Kitabı oku: «Ritter von Harmental», sayfa 3
IV.
Ein Maskenball aus jener Zeit.
Die Fledermaus
Die Bälle im Opernhause hatten damals ihren höchsten Glanzpunkt erreicht. Sie waren eine durchaus zeitgemäße Erfindung des Chevalier von Bouillon, der dieses Dienstes bedurfte, den er dadurch der Zerstreuung suchenden Gesellschaft jener Zeit geleistet hatte, um Verzeihung, für den Titel eines Prinzen von Auvergne zu erhalten, den er, man wußte nicht recht, weshalb, angenommen hatte. Er war es auch, der die Kunst erfand, das Parterre bis zu dem Theater hinaufzuschrauben, und der Regent, als gerechter Anerkenner aller wichtigen neuen Erfindungen, hatte ihm zur Belohnung dafür eine Pension von 6000 Livres ausgesetzt. Das war vier Mal so viel, als der große König vormals Corneille verlieh!
Dieser herrliche Saal mit seiner reichen und schönen Architectur, den der Cardinal von Richelieu eingeweiht hatte, wo Lulli und Quinault ihre Werke aufführen ließen, und wo Moliere selbst in seinen schönsten Dichtungen aufgetreten war, war an diesem Abend der Versammlungsplatz von allen vornehmen, glänzenden und eleganten Personen des Hofes. Harmental hatte in einem, in seiner Lage natürlichen Anfluge von Verdruß, seiner Toilette heute mehr Sorgfalt gewidmet als gewöhnlich. Auch war der Saal bereits gefüllt, als er anlangte, so daß er einen Augenblick befürchtete, die Maske mit dem veilchenblauen Bande werde ihn nicht auffinden, da sie verabsäumt hatte ihm genau eine Stelle anzugeben, wo er fiel treffen würde. Er freuete sich daher sich nicht maskiert zu haben; ein Verfahren, welches ein großes Vertrauen auf die Verschwiegenheit seiner Gegner setzte, denn es hätte denselben ein einziges Wort gekostet um ihn in die Bastille zu bringen.
Die erste Person, der er begegnete, war der junge Herzog von Richelieu, den seine Name, seine Liebesabentheuer und seine Eleganz so eben in die Mode brachten. Man versicherte, daß sich zwei Prinzessinnen aus dem königlichen Hause seine Liebe streitig machten, welches nicht verhinderte, daß zu gleicher Zeit Frau von Nesle und Frau von Polignac um seinetwillen Kugeln mit einander wechselten; über dem theilten sich noch die Damen Sabran, die Villars, de Mouchy und de Tencin in ein Herz. Er sprach so eben den Marquis von Camillac an, einen der Roués des Regenten, den Sr. Königliche Hoheit wegen seiner affektierten Strenge, seinen Mentor nannte, und erzählte demselben eine Geschichte mit lauter, Aufsehen erregender Stimme. Der Chevalier Harmental kannte den Herzog, jedoch nicht genug, um sich in ein bereits begonnenes Gespräch zu mischen; er war es ja nicht den er suchte, und schon wollte er an ihm vorüber, als der junge Herzog ihn am Schooße seines Kleides zurückhielt,
Auf meine Ehre, mein lieber Chevalier, Sie sind hier keineswegs zu viel, rief er, »ich erzähle dem Camillac so eben ein Abentheuer, welches ihm als nächtlichem Begleiter Sr. Hoheit des Regenten, von Nutzen seyn kann; es kann es auch Ihnen seyn, falls Sie ähnlicher Gefahr wie ich ausgesetzt sein sollten. Die Geschichte ist erst heute passiert, und das erhöht ihren Werth, denn bis jetzt hatte ich nur Zeit sie höchstens zwanzig Personen zu erzählen, so daß sie fast noch ganz unbekannt ist. Verbreiten Sie dieselbe, es wird mir und dem Regenten angenehm seyn.
Harmental runzelte die Stirn; Richelieu hatte schlecht seine Zeit gewählt, in diesem Augenblick eilte der Chevalier von Ravanne vorüber, welchen eine Maske verfolgte. »Ravanne a rief Richelieu, »Ravanne!«
»Ich habe keine Zeit,« entgegnete der Chevalier.
»Wissen Sie nicht, wo Lafare steckt?«
»Er leidet an Migraine.«
»Und Fargy?«
»Er hat sich den Fuß verrenkt.« Mit diesen Worten verlor sich Ravanne unter der Menge, nachdem er mit seinem Gegner von diesem Morgen den freundschaftlichsten Gruß gewechselt hatte.
