Kitabı oku: «Internal Investigations», sayfa 54
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 9. Kapitel Hinweisgebersysteme des Unternehmens › VIII. Schlussbemerkung
VIII. Schlussbemerkung
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Im Ergebnis ist festzustellen, dass fachlich anerkannte Hinweisgebersysteme – ungeachtet etwaiger Verbesserungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes – unverzichtbar sind, um interne Ermittlungen in gebotenem Umfang und erforderlicher Qualität durchführen zu können. Sie können diese Wirkung aber nur entfalten, wenn sie professionell implementiert, nachhaltig beworben und gepflegt werden. A la longue kann dies in Abkehr von vermeintlichem Denunziantentum auch in Deutschland zu einer altruistischen Whistleblower-Kultur führen.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 9. Kapitel Hinweisgebersysteme des Unternehmens › IX. Praxistipp: Anforderungen an einen externen Ombudsmann
IX. Praxistipp: Anforderungen an einen externen Ombudsmann
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Für Unternehmen, die einen Ombudsmann berufen wollen, stellt sich regelmäßig die Frage nach dessen Anforderungsprofil.[1] Allgemein lassen sich dazu folgende Kriterien festhalten:
– | zugelassener Rechtsanwalt mit längerer Berufserfahrung, |
– | Erfahrungen auf strafrechtlichem und/oder arbeitsrechtlichem Gebiet als Anwalt oder Berater, |
– | Erfahrungen im Compliance-Bereich, |
– | vertraut mit der Arbeit von Revision und Unternehmenssicherheit, |
– | vertraut mit unternehmensinternen Recherchen (Möglichkeiten und Grenzen), |
– | Erfahrungen im Umgang mit Ermittlungsbehörden, insbesondere Polizei, Staatsanwaltschaft, Zoll- und Steuerbehörden, |
– | gute Kenntnisse des Strafrechts und Strafprozessrechts, des allgemeinen Zivilrechts, des Arbeitsrechts und Datenschutzrechts, |
– | Grundkenntnisse der Kriminalistik, |
– | vertraut mit Abläufen in (international tätigen) Wirtschaftsunternehmen, |
– | vertraut mit typischen Fragestellungen und Aufgaben der Hinweisgeberbetreuung, |
– | Einfühlungsvermögen, Geduld, psychologische Grundkenntnisse, |
– | gute Erreichbarkeit insbesondere auch außerhalb üblicher Bürozeiten, |
– | Englisch, ggf. weitere Fremdsprachen. |
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Bevorzugt wird überwiegend ein Ombudsmann, der seine Kanzlei nicht am Sitz des Unternehmens hat. Ausgeprägte Strafverteidiger werden seltener mandatiert. Anwälte aus kleineren Kanzleien werden wegen der geringeren Gefahr von Interessenkollisionen meist bevorzugt vor Mitarbeitern von Großkanzleien. Der Ombudsmann „muss ein Gesicht haben“, weshalb die Funktion an eine einzelne Person gebunden ist und nicht von einer Kanzlei und wechselnden Sachbearbeitern wahrgenommen werden kann.
Anmerkungen
[1]
Siehe dazu auch Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann S. 171.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 10. Kapitel Amnestie- und Kooperationsprogramme
10. Kapitel Amnestie- und Kooperationsprogramme
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
II. Nutzen von Amnestie- und Kooperationsprogrammen
III. Inhaltliche Ausgestaltung von Amnestie- und Kooperationsprogrammen
IV. Umsetzung des Amnestie-/Kooperationsprogramms im Unternehmen
Literatur:
Annuß/Pelz Amnestieprogramme – Fluch oder Segen?, BB-Beilage 2010 Nr. 4, S. 14; BRAK „Thesen der BRAK zum Unternehmensanwalt im Strafrecht“, Stellungnahme Nr. 35/2010; Klasen/Schäfer Whistleblower, Zeuge und „Beschuldigter“ – Informationsweitergabe im Spannungsfeld grundrechtlicher Positionen, BB 2012, 641; Wastl/Pusch RdA 2009, 376; Wybitul BB 22/2011, VI.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 10. Kapitel Amnestie- und Kooperationsprogramme › I. Einführung
I. Einführung
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Amnestie- oder Kooperationsprogramme zielen darauf ab, Mitarbeiter gegen unternehmensseitigen Verzicht auf (bestimmte) arbeits- und zivilrechtliche Sanktionen zur Mitwirkung an der internen Aufklärung und zur Offenlegung eigenen oder fremden Fehlverhaltens zu bewegen.
