Kitabı oku: «Zwanzig Jahre nachher», sayfa 2
II
Eine Nachtrunde
Zehn Minuten nachher entfernte sich die kleine Truppe, durch die Rue des Bons-Enfans, hinter dem Schauspielhause, das der Cardinal Richelieu erbaute, um Miraime darin spielen zu lassen, und in welchem der Cardinal Mazarin, mehr ein Liebhaber der Musik als der Literatur, die ersten Opern aufführen ließ, welche in Frankreich zur Darstellung kamen.
Der Anblick der Stadt bot alle Merkmale einer großen Aufregung; zahlreiche Gruppen durchliefen die Straßen und blieben, was auch d’Artagnan gesagt hatte, stille stehen, um die Militäre mit einer Miene drohenden Spottes vorüberziehen zu sehen, welche andeutete, daß die Bürger für den Augenblick ihre gewöhnliche Zahmheit gegen kriegerische Absichten vertauscht hatten. Von Zeit zu Zeit vernahm man einen Lärmen aus dem Quartiere der Hallen. Flintenschüsse knallten in der Richtung der Rue Saint-Denis und zuweilen fing plötzlich, ohne daß man wußte warum, von der Volkslaune in Bewegung gesetzt, eine Glocke an zu ertönen.
D’Artagnan verfolgte feinen Weg mit der Sorglosigkeit eines Mannes, auf welchen dergleichen Lappereien keinen Eindruck machen. Hielt sich eine Gruppe mitten in der Straße, so spornte er sein Pferd gegen sie, ohne Achtung zu rufen, und als ob, Rebellen oder nicht Rebellen, diejenigen, welche dieselbe bildeten, wüßten, mit wem sie es zu thun hätten, öffneten sie sich und ließen die Patrouille durchziehen. Der Cardinal beneidete ihn um diese Ruhe, die er der Gewohnheit der Gefahr zuschrieb, aber er faßte darum nicht minder für den Offizier, unter dessen Befehle er sich für den Augenblick gestellt hatte, jene Achtung, welche selbst die Klugheit dem sorglosen Muthe zugesteht.
Als man sich dem Posten der Barrière des Sergens näherte, rief die Wache: Wer da? D’Artagnan antwortete, und rückte, nachdem er den Cardinal um das Losungswort gefragt hatte, vor; das Losungswort war Louis um
Nachdem die Zeichen der Erkennung ausgetauscht waren, fragte d’Artagnan, ob nicht Herr von Comminges den Posten befehligte. Die Wache zeigte ihm einen Offizier, der zu Fuß, die Hand auf den Hals des Pferdes seines Gegenredners gestützt, plauderte. Es war derjenige, nach welchem d’Artagnan fragte.
»Dort ist Herr von Comminges,« sagte d’Artagnan, zu dem Cardinal zurückkehrend.
Der Cardinal lenkte sein Pferd gegen ihn, während d’Artagnan aus Discretion zurückwicht eben aus der Art und Weise, wie der Offizier zu Fuß und der Offizier zu Pferde ihre Hüte abnahmen, ersah er, daß sie eine Eminenz erkannt hatten.
»Bravo, Guitaut,« sprach der Cardinal zu dem Reiter. »ich sehe, daß Ihr trotz Eurer vierundsechzig Jahre immer noch derselbe seid, immer munter, immer rüstig; was sagtet Ihr zu diesem jungen Manne?«
»Monseigneur, ich sagte ihm, daß der heutige Tag sehr einem von den Tagen der Ligue gleiche, die ich in meinen Jugendjahren gesehen habe. Wißt Ihr, daß in den Rues Saint-Denis und Saint-Martin von nichts weniger die Rede war, als Barricaden zu errichten?«
»Und was antwortete Euch Herr von Comminges, mein lieber Guitaut?«
»Monseigneur,« sprach Comminges, »ich antwortete, um eine Ligue zu bilden, fehle es ihnen nur an Einem, was mir ziemlich wesentlich scheine, an einem Herzog von Guise; überdieß macht man nicht zweimal das Gleiche.«
»Nein, aber sie werden eine Fronde machen, wie sie es nennen,« versetzte Guitaut.
»Man ist das, eine Fronde?« fragte Mazarin.
»Monseigneur, das ist der Name, den sie ihrer Partei geben.«
»Und woher kommt dieser Name?«
»Der Rath Bachaumont soll vor einigen Tagen; im Palaste gesagt haben, alle Emeutenmacher gleichen den Burschen, welche in den Gräben von Paris mit der Schleuder spielen4 und sich zerstreuen, sobald sie den Polizeilieutenant erblicken, um sich abermals zu versammeln, wenn er vorübergegangen ist. Sie haben das Wort aufgeschnappt, wie dieß die Geusen in Brüssel thaten, und nannten sich Frondeurs; heute und gestern war Allen à la Frone, das Brod, die Hüte, die Handschuhe, die Müffe, die Fächer; doch halt, hört einmal.«
In diesem Augenblick öffnete sich wirklich ein Fenster, ein Mann stellte sich an dasselbe und sang:
Un vent de Fronde
S’est levé ce matin;
Je crois qu’il gronde
Contre Mazarin;
Un vent de Fronde
S’est levé ce matin.5
»Der Unverschämte!« murmelte Guitaut.
