Kitabı oku: «ACID IST FERTIG», sayfa 2

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Die Fünfziger.

Das neue Phantastikum machte in Psychiatriekreisen schnell die Runde, denn sowohl die Wirkung als auch die Anwendungsgebiete schienen fantastisch. Man testete Delysid zum Verständnis von Geisteskrankheiten, als Express-Seelenöffner in der Psychotherapie sowie zur Behandlung von Alkoholismus und Heroinsucht. Hinzu kamen weitere unverhoffte Anwendungsgebiete, denn manche verwendeten das LSD bereits zur Selbsterforschung, als Kreativtrigger oder als mystisches Abendmahl. Da die Wahrnehmung ähnlich verrückt erschien wie nach der Einnahme von Meskalin, konnte das LSD an den schon vorhandenen Meskalin-Diskurs andocken, diesen überlagern und verdrängen.

Der Autor Ernst Jünger hatte bereits Erfahrungen mit Meskalin gemacht, als er 1951 das neue Produkt aus dem Haus Sandoz probierte. Auch der britisch-amerikanische Schriftsteller Aldous Huxley war Meskalin-erfahren, bevor er sich an Lysergid heranwagte. Huxleys drogenphilosophisches Essay „Die Pforten der Wahrnehmung“, das er im Anschluss an seinen Erstversuch mit Meskalin im Frühjahr 1953 schrieb, wurde zu einem Schlüsseltext der psychedelischen Bewegung und durfte in keiner Wohngemeinschaft der sechziger und siebziger Jahre fehlen. Die darin formulierte Filter-Hypothese besagt, dass das Alltagsbewusstsein nur einen geringen Teil von dem enthält, was über die Sinnesorgane hinein- und über das Gedächtnis zurückflutet. Laut Huxley „verfügt potentiell jeder von uns über das größtmögliche Bewusstsein“, aber um als biologisches Wesen in jedem Augenblick überlebensfähig zu sein, reduzierten Gehirn und Nervensystem diesen Bewusstseinsstrom auf ein elementar wichtiges und überschaubares Rinnsal.6 Gewisse Drogen würden diesen Reduktionsfilter allerdings ausschalten und größere Bereiche des größtmöglichen Bewusstseins zugänglich machen. Seinem Aufsatz hat Huxley ein Zitat des englischen Mystikers William Blake vorangestellt: „Würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, erschiene den Menschen alles, wie es ist: unendlich.“ Innerhalb seines Essays verwendet Huxley die Pforten-Metapher im doppelten Sinne: für die Sinnesorgane und für Rauschdrogen. Einerseits sind es die Rauschmittel, die die Pforten der Wahrnehmung, sprich: die Sinne, durchlässiger machen; andererseits sind es die Drogen selbst, die als „Türen“ zu Lehrräumen für die „nonverbale Ausbildung“ oder für „chemische Ferien“ dienen. Jim Morrison fand durch die Lektüre dieses Textes den programmatischen Namen seiner Band: The Doors. Auch die Existenz des Wortes „psychedelisch“ geht auf Aldous Huxley zurück. Im Briefwechsel mit dem britischen Psychiater Humphrey Osmond korrigierte er dessen Vorschlag „psychodelisch“, womit das Vermögen von Meskalin und LSD gemeint war, die Seele zu offenbaren. Abgeleitet ist der Begriff von den griechischen Worten „Psyche“ (Seele) und „delos“ (offenbar, deutlich, klar, einleuchtend).

Humphrey Osmond, Sidney Cohen, Carlheinz Leuner und Oscar Janiger gehörten zu den Ärzten, die ernsthaft mit LSD experimentierten, Daten erhoben und veröffentlichten. Dr. Janiger hatte 1954 eine LSD-Erfahrung gemacht und infolgedessen in Los Angeles eine Privatklinik eröffnet, in der er unter anderem Stars wie Jack Nicholson, James Coburn und Anaïs Nin mit LSD behandelte. Janiger untersuchte, inwieweit LSD das persönliche Wachstum verbessern sowie die Kreativität steigern konnte. Nebenher erfand er das „Microdosing“, denn er behandelte depressive Patienten, indem er ihnen über einen längeren Zeitraum eine allmorgendliche Minimaldosis verabreichte, die zwar das Wohlbefinden verbesserte, aber keinerlei Halluzinationen bewirkte.7

