Kitabı oku: «Pierre Bourdieu», sayfa 5
Diese machtvolle Vorstellung lässt den Hauskauf, wie die Hausbesitzerin Beatrice rückblickend berichtet,
[63] »in einem rosigen Licht [erscheinen]. Auf vieles, was wichtig ist, achtet man einfach nicht. Man sieht das Haus, man sieht die Kinder darin und sagt sich, es wird schon alles gut gehen.« (Zeichen der Zeit 1990/2002, 42)
Die Investition ist also nicht nur eine ökonomische Strategie, sondern vor allem eine Reproduktionsstrategie, die auf dem affektiven Zusammenhalt der Familie beruht und diesen verstärkt (Zeichen der Zeit 1990/2002, 49 ff.). So erklärt Frau R., die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in einem Eigenheim wohnt, das ihr Mann, dank seines technischen Könnens und dank der asketischen Disposition der Familie, zum größten Teil selbst entworfen und gebaut hat:
»Unsere Kinder sind ein Teil von uns und wir ein Teil von unseren Kindern und von dem Haus, und alles ist eins«. (Eigentumssinn 1990/2002, 175)33
Die zentrale Vorstellung vom eigenen Haus als ständigem Heim manifestiert sich in einer Präferenz für solche Häuser, die in solider »Handarbeit« gefertigt werden, und in einer Abneigung gegenüber Fertighäusern, die wenig »symbolische Echtheit verbürgen« (Einfamilienhaus 1990/2002, 53). Dies wird bei Herrn R. deutlich:
»Es steht fest, dass unser Haus eine Geschichte hat … während bei den Leuten, die ein Haus einfach so kaufen, ›schlüsselfertig‹, wie es heißt…« (Eigentumssinn 1990/2002, 173)
Diese ästhetischen und ethischen Vorstellungen vom eigenen Heim – besonders prägnant in Familien, die ihre Fortdauer an eine stabile Erbfolgetradition knüpfen – bestimmen die allgemeine Präferenz für traditionelle Produktionstechnologien. Will man also den Wohnungsbedarf erklären, muss auch der »Wandel der Traditionen bezüglich der Bildung und Auflösung des Hausstands« berücksichtigt werden.
Auf diese (unbewussten) Vorstellungen vom Haus muss sich das Feld der Eigenheimproduzenten einstellen.
Die Ermittlung der Feldstruktur des Eigenheimmarktes durch Sekundäranalyse war schwierig, weil Daten über Eigenheimproduzenten nur unzureichend und kaum vergleichbar erhoben worden waren. Nach wenig fruchtbaren Versuchen einer eigenen Datenerhebung wurde schließlich auf die Daten [64]von INSÉE zur Belegschaftsstruktur von Bauunternehmern aus dem Jahre 1987 zurückgegriffen, wobei unter den 44 Gesellschaften der Stichprobe die umsatzstärksten und einige kleinere als Vergleichsgruppe erfasst waren. Hier lagen Daten zur Gesamtzahl der Beschäftigten und deren Verteilung auf die unterschiedlichen Positionen in der arbeitsteiligen Struktur und im geografischen Raum vor (Einfamilienhaus 1990/2002, 64). Bourdieus Sekundäranalyse führt zur Unterscheidung von drei Arten von Hausbauunternehmen, die mit je unterschiedlichen Trümpfen ausgestattet sind (Einfamilienhaus 1990/2002, 68 f.):
1. Die dominierenden Unternehmen: Ihre Beschäftigungsstruktur zeigt eine Überzahl von Angestellten und Führungskräften, was den Vorrang des Vertriebs, der Forschung und der Werbung gegenüber den anderen Arbeitsbereichen anzeigt. Der Rückgriff auf Subunternehmen ermöglicht es ihnen, mit der Illusion vom Haus als symbolisch »echtem« Heim zu spielen: »Mit der Glanzleistung, ohne eigene Maurer ›gemauerte Häuser‹ zu produzieren, können sie traditionelle Produkte industriell fertigen.« (Einfamilienhaus 1990/2002, 68) Beispiel: Die Firma Maison Bouygues.