»Monseigneur,« sagte Comminges, der durch seine Wunde in üble Laune versetzt war und an Wiedervergeltung dachte, »wollt Ihr, daß ich diesem Kerl eine Kugel zuschicke, um ihn besser singen zu lehren?«
Und er legte die Hand an das Halfter des Pferdes von seinem Oheim.
»Nein, nein,« rief Mazarin »Diavolo, mein lieber Freund, Ihr würdet Alles verderben; es geht im Gegentheil auf das Beste. Ich kenne Eure Franzosen von dem Ersten bin zum Letzten, wie wenn ich sie gemacht hättet sie singen und werden bezahlen. Während der Ligue, von der Guitaut so eben sprach, fang man nur die Messe. Komm, Guitaut, komm, wir wollen nachsehen, ob man bei Quinze-Vingts eben so gut Wache hält, als an der Barrière des Sergens.«
Und Comminges mit der Hand begrüßend, kehrte er zu d’Artagnan zurück, der sich wieder an die Spitze seiner kleinen Truppe stellte, unmittelbar gefolgt von Guitaut und dem Cardinal, denen sodann der Rest der Escorte folgte.
»Das ist richtig, murmelte Comminges, als er ihn wegreiten sah, »wenn man ihn nur bezahlt, mehr verlangt er nicht.«
Man schlug wieder den Weg in die Rue Saint-Honoré ein, wobei man fortwährend Gruppen auseinander sprengte; in diesen Gruppen sprach man nur von den Edicten des Tages; man beklagte den jungen König, der auf diese Art, ohne es zu wissen, sein Volk zu Grunde richtete; man warf die ganze Schuld auf Mazarin; man sprach davon, sich an den Herzog von Orleans und an den Herrn Prinzen zu wenden; man pries Blancmesnil und Broussel.
D’Artagnan ritt mitten durch diese Gruppen so sorglos, als ob er und sein Pferd von Eisen wären; Mazarin und Guitaut plauderten ganz leise mit einander, die übrigen Musketiere, welche endlich den Cardinal erkannt hatten, folgten stillschweigend.
Man kam in die Rue Saint-Thomas–du-Louvre, wo der Posten der Quinze-Vingts war. Guitaut rief einen Subaltern-Offizier, der ihm Meldung machte.
»Nun, wie steht es?« fragte Guitaut.
Ah! mein Kapitän, Alles steht gut auf dieser Seite, nur glaube ich, daß in jenem Hotel etwas vorgeht.«
Und er deutete mit dem Finger auf ein prachtvolles Hotel, das gerade auf der Stelle stand, wo seitdem das Baudeville war.«
»In jenem Hotel?« sagte Guitaut; »das ist das Hotel Rambouillet.«
»Ich weiß nicht, ob es das Hotel Rambouillet ist,« versetzte der Offizier, »aber das weiß ich, daß ich sehr viele verdächtige Leute habe hineingehen sehen.«
»Bah!« sagte Guitaut und brach in ein schallendes Gelächter aus, »das sind lauter Dichter.«
»Nun, Guitaut,« sprach Mazarin, willst Du wohl nicht mit solcher Unehrerbietigkeit von diesen Herren sprechen; Du weißt nicht, daß ich in meiner Jugend auch Dichter gewesen bin, und daß ich Verse machte in der Art derer von Herrn von Benserade.«
»Ihr, Monseigneur?«
»Ja, ich. Soll ich Dir davon vorsagen?«
»Für mich gleichviel, Monseigneur, ich verstehe das Italienische nicht.«
»Ja, aber Du verstehst das Französische, nicht wahr, mein guter, braver Guitaut?« versetzte Mazarin und legte freundschaftlich die Hand auf seine Schulter, »und Du wirst jeden Befehl vollziehen, den man Dir in dieser Sprache gibt?«
»Allerdings, Monseigneur, wie ich dieß bereits gethan habe, vorausgesetzt, er kommt mir von der Königin zu.«
»Oh! ja« sagte Mazarin, sich auf die Lippen beißend, »ich weiß, daß Du ihr ganz ergeben bist.«
»Ich bin seit mehr als zwanzig Jahren Kapitän ihrer Garden.«
»Vorwärts, Herr d’Artagnan,« rief der Cardinal, »Alles geht hier gut.«
D’Artagnan stellte sich wieder an die Spitze der Kolonne ohne ein Wort zu sprechen und mit dem leidenden Gehorsam, der den Charakter des alten Soldaten bildet.