Weitere mögliche Einsatzgebiete ersann der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst. Ab den fünfziger Jahren entwickelte sich zwischen den USA und der Sowjetunion ein Kalter Krieg. Da man in Regierungskreisen der USA annahm, dass die Sowjetunion an neuartigen Waffen arbeite, setzte die CIA ein spezielles Programm auf und startete eigene Versuche. Das Ziel war es, Bomben zu entwickeln, die nicht töteten, sondern den Feind stattdessen desorientierten, geistig verwirrten und somit kampfunfähig machen sollten. Zu den Stoffen, die zu diesem Zwecke getestet wurden, sich jedoch nicht bewährten, gehörte auch L.S.D. Im Sommer 1953 startete die CIA mit der Operation MK-ULTRA ein Programm zur Bewusstseinskontrolle mittels Drogen.8 Zum einen suchte die CIA nach Substanzen, die als Wahrheitsserum eingesetzt werden konnten, zum anderen erforschte man Methoden, mit denen ein Kriegsgefangener oder feindlicher Agent durch Gehirnwäsche „umgedreht“ werden konnte. Dazu hatte die CIA schon mit Meskalin, Alkohol, hochkonzentriertem Cannabisextrakt und Barbituraten experimentiert.

Das Konzept der Wahrheitsdroge, die einen Menschen dazu bringt, seine innersten Gedanken und wahren Gefühle zu äußern, war bereits ein Thema vorangegangener Jahrzehnte gewesen. Die schwedische Autorin Karin Boye hatte 1940 den Zukunftsroman „Kallocain“ veröffentlicht, in dem der Forscher Leo Kall die nach ihm benannte Wahrheitsdroge in den Dienst eines absoluten Staates stellt.

MK-ULTRA war die Idee des späteren CIA-Chefs Richard Helms. Im Namen der nationalen Sicherheit brach man gleich mehrere Gesetze. Um Erfahrungen im Umgang mit LSD zu gewinnen, nahmen anfänglich die involvierten Geheimdienstmitarbeiter und freiwillige Soldaten die Droge. Als der Überraschungseffekt an Ahnungslosen erforscht werden sollte, tröpfelten sich die Geheimdienstleute untereinander die geschmacklose Substanz in die Getränke. Diese Art der Menschenversuche wurde rasch ausgeweitet und verließ unter der wissenschaftlichen Leitung des angesehenen Psychiaters Dr. Ewen Cameron das Regierungsgelände. Ohne vorherige Absprache behandelte Cameron in seiner Klinik einzelne Zivilisten mit einer selbstkreierten Form von Gehirnwäsche – mit dem Einverständnis der CIA. Durch Gaben von hohen Dosen LSD, monatelanger Schlaftherapie, starken Elektroschocks und endlos von Tonband abgespielten Botschaften sollten die Versuchskaninchen „umprogrammiert“ werden.

Einige öffentliche Aufmerksamkeit erregte der Fall Frank Olson. Olson war 1953 infolge von LSD-Versuchen aus dem Fenster gesprungen (andere sagen, er wurde gestoßen) und ums Leben gekommen. Nachdem Teile des Falls in den siebziger Jahren bekannt geworden waren, entschuldigte sich US-Präsident Gerald Ford bei der Witwe, die fortan eine staatliche Rente erhielt. Restlos aufgeklärt wurde der Fall jedoch bis heute nicht.