2. Die integrierten Unternehmen: Ihre Beschäftigungsstruktur weist ein Stammpersonal auf, das auf die industriellen Fertigungsverfahren spezialisiert ist. Ihr Handlungsspielraum ist vor allem in Krisenzeiten stark eingeschränkt, oftmals mit der Folge, dass die Kleineren unter ihnen zu Tochterfirmen degradiert werden. Beispiel: Der zeitweilige Marktführer Phénix.
3. Die kleinen und mittleren Familienunternehmen: Sie überwiegen der Zahl nach im Feld der Eigenheimproduzenten. Ihre traditionelle Produktionsweise, die »Echtheit« ihrer bewährten Produkte befriedigt die traditionellen Erwartungen der potenziellen Käufer am deutlichsten. Beispiel: Die Firma Sergeco.
Damit übernehmen die Kleinunternehmen im Feld der Eigenheimproduktion eine Rolle, die unentbehrlich ist
»für das Funktionieren des Gesamtsystems, dem sie die symbolische Rechtfertigung liefern: Mit den ›gutbürgerlichen Häusern‹ … erhalten die handwerklichen Kleinunternehmen das Idealmodell des traditionellen Hauses am Leben und verleihen diesem Modell konkrete Gestalt, das im Unbewußten so vieler Käufer wirkt, und zwar weit über die Grenzen derjenigen Kundschaft hinaus, die es sich leisten kann.« (Einfamilienhaus 1990/2002, 69)
Jene finden sich dann bei den billigeren Angeboten aus industrieller Fertigung, die den Schein des Traditionellen wahren, wieder.
Da die Produktionsweise der kleineren Familienunternehmen mit den Dispositionen der Käufer harmoniert, können sie in der Werbung ihre Produkte [65]dukte widerspruchslos als »Heim« anpreisen. Werbung funktioniert dann besonderes gut, wenn
»sie — wie jegliche Demagogie — den bereits bestehenden Dispositionen schmeichelt, um sie besser ausbeuten zu können; sie zwingt den Konsumenten unter das Joch seiner eigenen Erwartungen und Ansprüche, indem sie vorgibt, sie zu bedienen.« (Einfamilienhaus 1990/2002, 54)
Wie eine Analyse ausgewählter Werbeplakate – vor dem Hintergrund der Kenntnis der Position des Werbenden im Feld – zeigt,34 erfüllt die Werbung der kleineren Unternehmen ihre Aufgabe besonders glaubwürdig. Aber auch die Hersteller von industriellen Fertighäusern weichen kaum von den traditionellen Vorstellungen ab, sie schöpfen aus dem gleichen Themenfundus; statt ihre Modernität und ihre günstigen Verfahren zu preisen, verschleiern sie weitgehend ihre industrielle Anfertigung (Einfamilienhaus 1990/2002, 77) oder schwanken zwischen Assoziationen zum traditionellen Handwerk und zur industriellen Fertigung (Einfamilienhaus 1990/2002, 82). So die Firma Maison Bouygues:
»Ihr Bouygues-Haus wird kein Fertighaus [zu verstehen: wie die Phénix- Häuser], sondern ein von den besten Arbeitern Ihrer Region gebautes Massivhaus.« (Einfamilienhaus 1990/2002, 77)
Hinzu kommt die Verschleierung in den Produkten selbst, z. B. durch Fassaden, die Mauerwerk imitieren (Einfamilienhaus 1990/2002, 78). Die Art der Werbestrategien ist, wie diese Beispiele zeigen, eng mit der Position im Feld der Produzenten verbunden und abhängig von den Trümpfen, die die jeweiligen Akteure in der Hand haben.
