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2.6 Einfluss von Wettkampfstress

Wettkampf bedeutet: Es findet ein unmittelbarer Leistungsvergleich statt. Will ein Rennfahrer dabei erfolgreich abschneiden, wird er zumindest in den Höchstleistungsbereichen des Rennsports dazu gezwungen, sein maximales Leistungsniveau punktgenau abzurufen. Sein maximales Leistungsniveau kann allerdings nur abrufen, wem äußere wie innere Bedingungen nicht übermäßig im Weg stehen. Unter äußeren Bedingungen sind in diesem Zusammenhang hauptsächlich organisatorische Dinge wie Anreise und Unterbringung, aber auch Zeitplan und Öffentlichkeitsarbeit an der Rennstrecke gemeint. Innere Bedingungen betreffen vor allem Gefühle und Gedanken. Je ungünstiger die Bedingungen für einen Rennfahrer insgesamt sind oder je ungünstiger er sie einschätzt, desto mehr Stress wird er im Wettkampf haben und desto negativer wird sich das auf seine Leistungsfähigkeit auswirken.

Übermäßiger Stress durch äußere Bedingungen kommt meist schleichend zustande. Ist etwa nur die Anreise hektisch, läuft das restliche Rennwochenende aber ansonsten reibungslos, sollten bei einem Fahrer keine größeren Probleme auftreten. Kommt es jedoch an einem Rennwochenende ständig zu Störungen, ist der Fahrer ununterbrochen stark eingebunden (Besprechungen, Datenanalyse, Öffentlichkeitsarbeit) und liegen seine Einsatzzeiten dann auch noch jenseits von Gut und Böse, dann summieren sich die einzelnen Stressmomente und führen im Organismus zu einer Daueraktivierung. Verantwortlich für diese Daueraktivierung ist die kontinuierliche Mehrausschüttung von Stresshormonen, die unter anderem die Herzfrequenz hochtreiben und die Stoffwechselrate im Gehirn erhöhen. In Summe steigt der Energieverbrauch im gesamten Organismus deutlich an. Wird diese Aktivierung nicht durch gezielte Pausen unterbrochen, besteht die Gefahr, dass die körperlich-mentalen Energiereserven angekratzt und gleichzeitig einige der leistungsbestimmenden Systeme im Organismus negativ beeinflusst werden.

Die für den Rennsport entscheidende Gefahr bei übermäßigem Stress durch äußere Bedingungen ist, dass ein Fahrer im Auto schneller müde wird. Verpulvert er den Hauptteil seiner körperlich-mentalen Energiereserven neben der Rennstrecke, dann bleibt für die optimale fahrerische Leistung zu wenig übrig. Selbst wenn sein fahrerisches Können erstklassig ist – werden Körper und Kopf beim Fahren mit zu wenig Energie beliefert, dann fehlt einfach die Grundlage für schnelle und konstante Rundenzeiten. Dabei lässt sich anhand von psychologischen Leistungstests recht deutlich nachweisen, dass die negativen Effekte auf die Leistungsfähigkeit bereits in Stadien auftreten, in denen sich die Fahrer körperlich wie geistig in der Regel noch fit fühlen.


Ermüdungsverlauf Ermüdungssymptome
1. körperlich-mentale Aktivierung a) Reaktionsstörung
2. optimale Leistungsfähigkeit b) Wahrnehmungsstörungen
3. Phase mit gelegentlichen Beeinträchtigungen c) Koordinationsstörungen
4. Phase mit vollständiger Leistungsminderung d) Konzentrationsstörung
5. Erschöpfungsphase e) Störungen körperlich-mentaler Antriebs- und Steuerfunktionen
f) Störungen im Bereich sozialer Beziehungen

Ermüdung im Sport (in Anlehnung an Kratzer, 2008)

Bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch: wie Maro Engel weiter unten beschreiben wird, gehören Dinge wie Besprechungen und Öffentlichkeitsarbeit im modernen Motorsport einfach zum Job eines Rennfahrers. Und je selbstverständlicher ein Rennfahrer solchen Aufgaben nachkommt und – das ist wichtig – je sicherer er mit den Anforderungen umgehen kann, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er dadurch übermäßig Stress empfindet. Besteht an einem Rennwochenende jedoch keine ausgewogene Balance zwischen Belastungs- und Erholungsphasen, dann wird das die Leistungsfähigkeit im Rennwagen selbst bei den ausgebufftesten Profis negativ beeinflussen. Und wer denkt, dass dieses Thema im Motorsport eher ein theoretisches ist, der irrt gewaltig. So schilderte mir ein Formel-1-Rennfahrer einmal recht eindrucksvoll, dass er an einem Donnerstag vor seinem Heimat-Grand-Prix von zahlreichen und nahtlos aneinandergereihten Terminen und öffentliche Verpflichtungen wie Teambesprechung, Pressekonferenzen, Einzelinterviews und diversen Sponsorenveranstaltungen von 6 Uhr morgens bis weit nach Mitternacht ohne jegliche Unterbrechung in Beschlag genommen wurde.

Maro Engel zum Thema Veranstaltungs- und Reisestress

„Damit klarzukommen, ist für alle Rennfahrer eine große Herausforderung. Je höher du im Rennsport kommst, desto mehr wird das zu dem Thema, das du bewältigen musst. Wenn du fast nur noch unterwegs bist, dann zieht alleine das eine Unmenge Energie aus dem Körper. Und wenn es dein Job ist, auf Punkt Höchstleistung zu bringen, dann ist es einfach entscheidend, dass du die richtige Mischung findest, um dem Körper die Ruhe zu gönnen, die er braucht. Als Profi-Rennfahrer kommst du da aber um Kompromisse einfach nicht rum. Es gibt Termine während und neben Rennveranstaltungen, die du machen musst. Ich versuche daher wenigstens das, was ich selbst in der Hand habe – das heißt Training, Regeneration und die von mir bestimmten Öffentlichkeitstermine – konsequent mit dem Fokus auf ein gutes Energiemanagement zu koordinieren. Das bedeutet vor allem, auf seinen Körper zu hören und im Zweifelsfall die äußeren wie inneren Antreiber zu ignorieren und auch mal Gas rauszunehmen. Oberste Priorität hat immer, frisch und ausgeruht ins Auto zu steigen.“

Nach seinen Angaben hat ihn dieser Tag durch die Mischung aus Länge, Hektik und Intensität dermaßen viel Energie gekostet, dass er bis in den Renntag hinein bleierne Müdigkeit verspürte und so in seiner Leistungsfähigkeit inner- wie außerhalb des Cockpits während des gesamten Rennwochenendes eingebremst wurde.

Eine ausgewogene Balance zwischen Belastungs- und Erholungsphasen heißt aber auch: Wenn ein Rennfahrer am gesamten Rennwochenende außerhalb des Autos keinerlei Beanspruchung hat, wird sich auch das negativ auf seine fahrerische Leistung auswirken. Der Stress besteht hier gleichsam in der Dauerschonung von Körper und Geist. Die führt dazu, dass im Organismus kaum noch Aktivierendes stattfindet und die Arbeit sämtlicher Systeme, die im Körper Energie produzieren, nach und nach zurückgefahren wird. So wird zwar Energie gespart und bis zu einer gewissen Grenze auch erneuert, gleichzeitig sind in diesem „gedämpften“ Modus aber weder körperliche noch mentale Höchstleistungen möglich.

Befindet sich der Körper länger in einem Schonmodus, dann braucht es Zeit und vor allem Bewegung, damit er wieder in Schwung kommt. Vor allem für Nachwuchsrennfahrer, die vom Kart-Sport in den großen Motorsport wechseln, ist das ein nicht zu unterschätzendes Thema. Kommen die Fahrer bei Kart-Veranstaltung regelmäßig und viel zum Fahren, so ist in den meisten Nachwuchsklassen das genaue Gegenteil der Fall: Die Einsatzzeiten pro Renntag füllen zusammengenommen häufig nicht einmal eine Stunde. Gleichzeitig halten sich auch die Zeiten für Besprechungen und Öffentlichkeitsarbeit noch in deutlichen Grenzen.

Die bei Kart-Veranstaltungen antrainierte Fähigkeit, mit einer hohen zeitlichen Beanspruchung klar zu kommen, trifft im großen Rennsport plötzlich auf die Herausforderung, die Zeit bis zum Einsatz „irgendwie totzuschlagen“. Langeweile und das langsame Zurückfahren der vitalen Funktionen sind häufig die ungute Folge. Sinnvoll wäre hier, vor allem durch Bewegung an der Rennstrecke dafür zu sorgen, dass der Organismus am Wettkampftag auf einem stabilen und leistungsgerechten Aktivitätslevel bleibt.

