Kitabı oku: «Zwanzig Jahre nachher», sayfa 59
»Ah, Ihr habt mich gefehlt,« sagte Aramis; »aber ich, das schwöre ich bei Gott, ich werde Euch nicht fehlen.«
»Wenn ich Euch Zeit dazu lasse!« rief Herr von Chatillon, gab seinem Pferde die Sporen und sprengte, den Degen hoch, auf ihn zu.
Aramis antwortete dem Herzog mit dem ihm bei solchen Gelegenheiten eigenthümlichen Lächeln, und Athos, welcher Herrn von Chatillon mit der Geschwindigkeit eines Blitzes auf Aramis vorrücken sah, öffnete den Mund, um zu rufen: »Schießt! schießt doch!« als der Schuß los ging. Herr von Chatillon öffnete die Arme und fiel auf das Kreuz seines Pferdes.
Die Kugel war ihm durch den Ausschnitt des Panzers in die Brust gedrungen.
»Ich bin todt!« murmelte der Herzog.
Und er glitt von seinem Pferde auf die Erde herab.
»Ich sagte es Euch, mein Herr, und es thut mir nun leid, daß ich mein Wort so gut gehalten habe. Kann ich Euch in irgend einer Beziehung nützlich sein?«
Chatillon machte ein Zeichen mit der Hand, und Aramis schickte sich an, abzusteigen, als er plötzlich einen heftigen Stoß in die Seite erhielt: es war ein Degenstich, aber der Panzer hatte denselben pariert.
Er wandte sich rasch um und ergriff diesen neuen Gegner beim Faustgelenke; aber zu gleicher Zeit wurden zwei Schreie, der eine von ihm, der andere von Athos ausgestoßen.
»Raoul!«
Der junge Mann erkannte zugleich das Gesicht des Chevalier d’Herblay und die Stimme seines Vaters, und ließ seinen Degen fallen. Mehrere Reiter der Pariser Armee stürzten in diesem Augenblick auf Raoul los, aber Aramis deckte ihn mit seinem Schwerte.
»Mein Gefangener! sucht also das Weite!« rief er.
Athos nahm während dieser Zeit das Pferd seines Sohnes beim Zügel und führte es aus dem Gemenge.
In diesem Augenblick erschien der Herr Prinz, den Herr von Chatillon in zweiter Linie unterstützte, mitten im Gefechte. Man sah sein Adlerauge glänzen und erkannte ihn an seinen Streichen.
Das Regiment des Erzbischofs von Korinth, das der Coadjutor trotz aller Anstrengung nicht mehr zu organisiren vermocht hatte, stürzte bei dem Anblicke des Herrn Prinzen mitten unter die Pariser Truppen, warf Alles nieder und kehrte in rascher Flucht nach Charenton zurück. Fortgerissen von demselben, kam der Coadjutor an der Gruppe vorüber, welche Athos, Aramis und Raoul bildeten.
»Ah! ah!« sagte Aramis, der sich bei seiner Eifersucht einer Freude über das Mißgeschick des Coadjutors nicht erwehren konnte, »in Euerer Eigenschaft als Erzbischof müßt Ihr die Schrift kennen.«
»Was hat die Schrift mit dem, was mir begegnet, gemein?« fragte der Coadjutor.
»Daß der Herr Prinz Euch heute behandelt, wie Sanct Paulus: der erste an die Korinther.«
»Stille, stille!« sprach der Coadjutor, »das Wort ist gut, aber man darf hier nicht auf Complimente warten. Vorwärts! vorwärts! oder vielmehr zurück, denn es kommt mir ganz vor, als wäre die Schlacht für die Frondeurs verloren.«
»Das ist mir. gleichgültig,« erwiderte Aramis; »ich kam nur hierher, um Herrn von Chatillon zu begegnen. Ich habe ihn getroffen und bin zufrieden. Ein Zweikampf mit einem Chatillon, das ist schmeichelhaft!«
»Und überdies noch einen Gefangenen gemacht!« sprach Athos, auf Raoul deutend.
