Kitabı oku: «Tax Compliance», sayfa 47
bb) Verfahren bei Abschluss einer TV
260
Die TV kann formlos abgeschlossen werden, also mündlich, telefonisch oder auch mittels elektronischer Kommunikation. Aus Gründen der Beweissicherung soll allerdings eine einfache Niederschrift gefertigt werden.
261
Entscheidend ist, dass bei Abschluss der TV die richtigen Personen handeln. Das sind auf Seiten der Finanzverwaltung nur der Vorsteher des Festsetzungs – Finanzamtes oder sein(e) Vertreter wie der Innendienst – SGL oder –Sachbearbeiter. Der Prüfungsdienst (SGL oder Prüfer) sind nicht befugt zum Abschluss einer bindenden TV. Auf Seiten des Steuerpflichtigen muss dieser selbst oder sein Vertreter handeln.
262
Der Abschluss einer TV soll nicht in einem schriftlichen Verfahren erfolgen. Das bedeutet, dass die Beteiligten (mindestens kurz) zusammen kommen und sich über den anzunehmenden Sachverhalt verständigen müssen (d.h. miteinander sprechen), selbst wenn die Zahlen im Entwurf der TV schon vorher bekannt waren.
263
Die Niederschrift soll die Sachlage, die zur TV geführt hat, kurz darstellen sowie die Ergebnisse der Verständigung. Der Weg zu diesen Ergebnissen muss nicht in der Niederschrift enthalten sein. Da sich nur über Tatsachen verständigt werden kann, darf die Niederschrift keine Ausführungen zu den Rechtsfolgen der TV enthalten mit einer Ausnahme: es muss in eindeutiger und zweifelsfreier Form auf die eintretende Bindungswirkung hingewiesen werden.[103] Alle Beteiligten erhalten eine Ausfertigung der Niederschrift.
cc) Bindungswirkung der TV
264
Die Bindungswirkung der TV tritt für alle Beteiligten bereits mit ihrem Abschluss ein und nicht erst durch Erlass der darauf beruhenden Steuerbescheide. Diese Bindungswirkung ist verhältnismäßig stark. Werden nachträglich Tatsachen bekannt, die beim rechtzeitigen Bekanntwerden dem Abschluss einer TV entgegen gestanden hätten, beseitigt dies die Bindungswirkung nicht.[104]
265
Eine Ausnahme ist nur zu machen, wenn der Steuerpflichtige oder sein Vertreter vorsätzlich steuerlich relevante Tatsachen verschwiegen haben und dadurch wissentlich den Abschluss einer falschen TV erschlichen haben. Hier fällt nicht nur die Bindungswirkung nachträglich weg, sondern in einem solchen Verhalten kann im Einzelfall auch eine Steuerhinterziehung in Form des § 370 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. AO vorliegen.
266
Wenn kein anderweitiger Fehler vorliegt, kann die Bindungswirkung der TV nur im Einvernehmen mit allen Beteiligten nachträglich aufgehoben werden.[105]
dd) Grenzen und mögliche Fehlerquellen einer TV
267
Wenn die Sachverhaltsermittlung möglich und zumutbar ist oder wenn eine Beweislast – Entscheidung möglich ist, darf keine TV abgeschlossen werden. Die TV darf inhaltlich nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen, wie es bei Verstößen gegen Logik und Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorkommen kann.
Beispiel:
Die Verständigung über Umsätze muss berücksichtigen, ob auch die betrieblichen Voraussetzungen (z.B. ausreichender Wareneinkauf, ausreichendes Personal) für diese Umsätze vorhanden waren.
In der TV darf es keine Verständigung über reine Rechtsfragen geben, selbst wenn dies der Beschuldigte gerne möchte. Lediglich die rechtliche Beurteilung von Vorfragen des Sachverhalts (z.B. Angemessenheit von Bezügen) ist möglich.