Sind die äußeren Bedingungen an einem Rennwochenende relativ fest, dann kann ein Rennfahrer nur versuchen, sich daran anzupassen. Er sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten so clever mit Einschränkungen und dem Zuviel oder Zuwenig an Verpflichtungen umgehen, dass seine Leistungsfähigkeit im Auto nicht angekratzt wird. Stimmen im Auto dagegen seine inneren Bedingungen nicht, dann fehlt ihm für optimale Leistung jegliches Fundament. Auch wenn ein Rennfahrer körperlich fit ist, er über exzellentes fahrerisches Können verfügt und dazu noch ideale äußere Bedingungen vorfindet: Auf seiner Gefühls- und Gedankenebene entscheidet sich, ob er seine Möglichkeiten im Wettkampf auch wirklich nutzen kann.

Gefühle und Gedanken stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit unserem Verhalten sowie mit nahezu sämtlichen Vorgängen in unserem Körper. Sie prägen unser Erleben und entstehen durch die Auseinandersetzung mit vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschehnissen. Sie regulieren, motivieren und koordinieren die Art und Weise, wie wir uns verhalten. Im gleichen Zusammenhang bestimmen vor allem die Gefühle grundlegende körperliche Dinge wie den Herzschlag, die Spannung in unseren Muskeln und die Aktivität unserer Organe, darunter auch des Gehirns. Aus diesem Grund stellt die Gefühlswelt für alle Hochleistungssportarten – Rennsport inklusive – die wichtigste Einflussgröße auf Erfolgs- oder Misserfolgsbedingungen im Wettkampf dar.

Gefühle sind als erster und grundlegender Taktgeber für unsere Körperreaktionen und unser Verhalten zu verstehen. Selbst die bewussten Gedanken sind ihnen nachgeschaltet. Sie entstehen durch unbewusste, intuitive und blitzschnelle Einschätzungs- und Bewertungsprozesse, die davon bestimmt werden, welche Erfahrungen eine Person in ihrem bisherigen Leben gemacht hat, welche Überzeugungen und Bedürfnisse in ihr wohnen und wie sie sich die Dinge erklärt, die in ihrem Leben passieren. Grundlegende, angeborene Persönlichkeitseigenschaften mischen dabei übrigens kräftig mit. Gefühle wirken in uns als Antriebskräfte, die unmittelbare Auswirkungen auf die Energiebereitstellung sowie auf Stärke und Ausrichtung der körperlichen und geistigen Aktivierung haben.

Grundgefühle wie Angst oder Freude beeinflussen unsere gedankliche Ausrichtung und die Energiebereitstellung im Körper in völlig unterschiedlicher Art und Weise. Beide Gefühlsrichtungen führen zu einer allgemeinen körperlich-mentalen Aktivierung, zu beobachten etwa anhand einer Herzfrequenzerhöhung. Allerdings ist der Cocktail der Hormone, die der Körper zur Aktivierung ausschüttet, in beiden Fällen völlig unterschiedlich. Wie ich im Folgenden darstellen werde, ist ein Rennfahrer je nach Zusammensetzung des Hormoncocktails entweder hochleistungsfähig und hellwach, unteraktiviert und müde oder völlig überaktiviert und nicht mehr in der Lage, sich und seine Aktionen im Rennwagen zu kontrollieren.

Unser bewusster Verstand kann sich in das körperlich-mentale Geschehen erst nach dem ersten Gefühlsimpuls einklinken. Aus diesem Grund ist unsere bewusste Gedankenwelt immer automatisch gefärbt und vorjustiert durch unsere Gefühlslage. Die Ursache für die „Macht der Gefühle“ liegt im Aufbau unseres Gehirns. In unserer stammesgeschichtlichen Entwicklung hat sich die Schaltstelle, die für unsere Gefühle zuständig ist, lange vor unserem Großhirn (dem Ort, an dem unsere bewussten Gedanken entstehen) entwickelt.

