Kitabı oku: «Der rote Planet», sayfa 2
4. Die Erklärung
Als ich erwachte und das Licht einschaltete, zeigte die Uhr zehn. Nach meiner Morgentoilette drückte ich den Klingelknopf, und kurz darauf erschien Menni.
»Fliegen wir bald?« fragte ich.
»In einer Stunde«, antwortete er.
»Waren Sie heute Nacht bei mir, oder habe ich das nur geträumt?«
»Nein, das war kein Traum, aber nicht ich war bei Ihnen, sondern unser junger Doktor Netti. Sie haben unruhig geschlafen, er musste Sie mit Hypnose und blauem Licht einschläfern.«
»Ist Doktor Netti Ihr Bruder?«
»Nein«, entgegnete Menni lächelnd.
»Sie haben mir bisher nicht gesagt, aus welchem Lande Sie stammen. Gehören Ihre Kameraden zum selben Typ wie Sie?«
»Ja.«
»Sie haben mich also belogen«, erwiderte ich scharf. »Das ist gar keine wissenschaftliche Gesellschaft. Was ist es dann?«
»Wir sind Bewohner eines anderen Planeten«, erwiderte Menni ruhig, »Vertreter einer anderen Menschheit. Wir sind Marsmenschen.«
»Warum haben Sie mich belogen?«
»Hätten Sie mich angehört, wenn ich Ihnen gleich die ganze Wahrheit gesagt hätte? Ich hatte zu wenig Zeit, um Sie zu überzeugen. Also musste ich die Wahrheit um der Wahrscheinlichkeit willen verbiegen. Ohne diese übergangsstufe wäre Ihr Geist zu sehr erschüttert worden. Im wesentlichen habe ich Ihnen die Wahrheit gesagt — was die bevorstehende Reise betrifft.«
»Das heißt, ich bin trotzdem Ihr Gefangener?«
»Nein, Sie sind auch jetzt frei. Bis zum Abflug in einer Stunde können Sie sich noch anders entscheiden. Wenn Sie unser Angebot ausschlagen, bringen wir Sie zurück und verschieben unsere Reise, weil es keinen Sinn hätte, ohne einen Erdenmenschen heimzufliegen.«
»Wozu brauchen Sie mich?«
»Sie sollen als lebendes Verbindungsglied zwischen unserer Gesellschaft und der irdischen Menschheit dienen, sollen unsere Lebensweise kennen lernen und die Marsmenschen näher über das Leben auf der Erde informieren, Sie sollen der Vertreter Ihres Planeten auf dem Mars sein — solange Sie das wünschen.«
»Ist das schon die ganze Wahrheit?«
»Ja, die ganze Wahrheit. Fühlen Sie sich imstande, diese Rolle zu übernehmen?«
»Ich werde es versuchen.«
»Und ist das Ihre endgültige Entscheidung?« fragte Menni.
»Ja, wenn Ihre letzte Erklärung nicht wieder eine... übergangsstufe darstellt.«
»Also fliegen wir«, sagte Menni, ohne meine ironische Bemerkung zu beachten. »Ich gebe dem Maschinisten die letzten Anweisungen, dann kehre ich zu Ihnen zurück, und wir werden gemeinsam den Abflug unseres Sternschiffs beobachten.«
Ich gab mich meinen Gedanken hin. Unser Gespräch war eigentlich nicht beendet. Eine ernste Frage war geblieben, aber ich wagte nicht, sie Menni zu stellen. Hatte er bewusst Anna Nikolajewna in ihrem Entschluss bestärkt? Es schien so gewesen zu sein. Wahrscheinlich hatte er in ihr ein Hindernis für sein Ziel gesehen. Vielleicht hatte er Recht. Jedenfalls hatte er den Bruch nur beschleunigt, ihn aber nicht herbeigeführt. Natürlich war das eine freche Einmischung in meine Privatangelegenheiten. Aber nun war ich Menni ausgeliefert und musste meine Feindseligkeit ihm gegenüber unterdrücken. Es war also sinnlos, an die Vergangenheit zu rühren, am besten, ich dachte nicht daran.
Die neue Wendung der Dinge hatte mich nicht allzu sehr schockiert. Ich fühlte mich vom Schlaf gestärkt, und nach dem, was ich am Vortag erlebt hatte, wäre es ziemlich schwierig gewesen, mich mit etwas zu verblüffen. Ich musste nur überlegen, wie ich weiter vorgehen würde.