Neben der Werbung werden die Dispositionen der potenziellen Käufer noch von einer anderen Seite determiniert, nämlich von den staatlich-administrativen Maßnahmen zum Wohnungs- und Kreditwesen. Diese Maßnahmen bleiben wiederum nicht unberührt von den Forderungen der Hersteller bzw. der von Eigenheimproduzenten gebildeten Syndikate (wie dem von Phénix gegründeten Syndikat der Hersteller von Eigenheimen SMI von 1961, das die Bürgermeister zur staatlichen Förderung von Eigenheimen statt von Großsiedlungen drängte). Wie stark auch immer der Druck der Hersteller im Einzelnen gewesen sein mag, festzuhalten bleibt, dass die in den 1960er Jahren Oberhand gewinnende sozialliberale Wohnungspolitik und der 1966 eingeführte Hypothekenmarkt, der es den Banken ermöglichte, »langfristige Kredite anzubieten und den Eigenbeitrag der Einsteiger zu reduzieren« (Einfamilienhaus 1990/2002, 86), das Feld der Eigenheimhersteller [66](und die Dispositionen der Käufer) veränderte. Der Rückzug des Staates aus dem Wohnungswesen und dessen Übergabe an die Logik des Marktes war eingeläutet, die Finanzierung der Bautätigkeiten durch die Banken nahm rapide zu: 1962 vergaben sie 21,7 Prozent der Kredite für das Wohnungswesen, 1972 bereits 65,1 Prozent, während sich der öffentliche Sektor aus der Finanzierung des Wohnungsbaus weiter zurückzog.
Die staatlichen Maßnahmen in den 1970er Jahren, die den Erwerb von Eigenheimen (auf Kosten von Mietwohnungen) förderten und die als Verwirklichung des »individuellen Rechts auf Erlangung eines Mindesteigentums« (Giscard d’Estaing) gefeiert wurden (Einfamilienhaus 1990/2002, 86), hatten zum einen eine veränderte Verteilung der Eigentumsbesitzer zur Folge, zum anderen eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses im Feld der Eigenheimproduzenten. So sprossen beispielsweise Bauunternehmer aus dem Boden, die »Typenhäuser nach Katalog« (Einfamilienhaus 1990/2002, 87) anboten und nur eine geringe Anzahlung forderten.
Eine weitere Verschiebung im Kräfteverhältnis trat mit der Krise auf dem Eigenheimmarkt Mitte der 1980er Jahre ein. Die kleineren Unternehmen mit ihrer traditionellen Produktionsweise und ihrer Kundennähe hatten zuvor Konkurrenzvorteile und wurden vom Rückgang der Nachfrage, die bei den weniger Wohlhabenden, also den potenziellen Kunden der größeren Unternehmen, zu spüren war, zuerst weniger betroffen. Nun reorganisierten sich die Großen in Anlehnung an Strukturen und Strategien der Kleinunternehmer. Eine mögliche Strategie von Großunternehmen war der Rückgriff auf Subunternehmer und auf scheinbar traditionelle Fertigungsverfahren, eine andere die Reorganisation des Vertriebssystems. So berichtet ein Mitarbeiter von Phénix, dass die Häuser von nun an nicht mehr mittels Katalog angepriesen wurden. Um den Eindruck eines individuellen Hauses zu erwecken, entfiel die Bezeichnung der Modelle mit Namen (Einfamilienhaus 1990/2002, 91).
Wie bedeutsam dies sein kann, zeigt das Interview mit einem Ehepaar, das, aufgrund seiner begrenzten finanziellen Möglichkeiten, durch Kredite ein Phénix-Haus erwarb. Die Eheleute sind unglücklich über den geringen Schallschutz, den die Wände bieten, über die ungünstige Verkehrsanbindung, den schlechten Boden, über viele Punkte, die ihnen das Leben in dem Haus schwer machen. Doch bringen sie befriedigt vor, dass ihr Haus kein Kataloghaus sei, sondern von einem Architekten speziell entworfen wurde (Eigentumssinn 1990/2002, 159 ff.).
Festzuhalten bleibt, dass die lange Zeit bestehende Balance zwischen Unternehmen mit den technischen Trümpfen der industriellen Fertigung und handwerklichen Unternehmen mit den symbolischen Trümpfen der traditionellen Produktionsweise zunehmend ins Wanken gerät. Mit den organisatorischen [67]Innovationen der Gesellschaften, die immer mehr auf Subunternehmen zurückgreifen, schließen sich die beiden Trümpfe nicht mehr aus, das Unvereinbare wird vereint, »nämlich die technischen Vorteile der Serienproduktion und die symbolischen Vorteile der handwerklichen Fertigung.« (Einfamilienhaus 1990/2002, 78)
Um die Strategien der einzelnen Unternehmen zu verstehen, bedarf es auch einer Untersuchung der Struktur innerhalb eines Unternehmens. Dabei wird das Unternehmen selbst als ein autonomes Feld angesehen, in dem Konkurrenzkämpfe stattfinden, verschiedene Interessen verfolgt werden etc. Nur durch eine Analyse der Geschichte des Unternehmens, der Verteilung und Struktur der Kapitalien der verschiedenen Akteure und der derzeitigen Feldstruktur werden seine Praktiken verständlich.