Beispiel:
Die Verständigung umfasst die gezahlten Schwarzlöhne. Der Steuerpflichtige hat ein Interesse daran, die weitere steuerliche Behandlung zu erfahren, um seine Belastung zu kennen. Die Höhe des auf die Schwarzlöhne entfallenden Lohnsteuersatzes ist aber Rechtsfrage, über die sich nicht verständigt werden darf.
268
Beim Abschluss der TV darf kein Druck auf den Steuerpflichtigen in Bezug auf das Zustandekommen der TV ausgeübt werden, der über die normale mit dem Strafverfahren einhergehende Belastungssituation hinausgeht. Eine Verbindung der TV mit sachfremden Erwägungen (z.B. höhere Strafandrohung, wenn keine TV abgeschlossen wird) ist unzulässig. Es ist jedoch zulässig einen gemeinsamen Abschluss von Besteuerungsverfahren und Strafverfahren anzustreben, selbst wenn steuerlich dabei eine TV abgeschlossen wird.
269
Wahrheitswidrige Angaben des Steuerpflichtigen oder Täuschungen durch ihn oder seinen Vertreter sind schädlich für den mit der TV angestrebten Zweck und können zum nachträglichem Wegfall der Bindungswirkung der TV führen, wenn das Finanzamt Vorsatz nachweisen kann.
270
Ein Hauptfehler bei Abschluss der TV wäre jedoch eine Unzuständigkeit der handelnden Personen (z.B. Steufa-SGL schließt TV für das Finanzamt ab). Aus Seiten der Finanzverwaltung muss der für die Steuerfestsetzung zuständige Beamte die TV unterschreiben. Dazu muss er – wenn auch rudimentär – selbst in die Verhandlungen eingebunden sein. Das BMF-Schreiben vom 30.7.2008 geht fehl mit der Aussage, dass der zuständige Amtsträger beim Abschluss der TV nicht beteiligt sein muss, weil dieser Mangel durch ausdrückliche nachträgliche Zustimmung gegenüber allen Beteiligten geheilt werden könne.[106] Diese Auffassung ist von der Rechtsprechung zur TV nicht gedeckt, weil begrifflich eine Verständigung eine Absprache unter Anwesenden voraussetzt.
c) Strafrechtlicher Abschlussbericht
271
Aus Sicht der Steuerfahndung findet das Strafverfahren seinen (vorläufigen) Abschluss mit dem strafrechtlichen Bericht, in dem die strafrechtlichen Ermittlungsergebnisse unter Verweis auf die diese tragenden Beweismittel zusammengefasst werden. Adressat des strafrechtlichen Berichts ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft, für die idealerweise der strafrechtliche Bericht Vorlage für die Erstellung der Anklageschrift ist.
Regelmäßig lassen sich aus dem strafrechtlichen Abschlussbericht die Zusammenhänge des Falles besser erschließen als aus dem steuerlichen Bericht, weil hier alle für den objektiven und subjektiven Tatbestand bedeutsamen Ermittlungsergebnisse aufgeführt sein müssen[107]. Dazu gehören auch alle für die Berechnung der strafrechtlichen Verjährung erforderlichen Angaben (Datum der Erklärungsabgabe, Datum des Steuerbescheids). Der Ermittlungsanlass ist ebenso aufzuführen wie die Umstände, die für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes sprechen.
272
Auf bestimmte Bereiche des strafrechtlichen Berichts sollte ein besonderes Augenmerk gerichtet werden.
aa) Der subjektive Tatbestand (Vorsatz)
273
Besonders der Vorsatzbereich kommt in vielen strafrechtlichen Abschlussberichten häufig zu kurz, was sich im Regelfall aus der besonderen Struktur des Delikts der Steuerhinterziehung erklärt. Provozierend formuliert „indiziert der objektive Tatbestand die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes!“. Bei den üblichen Begehungsformen trifft dieser Satz auf die Mehrzahl der Steuerhinterziehungen zu,[108] aber eben nicht immer. Es besteht die Gefahr, dass die zweifellos vorhandenen Problemfälle im Vorsatzbereich in den strafrechtlichen Abschlussberichten zu kurz abgehandelt sind bzw. nicht gesehen werden. Die Ermittlungsbehörde muss jedoch den subjektiven Tatbestand genauso ermitteln und nachweisen wie den objektiven Tatbestand, wenn das Delikt einer Steuerhinterziehung bestraft werden soll.