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Spätestens seit der sog. SIEMENS-Affäre und den in diesem Zusammenhang von einer amerikanischen Anwaltskanzlei geführten internen Ermittlungen hat der Begriff des Amnestieprogramms einen festen Platz im Rahmen eigener Aufklärungsbemühungen von Unternehmen bekommen.[1] Die Beteiligung von Mitarbeitern an der Aufklärung relevanter Sachverhalte im Rahmen von Kooperations- oder Amnestieprogrammen ist allerdings seit jeher ein wichtiges Element unternehmensinterner Untersuchungen, auch wenn nachhaltige öffentliche Diskussionen erst seit dem erwähnten SIEMENS-Verfahren stattgefunden haben.
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Anlass für die Durchführung solcher Programme ist häufig das Bekanntwerden von Ermittlungen der Staatsanwaltschaften oder von bevorstehenden Außenprüfungen durch die Steuerbehörden. In diesen Fällen stellen Unternehmen mittlerweile regelmäßig eigene Aufklärungsbemühungen an, um die behördlichen Ermittlungen zu unterstützen und sie möglichst zeitlich wie auch sachlich zu begrenzen. Außerdem dient diese Form der Kooperation der Schadensbegrenzung in der öffentlichen Wahrnehmung und kann zur Wiederherstellung der vergaberechtlichen Zuverlässigkeit im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen führen. Daneben gibt es unternehmensinterne Aufklärungsbemühungen, die ohne einen derartigen Anlass erfolgen. Auslöser sind dann oftmals Wechsel in der Unternehmensführung. Erkennt die neue Geschäftsleitung kritische Vorgänge aus der Vergangenheit, so dient die interne Aufklärung häufig der Erfüllung steuerlicher Berichtigungspflichten nach der Abgabenordnung (§ 153 AO).
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Kooperations- und Amnestieprogramme, die Teil derartiger Aufklärungsbemühungen sind, können für die mit der Aufklärung befassten internen „Ermittler“ in kurzer Zeit bedeutende Erkenntnisgewinne bringen, die mit anderen Mitteln entweder nie oder allenfalls mit sehr viel größerem Aufwand erzielt werden könnten. Allerdings bergen derartige Programme, in denen kooperationsbereiten Mitarbeitern regelmäßig Zugeständnisse arbeits- und zivilrechtlicher Art gemacht werden,[2] auch Gefahrenpotential für das Unternehmen und die Unternehmensleitung. Daher ist vor der Entscheidung über die Durchführung von Kooperations- und Amnestieprogrammen ein sorgfältiger Abwägungsprozess über das „Ob“ und das „Wie“ geboten.
Anmerkungen
[1]
Weitere erfolgreich durchgeführte Amnestieprogramme etwa bei dem Essener Industriedienstleister Ferrostaal (vgl. Handelsblatt v. 19.7.2010, 24) und der MAN-Unternehmensgruppe (vgl. Handelsblatt v. 19.5.2009, 14).