Lenkt man von hier aus den Blick wieder auf die Feldstruktur der Eigenheimproduzenten, so wird sichtbar, dass Produzenten, die benachbarte Positionen im Feld einnehmen, ähnliche Produkte anbieten. Das ist unter anderem damit zu erklären, dass sich die Unternehmen gegenseitig Verkäufer und das in diesen inkorporierte technische Kapital abwerben, oder dass Kunden die Unternehmen in Konkurrenz zu bringen versuchen, indem sie Informationen vom einen Unternehmen zum anderen tragen (Einfamilienhaus 1990/2002, 92). Weil im Feld benachbarte Unternehmen einen ähnlichen Kundenkreis ansprechen, ist solch ein Informationsaustausch zwischen den Unternehmen insbesondere auf den großen Eigenheim-Ausstellungen, wenn auch ungewollt, gewährleistet.
Ergebnisse und Überlegungen zum Feld der Eigenheimproduktion, zu den Dispositionen der Käufer sowie zu den objektiven Strukturen der Wohnungspolitik bieten den Hintergrund, um Verkaufsgespräche auf großen Eigenheim-Ausstellungen analysieren zu können. Sind doch die administrativen Maßnahmen sowie das Kräfteverhältnis im Feld der Eigenheimproduzenten immer Bestandteil der einschlägigen Gespräche.
Das empirische Vorgehen hierzu war zunächst eine systematische Beobachtung von Verkaufsgesprächen auf Ausstellungen für Eigenheime, die teilweise auf Tonband aufgenommen wurden. In einem weiteren Schritt ging ein Forscher, der sich mit dem typischen Gesprächsablauf vertraut gemacht hatte, zu verschiedenen Verkäufern und initiierte fiktive Verkaufsgespräche. Ergänzend wurden Interviews mit Verkäufern, Sekretärinnen, Verantwortlichen für Verkaufslehrgänge sowie mit Herstellern geführt (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 108, insb. Fußn. 2).
Die Beobachtungen der Verkaufsgespräche ließen im Gesprächsverlauf ein Muster aus drei Schritten erkennen: Dem ersten Kennenlernen, bei dem der potenzielle Käufer noch die Oberhand behält und seine Informationen von anderen Herstellern auszuspielen versucht, folgt eine zweite Stufe, in [68]welcher der Verkäufer den Gesprächsverlauf bestimmt, den Käufer gar in eine einem Verhör ähnelnde Situation drängt. Der Verkäufer sucht Informationen über die gebotenen Sicherheiten seines Gegenübers zu bekommen, um rasch die interessanten Kunden von denen unterscheiden zu können, die für einen Vertrag nicht in Frage kommen dürften. Ein Verkaufsverantwortlicher für Bourgues-Häuser beschreibt das Gespräch so:
»Sie [die Käufer] kommen, sie, mit ihren Fragen, die sie zu stellen haben, weil sie sich erkundigen wollen. Der Verkäufer dreht alles völlig um. Er ist es, der ihnen sagt: ›Setzen Sie sich, wieviel verdienst Du, wieviele Kinder hast Du‹. Zack, um sofort in zwei Minuten 30 Sekunden zu sehen, ob Sie die Mittel haben oder nicht« (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 112).
»Die Mittel zu haben« meint dabei keineswegs, über ein großes Eigenkapital zu verfügen. Denn der ideale Kunde ist der kleine Beamte, der über wenig Startkapital verfügt, dessen Zukunft aber sicher ist und von dem eine rationale Lebensführung erwartet werden kann, »die eines kalkulierbaren und zum Kalkül fähigen Wesens« (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 140). Gerade diese Figur ist der ideale Abnehmer nicht nur für ein Haus, sondern insbesondere für den damit verbundenen Kredit: Mit wenigen finanziellen Ressourcen ausgestattet, aber fähig und willig, sich dem mit dem Haus- bzw. Kreditkauf implizit verbundenen Lebensplan und -stil zu verpflichten.