bb) Die strafbefangenen Mehrsteuern
274
Die strafbefangenen Mehrsteuern sind regelmäßig Maßstab für die Schwere der Tat sowie für das sich dadurch verwirklichende kriminelle Unrecht und damit ein wichtiger Anhaltspunkt für Schuld und Strafmaß. Die steuerlichen Mehrergebnisse können regelmäßig dem steuerlichen Prüfungsbericht entnommen werden. Es wäre aber verfehlt, dieses ohne weitere Überlegungen unmittelbar auf das Strafrecht übertragen zu wollen, weil das steuerliche Mehrergebnisse regelmäßig nicht mit dem strafrechtlichen Mehrergebnis identisch ist. Das rührt daher, dass das Steuerrecht als Verwaltungsverfahren anderen Verfahrensgrundsätzen unterliegt als das Strafverfahren. Die Anpassung des steuerlichen Mehrergebnisses für Zwecke des Strafverfahrens muss verschiedene Unterschiede berücksichtigen:
275
a) | Schätzungen müssen in vielen Fällen zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durchgeführt werden. Das gilt sowohl für das Besteuerungsverfahren wie für das Strafverfahren. Beide Verfahren wenden auch grundsätzlich dieselben Schätzungsmethoden an. Kann im Strafverfahren nicht anhand der vorgefundenen Indizien und Beweismittel geschätzt werden, kommt eine generalisierende Schätzung in Betracht. Dazu können insbesondere die Richtsatzwerte der Finanzverwaltung herangezogen werden.[109] Bei der Übernahme des steuerlichen Schätzungsergebnisses ins Strafverfahren sind aber die Ergebnisse daraufhin zu überprüfen, ob sie den strafrechtlichen Grundsätzen genügen, insbesondere dem Grundsatz „in dubio pro reo“ (s.u. Rn. 279 f.). |
276
Während für steuerliche Zwecke bei Verletzung von Mitwirkungspflichten Beweismaßerleichterungen greifen,[110] wodurch sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit der Schätzung verringert, dürfen strafrechtlich aus Mitwirkungsverweigerungen keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Die steuerliche Schätzung darf daher an den oberen Rand des gerade noch möglichen Schätzungsergebnisses gehen, während für die strafrechtliche Schätzung grundsätzlich der untere Schätzungsrahmen maßgeblich ist.[111] |
277
Das gilt jedoch nur soweit als nicht Erkenntnisse über eine besonders gute Ertragslage vorliegen, weil dann nach der BGH-Rechtsprechung[112] trotz des Zweifelssatzes auch ein höherer Richtsatzwert angesetzt werden darf. Dies bedarf jedoch einer ausdrücklichen Begründung, sowohl im Steuerfahndungsbericht wie auch insbesondere im Strafurteil. |
278
b) | Wahl der Gewinnermittlungsmethode Schätzungen folgen grundsätzlich den Regeln der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG über den sog. Bestandsvergleich (Bilanzierung). Hatte jedoch der Beschuldigte bisher sein Wahlrecht für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt, so ist das auch bei der (strafrechtlichen) Schätzung zu berücksichtigen und sein Gewinn nach den Grundsätzen einer Einnahmen – Überschuss – Rechnung (EÜR) zu ermitteln.[113] Der Steuerfahnder bzw. nachfolgend das Gericht im Urteil müssen dazu entsprechende Feststellungen treffen. |
279
c) | Sicherheitszuschläge, die steuerlich gemacht werden dürfen, müssen strafrechtlich wegfallen, weil sie gegen den „in dubio“ – Grundsatz verstoßen würden. |
280
d) | Sicherheitsabschläge sind stattdessen vorzunehmen, wenn nach dem Zweifelssatz der von der Steuerfahndung ermittelte steuerliche Gewinn nach richterlicher Überzeugungsbildung zu hoch sein kann. |