[2]
Vgl. Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 721.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 10. Kapitel Amnestie- und Kooperationsprogramme › II. Nutzen von Amnestie- und Kooperationsprogrammen
II. Nutzen von Amnestie- und Kooperationsprogrammen
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Möchte sich ein Unternehmen um die Aufklärung „kritischer“ Sachverhalte bemühen, wird häufig erwogen, Amnestie- oder Kooperationsprogramme für Mitarbeiter aufzulegen. Angesichts der Häufigkeit solcher Verfahren in den letzten Jahren entsteht mitunter der Eindruck, dass diese weniger auf der Grundlage vorheriger Überzeugungsbildung erfolgen, sondern weil diese eher „en vogue“ oder vermeintlich notwendiger Bestandteil interner Aufkärungsarbeiten sind. Tatsächlich bieten derartige Programme große Vorteile, sind aber keineswegs immer erforderlich oder sinnvoll.
1. Vorteile von Amnestie- und Kooperationsprogrammen
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Die Beteiligung der Mitarbeiter des Unternehmens an der Aufklärung potentiell „kritischer“ Sachverhalte durch Amnestie- und Kooperationsprogramme bietet eine ganze Reihe von Vorteilen, von denen einige hier beispielhaft aufgezählt werden:
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Schnelle Aufklärung/unmittelbare Wahrnehmung
Durch kooperationsbereite Mitarbeiter, die selbst an kritischen Sachverhalten beteiligt waren, können die Tatsachen in kurzer Zeit vollständig aufgeklärt werden. Hat es tatsächlich kritische Sachverhalte (z.B. Bestechungs- oder Untreuedelikte) gegeben, so waren daran üblicherweise Mitarbeiter des Unternehmens aktiv beteiligt. Sie können aus eigener Wahrnehmung die Vorgänge schildern, Hintergründe darstellen sowie Belegmaterial beschaffen und erläutern. Die Mitarbeiter können gezielt sachdienliche Hinweise geben und dadurch die Arbeit der internen Prüfer ganz erheblich erleichtern, weil Zusammenhänge schneller klar werden.
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Das ist z.B. bei solchen Korruptionssachverhalten besonders hilfreich, in denen kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Auftragseingängen und „Provisionszahlungen“ ersichtlich ist:
– | Für den Auftrag A eines öffentlichen Auftraggebers ist kein Provisionsaufwand gebucht. Für den Auftrag B eines privatwirtschaftlichen Auftraggebers ist Provisionsaufwand gebucht, der aber nicht an einen Vermittler des Auftrages B fließt, sondern an den Schwiegersohn des kommunalen Angestellten, der Einfluss auf die Vergabe des Auftrages A genommen hat. Auf diese Weise wird die Zahlung einer Provision im Zusammenhang mit einem öffentlichen Auftrag verschleiert und das „Aufdeckungsrisiko“ aus Tätersicht verringert. |
– | Für den Auftrag des privatwirtschaftlichen Auftraggebers C ist kein Provisionsaufwand gebucht. Im Bereich allgemeine Öffentlichkeitsarbeit/Sponsoring sind Zahlungen für einen „Radrennstall“ erfasst, der tatsächlich nur einen Fahrer im Kader hat, der zudem inaktiv ist: Den Sohn des Leiters der Auftragsvergabe der Firma C. Auch hier wird durch die Verschleierungsmethode die Aufdeckung erheblich erschwert, weil im Auftrag selbst keine Provisionsbuchung erkennbar ist und die Vorteilsgewährung auch nicht an anderer Stelle als Provisionsaufwand erfasst wird. |
– | Ein Konzern „ködert“ Mitarbeiter des Auftraggebers, indem für die Vergabe eines Auftrages an die eine Konzerngesellschaft Vorteile durch eine andere Konzerngesellschaft gewährt werden: z.B.: als Gegenleistung für den Kauf von 2 Nutzfahrzeugen erhält der Einkäufer (ohne Wissen des Arbeitgebers) einen beträchtlichen „Nachlass“ beim Kauf eines privaten Pkws. Werden interne Untersuchungen nur in einem Konzernteil durchgeführt, können derartige Konstellationen ohne Mitwirkung der Mitarbeiter im Rahmen von Amnestie- und Kooperationsprogrammen oft nur durch Zufälle aufgedeckt werden. |