Er ritt durch die Rue Richelieu und die Rue Villedo nach der Butte Saint-Roch, wo der dritte Posten stand; dieser war der einsamste, denn er berührte beinahe den Wall, und die Stadt war in dieser Gegend wenig bevölkert.
Wer commandirt diesen Posten??«
»Villequier,« antwortete Guitaut.
»Teufel!« sagte Mazarin, »sprecht allein mit ihm. Ihr wißt, daß wir entzweit sind, seitdem Ihr den Auftrag hattet, den Herzog von Beaufort zu verhaften. Er behauptete, ihm, als dem Kapitän der Garden des Königs, komme diese Ehre zu.«
»Ich weiß es wohl und sagte ihm wohl hundert Mal, er hätte Unrecht. Der König hätte ihm diesen Befehl nicht geben können, weil er zu dieser Zeit kaum vier Jahre alt gewesen wäre.«
»Ja, aber ich konnte ihm diesen Befehl geben, ich, Guitaut, und ich zog es vor, Euch dies ausführen zu lassen.«
Guitaut trieb, ohne zu antworten, sein Pferd vorwärts, und ließ, nachdem er sich der Wache zu erkennen gegeben. Herrn von Villquier rufen. Dieser kam heraus.
»Ah, Ihr seid es, Guitaut,« sprach er mit dem bei ihm gewöhnlichen Tone schlechter Laune. »Was Teufels, wollt Ihr hier?«
»Ich komme, um Euch zu fragen, ob es hier etwas Neues gebe?«
»Was Teufels soll es hier geben?« Man ruft: es lebe der König und nieder mit Mazarin! Das ist nichts Neues, wir sind schon seit geraumer Zeit an diesen Geschrei gewöhnt.«
»Und Ihr macht Chorus dazu,« erwiderte Guitaut lachend.
»Meiner Treue, ich fühle oft große Lust in mir, und ich finde, daß sie ganz Recht haben, Guitaut. Gern gäbe ich fünf Jahre von meinem Gehalt, den man mir nicht ausbezahlt, wenn der König fünf Jahre älter wäre.«
»Wirklich! Und was würde geschehen, wenn der König um Jahre älter wäre?«
Es käme der Augenblick, wo der König volljährig würde und seine Befehle selbst geben müßte, und wahrlich, es ist doch mehr Vergnügen dabei, dem Enkel von Heinrich IV., als dem Sohne von Pietro Mazarin zu gehorchen. Für den König, Mord und Hölle! ließ ich mich mit Vergnügen tödten; wenn ich aber für Mazarin getödtet würde, wie dieß heute Eurem Neffen beinahe widerfahren wäre, so gäbe es kein Paradies, so schön es auch sein dürfte, das mich jemals tröstete könnte.«
»Gut, gut, Herr von Villequier,« sagte Mazarin, »seid unbesorgt. ich werde dem König über Eure Ergebenheit Bericht erstatten.« Dann, sich gegen die Eskorte umwendend, fuhr er fort: »Vorwärts, meine Herren. Allen geht gut. Kehren wir zurück.«
»Halt,« sagte Villequier. »Mazarin war da. Desto besser! Ich hatte längst Lust, ihm das, was ich denke, in das Gesicht zu sagen. Ihr habt mir die Gelegenheit dazu geliefert, Guitaut, und obgleich Eure Gesinnung gegen mich vielleicht nicht die beste ist, so danke ich Euch doch dafür.«
Und er wandte sich auf den Fersen um und kehrte, eine Fronde-Melodie pfeifend, in die Wachtstube zurück.
Mazarin kam ganz nachdenkend in seinen Palast zurück. Was er nach und nach von Comminges, von Guitaut und von Villequier gehört hatte, bestätigte ihn in der Ansicht, daß er im Falle ernster Ereignisse Niemand für sich hätte, als die Königin, und auch die Königin hatte so oft ihre Freunde verlassen, daß ihre Unterstützung dem Minister, trotz der Vorsichtsmaßregeln die er getroffen, sehr ungewiß und zweifelhaft vorkam.
Während der ganzen Zeit diesen nächtlichen Rittes hatte der Cardinal, indeß er abwechselnd Comminges, Guitaut und Villequier studierte, einen Mann prüfend betrachtet. Dieser Mann, welcher bei den Volksdrohungen völlig gleichgültig geblieben war, und dessen Gesicht sich eben so wenig bei den Scherzen welche Mazarin gemacht; noch bei denjenigen, deren Gegenstand er gewesen war, auch nur im Mindesten verändert hatte, dieser Mensch schien ihm ein ganz eigenthümliches, für die Ereignisse, wie man sie in der Gegenwart erlebte, und besonders für diejenigen, in welchen man sich demnächst befinden würde, gestähltes Wesen.
