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Teil 1: Theoretische Schriften
Der Geschichtsmaterialismus als Kulturphilosophie. Ein philosophisches Programm

Quelle: Brzozowski, Stanislaus: Der Geschichtsmaterialismus als Kulturphilosophie. Ein philosophisches Programm, aus dem Polnischen von S. Perlmutter, in: „Die Neue Zeit. Wochenschrift der Deutschen Sozialdemokratie“, 1907, Heft 31, S. 153–160.

In der sozialistischen wissenschaftlichen Literatur findet sich bisweilen die unangenehme und durchaus unphilosophische Gewohnheit, an allerhand Dinge den Marxismus einem Schilde gleich anzuhängen, das sich ab- und ankleben lässt: „Die Kunst vom marxistischen Standpunkt“, „Die Ethik vom Gesichtspunkt des historischen Materialismus“ usw. Wäre diese Art Fragestellung objektiv tatsächlich begründet, wäre der historische Materialismus nichts mehr als einer unter zahlreichen Gesichtspunkten, die man gegenüber der Kunst und Ethik einnehmen kann, und nicht die Methode zur Lösung der ästhetischen und ethischen Fragen und dabei die einzig konsequente und einzig kritische Methode – so wäre die Sache des Geschichtsmaterialismus von vornherein gerichtet; denn dann wäre er tatsächlich nichts mehr als jener trockene und lächerliche Doktrinarismus, für den ihn so manche „enttäuschte“ Sozialisten und Feuilletonisten halten, die über die „ewigen Probleme“ nachdenken, jene ganze, geschwätzige Rasse, die schon längst vergessen oder nie gewusst hat, wie man denkt und forscht, aber deshalb desto frecher ihre „synthetischen“ Urteile und Entdeckungen zum besten gibt, die mit verzweifelter Klarheit die Ignoranz der Durchschnittsintelligenz und der dieselbe repräsentierenden und demoralisierenden Schriftsteller enthüllen.

Also nicht die „Kunst“ oder die „Ethik“ vom Standpunkt der materialistischen Geschichtsauffassung, sondern einfach die wissenschaftliche und kritische Betrachtung der ästhetischen, ethischen und pädagogischen Fragen. Und wenn man auf diesem Wege nicht zum geschichtlichen Materialismus gelangt, so gelangt man eben überhaupt nicht dazu. Es muss ein für allemal entschieden werden, ob es um „marxistische Zubereitung“ verschiedener kultureller Fragen behufs publizistischer Propaganda zu tun ist oder um uninteressierte philosophische Forschung. In der Mehrheit der sogenannten marxistischen Abhandlungen, welche sich mit Kunst und Literatur befassen, ist es eben diese Äußerlichkeit des Verhältnisses zur Kunst und Literatur, die die Forschung unfruchtbar macht. Man arbeitet hier nicht an der Lösung der Frage der schöpferischen Kraft in der Ästhetik, sondern darüber, wie die Seele der künstlerischen Schaffungskraft dem marxistischen System einzuverleiben ist. Man sagt einfach: Der geschichtliche Materialismus hat in Sachen der Kunst auch ein Wort zu reden. Aber das ist ein demoralisierender Standpunkt.