Mit der Übernahme der Gesprächsleitung verschiebt sich also das Thema des Gesprächs auf Betreiben des Verkäufers vom Haus zum Kredit: Der Hausverkäufer wird zusehends zum Kreditverkäufer, der den Auftrag hat, die Kreditwürdigkeit des Käufers zu prüfen und schließlich die Erwartungen des Käufers in den passenden Rahmen zu drücken. Das Verkaufsgespräch wird damit nach der Sondierung geeigneter Kunden in einem dritten Schritt zu einer
»Art Lektion über ökonomischen Realismus, in deren Verlauf der Kunde, unterstützt und ermutigt durch den Verkäufer, daran geht, das Niveau seiner Erwartungen dem Niveau seiner Möglichkeiten anzunähern, um sich so dazu zu bringen, das Tribunal der Ökonomie zu akzeptieren, d. h. das wirkliche, oft weit vom erträumten entfernte Haus, das ihm gemäß guter ökonomischer Logik zusteht.« (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 110)
In den Worten einer Käuferin, die in Ermangelung finanzieller Mittel mit ihrem Mann ein Fertighaus »wählte«, lautet das:
»Sonst hätten wir gewiss beide, glaube ich, etwas vorgezogen, das mehr Seele hat als dieses Haus in einer Neubausiedlung, wo alle Leute gleichaltrig sind und fast dasselbe Niveau haben … Das ist zu eintönig.« (Zeichen der Zeit 1990/2002, 46)
[69]Zerstreuungsmöglichkeiten gibt es in dieser Wohngegend, abseits von Paris, kaum, es bleiben nur die sonntäglichen lokalen Verkaufsveranstaltungen, die sie mit ihrem Mann besucht.
Die mindere »Wahl« muss der Verkäufer gleichzeitig so präsentieren, als ob sie mit den Versprechungen des privaten Glücks im eigenen Heim harmonierte. Ihm kommt die Aufgabe zu, das »Lustprinzip« (als Vitalisierung der Sehnsüchte nach dem eigenen Heim) und das »Realitätsprinzip« (als Anmahnung der finanziellen Möglichkeiten und Zwänge) miteinander zu verbinden (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 136). Um das erreichen zu können, muss der Verkäufer bei der »Entsagungsarbeit« unterstützend helfen, das kleinere Haus empfehlen oder den Vorort, auch wenn dieser nicht den gewünschten Vorstellungen entspricht.
Eine zentrale Strategie des Verkäufers zur Verminderung des Misstrauens und zur Verlockung des Käufers, sein Schicksal in dessen Hand zu legen, ist die »Verzweideutigung«. Rhetorisch wird versucht, mit der Distanz zum Gesprächspartner zu spielen und das Verhör als umfassende Sorge für den Kunden zu tarnen — der Schutz der Bank erscheint als Schutz des Kunden. Die Zweideutigkeit der Situation wird in der Sprache der Verkäufer transportiert, die — im Gegensatz zum Kunden — zwischen zwei Ebenen wählen können: Zwischen einer neutral technizistischen und einer persönlichen, familiären Sprache. So erlaubt die bürokratische, scheinbar neutrale Sprache, »persönliche« Fragen zu stellen, ohne dass diese als solche bemerkt werden (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 120 ff.), oder den Skeptiker mit technischen Ausdrücken und unklaren Rechenbeispielen zu konfrontieren, um den Expertenstatus zu zementieren (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 126). Käufer, die fügsam auf die Kreditvorschläge reagieren, können dagegen in familiärer Sprache bestärkt werden (»Ich selbst habe ein G-Haus«; Vertrag unter Zwang 1990/2002, 125).