Ueberdies war ihm der Name d’Artagnan nicht ganz unbekannt; und obgleich er erst gegen 1634 oder 1635 nach Frankreich gekommen war, d. h. sieben oder acht Jahre nach den von uns in einer vorhergehenden Geschichte erzählten Ereignissen so schien es dem Cardinal doch, als hätte er diesen Namen als den eines Mannes aussprechen hören, der sich unter Umständen, welche seinem Geiste nicht mehr gegenwärtig waren, als ein Mutter von Muth, Gewandtheit und Ergebenheit bemerkbar gemacht hatte.
Dieser Gedanke bemächtigte sich seiner so sehr, daß er sich ungesäumt Licht zu verschaffen beschloß. Aber die Auskunft die er über d’Artagnan zu haben wünschte, durfte er nicht von d’Artagnan selbst verlangen. An den wenigen Worten, die der Lieutenant der Musketiere gesprochen hatte, erkannte der Cardinal seinen gascognischen Ursprung, und Italiener und Gascogner sind zu sehr mit einander vertraut und gleichen sich zu seht, um gegenseitig auf das zu bauen, was sie selbst von sich sagen können. Als er an die Mauern gelangte, mit denen der Garten den Palais Royal umgeben war, klopfte er an eine kleine Pforte, ungefähr an der Stelle, wo sich jetzt das Caré de Foy erhebt, und machte, nachdem er d’Artagnan gedankt und denselben ersucht hatte, ihn im Hofe des Palais Royal zu erwarten, Guitaut ein Zeichen, ihm zu folgen. Beide stiegen vom Pferde, übergaben die Zügel ihrer Thiere dem Lackeien, der die Pforte geöffnet hatte, und verschwanden im Garten.
»Mein lieber Guitaut,« sprach der Cardinal, sich auf den Arm des alten Kapitäns der Garden stützend, »Ihr sagtet mir so eben, Ihr wäret bald zwanzig Jahre in dem Dienste der Königin.«
»Ja, das ist wahr,« antwortete Guitaut.
»Mein lieber Guitaut,« fuhr der Cardinal fort, »ich habe bemerkt, daß Ihr außer Eurem unbestreitbaren Muthe und außer Eurer probefesten Treue ein bewunderungswürdiges Gedächtnis besitzt.«
»Ihr habt das bemerkt, Monseigneur,« sprach der Kapitän der Garden. »Desto schlimmer für mich.«
»Warum dieß?«
»Ohne Zweifel ist eine der ersten Eigenschaften des Höflings, daß er zu vergessen weiß.«
»Aber Ihr seid kein Höfling, Guitaut, Ihr seid ein braver Soldat, einer von den Kapitänen, wie noch einige aus der Zeit von König Heinrich IV. übrig sind, wie aber leider bald keine mehr vorhanden sein werden.«
»Pest, Monseigneur, habt Ihr mich mit Euch kommen heißen, um mir die Naivität zu stellen?«
»Nein,« sagte Mazarin lachend, »ich nahm Euch mit, um Euch zu fragen, ob Ihr unsern Musketier-Lieutenant bemerkt habt?«
»Herrn d’Artagnan?«
»Ja.«
»Ich habe nicht mehr nöthig gehabt, ihn zu bemerken. denn ich kenne ihn seit geraumer Zeit.«
»Was für ein Mensch ist er?«
»Wie denn?« sprach Guitaut, über diese Frage erstaunt. »Es ist ein Gascogner.«
»Ja, ich weiß das, aber ich wollte Euch fragen, ab er ein Mann wäre, in den man Vertrauen setzen könnte?«
»Herr von Treville hellt große Stücke auf ihn, und Herr von Treville ist, wie ihr wißt, einer der ergebensten Freunde der Königin.«
»Ich wünschte zu wissen, ob es ein Mann ist, der seine Prüfung erstanden hat?«
»Wenn Ihr darunter versteht, ob er ein braver Soldat sei, so kann ich Euch mit Ja antworten. Bei der Belagerung von La Rochelle, bei Perpignan hat er, wie ich hörte, mehr als seine Pflicht gethan.«
»Aber Ihr wißt, Guitaut! wir arme Minister bedürfen oft noch anderer Männer, als der Braven. Wir brauchen geschickte Leute. War Herr d’Artagnan zur Zeit des Cardinals nicht in eine Intrigue verwickelt, nun der er sich nach dem Gerüchte mit großer Gewandtheit gezogen hat?«
»Monseigneur, in dieser Beziehung,« sagte Guitaut, welcher wohl einsah, daß ihn der Cardinal zum Sprechen bringen wollte, »in dieser Beziehung sehe ich mich genöthigt, Eurer Eminenz zu sagen, daß ich nicht mehr weiß, als das, was dieselbe durch öffentliche Gerüchte erfahren konnte. Ich habe mich für meine Rechnung nie in die Intriguen gemischt, und wenn ich zuweilen eine vertrauliche Mittheilung hinsichtlich der Intriguen Anderer erhalten habe, so wird es Monseigneur, da das Geheimniß nicht mir gehört, gut finden, wenn ich es für diejenigen bewahre, die es mir anvertrauten.«
Mazarin schüttelte den Kopf.