Zuerst musste ich mich möglichst schnell und vollständig in meiner neuen Lage zurechtfinden. Am besten war es, beim Nächstliegenden zu beginnen und mich Schritt für Schritt zu entfernteren Dingen vorzutasten. Das Nächstliegende war das Sternschiff, seine Besatzung und die bevorstehende Reise. Der Mars war noch weit, mindestens zwei Monate entfernt, wie ich aus Mennis gestrigen Worten schloss.
Die äußere Form des Sternschiffs hatte ich schon am Abend betrachten können. Es war eine unten abgeflachte Kugel, in seiner Art ein Ei des Kolumbus — diese Form bietet das größte Fassungsvermögen bei kleinster Oberfläche, das heißt bei geringstem Materialverbrauch und Wärmeverlust. Als Material überwogen offenbar Aluminium und Glas. Die Inneneinrichtung musste Menni mir zeigen und erklären, er musste mich auch mit all den anderen »Wundertieren« bekannt machen, wie ich meine Reisegefährten im stillen nannte.
Menni kam zurück und führte mich zu seinen Kameraden. Alle hatten sich in einem Raum versammelt, dessen eine Wandhälfte ein riesiges Kristallfenster einnahm. Nach dem gespenstischen Licht der elektrischen Lampen empfand ich das Sonnenlicht als sehr angenehm. An Bord waren zwanzig Marsmenschen, und alle hatten das gleiche Gesicht, wie mir damals schien. Der fehlende Bartwuchs und die faltenlose Haut ließen beinahe keinen Altersunterschied erkennen. Unwillkürlich verfolgte ich Menni, um ihn inmitten dieser fremdartigen Wesen nicht aus den Augen zu verlieren. Bald konnte ich jedoch meinen nächtlichen Besucher Netti entdecken, der durch seine Jugend und Lebhaftigkeit auffiel, und von den anderen unterschied sich der breitschultrige Sterni, der mich durch seinen seltsam kalten, fast bösartigen Gesichtsausdruck befremdete. Außer Menni unterhielt sich nur Netti russisch mit mir, weitere vier Männer sprachen französisch, die anderen englisch und deutsch, untereinander redeten sie in ihrer Muttersprache. Diese Sprache war klangvoll und schön, und die Aussprache bereitete keine Schwierigkeiten, wie ich mit Befriedigung feststellte.
5. Der Abflug
Wie interessant die Wundertiere auch waren, ich fieberte dem feierlichen Moment des Abflugs entgegen. Vor uns lag die verschneite Ebene, aus der in einiger Entfernung eine Granitwand emporragte. Ich erwartete einen scharfen Ruck, und all das würde schnell den Blicken entgleiten. Es war jedoch ganz anders.
Lautlos und ganz allmählich erhoben wir uns über den verschneiten See. Anfangs war der Aufstieg kaum merklich.
»Beschleunigung zwei Zentimeter«, sagte Menni.
Ich verstand, was das bedeutete. In der ersten Sekunde stiegen wir einen Zentimeter, in der zweiten drei, der dritten fünf, der vierten sieben Zentimeter, die Geschwindigkeit würde ständig nach dem Gesetz der arithmetischen Progression wachsen. In einer Minute würden wir das Tempo eines Fußgängers erreichen, nach einer Viertelstunde die Schnelligkeit eines D-Zugs usw.
Wir bewegten uns nach dem Fallgesetz, aber von unten nach oben und fünfhundertmal langsamer als ein gewöhnlicher schwerer Körper, der auf die Erdoberfläche fällt.
Das gläserne Fenster begann am Fußboden und bildete mit ihm einen stumpfen Winkel, es war ein Teil der kugelförmigen Außenfläche. Wenn wir uns vorbeugten, konnten wir daher auch sehen, was unter uns geschah.
Wir stiegen immer schneller, der Horizont erweiterte sich. Die dunklen Flecken der Felsen und Dörfer wurden kleiner, die Umrisse der Seen zeichneten sich wie auf einer Landkarte ab. Und der Himmel wurde immer dunkler; zur gleichen Zeit, als der blaue Streifen eisfreien Meeres den gesamten westlichen Gesichtskreis umfasste, konnten meine Augen bei mittäglichem Sonnenlicht schon die hellsten Sterne erkennen.
Die langsame Achsenumdrehung des Sternschiffs erlaubte uns, den gesamten Raum ringsumher zu überblicken.