Die drei Reiter setzten ihren Weg im Galopp fort.
.Der junge Mann wurde von einem Freudenschauer ergriffen, als er seinen Vater wiedersah. Sie galoppirten neben einander, die linke Hand des Jünglings in der rechten von Athos.
»Was wolltest Du denn so weit vorne im Treffen machen, mein Freund?« fragte Athos den Jüngling; »da Du nicht besser zum Kampfe bewaffnet warst, so warst Du, wie mir scheint, hier auch nicht an Deinem Platze.«
»Ich sollte mich heute auch nicht schlagen, Herr; ich war mit einer Sendung an den Herrn Cardinal beauftragt und begab mich nach Rueil, als ich, da ich Herrn von Chatillon angreifen sah, Lust bekam, an seiner Seite anzugreifen. Da sagte er mir, daß zwei Cavaliere von dem Pariser Heere mich suchten, und nannte mir den Grafen de la Fère.«
»Wie, Du Wußtest, daß wir hier waren, und wolltest Deinen Freund, den Chevalier, tödten!«
»Ich hatte den Herrn Chevalier unter seiner Rüstung nicht erkannt,« entgegnete Raoul erröthend; »aber ich hätte ihn an seiner Geschicklichkeit und Kaltblütigkeit erkennen sollen.«
»Ich danke für das Compliment, mein junger Freund,« versetzte Aramis; »man sieht, wer Euch Unterricht in der Höflichkeit gegeben hat. Doch Ihr geht nach Rueil, sagt Ihr?«
»Ja.«
»Zu dem Cardinal?«
»Allerdings. Ich habe eine Depesche vom Herrn Prinzen für Seine Eminenz.«
»Er muß sie überbringen,« sagte Athos.
»Sachte, keine falsche Großmuth, Graf. Was Teufels! unser Schicksal, und, was noch wichtiger ist, das Schicksal unserer Freunde ist vielleicht in dieser Depesche enthalten.«
»Aber dieser junge Mann soll sich nicht gegen seine Pflicht verfehlen,« entgegnete Athos.
»Einmal ist dieser junge Mensch Gefangener, was Ihr zu vergessen scheint; was wir thun, ist also dem Kriegsgebrauch gemäß; und dann dürfen Sieger in Beziehung auf die Wahl ihrer Mittel nicht so häkelig sein. Gebt die Depesche, Raoul.«
Raoul zögerte und schaute Athos an. als wollte er eine Verhaltungsregel in seinen Augen suchen.
»Gib die Depesche, Raoul,« sagte Athos; »Du bist der Gefangene des Chevalier d’Herblay.«
Raoul fügte sich mit Widerstreben; aber weniger bedenklich in dieser Hinsicht, als der Graf de la Fère, griff Aramis hastig nach der Depesche, durchlief sie und sagte, dieselbe Athos zustellend:
»Ihr, der Ihr ein Gläubiger seid, leset, und Ihr werdet in diesem Briefe bei näherer Ueberlegung einen Umstand finden, von dem die Vorsehung glaubt, es sei wichtig, daß wir ihn erfahren.«
Athos nahm den Brief, seine schöne Stirne faltend, aber der Gedanke, es wäre in dem Schreiben von d’Artagnan die Rede, half ihm seinen Widerwillen gegen das Lesen desselben besiegen.
Man vernehme, was der Brief enthielt:
»Monseigneur, ich werde diesen Abend Euerer Eminenz zur Verstärkung der Truppe von Herrn von Comminges die zehn Mann schicken, welche Ihr verlangt. Es sind gute Soldaten, ganz geeignet, den zwei gewaltigen Gegnern Stand zu halten, deren Gewandtheit und Entschlossenheit Euere Eminenz so sehr fürchtet.«
»Oh! oh!« rief Athos.