281
e) | Rückstellungen in der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG müssen steuerlich und strafrechtlich unterschiedlich gebildet werden. Im Steuerrecht sind nach der BFH-Rechtsprechung Rückstellungen für betriebliche Mehrsteuern (z.B. Lohnsteuer, Umsatzsteuer) nach einer Steuerfahndungsprüfung aufdeckungsorientiert zurückzustellen, also erstmals im Jahr der Aufdeckung der Steuerhinterziehung für alle noch nicht festsetzungsverjährten Hinterziehungsjahre.[114] Dagegen sind betriebliche Mehrsteuern nach ihrer Aufdeckung durch eine Betriebsprüfung jeweils für das Jahr ihrer Entstehung (entstehungsorientiert) zurückzustellen. Die Verpflichtung zur Entrichtung von bisher nicht abgeführten Sozialabgaben ist nach der BFH-Rechtsprechjung aber immer entstehungsorientiert zu berücksichtigen, also jeweils für die Lohnzahlungszeiträume bzw. das Jahr, in dem die jeweiligen Zeiträume endeten.[115] |
282
Strafrechtlich sollen aber sowohl Mehrsteuern wie Mehrsozialabgaben bei der Gewinnermittlung für das jeweilige Jahr ihrer Entstehung anzusetzen sein, weil sich der Vorsatz des Täters nur auf den durch diese Abzüge geminderten Gewinn erstreckt. |
283
f) | Das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 S. 3 AO) kann aber umgekehrt strafrechtlich zu einem höheren maßgeblichen Gewinn führen als er für Zwecke der Steuer anzusetzen ist. Bestimmte Umstände, die nicht mit der Steuerhinterziehung in Zusammenhang stehen, können zwar die Steuer mindern, dürfen aber für die Schadensberechnung im Strafrecht nicht beachtet werden. Der strafrechtlich anzusetzende Steuerschaden kann daher höher sein als der steuerliche festzusetzende Betrag. |
Beispiel:
Der Steuerpflichtige macht bisher nicht geltend gemachte Vorsteuern in derselben Höhe geltend in der er seine Umsatzsteuer hinterzogen hat. Hängt die Vorsteuer nicht mit den verkürzten Umsätzen zusammen, ist das Kompensationsverbot anzuwenden.
Hängt die Vorsteuer dagegen unmittelbar mit den verkürzten Umsätzen zusammen (Anschaffung genau der Wirtschaftsgüter, bei deren Verkauf die verkürzte Umsatzsteuer entstanden ist), wendet die Verwaltung das Kompensationsverbot nicht an. Anders der BGH, der die Vorteile nicht kompensiert, aber das Problem über den Vorsatz löst.
Wenn nach der Verkürzung der Steuer durch einen zu niedrig erklärten Gewinn ein Verlustfeststellungsbescheid ergeht, der die Steuer auf Null drückt, ist strafrechtlich wiederum das Kompensationsverbot anzuwenden mit der Folge, dass strafrechtlich die hinterzogene Steuer ohne Berücksichtigung des Verlustes anzusetzen ist.
g) | Im Einzelfall können noch weitere Änderungen notwendig sein, je nach richterlicher Überzeugungsbildung. |
cc) Verjährung
284
Steuerliche und strafrechtliche Verjährung folgen grundsätzlich unterschiedlichen Regeln sowohl bei Fristbeginn wie bei Fristdauer und Fristende. Verschiedene gesetzgeberische Versuche zur Herstellung eines Gleichklangs der Fristen mussten daher scheitern (vgl. nur die letzte Änderung des § 371 Abs. 1 AO, die Vereinfachung wollte und Konfusion geschaffen hat). Der Fristberechnung ist daher in jedem Verfahren entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen, um Verfahrensfehler zu vermeiden.