Es werden hier nicht ästhetische Fragen gelöst oder zu lösen gesucht, sondern die Sphäre des dogmatischen Marxismus erweitert, so dass er äußerlich die Phänomene der Kunst und Literatur umfassen kann. Aber die Sache steht eigentlich ganz anders: Betrachtet man konsequent, ohne auf halbem Wege stehen zu bleiben, die Probleme, welche die Kunst stellt, so muss man zu einer Methode ihrer Betrachtung und Lösung gelangen, die das Wesen des geschichtlichen Materialismus ausmacht. Denn der Geschichtsmaterialismus ist nichts anderes als die Methode, alles zu erforschen, was das Werk der Menschheit ist, also auch die Moral, das Recht, die Wissenschaft, die Kunst – eine Methode, die nicht von außen an die Probleme herantritt, sondern deren inneres Wesen bloßlegt und sie in ihrem Werden ergreift. Ist doch die ganze Kulturwelt das Werk der Menschheit, und der historische Materialismus zeigt uns ihr Entstehen und Werden aus Menschenleben und Menschheitsarbeit. Der Geschichtsmaterialismus ist das Selbstbewusstsein der geschichtlichen Schöpfungskraft, die aus sich Kunst und Literatur, Wissenschaft, Recht, Moral, Religion und Sozialwirtschaft gebärt – er zeigt alles das als das Werk der Menschheit und diese hinter ihrem Werke; er zeigt uns somit die Kraft, die die Kulturwelt aus sich heraus schafft und deren Formen bildet, um dann hinter diese oder über diese zu wachsen. Er beschreibt daher die Kulturerscheinungen nicht von außen, sondern dringt in ihr Wesen hinein, beleuchtet die Probleme, die in ihnen unbewusst steckten, betrachtet die Kunst als Menschheitsproblem und löst auf diese Weise und dadurch die Probleme der Kunst selbst. Nicht von außen daher, von marxistischen Dogmen (die nichts mehr als Beweis philosophischer Beschränktheit sogenannter Marxisten sind, die keine Ahnung von der Bedeutung dieser fruchtbaren und komplizierten philosophischen Methode haben, deren Name sie missbrauchen) zur Kunst, Religion, zum Recht – sondern einfach durch Vertiefung in die Probleme eines jeden kulturellen Gebiets selbst führt der Weg zum geschichtlichen Materialismus. Ich könnte sagen, es genügt der Mut, die Forschung so lange fortzuführen, bis wir die eigentliche Natur des Problems verstehen, das heißt bis wir verstehen, welche Art Hindernis es für die menschliche Tätigkeit bildet. Der Geschichtsmaterialismus zeigt uns die Probleme in ihrer wahren Bedeutung, das heißt als Aufgaben, die durch Handlungen zu lösen sind. Er ist das bewusste Erleben und Schaffen der Geschichte und Kultur. Der Geschichtsmaterialismus zeigt uns die Geschichte der Menschheit und deren Kultur, als ihr eigenes selbst geschaffenes Werk und ihre Verantwortlichkeit.

Die metaphysischen Theorien zeigten uns, wie sich in der Menschheit Kunst, Recht, Religion bilden. Da waren diese Kulturgebiete der Ausdruck übermenschlicher Mächte, die sich der Menschheit als ihres Organs bedienen; der Geschichtsmaterialismus dagegen zeigt uns, wie die Menschheit selbst ihre Geschichte und ihre Kultur schafft. Er zeigt uns das als bewusstes Werk, was bis nun nur ein unbewusster Prozess war. Die Entwicklung dieser Methode lässt sich auch mit den in diesem Bereich erzielten Fortschritten messen. Daher erfordern auch alle Kulturprobleme ihre Formulierung vom historischen Materialismus.

Dieser wirkt keine Wunder und ist nicht imstande, die schöpferische Kraft abzulösen; vor allem aber will er die Illusion zerstreuen, dass der Mensch außerhalb seiner die Lösung seiner Probleme suchen und finden könne. Seine Tüchtigkeit bewährt der Geschichtsmaterialismus dadurch, dass er die Probleme bewusst löst, welche die Menschheit bisher im Laufe ihrer Entwicklung unbewusst gelöst hat und noch löst. Ich wiederhole: der historische Materialismus ist nicht der Stein der Weisen der Alchemisten. Er vertritt das Leben keineswegs. Im Gegenteil, er hebt ein für allemal die Illusion auf, als könnte der Gedanke das Leben, das Schaffen vertreten. Die gründlichste Kenntnis der Mechanik kann die technische Geläufigkeit nicht überflüssig machen. Der Geschichts-materialismus ist das im Verhältnis zur kulturellen und historischen Schaffungskraft, was die theoretische Wissenschaft gegenüber der technischen Praxis und der Erfindungskraft.