Unabhängig von den militärischen Versuchen in den USA wurde auch hinter dem Eisernen Vorhang mit LSD geforscht, so in Bulgarien und der Tschechoslowakei. In der ČSSR stellten ab 1956 Jiri Roubiček und Milan Hausner unabhängig voneinander Untersuchungen an. Milan Hausner behandelte bis 1974 in rund 3000 therapeutischen Sitzungen 300 Patienten, viele davon aufgrund einer Alkoholsucht. Zu seinen Assistenten gehörte auch ein gewisser Stanislaw Grof, der sich 1956 von Hausner in die psycholytische Behandlung einweihen ließ. Grof selbst forschte mit zunehmend höheren Dosen, um in tiefenpsychologisch interessante Bereiche vorzudringen. Als 1963 das Sandoz-Patent zwanzig Jahre nach dem Bicycle Day erlosch, übernahm die tschechische Pharmafirma Spofa United Pharmaceutical Works die Produktion, und die ČSSR verfügte von 1963 bis 1974 über eigene Bestände. 1967 übersiedelte Grof in die USA, wo er bis zum völligen LSD-Verbot weitere Versuche unternahm und sich in mehreren Büchern umfassend zum Thema äußerte. Im kommunistischen Bulgarien führte die Psychiaterin Marina Bojadijewa insgesamt 140 Versuche durch. Zwischen 1962 und 1968 verabreichte sie Doktoren, Künstlern, Bergarbeitern, Fernfahrern und sogar Gefängnisinsassen zu Versuchszwecken LSD-25. Die Dosierung reichte von der Minimaldosis von 25 Mikrogramm bis zu moderaten 100 Mikrogramm. Das LSD kam direkt von Sandoz aus der Schweiz. Als Antidot lag vorsichtshalber immer eine Spritze mit 50 Milligramm Chlorpromazin bereit.

1951 Ernst Jünger: Im Neuronengewitter

Das Satiremagazin Titanic widmete dem Schriftsteller Ernst Jünger im April 1995 eine ganze Titelseite in grellbunten Falschfarben. Inszeniert wurde der damals Hundertjährige als Mitglied der „Generation XXL“ mit der Schlagzeile „Drogengott Ernst Jünger feiert 100 Jahre Ecstasy“. Der Innenteil begrüßte den Leser mit einer Greser-Karikatur, in der Jünger Joint rauchend auf Bundeskanzler Helmut Kohl reitet, während Bundespräsident Roman Herzog im Hintergrund die Käfersammlung des Autors vernascht. Die Rentnerorgie war selbstverständlich eine Anspielung auf die Psychedelika-Experimente, die Albert Hofmann und Ernst Jünger in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren zusammen im heimischen Wohnzimmer durchführten.

Der Kontakt zwischen den zwei älteren Herren kam 1947 auf Initiative Albert Hofmanns zustande, der dem Lieblingsschriftsteller vieler Konservativer postalisch zum Geburtstag gratulierte und sich als Fan outete. Bald schickte man sich Honig, Gedichte und Bücher. Die Kernthemen ihrer Korrespondenzen waren Poesie und Drogen sowie damit zusammenhängende Fragestellungen. Der elitäre Einzelgänger interessierte sich vor allem für die Schärfung der Sinne und die Steigerung der Kreativität durch und nach Drogenkonsum. Auch wollte er die Grauzone zwischen Leben und Tod erforschen. Dazu verfügte er bereits über Erfahrungen mit Meskalin, das er im Jahr zuvor mit seinem Verleger Ernst Klett getestet hatte.

Bezeichnend ist, wie sich Jünger und Hofmann vor ihrem LSD-Trip über die Alltagsdrogen Kaffee und Tee austauschten. In seiner Einschätzung antizipierte Jünger die Entstehung der Leistungsgesellschaft, die eher auf Wachmacher setzt denn auf Traumschmiere:

„In unserer Zeit glaube ich übrigens weniger eine Neigung für die Phantastica als für die Energetica wahrzunehmen. Der Tee ist meiner Meinung nach ein Phantasticum, der Kaffee ein Energeticum – daher besitzt der Tee auch einen ungleich höheren musischen Rang.“9

Nach diesen ersten Annäherungsversuchen kam es im Februar 1951 schließlich zur „Vorfrühlingsträumerei“. Man traf sich in Hofmanns Wohnzimmer in Bottmingen, in der Schweiz, um in Anwesenheit den Arztes Prof. Heribert Konzett von dem psychedelischen Konfekt zu naschen. Jünger bezeichnete die Rauschreise als „Einstieg“, als würde man unter LSD in eine unbekannte Höhlenwelt hinabsteigen. Aus Rücksicht auf den als sensibel eingeschätzten Schriftsteller verabreichte Hofmann eine Minimaldosis von lediglich 50 Mikrogramm. Die Initiation verlief denn auch ohne Probleme, war dem mit Opium, Haschisch und Meskalin erfahrenen Weltkriegsveteran allerdings zu kraftlos. Laut Hofmanns Erinnerung verleitete das Jünger zu der Bemerkung: „Verglichen mit dem Tiger Meskalin ist dein LSD nur eine Hauskatze.“