»Nun zu unserer Geschichte,« sprach Camillac.
»Also hören Sie: Denken Sie sich, vor einiger Zeit als ich die Bastille verließ, wohin mich mein Duell mit Gace gebracht hatte, nachdem ich mich drei oder vier Tage wieder in der Welt gezeigt, überbrachte mir Raffé ein Billet von der Frau von Parabere, worin sie mich einlud, den Abend bei ihr zuzubringen. Sie begreifen Chevalier, daß man in einem Augenblick, in welchem man die Bastille verläßt, keine Rendezvous zurückweist, das einem von der Geliebten dessen gegeben wird, der die Schlüssel zu derselben besitzt. Es versteht sich daher von selbst, daß ich mich zur bestimmten Stunde einfand. Wen aber erblickte ich neben ihr auf dem Sopha? Ich bitte, rathen Sie!«
»Vielleicht gar ihren Gemahl?« fragte Camillac.
»Im Gegentheil! Sr. Königliche Hoheit in eigner erlauchter Person. Ich war um so mehr erstaunt, da ich auf höchst geheimnißvolle Weise hereingeführt worden war. Ich ließ, wie Sie denken können, mich indes nicht verblüffen, sondern nahm eine ernste, bescheidene und ruhige Haltung an, eine Haltung, so ungefähr wie die Deine, Camillac. Ich begrüßte die Marquise mit einer Ehrerbietung, welche dem Herzog ein lautes Gelächter entlockte. Das hatte ich nicht erwartet, und es machte mich ein wenig verwirrt. Ich wollte einen Sessel nehmen, der Herzog aber winkte mir, mich auf das Sopha zur andern Seite der Marquise zu setzen. Ich gehorchte.
»Mein lieber Herzog,« begann der Regent, »wir haben Sie um einer sehr verwickelten Sache willen hierher beschieden. Hier unsre arme Marquise, welche seit zwei Jahren von ihrem Gemahl getrennt ist, wird von dem rohen Menschen mit einem Prozesse bedroht, unter dem Vorwand, daß sie einen Liebhaber habe.«
»Die Marquise that was in ihren Kräften stand, um zu erröthen, da es ihr aber nicht gelingen wollte, verbarg, sie ihr Gesicht mit ihrem Fächer.
»Bei dem ersten Worte, welches sie hierüber gegen mich fallen ließ, fuhr der Regent fort, »ließ ich Argenson rufen und fragte ihn, wer dieser Liebhaber seyn könne.«
»Ich bitte Ew. Königlichen Hoheit, schonen Sie meiner,« flehte die Marquise.
»Nun, nun, mein Täubchen, nur ruhig, ich bin gleich fertig. Wissen Sie, mein lieber Herzog, was der Polizei-Lieutenant mir antwortete? Er entgegnete, der Liebhaber wäre entweder ich oder Sie!
»Das ist eine schändliche Verläumdung, rief ich:
»Leugnen Sie nicht, mein lieber Herzog, die Marquise hat bereits alles eingestanden.«
»Wenn das der Fall ist, versetzte ich, »so habe ich ja weiter nichts zu berichten.«
»Auch,« fuhr der Regent fort, »verlange ich von Ihnen keine umständliche Auskunft, es kommt hier nur darauf an, uns als Mitschuldige eines Verbrechens gegenseitig aus der Affaire zu ziehen.«
»Und was haben Sie zu fürchten, gnädiger Herr?« fragte ich, »was mich betrifft, unter dem Schutze Ew, Königlichen Hoheit trotzte ich jeder Gefahr.«
»Was wir zu fürchten haben? das Geschrei des Parabere, der nur will daß ich ihn zum Herzog mache.«
»Nun, und wenn wir ihn nun zum Pair machten?« bemerkte ich scherzhaft.
»Das wollen wir,« riefen Sr. Königliche Hoheit lachend, »Sie hatten denselben Gedanken wie die Marquise.«
»Viel Ehre für mich!«
»Es bedarf einer Art von Aussöhnung zwischen den beiden zärtlichen Gatten, welche den Marquis verhindert, uns einen fatalen Prozeß an den Hals zu werfen. Die Sache ist indeß nicht ohne Schwierigkeit, Parabere will seine Gemahlin durchaus nicht bei sich empfangen.«
»So muß man ihn zu ihr bringen, entgegnete ich.
»Da eben liegt die Schwierigkeit. Wie das bewerkstelligen?»
»Entschuldigen Sie, Frau Marquise, ohne unbescheiden zu seyn, liebt Herr von Parabere noch immer den Chambertin?«
»Ich besorge ja,« antwortete die Befragte.