Wir haben kein Recht, vom Theoretiker zu fordern, dass er eine gegeben Schwierigkeit durch eine neue Erfindung überwinde; aber wir haben das Recht, von ihm eine gründliche Analyse der schon stattgehabten Erfindungen wie auch eine klare Formulierung der Schwierigkeiten zu fordern, die noch zu überwinden sind. Der Geschichtsmaterialist sollte sich in der Kulturwelt so fühlen und bewegen können wie der Techniker, der eine retrospektive Maschinenausstellung besucht; solange das ein bloßes Postulat bleibt, so lange ist der Geschichtsmaterialismus auch nichts weiter nichts weiter als Postulat; wer anders denkt, wer glaubt, dass wir alles das ohne Arbeit vermögen, was anderen die größte Mühe kostet, nur deswegen, weil er Marxist sei – der glaubt an eine der größten Drolligkeiten, die man sich vorstellen kann.

Der Geschichtsmaterialismus ist eine Arbeitsmethode und nichts mehr. Allerdings eine Methode, mit der sich keine andere messen kann. Wenn wir daher zum Beispiel von der Kunst sprechen, so müssen wir wissen, dass man Geschichtsmaterialismus übt, indem man die innersten Kunstprobleme betrachtet und erforscht, in sie mit der ganzen Empfänglichkeit eines bewussten, wenn auch nicht schöpferischen Künstlers eindringt, mit einem Worte den Lebensprozess selbst bloßlegt, der das Wesen der Schaffungskraft ausmacht und ihm zum Bewusstsein bringt.

Das Werk des Geschichtsmaterialismus wird vollbracht sein, wenn uns hinter jedem Element eines Kunstwerkes der lebendige Mensch gezeigt sein wird, der es geschaffen [hat], wenn gleichsam die Umwertung der künstlerischen in Lebenswerte vollbracht und die Bedeutung dieser letzteren erklärt sein wird.

Antonio Labriola1 hat in seinem schönen und tiefsinnigen Essay über den historischen Materialismus gezeigt, dass die Bedeutung des Geschichtsmaterialismus in der Bloßlegung des Lebens, in der Emanzipierung des Lebens von den begrifflichen Formen liegt, in die wir es hineinzwängen. Diesen Gedanken hat er in einer Form ausgesprochen, die den abstrakten Materialisten sogar paradox erscheinen wird. Er meint nämlich, dass der Geschichtsmaterialismus auf einer Zusammenschmelzung der Begriffe mit dem Inhalt beruhe, die eine Trennung und Ablösung der Methode vom Gegenstand im gegebenen Geschichtsbild unmöglich macht.

Die Menschheit hat keine „tiefere“ Bedeutung; ihr Leben kann auf keine Formel zurückgebracht werden. Die Geschichte ist kein magischer, zeremoniell-symbolischer Prozess. „Die tiefere Bedeutung“, die „Idee“ usw., das sind noch die Überbleibsel der Magie und des Zeremoniellen im Denken. Der Geschichtsmaterialismus ist die endgültige Überwindung der Magie in der Lebens- und Geschichtsauffassung. Die Magie beruht auf der Überzeugung, dass der Mensch in seinem Handeln außermenschliche Kräfte in Bewegung setzt, die, einmal in Bewegung gebracht, weiter wirken. Die Bedeutung seiner Handlungen liege also nicht darin, was diese selbst sind, was sie bewirken, sondern darin, was sie für jene außermenschlichen Mächte bedeuten, einerlei, wie wir sie nennen, Weltgeist oder Gottheit. Der Geschichtsmaterialismus räumt endgültig mit diesem anderen auf, dessen Maske nur die Menschheit bildet.