Der Horizont schien sich mit uns zu erheben, und die Erdoberfläche sah aus wie eine gewölbte Untertasse mit reliefartigen Verzierungen. Die Konturen wurden feiner, das Relief flacher, die ganze Landschaft wirkte immer mehr wie eine Landkarte, deren Zeichnung in der Mitte deutlich zu sehen war und an den Rändern verschwamm. Dort war alles in bläulichen Nebel gehüllt. Der Himmel wurde völlig schwarz, und die zahllosen Sterne, bis zu den kleinsten, glänzten mit ruhigem, flimmerfreiem Licht, ohne die helle Sonne zu fürchten, deren Strahlen schmerzhaft blendeten.
»Sagen Sie, Menni, wird diese Beschleunigung von zwei Zentimetern, mit der wir uns jetzt bewegen, während der ganze Reise beibehalten?«
»Ja«, antwortete er, »nur die Richtung wird in der Mitte unseres Weges verändert, die Geschwindigkeit wird dann nicht größer, sondern jede Sekunde um dieselbe Größe geringer. Obwohl die höchste Geschwindigkeit ungefähr fünfzig Kilometer in der Sekunde beträgt und die mittlere ungefähr fünfundzwanzig Kilometer, wird sie bei der Ankunft ebenso gering sein wie zu Beginn unserer Reise, und wir werden sanft auf dem Mars aufsetzen. Ohne diese riesigen veränderlichen Geschwindigkeiten hätten wir weder die Erde noch die Venus erreichen können, weil selbst deren nächste Entfernung zum Mars — sechzig und hundert Millionen Kilometer — beispielsweise mit einem Schnellzug nur im Verlaufe von Jahrhunderten bewältigt werden könnten und nicht innerhalb von Monaten wie mit unserem Sternschiff. Und was den >Kanonenschuss< betrifft, von dem ich in Ihren utopischen Romanen gelesen habe, so ist das einfach ein Scherz, weil es nach den Gesetzen der Mechanik praktisch dasselbe ist, ob man sich beim Abschuss innerhalb der Kugel befindet oder ob man von der Kugel getroffen wird.«
»Wie erreichen Sie eine so gleichmäßige Bremsung und Beschleunigung?«
»Unser Sternschiff wird von radioaktiver Materie angetrieben, die wir auf dem Mars in großer Menge gewinnen. Wir haben eine Methode gefunden, den Zerfall der Elemente hunderttausendfach zu forcieren; das geschieht in unseren Motoren mit Hilfe ziemlich einfacher elektrochemischer Verfahren. Auf diese Weise wird gewaltige Energie freigesetzt. Wie Ihnen bekannt ist, bewegen sich die Teilchen der zerfallenden Atome mit einer Geschwindigkeit, die diejenige von Artilleriegeschossen um das Zehntausendfache übertrifft. Wenn die Teilchen den Motor nur in einer Richtung verlassen können, das heißt durch einen Kanal mit undurchdringlichen Wänden fliegen, bewegt sich das Sternschiff nach dem Prinzip des Rückstoßes, den man auch bei einem Gewehr oder Geschütz beobachten kann. Nach den Ihnen bekannten Naturgesetzen können Sie sich leicht ausrechnen, dass die geringfügige Menge von einem Milligramm völlig ausreicht, um unser Sternschiff innerhalb einer Sekunde gleichmäßig zu beschleunigen.«
Während unseres Gesprächs hatten alle Marsmenschen den Raum verlassen. Menni schlug vor, das Frühstück in seiner Kajüte einzunehmen. Sie lag an der Wand des Sternschiffs und besaß ebenfalls ein großes Kristallfenster. Wir setzten unser Gespräch hier fort. Ich wusste, dass mir die neue, unbekannte Empfindung der Schwerelosigkeit bevorstand, und fragte Menni danach.