Neben dem Spiel mit den zwei Sprachen, das nur dem Verkäufer zusteht, stärkt auch die Standardisierung der Mittel und Situationen die Machtposition des Verkäufers, beispielsweise durch Rückgriff auf Formulare und Vorschriften. Aber nicht nur standardisierte Argumentationshilfen, wie sie in einschlägigen Lehrbüchern stehen, und ausformulierte Sätze, die, vom Unternehmen vorgegeben, bei telefonischen Nachfragen der Kunden verwendet werden sollen, leiten das Gespräch. Vielmehr schafft die soziale Nähe zwischen Verkäufer und Käufer die Möglichkeit zu spontanen persönlichen Einschüben und führt letztendlich zu einer gegenseitigen Identifikation. So zeigen Daten einer Umfrage des Institut français de démoscopie von 1981, dass das soziale Niveau der Verkäufer in den Großunternehmen relativ niedrig ist, also bei den Unternehmen, die mit ihren industriellen Angeboten minderer ästhetischer und technischer Qualität Kunden mit wenig kulturellem [70]bzw. ökonomischem Kapital ansprechen (45,3 Prozent der Phénix-Haus-Besitzer sind Arbeiter, nur 3,5 Prozent sind höhere Führungskräfte oder Freiberufler; von den Verkäufern haben nur 5 Prozent studiert (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 132).
Dieser Zusammenhang zeigt die strategisch wichtige Stellung der Verkäufer im Verkaufsprozess,
»weil sich größtenteils über sie die Angleichung zwischen dem Produkt und dem Käufer, also zwischen dem Unternehmen und einer bestimmten Kundschaft, herstellen muss.« (Vertrag unter Zwang 1990/2002, 132).
Wer sind nun die neuen Hauseigentümer? Der Erwerb von Eigenheim geschieht nicht mehr vorrangig mit den Mitteln aus einer Erbschaft, sondern es dominiert – dank der staatlichen Maßnahmen – der kreditgebundene Erwerb. Das hat zur Folge, dass das durchschnittliche Alter der Eigentümer, die nicht mehr auf eine Erbschaft warten müssen, gesunken ist; 1984 sind nur 9 Prozent aller Neueigentümer Erben bzw. Empfänger einer Schenkung (Eigentumssinn 1990/2002, 153). Allerdings nimmt die Chance, ein Eigenheim zu haben, mit dem Alter zu. Eng verbunden ist dieser Faktor mit dem Lebenszyklus: Unter den Wohneigentümern sind 90 Prozent verheiratete Paare (Eigentumssinn 1990/2002, 174) – der Idee von einer gemeinsamen Zukunft folgend. Verstärkt wird die »Wahl« für ein Eigenheim in den mittleren und höheren Klassen durch die Zahl der Kinder. Bei den unteren Klassen ist dieser Zusammenhang nicht gegeben, weil hier das Streben nach sozialem Aufstieg mit einer Einschränkung der Kinderzahl einhergeht (Eigentumssinn 1990/2002, 176). Der größte Anstieg an Eigentümern liegt bei jenen Gruppen vor, die über mehr kulturelles als ökonomisches Kapital verfügen, also bei den höheren und mittleren Beschäftigten des (halb-)öffentlichen Sektors und bei den Vor- und Facharbeitern (Eigentumssinn 1990/2002, 154).
Beachtet man, dass jene Gruppen, die mit relativ viel ökonomischem Kapital ausgestattet sind, zunehmend gezwungen sind, sich zur Reproduktion ihrer sozialen Position auch auf das Bildungssystem zu stützen, wird eine Verschiebung im sozialen Raum erkennbar: Die horizontale Polarisierung im sozialen Raum wird schwächer, die Distanz zwischen den Gruppen, die sich in Hinblick auf die Struktur ihres Kapitals unterscheiden, verringert sich. Weiter gefasst:
»Diese beiden komplementären und konvergierenden Bewegungen haben wahrscheinlich mehr als alles andere dazu beigetragen, die Distanz und die Gegnerschaft zwischen der ›Rechten‹ und der ›Linken‹ im sozialen Raum und, von da aus, im politischen Feld abzuschwächen. Die verschiedenen Gegensätze in der Wirklichkeit und der Wahrnehmung der sozialen Welt, [71]Eigentum und Miete, Liberalismus und Etatismus, privat und öffentlich, werden durch abgemilderte Gegensätze zwischen Mischformen wie dem Miteigentum und dem Eigentum für bestimmte Zeiten ersetzt.« (Eigentumssinn 1990/2002, 156)35
Auf der Grundlage einer INSÉE-Erhebung von 1984 zum Wohnen in Miet- und Eigentumswohnungen, die auch auf 45 Tiefeninterviews mit Eigentümern von Einfamilienhäusern in der Pariser Region und in Südfrankreich beruht (Eigentumssinn 1990/2002, 164), will Bourdieu das Erklärungsmodell für die »Wahl« von Eigentum oder Miete präzisieren.