»Nun, fragte Aramis, »was dünkt Euch von den zwei Gegnern, zu deren Bewachung man außer der Truppe von Herrn von Comminges zehn gute Soldaten braucht? Gleicht das nicht, wie zwei Tropfen Wasser, d’Artagnan und Porthos?«
»Wir streifen den ganzen Tag in Paris umher,« sagte Athos, »und wenn wir diesen Abend keine Kunde haben, schlagen wir wieder den Weg nach der Picardie ein, und ich stehe dafür, mit Hilfe der Einbildungskraft von d’Artagnan werden wir alsbald irgend eine Andeutung finden, die uns alle unsere Zweifel benimmt.«
»Ziehen wir also in Paris umher und erkundigen wir uns hauptsächlich bei Planchet, ob er nicht von seinem ehemaligen Herrn habe sprechen hören.«
»Dieser arme Planchet! Ihr habt gut reden, er ist vielleicht niedergemetzelt worden. Alle diese kriegerischen Bürger sind ausgezogen, und man hat sie wohl zusammengehauen.
Da dies ziemlich wahrscheinlich war, so kehrten die zwei Freunde mit einer gewissen Unruhe durch die Porte du Temple nach Paris zurück, und wandten sich nach der Place Royale,.wo sie Nachricht von diesen armen Bürgern zu erhalten hofften. Aber das Erstaunen der zwei Freunde war groß, als sie diese Leute immer noch auf derselben Stelle, mit ihrem Kapitän trinkend und scherzend fanden, … ohne Zweifel von ihren Familien beweint, welche den Lärmen der Kanonen von Charenton hörten und sie im Feuer glaubten.
Athos und Aramis erkundigten sich abermals bei Planchet, aber er hatte nichts von d’Artagnan erfahren. Sie wollten ihn mit sich nehmen, doch er erklärte ihnen, er könne seinen Posten nicht ohne höheren Befehl verlassen.
Erst um fünf Uhr kehrten er und seine Leute in ihre Quartiere zurück, und sie sagten, sie kämen aus der Schlacht: sie hatten das Bronze-Pferd von Ludwig XIII. nicht aus dem Gesichte verloren.
»Tausend Donner!« rief Planchet, als er wieder in seiner Bude in der Rue des Lombards erschien, »man hat uns die Nähte tüchtig ausgeklopft. Ich werde mich nie hierüber trösten! …«
XVII
Die Straße nach der Picardie
Vollkommen in Sicherheit in Paris, verhehlten sich Athos und Aramis doch nicht, daß sie große Gefahr liefen, sobald sie den Fuß aus der Stadt setzten; aber man weiß, welche Bedeutung für solche Männer die Gefahr hatte. Überdies fühlten sie, daß diese zweite Odyssee ihrer nahen Entwickelung entgegenging, und daß gleichsam der ganzen Sache nur noch ein Stoß zu geben war.
Uebrigens war Paris selbst nicht ruhig. Es fing an, an Lebensmitteln zu fehlen, und je nachdem einer von den Generalen des Herrn Prinzen von Conti seinen Einfluß wieder gewinnen zu müssen glaubte, machte er sich eine kleine Meuterei, die er beschwichtigte, und die ihm für einen Augenblick den Vorrang vor seinen Collegen verlieh.
Bei einer von diesen Meutereien ließ Herr von Beaufort das Haus und die Bibliothek von Herrn von Mazarin plündern, um, wie er sagte, dem armen Volke etwas zu nagen zu geben.
Athos und Aramis verließen Paris nach diesem Staatsstreiche, der an dem Abend des Tages stattfand, an welchem die Pariser in Charenton geschlagen worden waren.
Von der Furcht erschüttert, von Factionen zerrissen, war Paris, als sie sich entfernten, bereits im größten Elend und der Hungersnoth nahe. Pariser und Frondeurs, glaubten sie dasselbe Elend, dieselbe Furcht, dieselben Intriguen in dem feindlichen Lager zu finden. Ihr Erstaunen war daher groß, als sie, durch Saint-Denis reitend, erfuhren, in Saint-Denis lache man, singe man, führe man ein lustiges Leben.
