt gegeben, nur hatte derselbe nicht ganz die Ursache, welche Luisas Bruder ihm beimaß, aber diese Ursache war wenigstens nicht die alleinige gewesen.

Versuchen wir zu erzählen, was in diesem tumultuarischen Quartier des alten Neapel geschehen war, einem Stadttheil, in welchem Lazzaroni, Camorristen und Guappi sich um die Herrschaft streiten, wo Masamiello seine Revolution improvisierte und von wo seit fünfhundert Jahren alle Emeuten ausgegangen sind, welche die Hauptstadt Siciliens bewegt haben, ebenso wie von dem Vesuv alle Erdbeben ausgegangen sind, welche Refina, Portici und Torre del Greco erschüttert haben.

Gegen sechs Uhr Morgens hatten die Nachbarn des Klosters vom heiligen Ephraim, welches in der Salita dei Capuccini steht, wie gewöhnlich den mit der Verproviantierung des Klosters beauftragten Mönch herauskommen und seinen Esel vor sich hintreibend die lange Straße hinabwandern sehen, welche vor dem Thor des heiligen Gebäudes nach der Straße de l'Infrascata führt.

Da diese beiden Wesen, das zweifüßige sowohl als das vierfüßige, bestimmt sind, in unserer Erzählung eine gewisse Rolle zu spielen, so verdienen sie, ganz besonders das zweifüßige, eine nähere Beschreibung.

Der Mönch, welcher die braune Kutte der Capuziner mit der den Rücken hinabhängenden Capuze trug, ging den Ordensregeln gemäß mit nackten Füßen in Sandalen mit Holzsohlen, die mit zwei gelbledernen Riemen um den Knöchel herum befestigt waren.

Sein Kopf war glatt rasiert bis auf den schmalen Kranz von Haaren, welcher bestimmt ist, die Dornenkrone des Heilands zu versinnlichen.

Um den Leib trug er jene wunderbare Schnur des heiligen Franciscus, welche auf die Verehrung, welche die Gläubigen dem Orden zollen, einen so großen Einfluß ausübt und deren drei symbolische Knoten an drei Gelübde erinnern, welche die Mönche dieses Ordens, indem sie der Welt entsagen, leisten, nämlich das Gelübde der Armuth, das Gelübde der Keuschheit und das Gelübde des Gehorsams.

Fra Pacifico, wörtlich der friedliche Bruder – so hieß der Bettelmönch, welchen wir soeben haben auftreten lassen – schien, indem er das Kleid des heiligen Franciscus anlegte, den Namen angenommen zu haben, welcher mit seiner physischen Erscheinung und seinem Charakter am meisten in Widerspruch zu stehen schien.

In der That war Fra Pacifico ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, fünf Fuß acht Zoll groß, mit musculösen Armen, massiven Händen, einer herkulischen Brust und rüstigen Beinen. Sein Bart war schwarz und dicht, die Nase gerade und mit weiten Nüstern, die Zähne glichen einer elfenbeinernen Zange, die Gesichtsfarbe war braun und die Augen hatten jenen furchtbaren Ausdruck, welcher in Frankreich nur den Männern von Avignon und Nimes und in Italien den Gebirgsbewohnern der Abruzzen eigen ist, den Abkömmlingen jener Samniter, welche es den Römern so viele Mühe kostete zu überwinden, oder jener Marsen, welche sie niemals überwanden.

Was seinen Charakter betraf, so war er von der Art, welche gallsüchtige Menschen in der Regel treibt, ohne alle Ursache Zwistigkeiten zu beginnen.

Zu der Zeit, wo er noch Seemann war – Fra Pacifico war nämlich früher Seemann gewesen und wir werden später erzählen, bei welcher Gelegenheit er den Dienst des Königs mit dem Gottes vertauschte – also zu der Zeit, wo er Seesoldat war, geschah es selten, daß Frau Pacifico, welcher sich damals Francisco Esposito1 oder der Ausgesetzte nannte, weil sein Vater vergessen ihn anzuerkennen und seine Mutter nicht geglaubt hatte, sich die Mühe nehmen zu müssen ihn zu ernähren, zu jener Zeit, jagen wir, verging selten ein Tag, ohne daß der friedliche Bruder entweder an Bord eines Schiffes mit einigen seiner Cameraden oder auf dem Molo oder in der Strada dei Pilieri, oder in Santa Lucia mit irgend einem Camorristen oder einem Guappo handgemein ward, welcher auf das Land dieselben Rechte zu haben behauptete, wie der vorgenannte Francisco Esposito über den Ocean oder das mittelländische Meer zu haben vorgab. Francisco Esposito hatte als Matrose am Bord der von dem Admiral Caracciolo commandierten »Minerva« die Expedition nach Toulon als guter Bundesgenosse der französischen Royalisten, der er auch war, mitgemacht und diesen Beistand geleistet, als sie, nachdem Toulon an die Engländer verkauft worden, sich an den Jacobinern gerächt hatten.