Hegel unternahm das Werk der Identifizierung: der Mensch sei auch ein Teil dieses anderen, das letztere bedarf seiner zu seiner Offenbarung. Trotzdem approbierte er jede menschliche Handlung im Namen dieses anderen und nicht des menschlichen Lebenskernes. Marx hat das hegelsche Problem deutlicher formuliert. Er lehrte uns auch über das Leben in Lebenskategorien zu denken. Marx und nicht Stirner2 hat den Spuk getötet. Wer nicht begreift, dass der Geschichtsmaterialismus auf seiner eigenen logischen Basis ruht, dass er eigentlich die Logik ist, das Leben in seiner individuellen, absoluten Einzigkeit zu denken, der versteht weder den Geschichtsmaterialismus noch den ganzen Lauf der deutschen klassischen Philosophie, die auf der Lösung des Problems beruhte, wie der Mensch sein Handeln und sich selbst denken soll. Und wahrlich – Marx (aber nicht Engels) bildet den Gipfelpunkt dieser Gedankenarbeit. Bei Engels kehrt das andere zurück. Die Geschichtsdialektik zerschmilzt bei ihm in der Dialektik des naturhistorischen Werdens. Marx ging über Hegel hinaus, indem er das hegelsche Problem des Sein-Werdens löste; Engels trat hinter Kant zurück, ohne das zu bemerken. Labriola erblickt in der Naivität, mit der Spencer3 sich des Begriffs der Evolution bedient, Fetischismus. Leider war hier auch der alte Engels nicht ohne Sünde, auch er brachte auf dem Altar der Madonna Evoluzione so manches Opfer. Man muss verstehen, worum es sich hier handelt. Marx sagte: Der Mensch macht seine Geschichte selbst; jede Tat bedeutet so viel, als sie schafft. Engels sagte: „Die Bedeutung der Taten wird dadurch gemessen, was sie für die Entwicklung ausmachen.“ Mit anderen Worten: „Die Entwicklung zeigt uns erst, was unsere Handlungen waren.“ Was bedeutet das? Nur so viel: Solange wir die Produktivkräfte nicht beherrschen, so lange bleiben uns die Wirkungen unserer Handlungen unbekannt. Schön. Aber wozu dieses Unbekannte substantialisieren,4 und überdies wozu einen Fehler machen, der schon ein für allemal seit den Zeiten Kants ausgemerzt sein sollte – und die Entwicklung der Menschheit in der Entwicklung der Natur aufgehen lassen, wenn vom Standpunkt der Erkenntniskritik die Natur in wissenschaftlicher Bedeutung nichts anderes ist als die Macht, welche die menschliche Technik über die außermenschliche Welt erzielt hat? In diesem Sinne wird zweifelsohne die objektive Bedeutung unserer Handlungen bis zu einer gewissen Stufe, aber nicht ausschließlich durch diesen Einfluss auf unseren Machtbereich bestimmt. Aber Engels betrachtete doch nicht in diesem Sinne die Geschichtsdialektik als einen Teil der kosmischen Dialektik. Wollten wir diesen Konflikt durch Begriffe bestimmen, welche in der Biologie gebraucht werden, so würden wir sagen: Marx war Epigenetiker, Engels Evolutionär.