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Beseitigung von Unklarheiten aus der „Aktenlage“
Unklarheiten, die trotz sorgfältiger Prüfung von Rechnungswesen, Auftragsunterlagen, Korrespondenz etc. verbleiben, können durch die ergänzenden Angaben von Mitarbeitern beseitigt werden. Selbst die gründlichste Auswertung von Daten und Dokumenten führt nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen, sondern führt oft in „Sackgassen“, wie folgende Praxisbeispiele verdeutlichen sollen:
– | Bei Zahlungen an ausländische „Briefkastengesellschaften“ stoßen unternehmensinterne Ermittlungen schnell an ihre Grenzen. So kann anhand der Dokumentenlage oft nicht geklärt werden, ob hinter einer bestimmten Briefkastengesellschaft ein Mitarbeiter des Auftraggebers steht (mögliches Bestechungsdelikt), oder ob es ein tatsächlicher Vermittler ist, der aus sonstigen – strafrechtlich unbedenklichen Gründen – eine Gesellschaft zwischengeschaltet hat. |
– | Bei Zahlungsempfängern in asiatischen Ländern kommt es häufig zu Namensgleichheiten, so dass die Namen von Vermittlern/Zahlungsempfängern und Mitarbeitern im Unternehmen des Auftraggebers identisch sind, ohne dass dies notwendigerweise eine Personenidentität bedeutet. Mitarbeiterauskünfte im Rahmen von Kooperationsprogrammen können hier aufwendige Ermittlungen (mit oft ungewissem Ausgang) ersparen und zielführende Erkenntnisse zu Tage fördern. |
– | Ebenfalls nur schwer aufklärbar ohne die Mitwirkung der Unternehmensmitarbeiter sind Fälle, in denen Provisionszahlungen an scheinbar legale Empfänger fließen, hinter denen sich dann aber Mitarbeiter des Auftraggebers verbergen, die an den Zahlungen partizipieren. Die Weiterleitung von korruptionsbefangenen Zahlungen durch scheinbar legitime Empfänger ist in der Praxis relativ beliebt, weil es ein ebenso einfaches wie effektives Mittel zur Verschleierung der tatsächlichen Empfänger ist. |
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Die Aussagen der Mitarbeiter ergeben in derartigen Fällen zusammen mit den Unterlagen, die im Rahmen der weiteren internen Ermittlungsmaßnahmen ausgewertet werden, ein vollständiges Bild, so dass Sachverhalte lückenlos und zweifelsfrei aufgeklärt werden können.
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Abkürzung behördlicher Ermittlungen
Ein weiterer Vorteil von Kooperations- und Amnestieprogrammen liegt darin, dass Ermittlungen von Staatsanwaltschaften oder Steuerbehörden erheblich verkürzt werden können, was ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Abwägungsprozesse sein kann. Erstens können durch Mitarbeiterauskünfte Sachverhalte insgesamt schneller aufgeklärt und den Ermittlungsbehörden in aufbereiteter Form zur Verfügung gestellt werden, zweitens ersparen die Befragungen im Rahmen von Amnestie- oder Kooperationsprogrammen den Beteiligten vielfach die Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft oder verkürzen diese deutlich. Werden die Anforderungen an die Befragungen und die Niederschriften zuvor mit den Ermittlungsbehörden abgestimmt, so verzichten die Behörden in geeigneten Fällen teils gänzlich auf eigene Befragungen, teils lassen sie sich nur den Inhalt der Niederschriften durch kurze eigene Befragungen bestätigen. Dadurch können sich die Ermittlungsbehörden mit ihren begrenzten Ressourcen auf die wichtigen Einzelfälle konzentrieren und die Vorgänge mit geringerer Bedeutung schneller erledigen, z.B. durch Einstellungen nach § 170 Abs. 2 oder nach § 153a StPO im schriftlichen Verfahren. Das Unternehmen kommt durch die Abkürzung der Verfahrensdauer schneller aus der Öffentlichkeit und kann sich früher wieder seinem Kerngeschäft zuwenden.