»Dann sind wir gerettet, gnädigster Herr! Ich lade den Herrn Marquis zum Soupee meinem kleinen Hause ein, ein Dutzend Libertins und hübsche Weiber sollen zugegen seyn. Sie, gnädigster Herr, senden den Dubois – –
»Wie, den Dubois?« fragte der Regent.
»Ohne Zweifel, es ist durchaus nothwendig, daß einer von uns nüchtern bleibe. Dubois selbst trinkt nicht, er muß aber Sorge tragen, daß der Marquis tüchtig trinke. Wenn alles dann unter dem Tische liegt, fischt er ihn heraus und macht mit ihm was er will das Uebrige ist die Sache seines Kutschers.«
»Habe ich es nicht gesagt, daß Richelieu uns einen guten Rath geben würde?«, fragte der Regent; »Wissen Sie was, Sie sollen es unterlassen gewisse Paläste zu umkriechen, Sie sollten die Alte in Saint-Eyr ruhig sterben lassen und sich uns anschließen.«
Ich zuckte die Achseln.
»Eigensinniger Kopf murmelte der Regent.
»Und der Herr von Parabere?« fragte der Chevalier von Harmental welcher neugierig war.
Herr von Parabere? Ey, mit dem ging alles nach Wunsch. Er schlief gestern Abend bei mir ein, und erwachte diesen Morgen bei seiner Gemahlin. Sie begreifen, daß er einen gewaltigen Lärm machte, aber es konnte nicht mehr von einem Prozesse die Rede seyn. Sein Wagen rollte in das Hotel seiner Gemahlin, die ganze Dienerschaft kann seine Anwesenheit bezeugen. Er ist wider seinen Willen mit seiner Frau ausgesöhnt. Wollte er sich jetzt noch über dieselbe beklagen, so würde man ihm unwiderlegbar beweisen, daß er sie anbetet, und daß sie das unschuldigste Weib von der Welt ist.«
»Chevalier, flötete in diesem Augenblick eine sanfte Stimme in das Ohr Harmentals, »wenn Sie Ihr Gespräch mit dem Herrn von Richelieu beendigt haben werden, so nehme ich Sie in Anspruch.
»Entschuldigen Sie, Herr Herzog, sprach der Chevalier, »aber Sie sehen, man entführt mich.«
»Ich lassen. Sie fort, jedoch nur unter einer Bedingung?«
»Und unter welcher?«
Unter der, daß Sie meine Geschichte jener allerliebsten Fledermaus mit dem Bedeuten erzählen, daß sie sie allen Nachtvögeln ihrer Bekanntschaft mittheile.
»Ich fürchte sehr, dazu keine Zeit zu haben, entgegnete Harmental.
»In diesem Falle desto besser für Sie, lachte der Herzog, indem er den Chevalier losließ, den er bis jetzt fortwährend am Kleide festgehalten hatte; »dann haben Sie jener Maske gewiß etwas Besseres zu erzählen.«
So sprechend wandte er sich und nahm den Arm eines Dominos, der ihm im Vorübergehen über sein Abentheuer ein Compliment gemacht hatte. Der Chevalier von Harmental warf einen flüchtigen Blick auf die Maske, welche ihn angeredet hatte, und er sah wirklich auf ihrer linken Schulter das veilchenblaue Band, das ihm als Erkennungszeichen dienen sollte. Er beeilte sich daher sich von Canillac und Richelieu zu entfernen, damit ein Gespräch nicht behorcht werde, das für ihn von Interesse sein würde.
Die Maske, welche durch den sanften Ton ihrer Stimme ihr Geschlecht verrathen hatte, war von mittlerer Größe, und schien, nach ihren elastischen Bewegungen zu urtheilen, noch eine sehr junge Frau, was übrigens ihr Aeußeres betraf, so war es für jetzt unmöglich, sich darüber Gewißheit zu verschaffen, denn die Maske einer Fledermaus ist bekanntlich ganz besonders geeignet, alle körperlichen Vorzüge und Mängel zu verdecken.
»Chevalier nahm endlich die Maske das Wort,« und zwar ohne sich die Mühe zu geben ihre Stimme zu verstellen, denn vermuthlich glaubte sie, dieselbe say ihrem Begleiter unbekannt, »wissen sie auch daß ich Ihnen, zumal bei Ihrer jetzigen Gemüthstimmung für Ihr Erscheinen zwiefach verpflichtet bin. Leider kann ich diese Ihre Pünktlichkeit keinem andern Gefühl als dem der Neugier zuschreiben.