Man erfreute sich an den Schwaden eines Räucherstäbchens und entzündete daran farbenprächtige Träumereien und mäandernde Gedanken. Die Zusammenkunft verarbeitete Jünger poetisch verschlüsselt in seiner im Jahr darauf erschienenen Erzählung „Besuch auf Godenholm“.

Auch andere Psychedelika wurden gemeinsam ausprobiert. Im Frühjahr 1962 trafen sich die Senioren zum Gegenbesuch im Wohnzimmer von Ernst Jünger. Diesmal testete man 20 Milligramm des chemisch verwandten Pilzgiftes Psilocybin. Des Weiteren zugegen waren der Orientalist Dr. Rudolf Gelbke und der Leibarzt Heribert Konzett. Das Pilz-Symposion begann nach Sonnenuntergang und dauerte bis weit nach Mitternacht. Hofmann verschlug es in eine mexikanische Totenstadt, Jünger streifte durch einen maurischen Palast. Am Ende der Reise landete man zur Musik von Mozart und stärkte sich mit einer warmen Mahlzeit.

Am 7. Februar 1970 fand um 10:25 Uhr in der Oberförsterei Wilflingen der letzte gemeinsame LSD-Trip der inzwischen über Sechzigjährigen und Siebzigjährigen statt. Jüngers Dosis betrug nun 150 Mikrogramm, also das Dreifache seiner Initiationsdosis und Hofmann begnügte sich mit 100 Mikrogramm. „Schmeckt nach Nichts“, fand Jünger.10 Und da ging die Reise los, mit Getöse, riesengroß. Worte versagten, die Kommunikation wurde telepathisch: „Wir bedurften der Sprache nicht; ein Blick genügte, um ein wortloses Einverständnis herzustellen.“11

Nichtsdestotrotz gelang es den beiden Psychonauten, während des „Einstieges“ ein Logbuch zu führen und sich stichpunktartig Notizen zu machen. Das beheizte Arbeitszimmer und die Bibliothek bildeten eine behagliche Raumkapsel, während es draußen zu schneien begann. „Unser Boot schlenkert gewaltig. Auch das Nüchterne,“ befand Hofmann um 12:10 Uhr und Jünger notierte gegen 12:45 Uhr: „Für einen Augenblick Identität.“12 Das Kurzprotokoll veröffentlichte Ernst Jünger in voller Länge in seinem Rauschband „Annäherungen“, der zu einem Klassiker der deutschen Drogenliteratur wurde. Wer jedoch auf exzessive Rauschbeschreibungen hofft, wird enttäuscht, denn wie bei Jüngerscher Prosa üblich verbirgt sich das Geschehen hinter einer Mischung aus nüchternen Betrachtungen und ominösen Andeutungen. Eine Kostprobe: „Die Lichter werden greller, die Farben lebhafter, die Begierden treten nackt hervor. Die Glut war tief unter der Asche versteckt. Jetzt schlägt die Flamme hervor. Das Herz, die Lunge antworten. Die Sinne werden schärfer, auch für das Blut.“13

Ernst Jünger war von beiden „Höhlenforschern“ der ältere, er starb 1998 im Alter von 102 Jahren; Hofmann folgte zehn Jahre darauf im Alter von ebenfalls 102 Jahren. Gefestigte Persönlichkeiten können bei sachgemäßem LSD-Gebrauch offenbar ein hohes Alter bei geistiger Gesundheit erreichen.