Die zwei Edelleute wählten Umwege, Anfangs, um nicht in die Hände der auf der Isle de France zerstreuten Mazariner zu fallen, sodann aber, um den Frondeurs zu entgehen, welche die Normandie besetzt hielten und nicht verfehlt haben würden, sie zu Herrn von Longueville zu führen, damit er in ihnen Freunde oder Feinde erkenne. Sobald sie einmal diesen zwei Gefahren entgangen waren, begaben sie sich auf den Weg von Boulogne nach Abbeville und folgten ihm Schritt für Schritt, Spur für Spur.
Sie blieben indessen eine Zeitlang unentschieden. Zwei bis drei Herbergen waren bereits besucht worden, zwei bis drei Wirthe hatte man bereits befragt, ohne daß irgend eine Andeutung sie in ihren Zweifeln erleuchtete oder in ihren Nachforschungen leitete, als Athos in Montreuil auf dem Tische beim Anrühren mit seinen zarten Fingern etwas Rauhes fühlte. Er hob das Tischtuch auf und las auf dem Holze folgende mit einer Messerklinge tief eingegrabene Hieroglyphen.
Port. – d’Art. – den 2ten Februar.
»Vortrefflich,« sagte Athos, indem er Aramis die Inschrift zeigte, »wir wollten hier über Nacht bleiben; aber es ist unnöthig, reiten wir weiter.«
Sie stiegen wieder zu Pferde und erreichten Abbeville. Hier hielten sie an, waren aber sehr in Verlegenheit wegen der großen Menge von Gasthöfen. Man konnte nicht in allen einkehren; wie sollte man aber erraten, in welchem diejenigen gewohnt hatten, welche man suchte.
»Glaubt mir, Athos,« sagte Aramis, »wir dürfen nicht daran denken, in Abbeville etwas zu finden. Sind wir in Verlegenheit, so waren es unsere Freunde auch. Handelte es sich nur um Porthos, – er hätte den prachtvollsten Gasthof gewühlt, und wenn wir uns diesen hätten nennen lassen, so würden wir sicherlich eine Spur gefunden haben. Aber d’Artagnan hat keine solche Schwäche. Porthos mochte ihm immerhin bemerken, er sterbe vor Hunger, d’Artagnan setzte seinen Weg fort, unerbittlich wie das Geschick, und wir müssen ihn anderswo suchen.«
Sie ritten also weiter, aber nichts bot sich ihnen dar. Die Freunde hatten sich eine äußerst schwierige und besonders äußerst verdrießliche Aufgabe gestellt, und ohne den in ihr Inneres eingegrabenen dreifachen Hebel der Ehre, der Freundschaft und der Dankbarkeit würden die zwei Reisenden hundertmal darauf Verzicht geleistet haben, den Sand zu durchwühlen, die Vorübergehenden zu befragen, die Zeichen zu deuten und die Gesichter zu erforschen.
So kamen sie bis Peronne.
Athos fing an, zu verzweifeln. Diese edle Natur machte die Unwissenheit trostlos, in der Aramis und er sich befanden. Ohne Zweifel hatten sie schlecht gesucht, ohne Zweifel waren sie bei ihren Fragen nicht beharrlich genug, bei ihren Forschungen nicht umsichtig genug’ gewesen. Sie waren bereit, auf ihrem Wege wieder umzukehren, als Athos, da sie durch die Vorstadt ritten, welche zu den Thoren der Stadt führte, an einer weißen Mauer, welche die Ecke einer um den Wall laufenden Straße bildete, eine Zeichnung mit Kohle erblickte, die mit der Naivetät der ersten Versuche eines Kinderbleistiftes zwei Reiter darstellte, welche wie wahnsinnig galoppirten. Der eine von diesen Reitern hielt in der Hand einen Zettel, worauf in spanischer Sprache die Worte geschrieben waren:
»Man verfolgt uns.«
»Oho!« sagte Athos, »das ist klar wie der Tag. Obgleich verfolgt, hat d’Artagnan fünf Minuten hier angehalten. Dies beweist übrigens, daß ihm seine Verfolger nicht sehr nahe waren, und es ist ihm vielleicht gelungen, ihnen zu entkommen.«
Aramis schüttelte den Kopf.