Diese Schaltstelle ist in unserem Stammhirn unmittelbar mit dem Nervensystem verbunden, das die grundlegenden lebens- wie überlebenswichtigen Funktionen in uns steuert. Mithilfe von unzähligen Hormonen sorgt dieses so genannte vegetative Nervensystem (Begriffsklärungen siehe unter 3.2) unter anderem dafür, dass sämtliche Herz-Kreislaufvorgänge inklusive der Atmung reguliert werden und sich Dinge wie die Spannung in unseren Muskeln, die Weite der Pupillen in unseren Augen sowie grundlegenden Funktionsabläufe in unserem Gehirn an die wahrgenommenen Umweltbedingungen anpassen.

Eine direkte Verbindung zwischen dem vegetativen Nervensystem und dem Ort in unserem Gehirn, in dem unsere bewussten Gedanken entstehen, gibt es dagegen nicht. Das ist der Grund, warum Gefühle Körperfunktionen beeinflussen und Verhaltensimpulse bereits in Gang setzten können, bevor wir die Chance bekommen, uns mithilfe unseres Verstandes bewusst mit der Situation auseinanderzusetzen. Und fallen die ersten Gefühlsimpulse massiv aus, dann hat der bewusste Verstand in der Regel kaum eine Chance mehr, die Angemessenheit zu hinterfragen. Im Extremfall wird das Verhalten dann durch rein affektiv gesteuerte Impulse1 bestimmt und rationale Gedankenvorgänge (also die Vernunft) bleiben außen vor.

Sind die Gefühlsimpulse dagegen nicht allzu extrem, dann können wir die Situation mithilfe unseres Verstandes überprüfen und gegebenenfalls neu bewerten.

1 affektive Impulse: starke Gefühle, die direkte Auswirkung auf das Handeln haben und sich im Moment des Auftretens der bewussten Hinterfragung und Steuerung entziehen.

In diesem Fall können Gedanken dazu führen, dass sich Gefühle abschwächen oder eine andere Richtung einnehmen. Andersherum können Gedanken aber natürlich ebenso dazu beitragen, dass die Gefühle erst so richtig in Wallung geraten. Inhalt und Richtung von Gedanken entscheiden stark mit, wie es um die Gefühlswelt des Rennfahrers bestellt ist. Ihr Einfluss darauf, ob ein Rennfahrer blockiert oder frei auffahren kann, ob er eher unsicher an den Start geht oder sich voll auf das optimal schnelle Fahren seines Rennwagens konzentrieren kann, ist enorm.

Die Wettkampfsituation stellt in allen Sportarten zwar den Normalfall dar, für die innere Gefühls- und Gedankenwelt von Athleten ist sie aber trotzdem etwas ganz Besonderes. Ein Wettkampf macht ungeschminkt deutlich, ob das Können ausreicht, ob sich der Trainingseinsatz gelohnt hat und ob der Traum einer Karriere und der damit verbundenen Annehmlichkeiten Nahrung erhält oder im Extremfall sogar aufgegeben werden muss. Nach Eberspächer (2007) zeichnet sich die Wettkampfsituation vor allem durch fünf potenziell Stress erzeugende Faktoren aus:

 hohe Eigenerwartung: Jeder Sportler möchte im Wettkampf ganz bewusst eine Top-Leistung abliefern und beste Ergebnisse erreichen. Diese hohe Erwartungshaltung lässt sich bei Rennfahrern etwa an Kommentaren erkennen wie: „Jetzt zählt es“ – „Ich darf jetzt keine Fehler machen“ – „Jetzt gebe ich 110 Prozent“.

 hohe Fremderwartung: Auch Team und Angehörige, vor allem aber auch Mäzen, Sponsoren und Öffentlichkeit signalisieren häufig mit Worten, Gesten und Taten, dass sie im Wettkampf eine Top-Leistung vom Sportler erwarten, maximalen Einsatz sehen wollen und nur bei guten Ergebnissen zufrieden sein werden.

 nicht wiederholbar: Der entscheidende Unterschied zwischen Training und Wettkampf liegt auf der Hand: Es gibt im Wettkampf keinen doppelten Boden. Für den Autorennsport bedeutet dies, dass nach dem Ende des Qualifyings respektive mit dem Fallen der Zielflagge das Ergebnis unumstößlich feststeht. Die Leistung muss dann ohne Wenn und Aber erbracht sein.