Allerdings war er dafür von dem Admiral Caracciolo streng bestraft worden, denn dieser war nicht gemeint, daß das herzliche Einverständniß bis zum Meuchelmord getrieben werde, anstatt aber durch diese Züchtigung von seinem Haß gegen die Sansculotten geheilt zu werden, war dieser nur immer höher gestiegen, so daß schon der bloße Anblick eines Menschen, welcher, der neuen Mode huldigend, seinen Zopf und eine kurzen Beinkleider auf dem Altar des Vaterlandes geopfert, um das Haar kurz und die Beinkleider lang zu tragen, ihm Convulsionen zuzog, welche im Mittelalter die Anwendung des Exorcismus nöthig gemacht hätte.

Trotz alledem aber war Francisco Esposito ein vortrefflicher Christ geblieben und hatte niemals verfehlt, Früh und Abends ein Gebet zu verrichten. Auf einer Brust trug er die Medaille mit dem Madonnenbild, welche seine Mutter ihm umgehängt, ehe sie ihn nach dem Findelhause getragen, an welcher sie sich aber wohl gehütet, irgend ein Kennzeichen zurückzulassen, welches den jungen Esposito zu der Hoffnung berechtigt hätte, später einmal reclamiert zu werden.

Alle Sonntage, wo es ihm vergönnt war, nach Toulon zu gehen, hörte er die Messe mit musterhafter Andacht und hätte für alles Gold der Welt nicht die Kirche verlassen, um im Wirthshaus mit seinen Cameraden eine Flasche rothen Wein von Lamalgue, oder weißen Wein von Caffis zu leeren, bevor er den Priester in die Sacristei zurückkehren gesehen.

Dies hielt ihn jedoch nicht ab, diese Operation des Leerens einer Flasche weißer oder rother Flüssigkeit niemals vor sich gehen zu lassen, ohne daß es einige mehr oder weniger breite Hieb- oder mehr oder weniger tiefe Stichwunden auf der Liste jener freundschaftlichen Narben nachzutragen gab, welche die Folgen jener Messerduelle sind, die unter der Volksclasse, welcher Francisco Esposito angehörte und für welche der Todtschlag nur eine Geberde ist, so häufig vorkommen.

Man weiß wie die Belagerung von Toulon endete. Es geschah dies auf eine sehr unerwartete Weise.

Eines Nachts bemächtigte Buonaparte sich des kleinen Gibraltar. Am nächstfolgenden Tage nahm man die Forts Aiguiletto und Balagnier, deren Geschütze man sofort gegen die englischen, portugiesischen und neapolitanischen Schiffe kehrte.

Nicht einmal der Versuch einer Vertheidigung war möglich.

Caracciolo, welcher seine Fregatte zu bemeistern verstand wie ein Reiter sein Pferd, befahl, die »Minerva« von eben bis unten in Leinwand zu hüllen.

Francisco Esposito, einer der geschicktesten und kräftigsten Matrosen, ward in das oberste Takelwerk hinaufgeschickt, um hier das Bramsegel beizusetzen.

Trotz des ziemlich starken Rollens des Schiffes hatte er dieses Manöver eben zur größten Zufriedenheit eines Capitäns durchgeführt, als eine französische Kugel in der Entfernung eines halben Meters von dem Mast die Raa zerschlug, auf welcher seine beiden Füße standen.

Die Erschütterung brachte ihn aus dem Gleichgewichte, aber er hielt sich mit beiden Händen an das flatternde Segel, an welchem er durch die Kraft der Fäuste hängen blieb.