»Wäre er entkommen, so würden wir ihn gesehen oder etwas von ihm gehört haben.«
»Ihr habt Recht, Aramis, wir wollen weiter reiten.«
Es ist nicht möglich, die Unruhe und Ungeduld der zwei Edelleute zu schildern. Die Unruhe war eine Sache des edlen und freundschaftlichen Herzens von Athos, die Ungeduld eine Sache des nervigen und so leicht zu erregenden Geistes von Aramis. Sie galoppierten drei bis vier Stunden mit demselben Ungestüm, wie die zwei Reiter an der Wand. Plötzlich sahen sie in einer engen, zwischen zwei Böschungen eingeschlossenen Schlucht die Straße halb durch einen ungeheuren Stein versperrt. Sein ursprünglicher Platz war auf einer Seite der Böschungen angedeutet, und die Höhlung, die er in Folge des Ausziehens zurückgelassen hatte, bewies, daß er nicht allein hatte rollen können, während seine Schwere offenbarte, es habe, um ihn in Bewegung zu setzen, der Arme eines Ancelade oder Briareus bedurft. Aramis hielt an.
»Oho!« sagte er, den Stein anschauend, »hierbei ist Ajax von Telamon oder Porthos im Spiele. Steigen wir ab, Graf, und untersuchen wir diesen Felsen.«
Beide stiegen ab. Der Stein war in der offenbaren Absicht herbeigewälzt worden, Reitern den Weg zu versperren. Man hatte ihn daher querüber gelegt. Aber die Reiter hatten dieses Hinderniß gefunden und waren abgestiegen, um es zu beseitigen.
Die zwei Freunde untersuchten den Stein von allen den Seiten, welche dem Lichte ausgesetzt waren: er bot nichts Außerordentliches. Sie riefen nun Blaisois und Grimaud, und allen Vieren gemeinschaftlich gelang es, den Felsen umzudrehen. Auf der Seite, welche die Erde berührte, war geschrieben:
»Acht Chevaurlegers verfolgen uns. Gelangen wir bis Compiegne, so kehren wir im bekränzten Pfauen ein. Der Wirth ist ein Freund von uns.«
»Das ist etwas Bestimmtes,« sagte Athos, »und wir werden jedenfalls erfahren, woran wir uns zu halten haben. Gehen wir also.«
»Ja,« sprach Aramis; »aber wenn wir dahin gelangen wollen, müssen wir unsern Pferden einige Rast gönnen; denn sie sind beinahe reh.«
Aramis sprach die Wahrheit. Man hielt bei der ersten Schenke an; man ließ jedes Pferd ein doppeltes Maß mit Wein befeuchteten Haber fressen, gönnte den Thieren drei Stunden Ruhe und setzte sich wieder in Marsch. Die Männer selbst waren vor Müdigkeit gelähmt, aber die Hoffnung hielt sie aufrecht.
Sechs Stunden nachher erreichten Athos und Aramis Compiegne und erkundigten sich nach dem bekränzten Pfauen, Man zeigte ihnen ein Schild, das den Gott Pan mit einem Kranze auf dem Haupte darstellte.16
Die zwei Freunde stiegen ab, ohne sich viel um das Schild zu bekümmern, welches Aramis in einer andern Zeit stark kritisiert haben würde. Sie fanden einen braven Mann von einem Wirthe, mit dickem Bauch und kahlem Kopfe, den sie fragten, ob nicht vor mehr oder minder langer Zeit zwei von Chevaurlegers verfolgte Edelleute hier gewohnt hätten. Der Wirth holte, ohne zu antworten, aus einer Truhe die Hälfte einer Degenklinge.
»Kennt Ihr das?« sagte er.
Athos warf nur einen Blick auf die Klinge und sprach:
»Das ist der Degen von d’Artagnan.«
»Vom Großen oder vom Kleinen?« fragte der Wirth.