 hat Konsequenzen: Vielleicht der größte Druckfaktor im modernen Leistungssport ist der Umstand, dass Ergebnisse nicht wertfrei sind, sondern massive Konsequenzen nach sich ziehen. Für den Autorennsport heißt das: Ergebnisse aus Zeittrainings, vor allem aber aus Rennen modulieren auf der einen Seite Selbstbild, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, zum anderen entscheiden sie aber stets auch über den Marktwert und damit über die künftigen Möglichkeiten eines Fahrers.

 ist zeitlich vorgegeben: Im Training beginnen Sportler und Teams meist dann, wenn sie „so weit sind“. Im Wettkampf sind Athleten dagegen gezwungen, ihre Vorbereitungen an einer strikten Zeitvorgabe zu orientieren. Anders als bei den vergleichsweise gemütlichen Testfahrten gibt am Rennwochenende der Zeitplan des Veranstalters strikt vor, wann die Leistung stimmen muss.

Ob und wie die Gefühls- und Gedankenwelt eines Rennfahrers durch diese potenziell Stress auslösenden Wettkampffaktoren beeinflusst wird, hat nun ganz entscheidend mit den subjektiven Einschätzungs- und Bewertungsdimensionen zu tun, die in seinem Inneren ablaufen. Diese Prozesse sind abhängig davon,

a) welche Bedeutung das anvisierte Ergebnis für ihn hat,

b) wie hoch er die Schwierigkeit einschätzt, das Ergebnis erreichen zu können, und

c) ob er ausreichendes Vertrauen in seine fahrerischen Fähigkeiten und materiellen Möglichkeiten hat.

Wie im Zusammenhang mit den Gefühlen bereits beschrieben, haben diese Einschätzungen und Bewertungen erst einmal wenig mit kühler und rationaler Abwägung zu tun, sie laufen vielmehr auf unbewusster, eher intuitiver Ebene ab. Dabei kann es je nach Zusammenspiel der drei Dimensionen zu völlig unterschiedlichen Gefühlsimpulsen kommen. Die Abbildungen auf dieser Seite geben einen Überblick darüber, welche Richtungen die Gefühle nehmen können und welche Verhaltenstendenzen dadurch provoziert werden. Dabei bitte ich die Gefühlsquadranten nicht als abgeschlossene Bereiche zu verstehen; die Übergänge sind vielmehr fließend. Für das Thema Wettkampfstress durch innere Bedingungen ist aber entscheidend: Je extremer die Gefühle sind, desto stärker werden dadurch vor und im Wettkampf grundlegende Körperprozesse, das Verhalten sowie die nachgeschalteten, bewussten Gedanken beeinflusst.

Führen die unbewussten Einschätzungs- und Bewertungsdimensionen dazu, dass sich ein Rennfahrer auf den Wettkampf freut und die besondere Situation gerne annimmt, dann hat er alle Möglichkeiten, seine Gedanken auf das optimale Bewegen seines Rennwagens zu konzentrieren. In diesem Fall wird er die Wettkampfsituation als spannende Herausforderung erleben, und seine mentale Ausrichtung kann sich ohne „Störfeuer“ in Richtung Erfolg orientieren. Dabei werden Körper und Geist durch unterschiedlichste Hormone so aktiviert, dass die Abläufe im Gehirn optimal funktionieren und die Muskeln ihre automatisierten Bewegungsaktionen schnellstmöglich und störungsfrei ablaufen lassen können.

Die Vorgänge im Kopf sind unter diesen Umständen vollständig auf das schnelle Fahren konzentriert, bewusste Denkvorgänge beobachten die Szenerie eher und greifen in das Geschehen nur ein, wenn es zu unerwarteten Problemen kommt. Stimmt die Mischung aus Wettkampf- und Ergebnisbedeutung, wahrgenommener Aufgabenschwierigkeit und Vertrauen in das eigene Können, dann kann ein Fahrer im Idealfall den Eindruck bekommen, dass in der Leistungssituation alles „wie von selbst“ abläuft und er sich gar nicht mehr bewusst anstrengen muss. Dieser Zustand wird in der Sportpsychologie schon seit längerem als idealer Leistungszustand oder ideale Leistungszone beschrieben, inzwischen hat sich dafür der Begriff Flow1 durchgesetzt.