Die Lage war eine sehr gefährliche. Francisco fühlte wie das Segel allmälig zerriß. Wenn er sich einen Schwung gab, so konnte er den Augenblick, wo das Rollen ihm erlaubte in das Meer zu fallen, benutzen und er hatte in diesem Falle gegründete Aussicht gerettet zu werden, Wartete er dagegen, bis das Segel vollständig zerriß, so konnte er auf das Deck hinabstürzen und dann stand hundert gegen eins zu wetten, daß er den Hals brechen würde.

Er entschied sich für das Erste und that zugleich seinem Schutzheiligen, dem heil. Franciscus, das Gelübde, wenn er glücklich davonkäme, das Seemannskleid auszuziehen und das Mönchsgewand anzulegen.

Nun hatte der Capitän, der auf Esposito, trotz seines widerspenstigen Betragens, große Stücke hielt, weil er einer seiner besten Matrosen war, einer Schaluppe gewinkt, sich zu nähern und sich bereit zu halten, um Esposito den erforderlichen Beistand zu leisten.

Esposito stürzte aus einer Höhe von sechzig Fuß herab und nur drei Meter weit von der Schaluppe ins Wasser, so daß er in dem Augenblicke, wo er, von einem Sturze ein wenig betäubt, wieder auf die Oberfläche heraufkam, blos zwischen den ihm entgegengestreckten Händen und Rudern zu wählen hatte.

Er gab den Händen als den zuverlässigeren Werkzeugen den Vorzug, faßte die ersten, die er erreichen konnte, ward aus dem Wasser gehißt und wieder an Bord gebracht, wo Caracciolo sich beeilte, ihm sein Compliment über die Art und Weise zu machen, auf welche er seine Voltigierkünste ausgeführt.

Esposito hörte aber die Complimente seines Capitäns mit zerstreuter Miene an, theilte, als dieser sich nach dem Grunde dieser Zerstreutheit erkundigte, ihm das Gelübde mit, welches er gethan, und versicherte ihm, es würde ihm ganz gewiß in dieser oder jener Welt übel ergehen, wenn er dieses Gelübde selbst in Folge eines von seinem Willen unabhängigen Umstandes nicht erfüllte.

Caracciolo, welcher sich nicht das Verderben der Seele eines so guten Christen vorzuwerfen haben wollte, versprach Esposito, ihm gleich nach der Wiederankunft in Neapel seinen Abschied in aller Form, aber nur unter Einer Bedingung zu geben, nämlich der, daß er am Tage nach dem, wo er sein Gelübde abgelegt haben und folglich in den Orden eingetreten sein würde, sich in seinem neuen Gewande am Borde der »Minerva« einfände und in seiner Kutte denselben Sprung, den er in Matrosenkleidung gemacht, noch einmal versuchte, wohlverstanden, daß dieselbe Schaluppe und dieselben Leute zur Stelle wären, um ihm bei dem zweiten Sturze denselben Beistand zu leisten wie bei dem ersten.

Espositos Glaube war stark. Er antwortete, er habe zu dem Beistande seines Schutzpatrons so großes Vertrauen, daß er nicht zögere, auf diese Bedingung einzugehen und den Sprung noch einmal zu machen.

Caracciolo befahl hierauf, daß man ihm zwei Rationen Branntwein verabreiche und ihn dann in seine Hängematte schlafen schicke, während er zugleich vierundzwanzig Stunden lang von jedem Dienste befreit sein solle.«

Esposito dankte seinem Capitän, glitt durch die Luken hinab, trank die doppelte Ration Branntwein und schlief trotz der höllischen Musik, welche die drei französischen Forts aufführten, die gleichzeitig auf die Stadt und auf die drei verbündeten Geschwader feuerten, welche sich beeilten beim Feuerscheine des Arsenals, welches die Engländer vor ihrem Rückzuge in Brand gesteckt, den Hafen zu verlassen.

Trotz der französischen Kugeln, welche sie so weit als möglich verfolgten, trotz des Sturmes, welcher sie packte, sobald sie die offene See gewonnen, erreichte die Fregatte »Minerva«, von ihrem Capitäne geschickt und muthig geführt, Neapel, ohne viele Beschädigungen erlitten zu haben, und Caracciolo unterzeichnete gleich nach seiner Ankunft, dem gegebenen Versprechen treu, Espositos Abschied, indem er ihn noch einmal mündlich an die eingegangene Bedingung erinnerte, welche Esposito nochmals zu erfüllen versprach.