»Vom Kleinen,« antwortete Athos.
»Ich sehe, daß Ihr Freunde dieser Herren seid.«
»Nun, was ist ihnen begegnet?«
»Sie sind mit verschlagenen Pferden in meinen Hof gekommen, und ehe sie Zeit gehabt hatten, das große Thor zu verschließen, erschienen acht Chevaurlegers, welche sie verfolgten, hinter ihnen.«
»Acht,« sprach Aramis. »Ich wundere mich sehr, daß d’Artagnan und Porthos, zwei Tapfere dieser Art, sich haben von acht Menschen verhaften lassen.«
»Allerdings, mein Herr, die acht Mann wären auch nicht zu ihrem Ziele gekommen, hätten sie nicht in der Stadt etwa zwanzig Soldaten von dem Regiment Royal-Italien, das hier in Garnison liegt, rekrutiert, so daß Euere Freunde buchstäblich durch die Zahl überwältigt worden sind.«
»Verhaftet also,« sagte Athos; »weiß man warum?«
»Nein, mein Herr, man hat sie sogleich weggeführt, und sie hatten nicht einmal Zeit, mir etwas zuzuflüstern. Nur fand ich, als sie abgegangen waren, dieses Stück von einem Degen auf dem Schlachtfelde, als ich zwei Todte und fünf bis sechs Verwundete wegbringen half.«
»Und ihnen ist nichts widerfahren?« fragte Aramis.
»Ich glaube nicht.«
»Das ist noch ein Trost.«
»Wißt Ihr, wohin man sie geführt hat?« fragte Athos.
»Man hat sie in der Richtung von Louvres weggeführt.«
»Wir wollen Blaisois und Grimaud hier lassen,« sagte Athos; »sie sollen morgen mit den Pferden, die uns nicht mehr weiter bringen können, nach Paris zurückkehren. Wir aber nehmen die Post.«
»Nehmen wir die Post,« versetzte Aramis.
Man schickte nach Pferden.
Während dieser Zeit speisten die Freunde in Eile zu Mittag. Sie wollten, wenn sie in Louvres einige Auskunft finden würden, ihren Weg sogleich fortsetzen.
Sie erreichten Louvres. Es war hier keine Herberge. Man trank daselbst einen Liqueur, der seinen Ruf bis in unsere Tage erhalten hat und schon damals an diesem Orte fabricirt wurde.
»Wir wollen hier absteigen,« sagte Athos; »d’Artagnan wird diese Gelegenheit nicht versäumt haben, nicht um ein Glas Liqueur zu trinken, sondern um uns eine Andeutung zu hinterlassen.«
Sie traten ein und verlangten zwei Gläser Liqueur an dem Schenktische, wie sie d’Artagnan und Porthos verlangt haben mußten. Der Schenktisch, auf welchem man gewöhnlich trank, war mit einer Zinnplatte bedeckt. Auf diese Platte hatte man mit der Spitze einer dicken Nadel geschrieben: Rueil, D.
»Sie sind in Rueil,« sagte Aramis, der diese Inschrift zuerst wahrnahm.
»Gehen wir also nach Rueil,« sprach Athos. »Das heißt uns in den Rachen des Wolfes stürzen,« versetzte Aramis.
»Wäre ich der Freund von Jonas gewesen, wie ich der von d’Artagnan bin, so würde ich ihm in den Bauch des Wallfisches gefolgt sein. Und Ihr hättet dasselbe gethan, wie ich, Aramis.«
»Offenbar, mein lieber Graf, ich glaube, Ihr macht mich besser, als ich bin. Wäre ich allein, so weiß ich nicht, ob ich ohne große Vorsichtsmaßregeln mich nach Rueil begeben würde; aber wohin Ihr geht, gehe ich auch.