»Schöne Maske, entgegnete Harmental, hast Du mir nicht geschrieben, daß Du mein guter Genius seyn wolltest? Gehörst Du vielleicht den Ueberirdischen an, so müssen Dir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht verborgen sein. Du wußtest also, daß ich kommen würde und meine Anwesenheit kann Dich nicht überraschen.«
»Ach, entgegnete die Unbekannte, »man sieht, daß Du nur ein schwacher Sterblicher bist und das Glück hattest, Dich niemals über Deine Sphäre zu erheben, sonst würdest Du wissen, daß wenn wir auch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennen, wir diese Wissenschaft doch nicht bei Dingen anwenden können, die uns selbst betreffen; dasjenige gerade, was wir am liebsten wissen möchten, bleibt vor uns am dichtesten verhüllt.«
»Alle Teufel,« erwiderte Harmental, »wissen Sie wohl, mein Herr Genius, daß mir die Sache sehr langweilig wird, wenn Sie mit solchen Reden fortfahren. Machen wir jetzt unser Gespräch interessanter, schöne Maske, da Dir in Betreff Anderer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bekannt sind, so zeige mir Deine Kunst!«
»Nichts leichter als das,« sprach die Unbekannte, »reiche mir Deine Hand.«
Harmental that wie sie begehrte.
»Wackerer Ritter,« bemerkte die Maske, nachdem die seine Hand einen Augenblick lang forschend betrachtet hatte, »ich lese hier fünf Worte, welche die ganze Geschichte Deines Lebens enthalten. Diese Worte heißen: Muth, Ehrgeiz, Enttäuschung, Liebe, Verrath.«
»Mein Seel, Du hast Deine Studien trefflich gemacht mein guter Genius, rief der Chevalier erstaunt.
Ein Genius weiß alles, was die Menschen wissen, und noch weit mehr, fuhr die Maske fort. Aus jenen fünf Worten weiß ich, daß es Dein Muth war, der Dich zum Obristen erhob, daß diese Erhebung Deinen Ehrgeiz weckte, daß eine Enttäuschung Deiner Hoffnungen folgte, daß Du in der Liebe dafür Entschädigung suchtet, daß aber diese Dir Verrath bereitete.
Nicht übel, entgegnete der Chevalier, »eine Sybylle hätte sich nicht besser aus der Sache ziehen können. Jetzt aber zur Gegenwart, schöne Maske, zur Gegenwart.«
Die Gegenwart, Chevalier? Von der wollen wir leise sprechen, denn sie schmeckt etwas nach der Bastille!«
Harmental fuhr ein wenig zusammen, denn er glaubte, daß außer denjenigen, welche zugegen gewesen waren, Niemand etwas von der Geschichte dieses Morgens wissen könne.
»Es liegen,« fuhr die Unbekannte fort, in diesem Augenblick zwei wackere Cavaliere traurig auf ihrem Lager, während wir hier mit einander schwatzen, und das, weil ein gewisser Chevalier von Harmental ein großer Horcher an den Thüren, sich eines Spruches des Virgil nicht erinnert hat.
»Und wie lautet dieser Spruch« fragte der Chevalier, dessen Erstaunen sich mit jedem Augenblicke steigerte.
»Facilis descensus Averni,« rief lachend die Fledermaus.
»Ich wußte wahrlich nicht, daß die Genien die Aeneide studierten, versetzte Harmental. »Mit der Gegenwart wären wir fertig, jetzt zur Zukunft.«
»Es giebt zweierlei Arten,« nahm die Maske wieder das Wort, eine Zukunft für schwache, und eine Zukunft für starke Seelen, der Himmel hat es den Sterblichen freigestellt, zu wählen; Deine Zukunft hängt also von Dir selbst ab.«
Aber man muß sie doch beide kennen, um die Beste wählen zu können.«
»Wolan, eine derselben erwartet Dich in der Umgegend von Nevers, in der Mitte einer Provinz von Deinen Kaninchen und Deinen Hühnern umgeben; diese führt Dich ganz gemächlich zum Amte eines Kirchenvorstehers der Gemeinde; das ist ein solides, bescheidenes Ziel und leicht wirst Du es erreichen, Du bist ganz auf dem Wege dahin.«
»Und die andere Zukunft?« fragte der Chevalier etwas pikiert, daß man glauben könne, er werde sich je mit einem solchen Schicksale begnügen.
»Die Andere,« versetzte die Fremde, indem sie ihren Arm auf den des jungen Mannes legte und ihm scharf und forschend ins Auge blickte, »die Andere wirft Dich aus der Dunkelheit hinaus, in das lebendige Getreibe; sie wird aus Dir einen der Schauspieler auf der Bühne der Welt machen; sie hinterläßt Dir, ob Du verliert oder gewinnst, in jedem Falle die Berühmtheit eines großen Spielers.«
»Wenn ich verliere, was verliere ich alsdann? fragte ernst der Chevalier.