Das Kapitalvolumen, insbesondere aber die Struktur des Kapitals spielt bei der Frage des Eigenheimerwerbs eine entscheidende Rolle. Die Analyse der INSÉE-Daten von 1984 zum »Anteil von Eigentümern und Mietern eines Hauses oder einer Wohnung nach Berufsgruppenzugehörigkeit des Haushaltsvorstands« zeigt, dass trotz des Aufholens der an kulturellem Kapital Reicheren die an ökonomischem Kapital Reicheren häufiger Eigentümer sind. So stehen innerhalb der herrschenden Klasse die Professoren (von ihnen sind 49,7 Prozent Wohnungs- oder Hauseigentümer) und Künstler (37,2 Prozent) den an ökonomischem Kapital reicheren Unternehmern (76,8 Prozent) gegenüber, in der mittleren Klasse die Volksschullehrer (53,6 Prozent) den Handwerkern (66 Prozent) (Eigentumssinn 1990/2002, 166 ff. und Tabelle 2, 184).
»Die Zusammensetzung des Kapitals ist, vermittelt über die strukturierende Wirkung, die sie auf die grundlegenden Dispositionen der Habitus, oder, wenn man das vorzieht, auf die Systeme der Vorlieben ausübt, ein die Wirkung der anderen Faktoren strukturierender Faktor. So ist die Eigentümerquote in den Fraktionen, die wesentlich reicher an ökonomischem als an kulturellem Kapital sind, vom Einkommen nahezu unabhängig, wohingegen sie bei jenen Fraktionen eng daran gebunden ist, die reicher an kulturellem als an ökonomischem Kapital sind Diese greifen mehr als andere auf den Kredit zurück, um ihren Zugang zum Eigentum zu finanzieren.« (Eigentumssinn 1990/2002, 168)
So sind 56,5 Prozent der Handwerker mit niedrigem Einkommen Eigentümer, 54 Prozent der Handwerker mit mittlerem Einkommen und 54,5 Prozent mit höchstem Einkommen.
[72]Leider wird in dem Aufsatz von Bourdieu und Saint Martin »Der Eigentumssinn« in Zusammenhang mit der Kapitalstruktur nur das kulturelle und das ökonomische Kapital berücksichtigt, während die Bedeutung des technischen Kapitals (also der Fähigkeiten und Fertigkeiten, selbst am Hausbau mitzuarbeiten, zu renovieren und zu reparieren) nicht in den Argumentationszusammenhang eingebettet wird. Gerade bei der Entscheidung für eine Wohnform dürfte das aber eine wichtige Rolle spielen (erinnert sei an die oben genannte Familie R.).
Anknüpfungspunkte dieser Studien an frühere Arbeiten von Bourdieu lassen sich unschwer erkennen: Die Arbeiten über Algerien hatten die selbstverständlichen Vorannahmen der ökonomischen Theorie in Zweifel gezogen und hatten auf die für eine Kreditaufnahme notwendigen Dispositionen aufmerksam gemacht. Die in »Die feinen Unterschiede« untersuchte Homologie des Raums der Lebensstile und desjenigen der sozialen Positionen taucht auch hier wieder auf. Doch während dort auf einzelne Details eingegangen wurde, erweitert sich in der Studie übers Eigenheim der Blickwinkel. Hier geht es jetzt auch um das Feld der Produzenten eines Lebensstils und, auf einer noch höheren Ebene, um die politischen Maßnahmen, die den Wohnungsmarkt steuern und verändern. Folge ist, dass, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden, vielfältige Daten erhoben, gesammelt und analysiert werden. Dies geht stellenweise auf Kosten der Nachvollziehbarkeit des methodischen Vorgehens. So ist etwa die Analyse der Feldstruktur der Eigenheimproduzenten nicht so transparent, wie man es von den Korrespondenzanalysen in »Die feinen Unterschiede« kennt.
Deutlich wird hier auch, wie Bourdieu seine theoretischen Konzepte ständig erweitert und modifiziert (z. B. durch eine Präzisierung des Feld-Begriffs und der verschiedenen Kapital-Formen: technisches, juristisches, technologisches etc.), was u. a. dazu führt, dass bisherige Verfahren (wie die Konstruktion des sozialen Raumes anhand des ökonomischen und kulturellen Kapitals) überwunden werden und dass neue Themen – z. B. der Rückzug des Staates – in den Blick gelangen.