1959 Cary Grant: Das unsichtbare Dritte

Cary Grant war ein britischer Schauspieler, der sich als smarter Gentleman im amerikanischen Filmgeschäft etablieren konnte. Zu seinen größten Erfolgen zählen bis heute die Rentnerkomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ sowie die Hitchcock-Thriller „Über den Dächern von Nizza“ und „Der unsichtbare Dritte“. Auf der Liste der 25 größten männlichen Filmstars des American Film Institute landete Cary Grant auf Platz 2, direkt hinter Humphrey Bogart und vor James Stewart, Marlon Brando und Fred Astaire. Das Publikum liebte den braungebrannten Sonnyboy mit dem Grübchen am Kinn und war auch an seinem Privatleben rege interessiert. Die Frauen wollten Cary Grant und die Männer so sein wie er. Sogar er selbst wolle Cary Grant sein, bemerkte er mal in einem Bonmot. Dabei war dieser Wunsch gar nicht so aus der Luft gegriffen, denn Cary Grant war eine selbst erschaffene Künstlerpersönlichkeit.

Der Gentleman, der in seinen Hauptrollen weibliche Schauspielikonen wie Ingrid Bergmann, Grace Kelly und Audrey Hepburn küssen durfte, hieß in Wirklichkeit Archibald Leach und stammte aus bescheidenen Verhältnissen in der englischen Hafenstadt Bristol. Als Archie zehn Jahre alt war, verschwand seine Mutter von einem Tag auf den anderen; der Vater hatte sie in eine Nervenanstalt einweisen lassen, erzählte dem Jungen aber, sie sei verreist, und später, sie wäre tot. Das sollte Grants Verhältnis zu Frauen nachhaltig beschädigen. Durch die Einnahme von LSD poppte dieses kindliche Trauma wieder ins Bewusstsein und Grant erkannte selbstkritisch: „Ich hatte bei jeder meiner Frauen den Fehler gemacht, zu glauben, sie sei so etwas wie meine Mutter.“ Fortan wollte er alles besser machen und hart an sich arbeiten. Seine Intention war es nun, sich und andere glücklich zu machen.

Nicht schlecht staunte die amerikanische Öffentlichkeit des Jahres 1959, als Cary Grant verschiedenen Presseerzeugnissen, wie der Tageszeitung The New York Herald Tribune, der Illustrierten Look oder dem Hausfrauenmagazin Housekeeping, Interviews gewährte, in denen er nicht nur für seinen neuen Film „Unternehmen Petticoat“ Reklame machte, sondern auch für das weithin unbekannte Wundermittel LSD. Dank einer LSD-gestützten Psychotherapie habe er neue Einsichten in sein Leben und sein Verhältnis zu Frauen gewonnen, ja, er fühle sich sogar wie neu geboren. „All die vertanen Jahre“, meinte der seit zwei Jahrzehnten erfolgreiche Hollywoodstar, „warum habe ich das nicht schon früher getan?“ Das Publikum horchte auf. Durch Grant erfuhr der Durchschnittsamerikaner erstmals von dem sagenhaften Phantastikum. Zuvor hatten sich fast ausnahmslos Mediziner in wissenschaftlichen Aufsätzen dazu geäußert und die anspruchsvollen, teilweise etwas esoterischen Texte von Ernst Jünger und Aldous Huxley dürften kaum breite Bevölkerungsschichten erreicht haben.

Cary Grant war bereits 55 Jahre alt, als er das erste Mal im „Psychiatric Institute of Beverly Hills“, der Gemeinschaftspraxis der Doktoren Mortimer A. Hartman und Arthur L. Chandler, Lysergsäurediäthylamid in Pillenform schluckte. Seine Ehefrau, die Schauspielerin Betsy Drake, hatte ihn darauf gestoßen. Drake war bereits bei Dr. Hartman in Behandlung, um ihre Ehekrise zu beheben. Ihrem neurotischen Gatten empfahl sie ebenfalls eine psycholytische Sitzung. So wurde das LSD in ihrer Beziehung der unsichtbare Dritte. Nach einer Anamnese, die eventuelle Psychosen von vornherein ausschließen sollte, legte sich der Superstar mit einer Augenbinde auf die Couch und reiste zu sanfter Musik durch die Sphären seines Unterbewusstseins. Die Dosis war stets moderat, mystische Einsichten oder außerkörperliche Erfahrungen waren bei Hartman nicht erwünscht. Alle Äußerungen des Patienten wurden während der Innenreise mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet, um sie hinterher nach psychologischen Gesichtspunkten auszuwerten. Die Magnetbänder scheinen Cary Grant auch inspiriert zu haben, denn er meinte, Menschen seien Computern ähnlich und kämen mit einem leeren Magnetspeicher zur Welt. „Dieses Magnetband wird vor allem von unseren Müttern bespielt, hauptsächlich weil unsere Väter auf der Jagd oder in der Arbeit sind. Die Mütter können jedoch nur das weitergeben, was sie selbst wissen, und vieles von dem ist ungenügend, wird aber dennoch an das Kind weitergereicht. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich wiedergeboren werden müsste, um das Magnetband von diesen Spuren zu reinigen.“14