»Ah!« sagte er, »auf mein Wort, es gibt sehr glückliche Minister, welche Alles wissen, was sie wissen wollen.«
»Monseigneur,« versetzte Guitaut, »dies ist der Fall, weil dieselben nicht alle Menschen in derselben Wage abwägen, und weil sie sich an Kriegsmänner in Betreff den Krieges und an Intriganten für die Intrigue zu wenden wissen. Wendet Euch an irgend einen Intriganten der Zeit, von der Ihr sprecht, und Ihr werdet bekommen, was Ihr haben wollt, wohl verstanden, wenn Ihr bezahlt.«
»Ei, bei Gott,« versetzte Mazarin mit einer Grimasse, die ihm immer entfuhr, wenn man bei ihm die Geldfrage in dem Sinne von Guitaut berührte… man wird bezahlen … wenn es kein Mittel gibt, es andern zu machen.«
»Fordert mich Monseigneur im Ernste auf, ihm einen Mann zu nennen, der in alle Cabalen dieser Zeit verwickelt war?«
»Per Bacho!« versetzte Mazarin, welcher nachgerade ungeduldig wurde, »seit einer Stunde verlange ich nichts Anderen von Euch, Ihr Eisenkopf.«
»Es gibt Einen, für den ich Euch stehen kann, wenn er sprechen will.«
»Das ist meine Sache.«
»Ah! Monseigneur, es ist nicht immer so leicht, die Menschen zu veranlassen, das zu sagen, was sie nicht sagen wollen.«
»Bah! mit Geduld gelangt man zum Ziele. Nun, wer ist dieser Mann.«
»Ein ist der Graf von Rochefort.«
»Der Graf von Rochefort?«
»Leider ist er seit bald vier oder fünf Jahren verschwunden. und ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist.«
»Ich werde es erfahren, Guitaut!« sprach Mazarin.
»Warum beklagte sich denn so eben Euer Eminenz, daß sie nichts wüßte?«
»Ihr glaubt also, Rochefort …«
»Er war der ergebenste Anhänger des Cardinals, Monseigneur. Aber ich sage Euch zum Voraus, es wird Euch viel kosten, der Cardinal war verschwenderisch gegen seine Creatur.«
»Ja, ja, Guitaut,« sagte Mazarin, »er war ein großer Mann, aber er hatte diesen Fehler; ich danke, Guitaut. ich werde Euern Rath benutzen und zwar noch diesen Abend.«
Und da in diesem Augenblick die zwei Sprechenden zu dem Hofe den Palais Royal gelangt waren, so grüßte der Cardinal Guitaut mit einem Zeichen der Hand, und näherte sich einem Offizier, den er auf- und abgehen sah.
Es war d’Artagnan, der nach dem Befehle den Cardinals ihn erwartete.
»Kommt, Herr d’Artagnan,« sprach Mazarin mit seiner flötenreichsten Stimme, »ich habe Euch einen Auftrag zu geben.«
D’Artagnan verbeugte sich, folgte dem Cardinal auf der geheimen Treppe und befand sich einen Augenblick nachher wieder in dem Cabinet, von dem er aus gegangen war.
Der Cardinal setzte sich an sein Buerau nahm ein Blatt Papier und schrieb einige Zeilen darauf.
D’Artagnan wartete stehend ohne Ungeduld und ohne Neugierde. Er war ein militärischer Automat geworden, der durch eine Feder handelte oder vielmehr gehorchte.
Der Cardinal faltete den Brief zusammen und drückte sein Siegel darauf.
»Herr d’Artagnan,« sprach er, »Ihr tragt diese Depesche in die Bastille und bringt die Person zurück, welche der Gegenstand derselben ist. Nehmt eine Carrosse, eine Escorte und bewacht sorgfältig den Gefangenen.«
D’Artagnan nahm den Brief, legte die Hand an seinen Hut, drehte sich auf dem Absatze um, wie es nur der geschickteste Sergent beim Vorexerzieren machen kann, ging hinaus, und einen Augenblick nachher hörte man ihn mit seinem kurzen Tone commandiren:
»Vier Mann Escorte, eigen Wagen, mein Pferd! Fünf Minuten nachher vernahm man die Räder des Wagens und den Hufschlag der Pferde auf dem Pflaster des Hofes.