Sie nahmen Pferde und ritten nach Rueil. Athos hatte, ohne es zu vermuthen, Aramis den besten Rath gegeben, der sich befolgen ließ. Die Abgeordneten des Parlaments waren so eben in Rueil zu den berüchtigten Conferenzen angelangt, welche drei Wochen dauern und den hinkenden Frieden herbeiführen sollten, in Folge dessen der Herr Prinz verhaftet wurde. Rueil war angefüllt von Seiten der Pariser mit Advokaten, mit Präsidenten, mit Rathen, mit Robins17 aller Art; von Seiten des Hofes mit Edelleuten, Offizieren und Garden; mitten unter dieser Verwirrung war es also leicht, so unbekannt zu bleiben, als man nur immer wollte. Ueberdies hatten die Conferenzen einen Waffenstillstand herbeigeführt, und eine Verhaftung von zwei Edelleuten Hütte man in diesem Augenblick, wären sie auch Frondeurs ersten Ranges gewesen, als einen Angriff auf das Völkerrecht betrachtet.
Die zwei Freunde wähnten, Jedermann wäre mit dem Gedanken beschäftigt, der sie quälte. Sie mischten sich in die Gruppen, im Glauben, sie würden etwas von d’Artagnan und Porthos sprechen hören; aber alle Welt hatte mit Artikeln und Amendements zu thun. Athos war der Meinung, man müßte geraden Wegs zum Minister gehen.
»Mein Freund,« warf Aramis ein, »was Ihr da sagt, ist sehr schön; aber nehmt Euch wohl in Acht: unsere Sicherheit rührt von unserer Verborgenheit her. Wenn wir uns auf irgend eine Weise zu erkennen geben, so werden wir unmittelbar zu unsern Freunden in ein Kerkerloch geworfen, aus dem uns der Teufel nicht mehr herausziehen wird. Wir wollen es nicht mehr dem Zufall überlassen, sie zu finden, sondern unserer Phantasie. In Compiegne verhaftet, wurden sie nach Rueil gebracht, hierüber haben wir in Louvres Gewißheit erlangt; nach Rueil geführt, sind sie von dem Cardinal verhört worden, der sie nach dem Verhöre bei sich behalten oder nach Saint-Germain geschickt hat. In der Bastille sind sie nicht, denn die Bastille ist in den Händen der Frondeurs und der Sohn von Broussel befehligt daselbst. Sie sind nicht todt, denn der Tod von d’Artagnan hätte Lärmen gemacht. Was Porthos betrifft, so halte ich ihn für ewig, wie Gott, obgleich er minder geduldig ist. Wir wollen also nicht verzweifeln, sondern warten und in Rueil bleiben, denn es ist meine feste Ueberzeugung, sie sind noch in Rueil. Aber was habt Ihr denn? Ihr erbleicht!«
»Es fällt mir ein,« sprach Athos mit beinahe zitternder Stimme, »es fällt mir ein, daß Herr von Richelieu in dem Schlosse von Rueil eine abscheuliche Oubliette hatte machen lassen.«
»Oh! seid unbesorgt,« sagte Aramis, »Herr von Richelieu war ein Edelmann, uns Allen gleich durch die Geburt, erhaben über uns durch die Stellung. Er konnte wie ein König die Größten unter uns beim Kopfe berühren, und indem er sie berührte, den Kopf auf unsern Schultern wanken machen. Herr von Mazarin aber ist ein Knauser, der uns höchstens am Kragen packen kann, wie ein Schütze. Beruhigt Euch also, mein Freund; ich bleibe bei meiner Behauptung: d’Artagnan und Porthos sind lebendig und zwar sehr lebendig in Rueil.«
»Gleichviel.« sagte Athos, »wir sollten von dem Coadjutor die Erlaubniß erhalten, den Conferenzen beiwohnen zu dürfen.«
»Mit allen diesen abscheulichen Robins! ist das wirklich Euer Gedanke, mein Lieber? Glaubt Ihr, es werde nur im Geringsten von der Freiheit oder der Gefangenschaft von d’Artagnan oder Porthos die Rede sein? Nein, meiner Ansicht nach müssen wir ein anderes Mittel suchen.«
»Ich komme auf meinen ersten Gedanken zurück,« versetzte Athos, »ich kenne kein anderes Mittel, als das, offen und gerade zu handeln. Ich werde nicht Mazarin, sondern die Königin aussuchen und ihr sagen: Madame, gebt uns Eure zwei Diener und unsere zwei Freunde zurück.«
Aramis schüttelte den Kopf.