»Das stimmt«, sagte er, »denn obwohl uns die Sonne weiterhin anzieht, ist die Wirkung im freien Raum geringfügig. Der Einfluss der Erde wird morgen oder übermorgen ebenfalls nicht mehr zu spüren sein. Nur infolge der beständigen Beschleunigung wird 1/400 bis 1/500 unseres Körpergewichts erhalten bleiben. Beim ersten Flug gewöhnt man sich nicht leicht daran, obwohl die Umstellung sehr allmählich geschieht. Wenn Sie an Gewicht verlieren, nimmt Ihre Gewandtheit ab, Sie werden viele falsch berechnete Bewegungen machen. Das Vergnügen, fliegen zu können, wird Ihnen recht zweifelhaft vorkommen. Was Herzklopfen, Schwindelgefühl und sogar übelkeit betrifft, die dabei auftreten, so wird Sie Netti davon befreien. Es wird auch schwierig werden, mit Flüssigkeiten umzugehen, die beim geringsten Stoß aus den Gefäßen gleiten und überall als riesige Tropfen umherschweben. Aber bei uns ist alles sorgsam darauf ausgerichtet, solche Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Möbel und Gefäße sind befestigt, Flüssigkeiten werden in verschlossenen Behältern aufbewahrt, überall sind Griffe und Riemen angebracht, an denen man sich notfalls festhalten kann. überhaupt werden Sie sich daran gewöhnen, Zeit genug dazu haben Sie.«
Seit dem Abflug waren ungefähr zwei Stunden vergangen, und der Gewichtsverlust war schon spürbar, allerdings noch recht angenehm. Der Körper wurde leichter, die Bewegung freier. Die Atmosphäre hatten wir schon verlassen, aber das beunruhigte uns nicht, weil sich in unserem hermetisch abgeschlossenen Schiff ein ausreichender Vorrat an Sauerstoff befand. Der sichtbare Teil der Erdoberfläche wurde endgültig einer Landkarte ähnlich — jedoch mit verzerrtem Maßstab: größer in der Mitte, kleiner zum Horizont hin. Stellenweise verdeckten weiße Wolkenflecke die Sicht. Im Süden, hinter dem Mittelmeer, waren die Küsten Afrikas und Arabiens durch einen Dunstschleier recht deutlich erkennbar, im Norden verlor sich der Blick hinter Skandinavien in einer Wüste aus Schnee und Eis, nur die Felsen Spitzbergens hoben sich als dunkle Flecken ab. Im Osten begann hinter dem Ural, der teils von Schneeflecken bedeckt war, wiederum das Reich der weißen Farbe, nur hie und da mit einem grünlichen Schimmer, der zaghaft an die riesigen Nadelwälder Sibiriens erinnerte. Hinter den klaren Konturen Mitteleuropas hüllten sich die Umrisse Englands und Nordfrankreichs in Wolken. Ich vermochte das gigantische Bild nicht lange anzuschauen, da der Gedanke an die schreckliche Tiefe des Abgrunds, über dem wir uns befanden, in mir ein Gefühl hervorrief, das einer Ohnmacht ähnelte. Deshalb nahm ich das Gespräch mit Menni wieder auf.
»Sie sind der Kapitän dieses Sternschiffs, nicht wahr?«
Menni nickte und bemerkte: »Aber das bedeutet nicht, dass ich hier das besäße, was bei Ihnen Befehlsgewalt heißt. Ich habe einfach die größte Erfahrung beim Lenken von Sternschiffen, und meine Anweisungen werden ebenso befolgt, wie ich Sternis astronomische Berechnungen unbesehen akzeptiere oder wie wir uns alle nach Nettis medizinischen Ratschlägen richten, um unsere Gesundheit und Arbeitskraft zu erhalten.«
»Wie alt ist Doktor Netti? Mir kommt er sehr jung vor.«
»Das weiß ich nicht, sechzehn oder siebzehn Jahre«, antwortete Menni lächelnd.
Das hatte ich ebenfalls geschätzt. über eine so frühe Gelehrsamkeit war ich jedoch verwundert.
»In dem Alter schon Arzt!« entfuhr es mir unwillkürlich.
»Fügen Sie hinzu: ein kenntnisreicher und erfahrener Arzt!« sagte Menni.
Bei unserem Gespräch hatte ich nicht bedacht — und Menni hatte es wohl absichtlich nicht erwähnt —, dass ein Marsjahr fast doppelt so lang ist wie ein Erdenjahr. Der Mars umkreist die Sonne in 686 Erdentagen, Nettis sechzehn Lebensjahre kamen also dreißig Erdenjahren gleich.
6. Das Sternschiff
Nach dem Frühstück führte mich Menni durch das »Schiff«. Zuerst begaben wir uns in die Maschinenabteilung. Sie lag direkt auf dem abgeflachten Boden und bestand aus fünf Räumen, dem zentralen Raum mit dem Antriebsmotor und vier Nebenräumen. Im zentralen Raum waren auf allen vier Seiten runde Glasfenster in den Fußboden eingelassen, eines aus reinem Kristall, drei aus farbigem Glas unterschiedlicher Nuancen. Das Glas war drei Zentimeter dick und erstaunlich durchsichtig. Wir konnten jedoch nur einen Teil der Erdoberfläche sehen.