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Trennung von erfahrenen Mitarbeitern vermeidbar
Vorteilhaft kann sich zudem auswirken, dass eine Trennung von erfahrenen Mitarbeitern und ihrem wertvollen Know-how vermieden werden kann, wenn sie sich für die „Amnestie“ qualifizieren. Gewünscht ist zwar die Aufklärung kritischer Sachverhalte aus der Vergangenheit und deren Vermeidung für die Zukunft; unerwünscht ist jedoch häufig die Konsequenz der Trennung von den verantwortlichen bzw. handelnden Mitarbeitern – sei es, weil sie „nur“ völlig unkritisch eine von Ihren Vorgängern eingeführte und von der Unternehmensleitung nicht abgestellte Praxis quasi als betriebliche Übung fortgesetzt haben, sei es, weil ihr Know-how nahezu unverzichtbar für das Unternehmen ist etc. Die unternehmensinterne Aufklärung kann z.B. ergeben (was in der Praxis nicht selten ist), dass bestimmte unlautere Geschäftspraktiken in nahezu der gesamten Vertriebsorganisation ausgeübt oder zumindest geduldet wurden. Die Trennung von allen an derartigen Verstößen beteiligten Vertriebsmitarbeitern und -verantwortlichen würde aber zum wirtschaftlichen Zusammenbruch des Unternehmens führen. Hier besteht ein Dilemma, das durch Kooperations- und Amnestieprogramme beseitigt werden kann:
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Grundsätzlich kann ein Unternehmen schwerlich Mitarbeiter dulden, die in der Vergangenheit an Korruptionstaten mitgewirkt haben. Ausnahmsweise ist dies aber doch möglich, wenn ein Mitarbeiter im Rahmen von Amnestie- oder Kooperationsprogrammen aktiv an der Aufklärung mitwirkt und ihm als Gegenleistung die Fortbeschäftigung gewährt wird. Selbst vergaberechtlichen Anforderungen kann damit Genüge getan werden, wenn die Fortbeschäftigung mit einer Versetzung auf eine Stelle verbunden ist, aus der heraus keine Wiederholungsgefahr mehr besteht.
2. Mögliche Nachteile von Amnestie- und Kooperationsprogrammen
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Wie oben dargestellt, bieten Amnestie- und Kooperationsprogramme eine ganze Reihe von Vorteile bei der Aufklärung von möglichen (Compliance-)Verstößen. Allerdings sollte man sich auch der möglichen Nachteile bewusst sein, die derartige Programme mit sich bringen können:
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Trennung von Mitarbeitern selbst in schwerwiegenden Fällen kaum möglich
Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass infolge der üblichen Zugeständnisse im Rahmen von Amnestieprogrammen eine Trennung von Mitarbeitern, die am Programm teilnehmen, praktisch nicht mehr oder kaum noch möglich ist. Das kann in Einzelfällen dazu führen, dass Mitarbeiter trotz erheblicher und zahlreicher Verstöße gegen Gesetze oder interne Richtlinien weiterbeschäftigt werden müssen. Dies kann wiederum zu Reibungen innerhalb der Belegschaft führen, weil Mitarbeiter, die sich in der Vergangenheit einwandfrei verhalten haben, die Sanktionsfreiheit bzw. milde Sanktionierung gravierender Verstöße als ungerecht empfinden. Besonderes Unverständnis entsteht z.B. auch dann, wenn aufgrund sonstiger Gründe (wirtschaftliche Schwierigkeiten; Auftragseinbruch) Kündigungen gegenüber „tadellosen“ Mitarbeitern ausgesprochen werden, während andere Mitarbeiter trotz schwerwiegender Verstöße gegen Gesetze/Richtlinien weiterbeschäftigt werden. Auch vergaberechtlich kann eine Weiterbeschäftigung zu erheblichen Schwierigkeiten bis zum Ausschluss des Unternehmens von öffentlichen Vergaben führen. Eine Trennung von diesen Mitarbeitern gelingt dann in der Regel allenfalls über kostspielige Aufhebungsvereinbarungen („golden handshake“).