»Das ist ein letztes Mittel, welches anzuwenden Euch stets frei steht. Athos; aber glaubt mir, bedient Euch desselben nur im äußersten Falle; es wird immer noch Zeit sein, hierzu seine Zuflucht zu nehmen Mittlerweile setzen wir unsere Nachforschungen fort.«
Sie fuhren also fort, zu suchen, zogen so viele Erkundigungen ein, brachten so viele Menschen unter Vorwänden, von denen der eine immer besser ersonnen war, als der andere, zum Plaudern, daß sie endlich einen Chevauleger fanden, der ihnen gestand, er sei bei der Escorte gewesen, welche d’Artagnan und Porthos von Compiegne nach Rueil gebracht habe. Ohne diesen Chevauleger hätte man nicht einmal etwas von ihrer Ankunft erfahren.
Athos kam ewig auf seinen Gedanken zurück, sich zu der Königin zu begeben.
»Um zu der Königin zu gehen,« sagte Aramis, »muß man zuvor zu dem Cardinal gehen, erinnert Euch aber, was ich Euch gesagt habe, wir hätten den Cardinal nicht sobald gesehen, als wir mir unsern Freunden vereinigt würden, aber nicht, wie wir dies wünschen. Diese Art, mit ihnen wieder vereinigt zu werden, lächelt mich nicht sehr an. das muß ich gestehen. Wir wollen in Freiheit handeln, um gut und rasch handeln zu können.«
»Ich werde die Königin aufsuchen,« sprach Athos.
»Wohl, mein Freund, seid Ihr entschlossen, diese Thorheit zu begehen, so benachrichtigt mich, ich bitte Euch, einen Tag zuvor davon.«
»Warum dies?«
»Weil ich diesen Umstand benützen werde, um einen Besuch in Paris zu machen.«
»Bei wem?«
»Was weiß ich? Vielleicht bei Frau von Longueville. Sie ist dort allmächtig und wird mich unterstützen. Laßt es mir nur durch irgend Jemand sagen, wenn Ihr verhaftet seid.«
»Warum wollt Ihr die Verhaftung nicht mit mir wagen, Aramis?«
»Nein, ich danke.«
»Alle Vier verhaftet und vereinigt, sind wir, glaube ich, keiner Gefahr ausgesetzt. Nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden haben wir Alle wieder die Freiheit erlangt.«
»Mein Lieber, seitdem ich Herrn von Chatillon, die Anbetung der Damen von Saint-Germain, getödtet habe, ist zu viel Glanz um meine Person verbreitet, als daß ich das Gefängniß nicht doppelt fürchten sollte. Die Königin wäre im Stande, den Rath von Mazarin bei dieser Gelegenheit zu befolgen, und Mazarin würde ihr rathen, mich richten zu lassen.«
»Glaubt Ihr denn. Aramis, sie liebe diesen Italiener so, wie man sagt?«
»Sie hat auch einen Engländer geliebt.«
»Ei, mein Lieber, sie ist Frau!«
»Nein, Ihr täuscht Euch, Athos, sie ist Königin!«
»Theuerer Freund, ich opfere mich auf und verlange eine Audienz bei der Königin.«
»Gott befohlen, Athos; ich sammle ein Heer.«
»Wozu?«
»Um zurückzukehren und Rueil zu belagern.«
»Wo finden wir uns wieder?«
»Am Fuße des Galgen des Herrn Cardinals.«
Und so trennten sich die zwei Freunde, Aramis, um nach Paris zurückzukehren, Athos, um sich durch einige vorbereitende Schritte einen Weg bis zu der Königin zu öffnen.