Den Hauptteil des Motors bildete ein Metallzylinder von drei Metern Höhe und einem halben Meter Durchmesser. Er bestand aus Osmium, einem sehr schwer schmelzbaren Edelmetall, das dem Platin verwandt ist, wie mir Menni erklärte. In diesem Zylinder wurde die radioaktive Materie gespalten; die rotglühenden, zwanzig Zentimeter dicken Wände zeugten von der Energie des Prozesses. Trotzdem war es im Raum nicht heiß, denn der gesamte Zylinder war von einer Hülle aus einer durchsichtigen Masse umgeben, die vorzüglich vor Hitze schützte, und oben war diese Hülle mit Röhren verbunden, durch die heiße Luft nach allen Seiten zur gleichmäßigen Heizung des Sternschiffs abgeleitet wurde.
Die übrigen Maschinenteile — elektrische Spulen, Akkumulatoren, Geräte mit Zifferblättern usw. —, auf unterschiedliche Weise mit dem Zylinder verbunden, waren ringsherum in schöner Ordnung angebracht, und der diensthabende Maschinist sah sie dank einem Spiegelsystem alle zugleich, ohne aus seinem Sessel aufstehen zu müssen.
Die Nebenräume waren das »Observatorium«, der »Wasserraum«, der »Sauerstoffraum« und der »Rechenraum«. Im Observatorium bestanden Fußboden und Außenwand durchweg aus Kristall, einem geometrisch geschliffenen Glas von idealer Reinheit. Als ich Menni über einen Laufsteg folgte und direkt nach unten sah, erblickte ich nichts zwischen mir und dem Abgrund, der sich unter uns auftat - so durchsichtig war das Kristall. Ich musste die Augen schließen, weil mir schwindelte. Danach richtete ich meinen Blick nur auf die Instrumente zwischen dem Stegnetz. Sie standen auf komplizierten Stativen, die aus den Innenwänden und von der Decke in den Raum ragten. Das Hauptteleskop war ungefähr zwei Meter lang, besaß jedoch ein unproportional großes Objektiv von offenbar großer Stärke.
»Wir verwenden nur diamantene Okulare«, erklärte Menni, »das ergibt ein sehr weites Blickfeld.«
»Wie stark ist dieses Teleskop?« fragte ich.
»Damit erzielen wir eine deutliche sechshundertfache Vergrößerung«, antwortete Menni. »Wenn das nicht ausreicht, photographieren wir den Ausschnitt und betrachten das Photo unter einem Mikroskop. Auf diese Weise erreichen wir faktisch ein Bild mit sechzigtausendfacher Vergrößerung, und das wegen des Photographierens lediglich um Minuten verzögert.«
Menni schlug mir vor, durch das Teleskop die Erde zu betrachten. Er stellte selbst das Gerät ein.
»Die Entfernung beträgt jetzt ungefähr zweitausend Kilometer«, sagte er. »Erkennen Sie, was Sie sehen?«
Ich erkannte sogleich den Hafen einer skandinavischen Hauptstadt, die ich mehrmals im Parteiauftrag besucht hatte. Sogar die Dampfer an der Reede konnte ich sehen. Mit einer Hebelbewegung setzte Menni anstelle des Okulars die Kamera in das Teleskop. Nach wenigen Sekunden nahm er sie wieder heraus und trug sie zu einem großen Apparat, der sich als Mikroskop erwies.
»Wir entwickeln und fixieren die Aufnahme gleich im Mikroskop, ohne sie mit den Händen zu berühren«, erklärte er. Nach einigen Handgriffen, die höchstens eine halbe Minute dauerten, überließ er mir das Okular des Mikroskops. Ich erblickte mit so erstaunlicher Deutlichkeit einen mir bekannten Dampfer der Nordischen Schifffahrtsgesellschaft, als befände er sich wenige Dutzend Schritte von mir entfernt. Das Photo wirkte plastisch und hatte eine völlig natürliche Farbe. Auf der Kommandobrücke stand der ergraute Kapitän, mit dem ich mich mehrmals während meiner Reisen unterhalten hatte. Ein Matrose, der eine große Kiste auf das Deck hinunterließ, war gleichsam in seiner Pose erstarrt, ebenso wie ein Passagier, der ihm mit ausgestreckter Hand etwas zeigte. All das war zweitausend Kilometer entfernt.
Sternis Gehilfe, ein junger Marsmensch, betrat den Raum. Er musste die genaue Entfernung messen, die unser Sternschiff zurückgelegt hatte. Wir wollten ihn nicht bei der Arbeit stören und gingen in den »Wasserraum«. Dort befanden sich ein riesiger Behälter mit Wasser und große Apparate zu dessen Reinigung. Unzählige Rohre leiteten das Wasser aus dem Reservoir in das gesamte Sternschiff.