Francisco Caracciolo, der, wie wir schon erwähnt zu haben glauben, in Folge dieser selben Expedition nach Toulon zum Admiral ernannt ward, hatte Esposito, dessen Abschied und die Bedingungen, unter welchen ihm dieser gewährt worden, vollständig vergessen, als er am 4. October 1794, dem Tage des heiligen Franciscus, während er an Bord einer festlich beflaggten Fregatte war und wegen des Namensfestes des Kronprinzen, der ebenfalls Franciscus hieß, die üblichen Ehrensalven geben ließ, ein Dutzend Barken von Capuzinern mit Kreuz und Bannern besetzt von dem Strande abstoßen und als ob sie von einem erfahrenen Capitän geführt würden, in guter Ordnung auf die »Minerva« zu gerudert kommen sah. Einen Augenblick lang konnte er glauben, es handle sich um einen feindlichen Ueberfall, und er fragte sich schon, ob er nicht Appell schlagen solle, als er plötzlich die Matrosen, die, um dieses seltsame Schauspiel besser zu sehen, an dem Takelwerke hinaufgeklettert waren, rufen hörte:

»Francisco Esposito! Francisco Esposito!«

Caracciolo begann nun zu begreifen, um was es sich eigentlich handle, und als er die Augen wieder auf die mittlerweile nähergekommene Flottille warf erkannte er wirklich in der ersten Barke, das heißt in der, welche die andern zu führen und zu commandieren schien, Francisco Esposito, welcher in seinem Capuzinergewand mit seiner Donnerstimme das Lob seines Schutzheiligen singen half.

Die Barke, auf welcher Esposito sich befand, machte bescheidener Weise an der Backbordtreppe Halt, Caracciolo ließ ihm aber durch einen Lieutenant befehlen, am Steuerbord anzulegen und erwartete den Neubekehrten an der obersten Stufe der Ehrentreppe.

Esposito kam allein an Bord gestiegen, grüßte, als er die oberste Stufe erreicht hatte, auf militärische Weise und sprach blos die Worte:

»Hier bin ich, Herr Admiral. Ich komme, um mein Wort zu lösen.«

»So ist es die Art eines guten Seemanns,« sagte Caracciolo, »und ich danke Dir in meinem Namen und in dem aller deiner Cameraden, daß Du sie nicht vergessen hast. Es gereicht dies den Capuzinern von St. Ephraim eben so zur Ehre, wie der Mannschaft der »Minerva«. Wenn Du jedoch erlaubt, so werde ich mich mit deinem guten Willen begnügen, der, wie ich hoffe, Gott eben so angenehm sein wird, als er mir ist.«

Esposito schüttelte aber den Kopf und sagte:

»Entschuldigen Sie, Herr Admiral, aber das geht nicht so. «

»Warum nicht, wenn ich es zufrieden bin?«

»Sie werden doch am unserm armen Kloster nicht ein solches Unrecht begehen, Excellenz, und mich der Aussicht berauben, nach meinem Tode heiliggesprochen zu werden?«

»Erkläre Dich näher.«

»Ich sage, das, was heute geschehen wird, muß für die Capuziner von St. Ephraim ein großer Triumph sein.«

»Ich verstehe Dich nicht.«

»Und dennoch ist das, was ich hier sage, so klar wie das Wasser des Löwenbrunnens, Herr Admiral. In den hundert Klöstern sämmtlicher Orden, welche Neapel bevölkern, gibt es keinen einzigen Mönch, der, welchem Orden er auch angehören möge, im Stande wäre, das zu thun, was mein Gelübde mich verpflichtet heute zu thun.«

»O, was das betrifft, so bin ich davon überzeugt,« sagte Caracciolo lachend.