»Das Leben wahrscheinlich.«
Harmental machte ein Zeichen der Geringschätzung. »Und wenn ich aber gewinne?« fügte er hinzu.
»Was meinst Du von dem Range eines Generals? Eines Grands von Spanien? eines Ritters vom Orden des heiligen Geistes, mit der Aussicht auf den Marschallstab?«
»Ich meine, daß der Gewinn des Spieles werth ist. Kannst Du mir den Beweis liefern, daß Du zu halten vermagst, was Du verspricht, so hat Du in mir den rechten Mann gefunden.«
»Diesen Beweis kann Dir nur ein Andrer geben. Verlangst Du ihn, so folge mir.
»Wie, sollte ich mich getäuscht haben?« fragte Harmental, »wärst Du nur ein Genius vom zweiten Range? Ein untergeordneter Geist, ein vermittelndes Princip? Teufel, das würde meinen Respekt gegen Dich vermindern!« … .
»Was kümmert es Dich, wenn ich nun wirklich einer mächtigen Zauberin unterworfen wäre, und wenn sie es wäre, die mich hergesandt?«
»Ich sage Dir, ich unterhandle mit keinem Abgesandten.«
»Ich habe ja den Auftrag, Dich zu ihr zu geleiten.«
»So werde ich sie also sehen?
»Von Angesicht zu Angesicht, wie Moses den Herrn!«
»So laß uns gehen!«
»Sie haben große Eile, Chevalier. Bedenken Sie, daß man bei gewissen geheimen Gesellschaften den Neuling vor seiner Aufnahme Ceremonien unterwirft, um sich seiner Verschwiegenheit zu versichern.«
»Was muß ich thun, sprich?«
»Sie müssen sich die Augen verbinden und sich dahin führen lassen, wohin man für gut findet, Sie zu bringen. Vor der Pforte des Tempels angelangt, müssen Sie alsdann den feierlichen Schwur ablegen, niemals dasjenige verrathen zu wollen, was Sie sehen und hören werden.«
»Ich bin bereit, dies bei dem Styr zu schwören, entgegnete lächelnd Harmental.
»Nein, Chevalier,« erwiderte die Unbekannte mit ernster Stimme, »Sie werden nur bei Ihrer Ehre schwören – man kennt Sie und das reicht vollkommen hin.«
»Und wenn ich den Schwur abgelegt,« fragte der Chevalier, nachdem er einen Augenblick lang sinnend dagestanden, »wird es mir alsdann noch gestattet seyn, mich zurückzuziehen, falls ich das, was man von mir verlangt, mit den Grundsätzen eines Ehrenmannes nicht übereinstimmend finden sollte?«
»Ihr Gewissen soll allein. Ihr Schiedsrichter seyn, und Ihr Ehrenwort reicht als Bürgschaft hin,«
»So bin ich bereit,« rief der Chevalier.
»Wolan, so lassen Sie uns gehen,« flüsterte die Maske.
Harmental wollte anfangs grade zur Eingangsthür schreiten, da er aber in der Nähe derselben mehrere seiner Bekannten gewahrte, wandte er sich rechts hin, um auf einem Umwege dorthin zu gelangen.
»Was beginnen Sie?« fragte die Maske.
»Ich vermeide das Zusammentreffen mit Leuten, die mich aufhalten könnten.«
»So,« lächelte die Maske, »ich fürchtete schon, Sie hätten sich eines anderen besonnen.«
Bald darauf befanden sie sich in der Vorhalle. Sie traten hinaus und die Fledermaus führte den Chevalier in die Straße St. Honoré. Ein einfacher Wagen, ohne Wappen, mit zwei dunkelfarbigen Pferden bespannt, hielt dort an der Ecke der Straße Pierre Lescot. Der Kutscher saß auf dem Bock, bis über das Kinn in einen dichten Mantel gehüllt und den breitkrempigen Hut tief ins Gesicht hinabgedrückt, so daß man nichts von ihm erkennen konnte. Ein Bedienter hielt mit der einen Hand den Schlag geöffnet, mit der andern bedeckte er sich mit einem Taschentuche das Gesicht.
»Steigen Sie ein,« sprach die Maske zu dem Chevalier gewandt.