Im »Rechenraum« standen Maschinen und Geräte mit vielen Zifferblättern und Zeigern. An der größten Maschine arbeitete Sterni. Aus ihr glitt ein langes Band heraus, das offenbar die Ergebnisse von Sternis Berechnungen enthielt. Ich konnte jedoch mit den Zeichen auf dem Band und auf den Zifferblättern nichts anfangen.
Mich gelüstete nicht nach einer Unterhaltung mit Sterni. Um ihn nicht zu belästigen, betraten wir schnell den letzten Nebenraum.
Es war der »Sauerstoffraum«. Hier wurden die Sauerstoffvorräte in Form von fünfundzwanzig Tonnen chlorsaurem Kalium aufbewahrt, aus dem man bis zu zehntausend Kubikmeter Sauerstoff gewinnen konnte. Diese Menge reichte für mehrere Reisen vom Mars zur Erde und zurück. Etliche Apparate dienten zur Spaltung des Kaliums. Außerdem lagerten dort Baryt und Ätzkali, um die freiwerdende Kohlensäure zu binden, und Schwefelsäureanhydrid zum Binden der überflüssigen Feuchtigkeit und des flüchtigen Leukomains, jenes Stoffes, der beim Atmen ausgeschieden wird und schädlicher als Kohlensäure ist. Der Sauerstoffraum unterstand Doktor Netti.
Dann kehrten wir in den zentralen Maschinenraum zurück, aus dem wir uns mit einem Lift direkt in die oberste Etage begaben. Dort befand sich im zentralen Raum das zweite Observatorium, das dem unteren völlig glich, nur dass die kristallene Hülle oben und nicht unten war und die Instrumente größere Ausmaße besaßen. Aus diesem Observatorium konnte man die andere Hälfte der Himmelskugel mit dem »Zielplaneten« sehen. Seitwärts vom Zenit strahlte der Mars in seinem rötlichen Licht. Menni richtete das Teleskop auf ihn, und ich erkannte deutlich das Festland, die Meere und die Kanäle, wie sie auf Schiaparellis Karten abgebildet sind. Menni photographierte den Planeten, und unter dem Mikroskop wurde ein deutliches Bild sichtbar. Ohne Mennis Erklärungen konnte ich jedoch nichts darauf verstehen. Die Flecken der Städte, Wälder und Seen unterschieden sich lediglich durch unmerkliche Einzelheiten voneinander.
»Wie groß ist die Entfernung bis zum Mars?« fragte ich.
»Ungefähr hundert Millionen Kilometer.«
»Und warum befindet sich der Mars nicht in der Mitte der Kuppel? Fliegen wir nicht direkt auf ihn zu, sondern steuern ihn von der Seite an?«
»Ja, anders ist es nicht möglich. Beim Abflug behalten wir unter anderem auf Grund des Trägheitsgesetzes die Geschwindigkeit des Erdumlaufs um die Sonne — dreißig Kilometer in der Sekunde. Der Mars hat nur eine Geschwindigkeit von vierundzwanzig Kilometern, und wenn wir in einer geraden Linie zwischen beiden Umlaufbahnen flögen, würden wir mit sechs Kilometern pro Sekunde auf die Marsoberfläche stürzen. Deshalb müssen wir einen Umweg wählen, auf dem die überflüssige Geschwindigkeit ausgeglichen wird.«
»Wie lang ist dann unser Weg?«
»Ungefähr hundertsechzig Millionen Kilometer, wofür wir mindestens zweieinhalb Monate brauchen.«
Wäre ich kein Mathematiker gewesen, hätten mir diese Zahlen nichts bedeutet. So erweckten sie jedoch in mir ein Gefühl, das einem Alpdruck ähnelte, und ich beeilte mich, das Observatorium zu verlassen.
Die sechs Nebenräume des oberen Segments, welche das Observatorium kreisförmig umgaben, waren völlig fensterlos, und ihre Decke bog sich bis zum Fußboden. An der Decke befanden sich große Vorräte an Minus-Materie, durch die das Gewicht des Sternschiffs aufgehoben wurde.
Die beiden mittleren Etagen enthielten Gemeinschaftsräume, Laboratorien, Kajüten, Badezimmer, die Bibliothek und den Gymnastikraum.
Netti wohnte neben meiner Kajüte.
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