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Minderung der Schadensersatzzahlungen
Üblicherweise wird gegenüber den Teilnehmern eines Amnestieprogramms auf die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen verzichtet. Dies bedeutet im Ergebnis die endgültige Aufrechterhaltung der Schäden, die durch das gesetzes-/regelwidrige Verhalten des Mitarbeiters eingetreten sind, wenn nicht ein Regress bei Dritten (Zahlungsempfänger von Bestechungszahlungen) möglich ist. In letzterem Fall ist allerdings darauf zu achten, dass der Verzicht gegenüber dem Mitarbeiter nicht so ausgestaltet wird, dass er (unbeabsichtigt) zum Erlöschen des Anspruchs insgesamt führt, so dass auch kein Rückgriff beim Dritten mehr möglich ist (hierzu unten Rn. 20).
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Verlust der Abschreckungswirkung verhaltensbedingter Kündigungen
Zudem geht mit der Durchführung eines Amnestieprogrammes und den damit verbundenen Zusagen an die Teilnehmer auch die Abschreckungswirkung verloren, die von einer internen Aufklärung (ohne Amnestie) und anschließenden „Säuberung“, d.h. Trennung von Mitarbeitern, Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ausgeht. In der Belegschaft könnte der Eindruck entstehen, die Compliance-Richtlinien des Unternehmens seien letztlich nur Lippenbekenntnisse; tatsächlich würde jedoch Fehlverhalten toleriert, solange es nur „dem Unternehmen dient“ und die angemessene Bestrafung der Mitarbeiter würde durch eine Amnestie vermieden.
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Aufdeckungsexzess
Ein weiterer möglicher Nachteil von Amnestieprogrammen (und ganz allgemein von internen Ermittlungen) liegt in einem „Aufdeckungsexzess“. Damit ist gemeint, dass die Ergebnisse der internen Ermittlungen zu einem „Ausufern“ der Feststellungen führen können. Wird z.B. das Amnestieprogramm aus Anlass eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ursprünglich mit dem Ziel der Aufklärung bestimmter (sachlich oder zahlenmäßig begrenzter) Straftaten aufgelegt, so kann durchaus am Ende durch die internen Ermittlungen sehr viel mehr aufgedeckt werden, als dies bei allein staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen der Fall gewesen wäre. Infolgedessen können bspw. die Geldbußen nach § 30 OWiG deutlich höher ausfallen, als dies sonst der Fall gewesen wäre.
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Beschlagnahmerisiko
Schließlich ist auch zu bedenken, dass die Erkenntnisse, die im Rahmen eines Amnestie- oder Kooperationsprogramms gewonnen werden, nicht notwendigerweise so vertraulich bleiben, wie es ursprünglich geplant war. Wie die Entscheidung im Verfahren HSH Nordbank[1] gezeigt hat, ist zu befürchten, dass Niederschriften über Befragungen im Rahmen von Amnestieprogrammen durch Staatsanwaltschaften beschlagnahmt und ausgewertet werden. Im Fall HSH Nordbank hatte eine Anwaltskanzlei eine interne Untersuchung in einer Bank zur Frage möglicher Pflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder durchgeführt. Parallel ermittelte die zuständige Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen frühere Vorstände. Im Rahmen der Ermittlungen wurden bei der Anwaltskanzlei Protokolle von Mitarbeitergesprächen beschlagnahmt, die im Rahmen der internen Untersuchungen geführt worden waren. Das LG Hamburg hielt die Beschlagnahme der Niederschriften, damit im Zusammenhang stehender Dateien und handschriftlicher Aufzeichnungen für zulässig, selbst dann, wenn den befragten Mitarbeitern zuvor die vertrauliche Behandlung der Protokolle zugesichert worden sei.
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