Modell der Emotionen und Verhaltenstendenzen im Wettkampf - VORDERSEITE.Unter der Voraussetzung, dass das anvisierte Ergebnis große subjektive Bedeutung hat, entstehen abhängig von der Einschätzung der Aufgabenschwierigkeit und der Bewertung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten intensive und völlig unterschiedliche Gefühle. Diese Gefühle führen zur allgemeinen Über- (rot und gelb) oder Idealaktivierung (grün) und beeinflussen die Verhaltenstendenzen im Wettkampf entsprechend negativ oder positiv.


Modell der Emotionen und Verhaltenstendenzen im Wettkampf – RÜCKSEITE.Hat der Wettkampf für den Teilnehmer keine Bedeutung, dann bleiben intensive Gefühle aus. Es kommt weder zu einer gedanklichen Fokussierung, noch zu einer nennenswerten körperlichen Aktivierung. In Ausnahmefällen kann eine Aktivierung allerdings durch Verärgerung entstehen. Diese führt im Auto jedoch nicht zu einer gedanklichen Fokussierung, sondern eher zu einem aggressiven Verhalten sich selbst und anderen gegenüber.

Allzu gute Gefühle können im Wettkampf allerdings auch gefährlich sein. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sich ein Sportler seines Erfolges zu sicher ist und den Respekt vor der Aufgabe verliert. Obwohl gerne behauptet wird, dass ein unerschütterliches Selbstvertrauen Grundlage für eine erfolgreiche Sportkarriere ist, zeigt die Praxis in nahezu allen Hochleistungsbereichen des Sports, dass zu große Siegesgewissheit dem Erfolg im Wettkampf eher im Weg steht. Eine zu breite Brust führt schnell dazu, dass im Auto die Aufmerksamkeit nachlässt und der Rennfahrer zu leichtsinnig wird. Wenn die Siegesgewissheit gar ein euphorisches Gefühl entstehen lässt, noch bevor die Zielflagge fällt, dann stellt sich zudem noch das Problem körperlicher und mentaler Überaktivierung ein. Die negativen Auswirkungen auf die Konzentration und die Bewegungssteuerung im Auto sind vergleichbar mit denen, die sich bei nachfolgend beschriebenen Wettkampfängsten ergeben.

Ängste erlebt ein Rennfahrer vor und im Wettkampf, wenn er tief in seinem Inneren eher daran zweifelt, dass sein Können und seine Möglichkeiten ausreichen, um das von ihm selbst und von seinem Umfeld anvisierte Wettkampfergebnis zu erreichen. Die Angst vor dem Misserfolg wächst umso stärker, je bedeutsamer der Wettkampf für den Rennfahrer ist und je schwerer das Gewicht der oben genannten fünf Faktoren der Wettkampfsituation auf ihm lastet.

Diese Ängste entwickeln sich aus einem Gefühl des Kontrollverlusts und der Überforderung heraus. Den Wettkampf nimmt der Rennfahrer dann immer mehr als massive Bedrohung wahr. In dieser Gefühlslage gerät er blitzschnell in eine Stressspirale. Sein Körper reagiert mit einem typischen, für Rennfahrer höchst ungünstigen Muster. Dieses Muster lässt sich bei nahezu allen Lebewesen finden und ist in uns als Notfallprogramm gespeichert. Unseren Vorfahren half es über Jahrtausende hinweg, lebensbedrohliche Situationen zu überstehen. Leider stehen die Auswirkungen dem schnellen Fahren eines Rennwagens völlig im Wege und reduzieren darüber hinaus die Möglichkeit, das Geschehen mithilfe bewusster Vernunftentscheidungen zu regulieren.

In Situationen, die wir als bedrohlich wahrnehmen, führt das Angstgefühl zu Körperreaktionen, die viel Energie freisetzen und uns erlauben, schnell und instinktiv auf den Bedrohungsreiz zu reagieren. Gewährleistet wird dies durch die blitzschnelle Ausschüttung und Ausbreitung so genannter Stresshormone (siehe 3.2). Diese lösen binnen Sekundenbruchteilen dramatische Veränderungen im gesamten Körper aus. So wird die Bewegungsmuskulatur angespannt und durch unterschiedliche Körperprozesse, etwa die Steigerung der Herzfrequenz, mit der größtmöglichen Energiemenge versorgt. In einer Gefahrensituation hat die Muskulatur damit alles, um auf einen Gegner mit maximal möglicher Kraft einschlagen oder so schnell wie möglich vor ihm weglaufen zu können. Beim Fahren eines Rennwagens ergibt sich allerdings das Problem, dass das Mehrangebot an Energie durch die eher bescheidenen Muskelbewegungen im Cockpit nicht abgebaut werden kann.