»Wohlan, ich habe blos eine Wahl, Herr Admiral. Entweder ich ertrinke und dann bin ich ein Märtyrer, oder ich komme davon und bin ein Heiliger. In dem einen wie in dem andern Falle sichere ich die Suprematie meines Ordens über alle anderen und mache mein Kloster glücklich und angesehen.«

»Ja, aber ich will nicht, daß ein wackerer Bursche wie Du sich der Gefahr des Ertrinkens aussetze, und wenn ich nun einmal nicht will, daß das Experiment vorgenommen werde?«

»Ich bitte, Herr Admiral, thun Sie das nicht. Wenn meine Brüder sähen, daß ihre Spekulation fehlschlüge, so würden sie glauben, ich sei es, der um Gnade gebeten habe, und dann würde ich sicherlich in einen Kerker gesperrt, aus dem ich nicht wieder herauskäme.«

»Es liegt Dir also sehr viel daran, Mönch zu werden?«

»Es liegt mir nicht daran, es zu werden, mein Admiral. Seit gestern bin ich es und man hat sogar mein Noviziat um drei Wochen abgekürzt, damit der gefährliche Sprung am Tage des heiligen Franciscus geschehen könne. Sie werden selbst zugeben, daß dies der Sache eine weit größere Feierlichkeit verleiht.«

»Und was bringt Dir denn der Sprung ein, den Du ausführen wirst?«

»O, ich habe auch meine Bedingungen gestellt.«

»Dann hast Du, will ich hoffen, verlangt, wenigstens Superior zu sein.«

»O nein, so dumm bin ich nicht, mein Admiral.«

»Nun was hast Du Dir denn sonst ausbedungen?«

»Ich habe verlangt, daß man mir das Amt des Quästors oder Almosensammlers übertrage. Dieses Amt gewährt mancherlei Zerstreuung. Sollte ich Tag für Tag mit allen diesen Dummköpfen im Kloster eingesperrt sitzen, so stürbe ich vor langer Weile. Sie verstehen mich schon, Excellenz. Der Bruder Almosensammler hat nicht Zeit, sich zu langweilen. Er macht die Runde durch alle Stadttheile von Neapel, von der Marinella an bis zum Pausilippo, von Vomero bis an den Hafendamm. Oft begegnet man auf letzterem auch einen guten Freund und trinkt ein Glas Wein, welches Niemand bezahlt.«

»Wie, welches Niemand bezahlt? Esposito, mein Freund, wie mir scheint, bist Du auf Abwege gerathen.«

»O nein, im Gegentheil, ich gehe stets den geraden Weg.«

»Aber sagt das Gebot Gottes nicht: Du sollst nicht nehmen, was eines Andern ist?«

»Mein Herr Admiral, sind Ihnen die Vorrechte meines Ordens nicht bekannt? Man trinkt eine, zwei, drei Caraffen, nachdem man sie vorher mit dem Strickgürtel berührt, man bietet dem Weinhändler eine Prise Tabak und der Weinhändlerin den Aermel zum Küssen und die Sache ist abgemacht.«

»Das ist sehr richtig. An dieses Vorrecht hatte ich nicht gedacht.«

»Und übrigens, Herr Admiral,« fuhr Esposito mit selbstzufriedener Miene fort, »übrigens werden Sie bemerken, daß ich mich in meiner Kutte nicht gar schlecht ausnehme, Allerdings nicht so gut wie in der Uniform, das weiß ich wohl, aber die Menschen haben nicht alle einen und den selben Geschmack und man sagt in meinem Kloster –«

»Nun, was sagt man in deinem Kloster?«

»Man sagt, daß die Franciscaner und besonders die Capuziner von St. Ephraim sich nicht alle Tage der Fleisches enthalten, wo in dem Kalender Fasten vorgeschrieben ist.«

»Willst Du wohl schweigen! Wenn deine Brüder Dich nun hörten –«

»O, die könnten vielleicht noch ganz andere Geschichten erzählen. Indessen Sie haben Recht, Herr Admiral und ich bemerke übrigens auch, daß man unruhig und ungeduldig zu werden beginnt. Sehen Sie nur da drüben auf dem Kai!«

Der Admiral schaute in der von Esposito angedeuteter Richtung und sah in der That den Molo, den Kai, die Fenster der Straße del Piliero mit Zuschauern angefüllt, welche, von dem bevorstehenden Ereigniß unterrichtet, sich anschickten, dem Triumph der Capuziner von St. Ephraim über die Mönche der andern Orden Beifall zuzujubeln.