Wir kehren zu unserer Sache zurück. Nirgends, auf keinem Gebiet hat es der Mensch mit anderen Problemen zu tun, als denjenigen, die er sich selbst durch seine Tätigkeit schafft und löst. Der Geschichtsmaterialismus bringt diese unbewusste Arbeit zum Bewusstsein, er zeigt uns, dass wir immer und überall in unserem ganzen Leben mit menschlichen Problemen zu tun haben, mit den Resultaten unserer ganzen Tätigkeit und somit mit Problemen, die der Mensch selbst lösen muss, die niemand außer ihm zu entscheiden vermag. Der Geschichtsmaterialismus schließt ein für allemal jede ideologische und fetischistische Substantialisation5 und Passivität aus: gleichviel ob sie sich Gott, Idee oder bescheidener das Streben des Systems C zu fixen Handlungen nennen. In Russland versucht man jetzt den Empiriokritizismus mit dem Marxismus zu verschmelzen; diese Probe kann sehr fruchtbringend werden, aber nur durch die Erklärung der erkenntnistheoretischen und logischen Unterschiede zwischen diesen beiden Richtungen. Das, was bei den Empiriokritikern in biologischer Form erscheint, muss in die handelnde Form der Arbeit übersetzt werden; die Biologie kann als die Kristallisation, Fixierung der Tätigkeitsformen und nicht umgekehrt auftreten; mit diesen empiriokritischen Einwendungen könnte sie ein sehr wertvolles Element des Geschichtsmaterialismus werden. Der Empiriokritizismus verlegt das Zentrum des Menschheitswerdens hinter die Sphäre der handelnden Menschheit; der Geschichtsmaterialismus weiß, dass alles, was wir von der außermenschlichen Welt wissen, die Kristallisation unserer bisherigen Tätigkeit ist. Scheinbar unterordnen wir den Menschen der Welt, und doch schließen wir außerhalb des Menschen ein für allemal alle uns bekannten Tätigkeitsformen in die Grenzen der uns bekannten Tätigkeiten ein.

Der Geschichtsmaterialismus muss das bleiben, was er ist, eine Philosophie der Tat, filosofia della praxis, wie Labriola geschrieben hat. Hier baut sich der stolzeste Gedanken auf, der je existierte: die Menschheit als ihr eigenes, bewusstes Werk. Der Geschichtsmaterialismus durchtränkt mit Bewusstsein die ganze historische Vergangenheit und deren Resultat: die uns bedrückende Welt. Durch das granitfesteste Schicksal hindurch fangen wir an die menschliche Handlung zu durchblicken, die das geschmiedet hat. Und was durch den Menschen geschaffen wurde, ist über ihn nicht hinausgewachsen und kann durch ihn beherrscht werden. Der Geschichtsmaterialismus zeigt, dass die Menschheit selbst die Knoten gebunden hat, um deren Lösung sie sich bemüht. Und heute ist sie schon ihr eigenes Werk, aber das Werk ihrer Unbewusstheit und Sklaverei. Nun soll sie sich zum Werke der Freiheit und des Selbstbewusstseins machen. Ich will hier keine Metapher angewendet haben, diese Worte sind buchstäblich zu verstehen. Die Harmonie zwischen Denken und Sein hat immer den Brennpunkt der philosophischen Aufgaben oder die stillschweigend akzeptierte Prämisse der ganzen Philosophie gebildet. Nur dann hat es Wert zu denken und seine Gedanken zur Einheit zu führen, wenn sie etwas Wirkliches ausdrücken, wenn sie über etwas Realem Macht haben, wenn sie einen Einfluss auf den Menschen im Sein ausüben. Was ist nun aber diese Realität, welche dem Gedanken entspricht? Man kann sagen, dass sämtliche Philosophen und sämtliche Religionen sich diese Probleme zur Aufgabe stellten, dass sie danach strebten ein gewissermaßen genaues und notwendiges Verhältnis zwischen dem, was im Inneren des Menschen vorgeht, und seinem Sein festzustellen. Die Formen, in denen sich diese Abhängigkeit und wechselseitige Übereinstimmung offenbarte, waren sehr verschieden; die Magie schritt hier neben der Dialektik einher, unterstützte diese und verflocht sich mit ihr. Doch bildete die gegenseitige Abhängigkeit und Übereinstimmung die Basis. Die Philosophie und die ganze Gedankenarbeit hat nur sofern Bedeutung, insoweit sie auf der Überzeugung basierten, dass der Gedanke, das Bewusstsein, das innere Leben des Menschen seine Seinslage widerspiegeln und auf dieselbe einen Einfluss ausüben oder wenigstens auszuüben imstande sind. Der Geschichtsmaterialismus zerstreut auch hier den mythologischen Nebel und legt bloß den granitfesten, harten Boden der durch die eigene Anstrengung fortwährend geschaffenen Freiheit. Die Arbeit ist diese Basis des Seins, die die ganze Stellung des Menschen bestimmt und gleichzeitig in wechselseitigem Abhängigkeitsverhältnis verharrt zu allen Veränderungen, denen diese unterliegt, ihrerseits auf sie Einfluss nehmend. Macht, Moral, Religion, Kunst wirkten und wirken auf die tatsächliche Seinsverhältnisse des Menschen ein, weil sie auf die Arbeit einwirken.