1 Flow: ein tranceartiger Bewusstseinszustand, der sich einstellen kann, wenn die Aufgabe herausfordernd ist, das Können stark beansprucht wird und die Konzentration ausschließlich auf die Tätigkeit ausgerichtet ist; verbunden unter anderem mit Aufhebung von Zeitgefühl und Selbstwahrnehmung. (Csikszentnihalyi, 1999)

Ayrton Senna

(Formel-1-Weltmeister 1989, 1990, 1992 nach der Pole Position in Monaco 1988)

„Ich realisierte plötzlich, dass ich das Auto nicht mehr bewusst lenkte. Ich fuhr mit einer Art Instinkt, nur dass ich in einer anderen Dimension war … ich fuhr und fuhr, mehr und mehr und mehr und mehr … es machte mir Angst, weil ich jenseits meines bewussten Verstandes war.“ (Moran im Jahr 1996 zitiert von Kogler im Jahr 2006, S. 74)

Nico Rosberg

(Formel-1-Rennfahrer, über seinen Fehler beim Monaco Grand Prix 2006)

„Ich hatte zu viel Selbstvertrauen. Das ganze Wochenende lief so gut, ich habe mich so wohl gefühlt und habe zu viel riskiert.“ (aus einem Interview im Kölner Stadt-Anzeiger Nr. 143-2006, S. 36)

Die Folge ist eine anhaltende Überaktivierung des gesamten Bewegungsapparates. So wird die Fähigkeit, den Krafteinsatz von Bewegungen zu dosieren, massiv gestört. Aus diesem Grund fallen die Aktionen eines Fahrers im Cockpit umso gröber, hektischer und unkoordinierter aus, je mehr er unter Stress steht. Zudem führt die erhöhte Muskelgrundspannung dazu, dass die Wahrnehmungsmöglichkeiten der kinästhetischen Rezeptoren (siehe 2.5) in der Muskulatur gestört werden. Das trägt wiederum dazu bei, dass sich bei einem Rennfahrer die Sensibilität für die Reaktionen seines Fahrzeugs immer mehr verringert. Auf „rennfahrerisch“ heißt das: Unter Stresseinfluss ist die Sensibilität des Popometers gestört.

Werden einem Rennfahrer unter Stress durch die Überaktivierungsphänomene die körperlichen Leistungsgrundlagen entzogen, so wird die Leistungsfähigkeit des Gehirns von den Stresshormonen direkt angegriffen. Durch den speziellen Hormon-Mix werden im Gehirn zahlreiche Abläufe gestört, die für das schnelle Fahren eines Rennwagens extrem relevant sind.

In einer Überlebenssituation ist schnelles Handeln notwendig, zu langes Nachdenken kann tödlich enden. Um Verteidigungs- oder Fluchtimpulse direkt ins Handeln umzusetzen, blockieren daher in unserem Gehirn unter Stress bestimmte Hormone (u.a. Adrenalin und Cortisol; siehe 3.2) zunehmend Verbindungen, die wir für unsere bewussten, relativ langsamen Gedankenvorgänge benötigen. Konzentrationsstörungen, festhängende Gedanken und ausgeprägte Denk- und Erinnerungsblockaden sind die Folge. Für den Rennfahrer heißt das, die Gedanken lösen sich immer mehr von der Konzentration auf das, was im Auto zu tun ist, um schnell und erfolgreich zu sein, und beschäftigen sich mit zunehmender Intensität mit Misserfolgs- und Katastrophenszenarien. Im Extremfall kommt es dann zum reinen Handeln im Affekt1. In diesem Fall steht der Rennfahrer unter so viel Stress, dass sein Verhalten im Auto nur noch durch Panikattacken bestimmt wird.