285
Dies gilt auch für den Ansatz der längeren zehnjährigen Verjährung nach § 376 AO in den Fällen einer besonders schweren Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO. Die dort angewandte Regelbeispielstechnik erlaubt nur in den seltensten Fällen eine sichere Prognose, ob eine konkrete Steuerstraftat als besonders schwere Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 3 AO zu subsumieren ist mit der Folge der Verjährungsverlängerung. Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang auch der Effekt einer Zusammenballung von Mehrsteuern, durch welche die Schwelle des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO überschritten wird, die der BGH bei 50 000 EUR pro Tat annimmt.[116]
Beispiel:
Durch unzutreffende Anmeldung werden jeden Monat 10 000 EUR Umsatzsteuer verkürzt. Die Grenze ist jeweils nicht überschritten. Wenn auch die Jahreserklärung dieselben falschen Zahlen aufweist, kann diesbezüglich eine besonders schwere Tat nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO vorliegen, weil die Grenze mit 120 000 EUR überschritten ist.
dd) Einsicht in den strafrechtlichen Bericht
286
Der strafrechtliche Abschlussbericht wird zunächst nur intern der Bußgeld- und Strafsachenstelle oder der Staatsanwaltschaft übersandt. Eine Kopie für den Beschuldigten ist nicht vorgesehen, kann aber im späteren Verfahren im Wege der Akteneinsicht erlangt werden. Auch einem vorherigen Antrag auf Übersendung des strafrechtlichen Berichts wird gelegentlich (ohne Rechtsanspruch) entsprochen.
d) Taktik beim Verfahrensabschluss
287
Das Steuerstrafverfahren kann durch Kooperation mit der Ermittlungsbehörde in viel größerem Umfang positiv beeinflusst werden als dies bei anderen Strafverfahren der Fall ist. Eine wichtige Rolle spielt der Faktor Zeit: Wenn sich die Ermittlungsbehörde zeitraubende weitere Ermittlungen ersparen kann, ist sie häufig auch bereit, bei der Höhe des Steuerschadens Abstriche zu machen. Das kann ausgelotet werden durch frühzeitige Kontakte im persönlichen Gespräch.
288
Dabei kommt es entscheidend auf den Eindruck an, den die Beteiligten voneinander gewinnen. Überheblichkeit ist von beiden Seiten schädlich. Sowohl die Ermittlungsbehörde kann sich verrennen in ihrer Einschätzung der Gewichtigkeit des Falles (etwa viel zu hohe Einschätzung des steuerlichen Schadens) wie auch der Verteidiger kann falsch liegen („Verdächtigung Unschuldiger“). Möglicherweise muss man sich an dieser Stelle wieder trennen und eine Zeitlang die weiteren Ermittlungen abwarten. Meistens schaffen diese in der einen oder anderen Richtung eine gewisse Klarheit, so dass nach einiger Zeit ein weiterer Verständigungsversuch sinnvoll sein kann. Letztlich hängt dies jedoch immer von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab.
Was jedoch auf jeden Fall versucht werden sollte, ist der gleichzeitige oder zumindest koordinierte Abschluss von Besteuerungsverfahren und Strafverfahren. Es sollten Veranlagungsstelle und Bußgeld- und Strafsachenstelle an einen Tisch geholt werden und alle Bereiche gemeinsam angeschlossen werden. Steuerlich ist hierbei die tatsächliche Verständigung das Mittel der Wahl, deren Abschluss jedoch strafrechtlich nicht als Geständnis zu werten ist. Das deutlich zu machen ist der Einstieg in die gleichzeitige strafrechtliche Erledigung des Verfahrens, bei der das ehrgeizige Ziel eines Verfahrenseinstellung ohne jede Sanktion (§§ 170 Abs. 2, 153 StPO) oder gar Freispruch nur selten erreicht werden wird. Realistischer wird als erstes Ziel eine Verfahrenseinstellung gegen Auflage nach § 153a StPO angestrebt werden können. Hierbei ist jedoch bundesweit eine erhebliche Spannbreite festzustellen, bis zu welchen Hinterziehungsbeträgen einer Einstellung (noch) zugestimmt wird.