»Nun gut, es sei,« sagte Caracciolo. »Ich sehe schon, daß ich Dir den Willen thun muß. Heda, Leute!« rief er, »macht das Boot fertig.«

Seine Befehle wurden mit der Schnelligkeit ausgeführt, welche den Manövers der Seeleute eigen zu sein pflegt.

»Und,« fragte er dann Esposito, »von welcher Seite gedenkst Du den Sprung auszuführen?«

»Nun, von derselben, von der ich ihn schon ausgeführt habe, das heißt von der Backbordseite. Damals ist er mir zu gut gelungen. Uebrigens ist dies auch die dem Kai zugewendete Seite. Man darf nicht alle diese wackern Leute täuschen, welche sich eingefunden haben, um das Schauspiel mit anzusehen.«

»Nun gut denn, Backbord. Das Boot auf der Backbordseite ausgesetzt, Kinder!«

Kaum hatte Caracciolo seinen Befehl ertheilt, so war das Boot mit vier Ruderern, dem Hochbootsmann und zwei Mann Reserve auch schon im Wasser.

Nun ergriff der Admiral, in der Meinung, daß er dieses volksthümliche Schauspiel so feierlich als möglich machen müffe, sein Sprachrohr und rief:

»Alle Mann auf die Raaen!«

Augenblicklich sah man zweihundert Matrosen wie eine Schaar Affen in dem Takelwerk hinaufklettern und sich auf die Raaen, von der untersten bis zur obersten, stellen, während die Marinesoldaten unter Trommelschall sich auf dem Deck in Schlachtordnung mit der Front nach dem Kai aufstellten.

Die Zuschauer blieben, wie man sich leicht denken kann, nicht gleichgültig bei allen diesen Vorbereitungen, die gewissermaßen den Prolog zu dem großen Drama bildeten, dessen Aufführung sie entgegensahen. Sie klatschten in die Hände, schwenkten die Taschentücher und riefen, je nachdem sie dem Stifter des Capuzinerordens mehr oder weniger anhingen, theils: »Es lebe der heilige Franciscus!« theils: »Es lebe Caracciolo!«

Der Admiral Caracciolo war allerdings in Neapel bei nahe eben so populär als der heilige Franciscus.

Die zwölf Gondeln, in welchen sich die Capuziner befanden, bildeten nun einen großen Halbkreis, welcher von dem Spiegel bis zum Bug der »Minerva« reichte und zwischen ihnen und dem Rumpf des Schiffes einen weiten leeren Raum ließ.

Caracciolo warf einen Blick auf seinen ehemaligen Matrosen und sagte, als er ihn vollkommen entschlossen sah:

»Also, es ist wirklich dein Ernst?«

»Mehr als je, Herr Admiral,« antwortete Esposito.

»Willst Du aber nicht deine Kutte ablegen? Es würde dies deine Bewegungen sehr erleichtern.«

»Nein, Herr Admiral, der Mönch muß das Gelübde erfüllen, welches der Matrose gethan.«

»Und hast Du mir nichts für den Fall zu sagen, daß die Sache einen unglücklichen Verlauf nähme?«

»In diesem Falle, Excellenz, bitte ich Sie eine Messe für die Ruhe meiner Seele lesen zu lassen. Meine Collegen haben mir allerdings versprochen, deren hunderte zu lesen, aber ich kenne diese Leutchen schon. Wäre ich todt, so würde nicht ein einziger auch nur einen Finger bewegen, um mich aus dem Fegefeuer zu erlösen.«

»Ich werde nicht eine für Dich lesen lassen, sondern zehn.«

»Sie versprechen es mir?«

»Auf mein Ehrenwort.«

»Ich bin zufriedengestellt. Doch da fällt mir noch etwas ein. Haben Sie die Güte, Herr Admiral, denn ich glaube, es wird Ihnen vollkommen gleich sein, die Messen nicht auf den Namen Esposito, sondern auf den des Bruders Pacifico lesen zu lassen. Es gibt in Neapel so viele Espositi, daß der liebe Gott am Ende gar nicht wüßte, welcher damit gemeint sei.«

»Du nennst Dich also jetzt Fra Pacifico?«

»Ja, Herr Admiral. Ich habe mir damit einen Zügel gegen meinen früheren Charakter anlegen wollen.«

»Aber fürchtest Du nicht, daß Gott, der noch nicht Zeit gehabt hat, deine neueren Verdienste zu würdigen, Dich nicht erkenne?«