Harmental zögerte noch einen Augenblick: diese beiden Diener ohne Livree, welche gleich ihrer Herrin sichtbar bemüht waren, ihr Incognito zu behaupten der Wagen ohne Schild, ohne Namenszug der abgelegene Ort, wo er hielt die späte Stunde, alles flößte dem Chevalier ein ganz natürliches Mißtrauen ein; jedoch bedenkend, daß es nur eine Dame say, die er zur Seite hatte, und daß er einen Degen trug, sprang er rasch in den Wagen. Die Fledermaus setzte sich neben ihn, und der unbekannte Bediente warf den Wagenschlag in eine Feder, die zweimal zu sprang, so, als ob man einen Schlüssel drehe.
»Nun, geht es nicht vorwärts?« fragte der Chevalier, als er bemerkte, daß der Wagen noch immer still hielt.
»Wir müssen zuvor eine kleine Vorsichtsmaßregel beobachten, entgegnete die Maske, indem sie ein seidnes Tuch hervorzog.«
»Ja, so,« lächelte Harmental, das hatte ich vergessen. Nun nur zu, ich überlassen mich Ihnen vertrauensvoll.«
Die Maske verband ihm die Augen. »Chevalier,« sprach sie alsdann, »Sie geben mir Ihr Wort, diese Binde nicht zu lösen, bis Ihnen dazu die Erlaubniß geworden.«
»Ich gebe Ihnen mein Wort darauf.«
»Wolan!« – Sie ließ das vordere Fenster nieder. »Sie wissen wohin, Herr Graf, sprach sie zu dem Kutscher gewandt. Und der Wagen rollte rasch von dannen.
V.
Das Arsenal
Eben so belebt, als das Gespräch auf dem Balle war, eben so tief war das Schweigen während der Fahrt.
Dieses Abentheuer, dem anfangs nur eine Liebesintrigue zum Grunde zu liegen schien, hatte plötzlich eine andere Wendung bekommen, und schien einen politischen Charakter annehmen zu wollen. Wenn diese Richtung auch den Chevalier nicht erschreckte, so gab sie ihm doch hinlänglichen Stoff zum Nachdenken.
Es giebt in dem Leben eines jeden Menschen, einen Augenblick, der über sein ganzes Schicksal entscheidet. Dieser Moment, so wichtig er auch immer seyn mag, wird nur selten durch Berechnung vorbereitet, und durch den Willen geleitet; in der Regel wird der Mensch vom Zufalle, wie das Blatt vom Winde, nach einer ihm fremden Richtung hingeschleudert, wo er den Willen einer höhern Macht gehorchen muß, und wo er, indem er glaubt sein eigner Herr zu seyn, doch nur der Sclave der Umstände und das Spielwerk der Begebenheiten ist.
So war es grade mit dem Chevalier. Wir haben bereits gesehen, durch welche Thür er nach Versailles gelangte, und wie ihn Interesse und Dankbarkeit an den alten Hof fesselten. Harmental hatte niemals berechnet, welches Gute oder Böse Frau von Maintenon Frankreich zugefügt hatte; er hatte nie über das Recht oder die Gewalt nachgedacht, welche Ludwig XIV. hatte, seine natürlichen Söhne zu legitimieren; er hatte auf der Wagschaale der Genealogie den Herzog von Maine gegen den Herzog von Orleans nicht abgewogen; sein Instinkt hatte ihn gelehrt, sein Leben denjenigen zu widmen, die ihn der Dunkelheit entrissen. Und als er todt war, der alte König, als der Chevalier in Erfahrung brachte, daß, dem letzten Willen desselben zufolge, der Herzog Maine die Regentschaft bekommen sollte, als er sah, wie das Parlament diesen letzten Willen vernichtete, hatte er die Machterlangung des Herzogs von Orleans als eine Usurpation betrachtet; und in der Ueberzeugung, daß man sich mit bewaffneter Hand gegen diese Gewaltthat erheben würde, hatte er sich fortwährend in Frankreich nach einem Banner umgeschauet, unter welchem zu fechten mit seinem Gewissen übereinstimmte. Zu einem großen Erstaunen aber hatte sich nichts dergleichen ereignet. Spanien, welches so sehr dabei interessiert war, an der Spitze Frankreichs ein ihm freundlich gesinntes Oberhaupt zu wissen, hatte nicht einmal protestiert. Der Herzog von Maine hatte sich, müde des Kampfes, hatte derselbe gleich nur einen Tag gewährt, in die Dunkelheit zurückgezogen, der er, wie es schien, nur wider Willen entrissen, wurde. Herr von Toulouse, sanft, friedfertig, gutmüthig und sich fast der Gunst schämend, mit der er und sein älterer Bruder überhäuft worden war, ließ auch nicht in der Ferne argwöhnen, daß er jemals als Chef einer Parthei auftreten würde. Der Marschall von Villeroy leistete eine armselige Opposition, in welcher weder Plan noch Berechnung war, Villars suchte niemand auf, wartete aber offenbar darauf, daß man ihn aufsuchen würde. D’Urelles hatte sich ausgesöhnt und die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernommen. Die Herzöge und Pairs schmeichelten dem Regenten, in der Hoffnung, daß er den Herzögen von Maine und von Toulouse den Vortritt wieder nehmen werde, den Ludwig XIV. diesen vor ihnen eingeräumt hatte. Nirgends also fand der Chevalier Harmental einen Punkt, an dem er sich halten konnte und eben deshalb hatte er das schon halbgezückte Schwert in die Scheide zurückgestoßen. Jetzt aber war eine Phantasie aufs Neue aufgeregt. Die ihm in der Ferne gezeigte glänzende Aussicht beschäftigte seine Gedanken, und obgleich bereits eine halbe Stunde vergangen war, seitdem der Wagen mit ihm davon rollte, war ihm dennoch die Zeit nicht lang geworden.