Der Mensch hat sich immer, wenn auch unklar, darüber Rechenschafft gegeben, dass sein inneres Leben an irgendeine Springfeder des Seins anstößt, die, einmal in Bewegung gesetzt, in der Folge auf sein Geschick wirkt. Er fühlte sich vom Sein abhängig, und gleichzeitig fühlte er, dass er auch seinerseits auf das Sein Einfluss habe, er fühlt, dass seine Handlungen auf ihn selbst durch irgendein Medium einwirken, aber er konnte sich von der Natur dieses Mediums keine Rechenschaft geben. Zwischen dem denkenden, erkennenden, Rechte, Religion, Werte und moralische Imperative schaffenden Menschen breitete sich der ganze komplizierte Mechanismus der Gesellschaft aus. Die Einflüsse der moralischen, gesetzgeberischen, wissenschaftlichen Tätigkeit trafen nur Arbeit auf sehr mittelbarem Wege, der durch sehr viele Glieder einer langen Kette führte. In der Folge hingegen wirkten die so bedingten Veränderungen im Leben der Arbeit, in deren Gewandtheit und Produktivität auf die gesellschaftliche Atmosphäre, in welcher der Gedanke lebte und sich entwickelte. Wenn wir weiter darauf Rücksicht nehmen, dass der Krieg und organisierte Raub durch viele Jahrhunderte hindurch die Lebensbasis ganzer Gesellschaften und Gesellschaftsgruppen bildete, so werden wir erst verstehen, wie schwer es dem Gedanken wurde, den wesentlichen Zusammenhang im wirklichen Leben, den grundkausalen nervus der Geschichte zu durchdringen. Tatsächlich erweiterte und erweitert noch, befestigte und befestigt der Gedanke die Seinsbasis der Menschheit insofern, als er auf die Produktivität der Arbeit wirkt. Die Arbeit ist dieses vom Sein und gleichzeitig vom Gedanken abhängige Element, diese menschgewordene Welt, um die es den Philosophen zu tun war. Sie ist die Tat der absoluten Nicht-Ich-Setzung durch das Ich, von der Fichte spricht. Sie ist das Nicht-Ich, sie existiert als Teil der objektiven Welt als Naturkraft und ist gleichzeitig das Werk des Geistes, des Willens. Hier ist das Moment des Objektivwerdens des Subjekts, hier wird die Idee Hegels geboren – Sein und Denken, Existenz und Erkenntnis gleichzeitig in einer schöpferischen lebendigen Einheit. Die Arbeit ist Hegels Idee in reale Sprache übersetzt. Sie ist geistig – subjektiv – das ist klar. Sie ist gleichzeitig absolut außermenschlich. Die Arbeit ist das, was der Mensch außerhalb seiner im Sein dauerhaft machen kann. Sie ist die einzige menschliche Sprache, auf die das Sein antwortet. Das Sein, ihre Natur, ihr Wesen fließen mit dem menschlichen Wesen zusammen. Denn nur das existiert einzig allein, als Arbeit, was insofern mit dem Sein übereinstimmt, dass es seinen Kräften als selbstständige Macht gegenübertritt. Das ist der tiefste Punkt der Philosophie. Vor ihm fängt eigentlich an, auf ihm basiert die ganze Philosophie unserer Zeit. Wer diese philosophische Bedeutung des Arbeitsbegriffs nicht versteht, wer sich von demselben nicht ganz durchdrungen fühlt, der wird über kurz oder lang zum Opfer der dogmatischen Metaphysik, Theologie, Träumerei und maskierten Magie fallen. Je länger der Weg war, welcher den Gedanken von dem trennte, was die Seinsbasis der Menschen bildet, – von der Arbeit, desto schwieriger war das Bewusstwerden, die Befreiung, die Zerstreuung des Übels des Aberglaubens. Die Tatsache, dass ganze soziale Gruppen ihr Sein auf Krieg und Raub stützten, riss diesen Zusammenhang ganz auseinander, sie spielte daher auch in der Geschichte der Menschheit eine sehr schwerwiegende Rolle und die ganze Geisteskultur der Menschheit trägt deutlich die Spur dessen auf ihrer Stirn. Der Priester und der Magier sind immer soziale und kulturelle Korrelative des Ritters, sie erscheinen zusammen so wie der Forscher zusammen mit dem Arbeiter. Moral, Ästhetik, Kunst, Philosophie, Geschichtsauffassung und Kultur bleiben noch immer unter dem überwiegenden Einfluss der Autoritäten und Ideale, welche der ritterlich-priesterliche Lebens- und Denktypus ausgearbeitet hat. Dieser Typus hatte seine inneren Gegensätze und Zerrissenheiten; der Priester kämpfte hier mit dem Ritter.6 Und heute noch kämpfen in unseren Köpfen diese Gespenster, die Stelle moderner Kämpfe vertretend. Die Probleme treten eine lange Zeit in historischen, anachronistischen Masken auf, bevor sie in ihrer wahren, nackten Gestalt auftreten.