III
Zwei alte Feinde
D’Artagnan kam um halb neun Uhr in die Bastille.
Er ließ sich bei dem Gouverneur melden, der ihm als er erfuhr, daß er von Seiten und auf Befehl des Ministers kam, bin auf die Freitreppe entgegen ging.
Der Gouverneur der Bastille war damals Herr du Tremblay, ein Bruder des berüchtigten Kapuziners Joseph, dieses furchtbaren Günstlings von Richelieu, den man die graue Eminenz nannte.
Als der Marschall von Bassompierre in der Bastille war, wo er zwölf volle Jahre blieb, und seine Gefährten in ihren Freiheitsträumen sich einander sagten: »Ich werde in der und der Zeit hinauskommen« … »und ich in jener Zeit …« so antwortete Bassompierre »Und ich meine Herren, werde hinauskommen, wenn Herr du Tremblay hinauskommt,« womit er sagen wollte, bei dem Tode des Cardinals müsse Herr du Tremblay nothwendig seinen Platz in der Bastille verlieren und Bassompierre den seinigen wieder einnehmen.
Seine Weissagung sollte wirklich in Erfüllung gehen, aber auf eine andere Art, als Bassompierre gedacht hattet denn als der Cardinal todt war, gingen die Dinge gegen alle Erwartung fort, wie bisher. Herr du Tremblay verlor seine Stelle nicht, und Bassompierre sollte nicht aus der Bastille kommen.
Herr du Tremblay war also noch Gouverneur der Bastille, als d’Artagnan sich in derselben einfand, um den Befehl den Ministers zu vollziehen. Er empfing ihn mit der größten Höflichkeit, und da er eben sich zu Tische zu setzen im Begriffe war, so lud er d’Artagnan ein, mit ihm zu Nacht zu speisen.
»Ich,würde dies mit dem größten Vergnügen thun,« sprach d’Artagnan: »aber wenn ich mich nicht täusche, steht auf dem«Umschlag des Briefes: sehr eilig.«
»Das ist richtig,« sagte Herr du Tremblay. »Holla, Major, man lasse Nro. 256 herabkommen.«
Beim Eintritt in die Bastille hörte man auf, ein Mensch zu sein, und wurde eine Nummer.
D’Artagnan fühlte einen Schauer bei dem Geräusche der Schlüssel. Er blieb zu Pferde, ohne absteigen zu wollen, betrachtete die Gitterstangen, die tiefen Fenster, die ungeheuren Mauern, die er nie anders als von Jenseits der Gräben gesehen und, die ihm vor etwa zwanzig Jahren so bange gemacht hatten.
Es ertönte ein Glockenschlag.
»Ich Verlasse Euch,« sprach Herr du Tremblay. »Man ruft mich, um den Abgang des Gefangenen zu unterzeichnen. Auf Wiedersehen, Herr d’Artagnan.«
»Der Teufel soll mich holen, wenn ich Dir Deinen Wunsch zurückgebe,« murmelte d’Artagnan, und er begleitete diesen Fluch mit dem anmuthigsten Lächeln. »Schon bei einem Aufenthalt von fünf Minuten im Hofe fühle ich mich krank. Ich sehe, daß ich lieber auf dem Stroh sterben, was mir wahrscheinlich widerfahren wird, als 10.000 Livres Renten sammeln will, um Gouverneur der Bastille zu sein.«
Kaum hatte er diesen Monolog vollendet, als der Gefangene erschien. Sobald d’Artagnan ihn erblickte, machte er eine Bewegung des Erstaunens, die er aber sogleich wieder bewältigte. Der Gefangene stieg in den Wagen, ohne, wie es schien, d’Artagnan erkannt zu haben.
»Meine Herren,« sagte d’Artagnan zu den vier Musketieren, »man hat mir befohlen, den Gefangenen auf das, Schärfste zu bewachen. Da nun der Wagen keine Schlösser an seinen Schlägen hat, so will ich zu ihm hinein steigen. Herr von Lillebonne, habt die Güte, mein Pferd am Zügel zu führen.«
»Seht gerne, mein Lieutenant,« antwortete derjenige, an welchen er sich gewandt hatte.
D’Artagnan sprang vom Pferde, gab den Zügel dem Musketier, stieg in den Wagen und rief in einem Tone, in welchem sich unmöglich auch nur die geringste Bewegung erkennen ließe:
»In das Palais Royal, im Trab!«
Sogleich entfernte sich der Wagen, und d’Artagnan warf sich, die Dunkelheit benützend, die in dem Gewölbe herrschte, durch das man fuhr, dem Gefangenen um den Hals.