Unter dem Einfluss von Stresshormonen werden zudem wichtige Wahrnehmungskanäle gekappt. Im Überlebenskampf hilft es einfach nicht, wenn etwa Schmerzen wahrgenommen werden. Für einen Rennfahrer heißt das aber leider: Wenn er unter übermäßigem Stress steht, verliert er wichtige Grundlagen, um die Signale aus der Umwelt und die Reaktionen seines Autos zu einer ganzheitlichen Wahrnehmung verschmelzen zu lassen.

Verstärkt wird dieser Effekt durch zunehmende Abrufstörungen gespeicherter Bewegungs- und Reaktionsprogramme. Solange die bedrohliche Situation anhält, befinden sich in unserem Gehirn jene Bewegungsprogramme und Reflexe auf der Vorfahrtsstraße, die nur mit Draufhauen oder maximal schnellem Laufen zu tun haben. Automatisierte Bewegungen, mit denen ein Rennwagen ans Limit gebracht werden kann, sind in diesem Moment für den Organismus nicht relevant und werden daher blockiert.

Zum Thema Wettkampfstress durch innere Bedingungen kann summa summarum also gesagt werden: Je stärker der Rennfahrer vor oder in einem Wettkampf unter Druck gerät und je mehr dabei ein ungebremstes Angstgefühl in ihm wächst, desto mehr wird ihn das belasten und desto weniger wird er in der Lage sein, im Auto optimale Leistung zu liefern. Unter Einfluss von Stress wird er seine Gefühle, seine Gedanken, seinen Körper und sein Verhalten immer weniger auf das schnelle und vorausschauende Fahren konzentrieren können. Platt gesagt: Die unter Stress automatisch ablaufenden Körperreaktionen führen dazu, dass ein Rennfahrer im Cockpit ein wenig dümmer wird und zugleich ungeschickter agiert!

1 Handeln im Affekt: in großer Erregung begangene Handlung, die ohne bewusste Steuerung abläuft.

Dass der Stresseinfluss für einen Fahrer nicht mehr kontrollierbar ist, zeigt sich, wenn er trotz guter Kondition nicht mehr in der Lage ist, seine Rundenzeiten zuverlässig zu treffen, wenn er beim Fahren stümperhaft anmutende Fehler begeht oder wenn er „mit der Brechstange vorgeht“. Und wie der folgende Praxisbericht zeigt, können selbst die Besten einem Stress erliegen, der aus der Kombination einer großen Wettkampfbedeutung mit einem unangenehmen Wettkampfverlauf entsteht – zumindest solange, bis sie sich mit den Entwicklungsschritten zur mentalen Stärke beschäftigt haben (siehe unter Punkt 6).

Nikolas Hülkenberg über einen schmerzlichen Blackout in jungen Jahren:

„In meinem letzten Kart-Jahr, 2004, trat ich als damals 16-Jähriger an, meinen 2003 souverän errungenen Titel ‚Deutscher Kart Meister‘ zu verteidigen. Vor dem letzten Meisterschaftslauf in Kerpen führte ich die Tabelle mit 15 Punkten vor Helmut Sanden an, meinem einzig verbliebenen Konkurrenten um den Titel. Dieser Vorsprung war auch nach dem Zeittraining (2 Punkte für Sanden für die Pole Position) und dem Prefinale (Platz 2/10 Punkte für mich, Platz 3/8 Punkte für Sanden) noch vorhanden. Vor dem Finale war klar: Würde ich keine Punkte holen, bräuchte Sanden für die Meisterschaft mindestens Platz 3. Würde Sanden gewinnen, so müsste ich mindestens Platz 5 einfahren, um meinen Titel zu verteidigen. Ich hatte also quasi ‚Matchball‘. Bereits in der ersten Runde fuhr sich Sanden auf Platz 2 nach vorne, ich startete eher defensiv und lag zu diesem Zeitpunkt unbedrängt auf Platz 4. Dass ich damit bequem auf Meisterschaftskurs lag, war allerdings nicht so richtig im Focus meiner Gedanken. Meine Aufmerksamkeit war vielmehr darauf eingeengt, im Rennen den direkten Anschluss zu Sanden bloß nicht zu verlieren. Ich war wie getrieben von dem Gedanken, dass in diesem Fall die Meisterschaft ja garantiert wäre. Entsprechend ‚gepolt‘, erlebte ich durch die Tatsache, dass zwischen mir und Sanden ein Konkurrent lag, sofort einen enormen Stress.