Endlich bemerkte er, daß der Wagen in ein Gewölbe hineinrasselte, er hörte eine Gitterthür öffnen und hinter ihm sich wieder verschließen; gleich darauf beschrieb der Wagen einen Halbkreis und hielt an.
»Chevalier,« sprach seine unbekannte Gefährtin, »haben Sie sich eines Anderen besonnen, so können Sie noch jetzt zurück; ist Ihr Entschluß aber noch derselbe, so kommen Sie mit mir.«
Statt aller Antwort, reichte ihr Harmental die Hand hin. Der Diener öffnete den Wagenschlag, die Unbekannte stieg zuerst aus, dann half sie dem Chevalier aus dem Wagen. Seine Füße berührten alsbald Stufen; er stieg von der Maske geführt, deren sechs hinan, und gelangte über einen Flur endlich in ein Gemach. Jetzt hörte er, wie der Wagen wieder fortrollte.
»Wir sind an Ort und Stelle, er nahm die Unbekannte wieder das Wort, »erinnern Sie sich auch noch unserer Bedingungen, Chevalier? Noch haben Sie freie Hand in dem Drama, welches sich vorbereitet, eine Rolle zu übernehmen, oder nicht. Im Falle einer Weigerung schwören Sie an niemand, wer es auch immer seyn mag, etwas von dem zu offenbaren, was Sie hier sehen oder hören werden.«
»Ich schwöre es, bei meiner Ehre!« betheuerte Harmental.
»So setzen Sie sich, und warten Sie in diesem Zimmer; lösen Sie die Binde vor Ihren Augen nicht, bevor der Schlag der Uhr im angränzenden Gemach die zweite Stunde verkündet haben wird. Sie werden nicht lange zu warten haben.«
Bei diesen Worten entfernte sich die Unbekannte. Eine Thür öffnete sich und schloß sich wieder; gleich darauf, ja fast in demselben Augenblicke schlug es zwei Uhr und – der Chevalier riß das Tuch von seinen Augen.
Er befand sich allein in dem geschmackvollsten Boudoir, das man sich nur denken konnte. Es war eine kleine mit Himmelblau und Silber ausgeschlagene Piece, die Möbel waren von kostbarer Tapisserie-Arbeit. Auf den Tischen und in den Nischen prangte das reichste Porzellan. Der Fußboden war mit einem köstlichen buntfarbigen Teppich bedeckt; die Decke war von Vatheaus Meisterhand gemalt, der grade damals Mode zu werden begann! Bei diesem Anblick konnte der Chevalier kaum glauben, daß er wegen einer ernsten Sache hierher berufen worden, und er kehrte fast zu seiner früheren Idee zurück.
In diesem Augenblick öffnete sich eine versteckte Wandthür und Harmental gewahrte eine weibliche Gestalt, die er bei seiner aufgeregten Phantasie leicht für eine Fee hätte halten können, so schlank und ätherisch war sie gebaut. Sie trug ein silbergraues mit Blumen gesticktes Kleid, welche Letztere so kunstvoll gearbeitet waren, daß man sie in einiger Entfernung für natürliche Blumen halten konnte. Reiche Spitzen, Perlen und Diamanten, schmückten ihren prachtvollen Anzug. Ihr Antlitz war mit einer halben Maske von schwarzem Sammt bedeckt, die untere Hälfte derselben bestand aus schwarzen Spitzen.