289
Ist der Vorwurf schwerwiegender, ist der Fall an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Es sollte aber meist gelingen, auch mit dem Staatsanwalt in Kontakt und zu einer Übereinkunft zu gelangen, zumindest in den häufigen Fällen von kleineren Steuerhinterziehungen.
2. Abgabe an die Staatsanwaltschaft
290
In ihren Verfahren hat die BuStra die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft, § 399 Abs. 1 AO. Das ist die überwiegende Anzahl der Fälle, die von den BuStra–Stellen bearbeitet werden. Die Steuerfahnder als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft arbeiten in diesen Verfahren der BuStra als „Finanz–Staatsanwaltschaft“ zu. Der Justiz–Staatsanwalt hat abweichend von § 152 Abs. 1 GVG hier kein Weisungsrecht gegenüber den Steuerfahndungsbeamten.[117]
291
Gleichwohl ist die eigenständige Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde nach Auffassung des BGH nicht völlig uneingeschränkt. Nach der Rollenverteilung in § 386 Abs. 4 AO soll die Staatsanwaltschaft auch in diesen Fällen insoweit „Herrin des Verfahrens“ sein, als sie – etwa bei Kontroversen über die Führung der Ermittlungen – jederzeit nach § 386 Abs. 4 S. 2 AO das Verfahren an sich ziehen kann, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Der BGH entnimmt dies in entsprechender Anwendung der in §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO bestimmten Einschreitens- und Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft bei Straftaten, die nach § 385 Abs. 1 AO auch bei Steuerstraftaten weiterhin gilt.[118]
292
Daher können Fälle der BuStra in drei Fallkonstellationen zur Staatsanwaltschaft kommen:
a) | Die Staatsanwaltschaft zieht den Fall an sich (Evokationsrecht), was sie nach § 386 Abs. 4 AO jederzeit tun kann. Um das Evokationsrecht ausüben zu können, muss die BuStra oder die Steuerfahndung den Fall rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft herantragen.[119] Dazu muss die BuStra die Staatsanwaltschaft frühzeitig über alle Verfahren informieren, bei denen eine Evokation nicht fern liegt. |
293
Die Evokation liegt nicht fern, wenn die Sache eine gewisse Bedeutung hat. Das kann auch bei kleineren Hinterziehungsbeträgen vorliegen, wenn z.B. eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit besteht wie bei prominenten Personen, kommunalen Amtsträgern oder andere Personen des öffentlichen Interesses.[120] |
294
Die frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaft ist auch dann angezeigt, wenn sich die Beweislage als schwierig darstellt, wenn der Fall nicht für ein Strafbefehlsverfahren geeignet ist, eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten oder wenn eine Anklage beim Landgericht zu erwarten ist.[121] |
295
b) | Die BuStra kann den Fall auch nach pflichtgemäßem Ermessen an die Staatsanwaltschaft abgeben (§ 386 Abs. 4 AO), wenn er eine besondere Bedeutung hat. Hierfür gibt es verschiedene Indizien (die aber von Land zu Land und sogar von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft unterschiedlich gehandhabt werden): – die besondere Bedeutung eines Falles kann in seiner Größenordnung liegen (Grenzen zwischen 50 000 EUR und 200 000 EUR insgesamt hinterzogener Steuern, teilweise sogar noch höher (wie etwa bei den sog. Kapitalanlegerfällen); – Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) wird angestrebt, Nr. 22 Abs. 1 Nr. 1 AStBV. Die Anordnung muss von der Staatsanwaltschaft beantragt werden, weil die BuStra selbst bei Gefahr im Verzug dazu nicht befugt ist, Nr. 91 Abs. 3 S. 2 AstBV; – Notwendigkeit der Anordnung von Untersuchungshaft (§§ 112, 113 StPO), Nr. 22 Abs. 1 Nr. 2 AStBV; – besondere rechtliche Schwierigkeiten der Strafsache (z.B. Rechtshilfeersuchen), Nr. 22 Abs. 1 Nr. 3 AStBV; – Verfahren gegen Parlamentsabgeordnete (Landtage, Bundestag, Europaparlament), Nr. 151 AStBV; Diplomaten und andere bevorrechtigte Personen, Nr. 152 AStBV; Angehörige der Streitkräfte anderer Staaten, Nr. 153 AStBV; Jugendliche, Heranwachsende und vermindert Schuldfähige, Nr. 154 AStBV; – Wenn ein Amtsträger der Finanzverwaltung der Beteiligung an einer Steuerstraftat verdächtig ist, ist der Fall sofort an die Staatsanwaltschaft abzugeben. |