Auch unser moderner Lebenstypus hat seine zwei Pole: den reinen Gedanken und die Arbeit. Aber hier sind sie immer lösbar und leicht zu kontrollieren. Das reine Denken muss immer in irgendwelcher Form an die Arbeit als an die letzte Verifikation appellieren, sie muss sogar dann appellieren, wenn sie Bedingungen für neue Arbeitsformen schafft. Will es sich der Arbeit entgegenstellen, so bleibt ihm nicht mehr als die reine Gewalt oder die reine Unwahrheit übrig. Gewalt oder Magie. Weihwedel oder Zuchthaus. Der reine Gedanke an sich unterliegt selten solchen reaktionären Anwandlungen. Wo und wenn es geschieht, kommt es schon als Maske der Gewalt vor. Es handelt sich auch nicht darum. Es soll nur unterstrichen werden, dass nur das Selbsterkennen der Arbeit als eines vom Menschen abhängigen und gleichzeitig eine Seinsbedeutung besitzenden Faktors, einzig und allein das Bewusstsein, dass der Mensch sein Sein selbst schafft, dem Menschen erlaubt, sein Leben als seine eigene Aufgabe, als sein Werk zu betrachten, das er zu vollführen hat. Sie schafft diese Basis, auf der gestützt die Menschheit sich selbst erkennt, beurteilt, um sich ihrer selbst zu bemächtigen. Und hier sehen wir, wie sich in dieser Weltauffassung, eigentlich in dieser Methode alles vereint und verknüpft. Es ist eine Methode im wahren hegelschen Sinne: sie lehrt nicht nur den Gegenstand von außen erkennen, aber sie schafft ihn auch von innen heraus.

Indem der Mensch auf einer von sich geschaffen Basis steht, fühlt er sich Schmied seines Geschickes. Jetzt erst erscheinen ihm die Probleme in der wahren Bedeutung dieses Wortes als etwas, was er gestalten kann. Es öffnet sich vor ihm die eigentliche Bedeutung der philosophischen und kulturellen Probleme: des objektiven Wertes dieser Ideenwelt, in der der Gipfel der platonischen und kantischen Philosophie versenkt ist, der Ideen, in deren Namen die Philosophie Hegels ihre Selbstherrschaft über das Sein übte. Die arbeitende Menschheit, so heißt diese Basis und dieser Gipfel, das Ziel unserer Bestrebungen und gleichzeitig und schon heute die einzige Basis unseres Denkens.


3.:Revolution 1905-1907: S. Masłowski, Frühling 1905 (1906)

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