Der Chevalier von Harmental verbeugte sich tief, denn die Haltung und das Wesen der Unbekannten hatten etwas Königliches, und es war ihm jetzt klar, daß diejenige, die ihn hierhergeführt, nur eine Abgesandtin gewesen sey,
»Darf ich meinen Augen trauen!« rief Harmental, »bin ich wirklich so glücklich, die reizende Fee zu schauen, welche diesen Zauberpalast bewohnt?«
»Ach, Chevalier, versetzte die maskierte Dame, in einem weichen aber bestimmten Tone, »ich bin keine mächtige Fee, sondern im Gegentheil, eine arme Prinzessin, die von einem boshaften Zauberer verfolgt wird, der mir meine Krone geraubt hat, und der mein Königreich schwer bedrückt. Wie Sie sehen, suche ich einen tapferen Ritter, der mich befreiet, und Ihr Ruf machte, daß ich mich in dieser Rücksicht an Sie wandte.
»Wenn es nur meines Lebens bedarf, um Ihnen Ihre frühere Macht wieder zu verschaffen, gnädigste Frau,« erwiderte Harmental, »so sprechen Sie nur ein einziges Wort, und ich bin bereit, es mit Freuden Preis zu geben. Wer ist der Zauberer, der bekämpft werden, wer ist der Riese, der bezwungen werden muß? Da Sie mich vor allen Anderen erwählt haben, so werde ich mich der Ehre, die Sie mir erwiesen, würdig bezeigen. Ich schwöre es, mich Ihrem Dienste weihen zu wollen, und sollte es mir den Untergang bereiten.«
»In jedem Falle würden Sie in guter Gesellschaft untergehn, versetzte die Dame, indem sie die Maske vom Antlitz nahm, »Sie würden untergehn mit dem Sohne Ludwig XIV. und mit der Enkelin des großen Condé.«
»Frau Herzogin von Maine,« rief Harmental, indem er das Knie beugte. »Mögen Ew. Hoheit es entschuldigen, wenn ich, der ich Sie nicht kannte, etwas äußerte, was im Widerspruche mit der tiefen Verehrung steht, die ich für Sie empfinde.«
»Sie haben nichts gesprochen, Chevalier, wofür ich Ihnen nicht erkenntlich seyn müßte,« sprach die Herzogin, »vielleicht aber bereuen Sie, was Sie geäußert, in diesem Falle sind Sie frei und können Ihr Wort zurücknehmen.«
»Der Himmel bewahre mich, daß ich, nachdem ich mein Leben einer so edlen und erlauchten Prinzessin gewidmet, so thöricht seyn könnte, auf die größte Ehre zu verzichten, der ich mich jemals erfreuete. Nein gnädigste Frau, mein Arm, mein Schwert, mein Leben, sind fortan nur Ihnen geweiht.«
»Wolan, Chevalier, nahm die Herzogin von Maine, mit dem ihr eigenthümlichen bezaubernden Lächeln das Wort, »ich sehe, daß der Baron von Valef mich rücksichtlich Ihrer nicht getäuscht hat, und daß Sie ganz und gar der Mann sind, den er geschildert. Kommen Sie, daß ich Sie jetzt unsern Freunden vorstelle.«
Die Herzogin von Maine schritt voran; Harmental folgte ihr, noch ganz bestürzt von dem was sich zugetragen hatte, jedoch fest entschlossen, rüstig auf der Bahn, die er betreten, weiter zu schreiten. Die Herzogin öffnete nach einigen Schritten über den Corridor, die Thür eines Saals, in welchem sich vier Personen befanden. Der Kardinal von Polignac, der Marquis von Pompadour, Herr von Malezieux und der Abbé Brigaud.
Der Cardinal von Polignac galt für den Liebhaber der Herzogin von Maine. Es war ein schöner Mann von vierzig bis fünfundvierzig Jahren, stets in der sorgsamsten Toilette, von Ehrgeiz verzehrt, aber durch seine Charakterschwäche vom Handeln zurückgehalten.
Herr von Pompadour, war ein Mann von fünfundvierzig bis fünfzig Jahren, welcher Edelknabe bei dem Dauphin, Sohn Ludwigs XIV. gewesen war, und so viel Liebe und Ehrfurcht für die Familie des großen Königs eingesogen hatte, daß er es nicht ohne Schmerz mit ansehen konnte, wie der Regent Philipp V. den Krieg erklärte, und eifrig die Parthei des Herzogs von Maine ergriff. Ja, stolz und uneigennützig, wie man es zu jener Zeit selten traf, hatte er dem Regenten das Brevet seiner Pension und das seiner Gemahlin zurückgeschickt.