So kam Grant über drei Jahre an jedem Samstagvormittag gegen 9 Uhr in die Praxis und defragmentierte seine seelische Festplatte. Im Laufe des Nachmittags verließ er dann das Haus, für die Heimfahrt sorgten Freunde oder Bekannte.

Hartman und Chandler waren nicht die einzigen in Los Angeles, die ihre Patienten im Rahmen einer Psycholytischen Therapie mit LSD behandelten, aber sie waren bei weitem die wirtschaftlich erfolgreichsten. Satte 100 US-Dollar kostete das bunte Nachmittagsprogramm, der Preis richtete sich vornehmlich an die gehobene Mittelschicht von Los Angeles. Von einfühlsamer psychologischer Betreuung konnte hingegen keine Rede sein, denn der behandelnde Dr. Hartman war ausgebildeter Radiologe und erst durch seine eigene Therapie auf dieses Geschäftsmodell gestoßen. Den Psychiater Chandler hatte Hartman nur mit ins Boot geholt, um seinem Psychiatrischen Institut die nötige Glaubwürdigkeit zu verleihen. Die notwendige Arznei bezog man in pharmazeutisch reinster Form direkt vom Hersteller Sandoz.

Zurück zu Grant. Als wesentliche Erfahrung seines Lebens schätzte Grant ein Erlebnis aus seiner ersten Sitzung ein: „Als ich mit dem LSD anfing, wälzte ich mich unruhig auf dem Sofa hin und her. Ich fragte den Arzt, warum ich mich die ganze Zeit herumwälzen müsse, aber der Arzt fragte nur zurück, weißt du es nicht? Ich hatte nicht die leiseste Ahnung. Er meinte, wenn du damit aufhörst. Das war wie eine Offenbarung für mich, ich erkannte, dass ich für meine Taten allein verantwortlich bin.“15

Diese Anekdote ist ein gutes Beispiel für die Fähigkeit des LSD, alltägliche Situationen in einem neuen Licht zu betrachten und aus scheinbar einfachen Sätzen tieferliegende Botschaften herauszuhören.

Im April 1962 absolvierte der Frauenschwarm bereits seine 72. LSD-Sitzung. Die Scheidung im selben Jahr von seiner Noch-Ehefrau Betsy Drake, mit der er immerhin 13 Jahre verheiratet war, konnte er damit allerdings nicht mehr abwenden. Man lebte bereits seit vier Jahren getrennt, blieb aber befreundet. Es folgten Ehefrau Nr. 4 und 5, allerdings mit einem freudigen Nachspiel. Mit 60 Jahren wurde Cary Grant das erste Mal Vater; seine Tochter Jennifer Grant ist heute ebenfalls Schauspielerin.

An über 100 LSD-Sitzungen will Grant insgesamt teilgenommen haben, bevor die Substanz ab 1966 schrittweise verboten wurde. Seinen humorvoll mit „Mahatma“ titulierten Therapeuten Mortimer Hartman bedachte Archibald Leach in seinem Testament immerhin mit einer Summe von 10.000 US-Dollar. Auf die hedonistische Acid-Handhabe der aufkommenden Hippiebewegung reagierte der alternde Superstar hingegen eher grantig und bezeichnete sie als verantwortungslos. Dabei dürfte sich sein Ansatz nicht wesentlich von dem der Hippies unterschieden haben. „Mein Ziel bei der Einnahme von LSD war immer, mich selbst glücklich zu machen“, sagte er einem Journalisten der New York Times. „Man wäre ein Dummkopf, wenn man etwas zu sich nähme, das einen unglücklich macht.“

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