»Rochefort!« rief er, »Ihr seid es! Ich täusche mich nicht!«
»D’Artagnan!« rief Rochefort erstaunt.
»Ach, mein armer Freund,« fuhr d’Artagnan fort; »da ich Euch seit vier bis fünf Jahren nicht gesehen habe, so hielt ich Euch für todt.«
»Meiner Treu!« erwiderte Rochefort, »es ist kein großer Unterschied zwischen einem Todten und einem Begrabenen und ich bin ein Begrabener.«
»Wegen welchen Verbrechens seid Ihr in der Bastille?«
»Soll ich Euch die Wahrheit sagen?«
»Ja.«
»Nun, ich weiß es nicht.«
»Mißtrauen gegen mich, Rochefort?«
»Nein, auf Edelmannswort, denn ich kann unmöglich aus der Ursache hier sein, die man angibt.«
»Welche Ursache?«
»Alls Nachtdieb.«
»Ihr, Nachtdieb? Rocheforts Ihr scherzt.«
»Ich begreife. Das heischt eine Erläuterung, nicht wahr?«
»Allerdings.«
»Nun, so hört, was geschehen ist. Einen Abends nach einer Orgie bei Reinard in den Tuilerien mit dem Herzog d’Harcourt, Fontrailles, von Rieux und Anderen machte der Herzog d’Harcourt den Vorschlag, auf dem Pont-Neuf Mäntel zu ziehen. Es ist dies, wie Ihr wißt, eine Unterhaltung, welche der Herzog von Orleans sehr in die Mode gebracht hat.«
»Warte Ihr ein Narr, Rochefort? in Eurem Alter?«
»Nein, ich war betrunken, und dennoch, da mir die Belustigung sehr mittelmäßig vorkam, schlug ich dem Chevalier von Rieux vor, Zuschauer statt handelnde Person zu sein,I und um die Scene aus der ersten Loge zu sehen, auf das Pferd das Bronze zu steigen. Gesagt, getan. Mit Hilfe der Sporen, die uns als Steigbügel dienten, saßen wir in einem Augenblick auf dem Rücken. Wir hatten einen vortrefflichen Standpunkt. Bereits waren vier bis fünf Mäntel mit einer Geschicklichkeit ohne Gleichen und ohne daß diejenigen, welchen man sie nahm, ein Wort zu sagen wagten, gestohlen, als es irgend einem Dummkopf, welcher etwas minder geduldig war, als die Anderen, einfiel, nach der Wache zu schreien, was eine Patrouille von Bogenschützen herbeiführte. Der Herzog d’Harcourt, Fontrailles und die Andern machten sich aus dem Staube. Von Rieux will dasselbe thun. Ich halte ihn zurück und sage ihm, man werde uns da, wo wir seien, nicht aus dem Neste heben. Er hört nicht auf mich, setzt den Fuß auf den Sporn, um hinabzusteigen; der Sporn zerbricht, er fällt, bricht ein Bein und fängt an, statt zu schweigen, wie ein Gehängter zu schreien. Ich will ebenfalls herabspringen, aber es war zu spät. Ich springe in die Arme der Bogenschützen, die mich nach dem Chatelet führen, wo ich ruhig einschlafe, fest überzeugt, ich würde am andern Tage entlassen werden. Der andere Tag geht vorüber, ebenso der zweite. Es gehen acht Tage vorüber, ich schreibe an den Cardinal. An demselben Tage holt man mich ab und führt mich in die Bastille, wo ich seit fünf Jahren sitze. Glaubt Ihr, es sei dies der Fall, weil ich das Verbrechen begangen habe, auf das Pferd hinter Heinrich IV. zu steigen?«
»Nein, Ihr habt Recht, mein lieber Rochefort, das kann nicht der Grund sein, Ihr werdet ihn übrigens wahrscheinlich erfahren.«
»Ach! ja, doch ich habe Vergessen, Euch zu fragen: wohin führt Ihr mich?«
»Zu dem Cardinal.«
»Was will er von mir?«
»Ich weiß es nichts denn ich wußte nicht einmal, daß ich Euch holen sollte.«
»Unmöglich! Ihr, ein Günstling?«
»Ein Günstling ich!« rief d’Artagnan. »Ah! mein armer Graf, ich bin mehr Gascogner Junker, als da ich Euch vor zweiundzwanzig Jahren in Meung sah, wißt Ihr noch? Ach! ach!« und ein schwerer Seufzer endigte diesen Satz.