»Dann, Herr Admiral, wird der h. Franciscus, dessen Namen ich zu verherrlichen im Begriff stehe, da sein, um mit dem Finger auf mich zu zeigen, weil ich in einem Gewand den Tod erlitten haben werde.«

»Es geschehe denn, wie Du willst. Auf alle Fälle rechne auf deine Messen.«

»O, sobald der Admiral Caracciolo sagt: »Ich werde es thun,« entgegnete der Mönch, »so ist dies sicherer, als wenn ein Anderer sagte: »Ich habe es gethan.« Und nun, wenn es Ihnen beliebt, ich bin bereit, Herr Admiral.«

Caracciolo sah, daß der Augenblick in der That gekommen war.

»Achtung!« rief er mit einer Stimme, welche nicht blos auf dem ganzen Schiffe, sondern auch drüben auf dem Strande gehört ward.

Der Hochbootsmann entlockte seiner Pfeife einen gellenden, lang anhaltenden Ton.

Dieser war noch nicht verhallt, als Fra Pacifico, ohne durch ein Mönchsgewand im mindesten gehindert zu werden, in die Wanten des Steuerbord hinaufsprang, um sich dem Publicum zu zeigen, und dann mit einer Behendigkeit, welche bewies, daß ein Noviziat als Mönch seiner Matrosengeschicklichkeit noch keinen Abbruch gethan, den großen Mastkorb erkletterte, durch die Oeffnung desselben koch, nach dem kleinen emporstieg, dann, ohne sich hier aufzuhalten, auf die Bramsegelraaen hinaustrat und, enthusiasmirt durch das Beifallsgeschrei, welches sich von allen Seiten erhob, als man einen Mönch in dem Takelwerk herumvoltigieren sah, die alleräußerste Raa erkletterte, was mehr war, als er versprochen.

Auf dieser angelangt, rief er laut:

»Der heilige Franciscus nehme mich in seinen Schutz!« und stürzte sich, ohne einen Augenblick zu zögern, hinab ins Meer.

Ein gewaltiger Schrei entrang sich Aller Munde.

Das Schauspiel, welches für Viele, die es herbeigelockt, nur grotesk zu sein versprochen, hatte jenen großartigen Charakter angenommen, von welchem ein Vorgang, bei welchem das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht, stets begleitet ist, besonders wenn dieser Mensch Muth und Entschlossenheit zeigt.

Auf diesen Schrei, in welchem sich Angst, Neugier und Bewunderung mischten, folgte Todtenstille. Jeder wartete auf das Wiedererscheinen des Tauchers und fürchtete, daß er, gleich dem Schillers, unter dem Wasser bliebe.

Drei Secunden, welche den Zuschauern drei Jahrhunderte zu sein schienen, vergingen, ohne daß dieses Schweigen durch das mindeste Geräusch gestört ward. Dann sah man die noch von Fra Pacificos Sturz bewegte Woge sich von Neuem spalten, um den glattrasierten Kopf des Mönches zum Vorschein kommen zu lassen, welcher, kaum aufgetaucht, mit seiner Donnerstimme in den Lob- und Dankruf ausbrach:

»Es lebe der heilige Franciscus!«

Mit einem einzigen Ruderschlage erreichte ihn das Boot, die Mannschaft desselben streckte ihm die Hände entgegen und zog ihn glorreich aus dem Meere.

Die Capuziner in den Gondeln stimmten wie aus einer einzigen Kehle das Te Deum laudamus an, während die Matrosen auf dem Schiff ein dreimaliges Hurrah ausbrachten und die Zuschauer auf dem Molo, auf dem Kai und an den Fenstern mit jenem Wahnsinn applaudierten, welcher in Neapel jeden Triumph, möge es sein, was für einer es wolle, begleitet, der aber, wenn es sich um den Sieg einer religiösen Frage handelt, eine geradezu unglaubliche Dimension gewinnt.

1.Man bezeichnet in Neapel mit dem Namen Esposito oder »ausgesetzt« jedes Kind, welches von seinen Eltern verlassen, und dem Hospiz der Annunciata anvertraut worden, welches das Findelhaus von Neapel ist.

Türler ve etiketler

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30 kasım 2019
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