296
Hinweis:
Steuerhinterziehungen durch Amtsträger haben stets auch eine disziplinarrechtliche Komponente und müssen deshalb dem Disziplinar-Vorgesetzten gemeldet werden. Nach der Entscheidung des BVerwG vom 5.3.2010 steht das Steuergeheimnis dem nicht entgegen, wenn der hinreichende Verdacht auf ein schweres Dienstvergehen gegeben ist.[122] Nach § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 S. 1 BeamtenStatusG sowie nach § 115 Abs. 1, Abs. 6 BBG sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, in Strafverfahren (auch Steuerstrafverfahren) eine Kopie der Anklageschrift an den Disziplinarvorgesetzten des Beamten zu senden.[123] Gleiches gilt auch für Entscheidungen über Verfahrenseinstellungen (selbst nach einer Selbstanzeige des Beamten). Hierbei hat die Strafverfolgungsbehörde keine vorweggenommene Prüfung der gebotenen disziplinarrechtlichen Behandlung des Falles vorzunehmen, sondern sie muss nur abwägen, ob die Daten für eine disziplinarrechtliche Prüfung von Belang sind und deshalb für den Dienstherrn des Beamten von Interesse sind.[124]
297
In diesen Fällen ist der Fall selbst dann an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn darüber zu entscheiden ist, ob eine wirksame Selbstanzeige eines Beamten vorliegt, Nr. 22 Abs. 2 S. 2 AStBV. |
298
c) | Die BuStra muss den Fall an die Staatsanwalt abgeben, wenn sie dafür sachlich nicht zuständig ist. Das sind die Fälle in denen der Beschuldigte neben der Steuerstraftat (bzw. gleichgestellten Taten) weitere – prozessual selbstständige – Taten begangen hat, die in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren verfolgt werden sollen.[125] Dieses kann nur die Staatsanwaltschaft führen, weil die Finanzbehörde für außersteuerliche Taten nicht zuständig ist. |
299
Hinweis:
Bei der Abgabe von außersteuerlichen Straftaten an die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich das Steuergeheimnis des § 30 AO zu beachten, Nr. 21 Abs. 2 AStBV. Dem Schutz des Steuergeheimnisses unterliegt auch die Person des Anzeigeerstatters.[126] Durch die allgemeine Ermittlungsbefugnis des § 161 StPO wird das Steuergeheimnis aber nicht durchbrochen, weil darin eine entsprechende ausdrückliche Bestimmung fehlt (z.B. Formulierung „§ 30 AO steht dem nicht entgegen“). Obwohl eine solche Formulierung auch nicht in § 386 Abs. 4 AO enthalten ist, problematisiert die Verwaltungspraxis die möglicherweise fehlende Weitergabebefugnis nicht.
300
Die Stellung der BuStra in den Verfahren der Staatsanwaltschaft entspricht den Rechten und Befugnissen der Polizei nach der Strafprozessordnung (vgl. §§ 161, 163 StPO). Beschuldigte, Zeugen und Sachverständige sind nicht verpflichtet, vor der BuStra zu erscheinen. Die Befugnisse wegen Gefahr im Verzug bleiben erhalten, § 399 Abs. 2 S. 2 AO.
301
Die Bediensteten der Steuerfahndung haben immer die Stellung von Ermittlungsbeamten der Staatsanwaltschaft und zwar unmittelbar, wenn die Staatsanwaltschaft selbst das Verfahren führt oder mittelbar, wenn die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Stellung der Staatsanwaltschaft einnimmt, § 386 Abs. 2 AO.