»Doch Ihr kommt mit einem Befehle.«
»Weil ich mich zufällig im Vorzimmer befand, und sich der Cardinal an mich wandte, wie er sich an jeden Andern gewendet hatte; aber ich bin immer noch Lieutenant bei den Musketieren, und dies bin ich, wenn ich richtig zähle, seit ungefähr ein und zwanzig Jahren.«
»Es ist Euch doch kein Unglück widerfahren, und das ist schon viel.«
»Welches Unglück sollte mir widerfahren? Irgend ein lateinischer Vers, den ich vergessen oder vielmehr nie recht gewußt habe, sagt: der Blitz treffe die Thäler nicht, und ich bin ein Thal, mein lieber Rochefort, und zwar eines von den tiefsten.«
»Mazarin ist also immer noch Mazarin?«
»Mehr als je, mein Lieber; man sagt, er sei mit der Königin verheirathet.«
»Verheirathet!«
»Ist er nicht ihr Gemahl, so ist er sicherlich ihr Geliebter.«
»Einem Buckingham widerstehen und einem Mazarin nachgeben!«
»So sind die Frauen,« versetzte d’Artagnan philosophisch.
»Die Frauen wohl, aber die Königinnen!«
»Ei, mein Gott, in dieser Hinsicht sind die Königin zweimal Frauen.«
»Und Herr von Beaufort ist immer noch im Gefängniß?«
»Immer noch, warum?«
»Da er mir wohl wollte, so hätte er mich aus der schlimmen Geschichte ziehen können.«
»Ihr seid ohne Zweifel der Freiheit näher, als er; also werdet Ihr ihn aus dem Unglück ziehen.«
»Und wie steht es mit dem Krieg?«
»Man wird haben.«
»Mit Spanien?«
»Nein, mit Paris.«
»Man wollt Ihr damit sagen?«
»Hört Ihr die Flintenschüsse?«
»Ja, nun?«
»Es sind Bürger, welche in Erwartung eines Aufstandes feuern.«
»Glaubt Ihr man konnte etwas aus den Bürgern machen?«
»Gewiß, sie versprechen etwas; und wenn sie einen Führer hätten, der aus allen Gruppen eine Masse machen würde … .«
»Es ist ein Unglück, nicht frei zu sein.«
»Ei, mein Gott, verzweifelt doch nicht. Wenn Mazarin Euch holen läßt, so geschieht es einfach, weil er Euch braucht, und wenn er Euch braucht, nun, so mache ich Euch mein Compliment. Es ist lange her, daß Niemand meiner mehr bedurft hat; Ihr seht auch, wie weit ich es gebracht habe.«
»Beklagt Euch doch, ich rathe es Euch!«
»Hört, Rochefort, einen Vertrag …«
»Welchen?«
»Ihr wißt, daß wir gute Freunde sind.«
»Bei Gott, ich trage die Mahle Eurer Freundschaft an mir: drei Degenstiche! …«
»Nun wohl, wenn Ihr wieder in Gunst kommt, vergeßt mich nicht.«
»So wahr ich Rochefort heiße, aber unter der Bedingung der Gegenseitigkeit.
»Abgemachte hier ist meine Hand.«
»Die erste Gelegenheit also, die Ihr findet, um von mir zu sprechen …«
»Ich spreche von Euch: und Ihr?«
»Ebenso.«
»Und soll ich auch von Euren Freunden sprechen?«
»Von welchen Freunden?«
»Von Athos, Porthos und Aramis. Habt Ihr sie denn vergessen?«
»Beinahe.«
»Was ist aus ihnen geworden?«
»Ich Weiß es nicht.«
»Wirklich?«
»Ah! mein Gott ja, wir haben uns verlassen, wie Ihr wißt; Sie leben, das ist Alles, was ich von ihnen sagen kann. Von Zeit zu Zeit erhalte ich mittelbar Nachrichten von ihnen; aber der Teufel soll mich holen, wenn Ich weiß, in welchem Winkel der Erde sie sich aufhalten. Nein auf Ehre! ich habe nur noch Euch zum Freund, Rochefort.«
»Und der Herrliche, wie nanntet Ihr doch den Burschen, den ich zum Sergenten im Regiment Piemout machte?«
»Planchet.«
»Ja, so ist es, der herrliche Planchet; was ist aus ihm geworden?«
»Er hat einen Zuckerbäckerladen in der Rue des Lombards geheirathet. Der Bursche war stets ein großer Freund von Süßigkeiten. Er ist nun Bürger von Paris Und treibt in diesem Augenblick wohl ohne Zweifel Aufruhr. Ihr werdet sehen, er ist Schöppe, ehe ich Kapiteln bin.«
»Auf! mein lieber d’Artagnan, wenn man ganz unten am Rade ist, so dreht sich das Rad und hebt einen empor. Vielleicht verändert sich Euer Schicksal noch diesen Abend.«
»Amen,« sprach d’Artagnan, den Wagen anhaltend.
»Wer macht Ihr?« fragte Rochefort.
»Wir sind bald an Ort und Stelle, und man soll nicht sehen, daß ich aus Eurem Wagen aussteige. Wir kennen uns nicht.«