Sichtbar ist Bourdieus Bemühen, das Modell des homo oeconomicus durch Erweiterung zu überwinden. So hat das Konzept des Feldes im Vergleich zum Markt-Konzept den Vorteil, die Positionen der Hersteller im Raum ermitteln und damit die objektive Beziehung zwischen ihnen erfassen zu können. In Verbindung mit der Beschreibung der Genese der Feldstruktur und des aktuellen Standes des Kräfteverhältnisses ermöglicht das, die an die Positionen im Feld jeweils gebundenen Vorteile und Trümpfe, die Grundlage des strategischen Handelns sind, zu erklären (Einfamilienhaus 1990/2002, 56).
[73]Die Studie zeigt auf, dass die vielbeschworene Demokratisierung auf dem Wohnungsmarkt nur oberflächlich gesehen eintritt, dass vielmehr das Eigenheim zu einer »Falle« wird, die das gesellschaftliche Gefüge verändert:
»In gewissem Sinn war diese Politik, die darauf abzielte, den Herstellern von Häusern einen Markt zu eröffnen und dabei an ihren Besitz gekettete Eigentümer zu produzieren, auch erfolgreich. Aber die Kleinbürger, die sich nun als kleine Eigentümer kleiner Häuser in den Vororten wiederfanden, mussten in den meisten Fällen für diese Befriedigung ihrer Bedürfnisse einen solch hohen Preis zahlen, dass die liberale Politik ihren Verfechtern den politischen Nutzen, den sie sich von ihr versprochen hatten, wahrscheinlich nicht liefern konnte, auch wenn sie die Vollendung einer tiefgehenden Änderung der gesellschaftlichen Ordnung begünstigt hat.« (Eigentumssinn 1990/2002, 181)
Indem sich alle Investitionen und Gedanken auf das Eigenheim richten, auf das Gegenmodell zu den gemeinschaftlichen Mietwohnungen, die mit Kollektivismus assoziiert werden, wird der Rückzug ins Private forciert. Der Besitz hat
»eine Art von Domestizierung der Wünsche und Vorhaben zur Folge …, so dass diese fortan nicht mehr über die Türschwelle hinausreichen, auf die Privatsphäre beschränkt bleiben und damit im Gegensatz stehen zu den kollektiven Projekten etwa des politischen Kampfes, die stets gegen die Versuchung des Rückzuges ins Private durchgesetzt werden mussten.« (Eigentumssinn 1990/2002, 45)
Selbst das gemeinsame Bier mit Arbeitskollegen in der Eckkneipe gehört mit zunehmender Entfernung der Arbeits- von der Wohnstätte vergangenen Zeiten an (vgl. Steinrücke/Schultheis 2002, 10).
Die Häuser und Eigentumswohnungen der Kleinbürger symbolisieren gewiss nicht »die Solidarität der alten Arbeiterviertel«, aber auch nicht »die Abgeschiedenheit der exclusiven Wohngegenden« (Zeichen der Zeit 1990/2002, 44). Die Varianz in der Qualität der Wohnorte gibt auch einen Eindruck davon, wie wenig der Zuwachs an Wohneigentümern einer Demokratisierung gleichkommt: Die verschiedenen (finanziellen und zeitlichen) Kosten, die der Wohnort verursachen kann (aufgrund schlechter Bodenqualitäten, weiter Arbeitswege etc.), die Unzufriedenheit, die mit dem Umzug stadtauswärts verbunden ist, der unterschiedliche technische und ästhetische Wert des Eigentums (und damit die ungleiche Möglichkeit der Kommerzialisierung) sind einige der hier relevanten Faktoren.
Im Buch »Das Elend der Welt« weist Bourdieu darauf hin, dass der Sozialraum auch in die (physisch) räumlichen Strukturen eingeschrieben ist, in die räumlichen Distanzen zwischen Menschen bzw. deren Wohnorten.
[74] »Der Raum, oder besser, die Orte und Plätze des verdinglichten Sozialraums und die von ihnen vermittelten Profite sind selbst Gegenstand von Kämpfen.« (Elend der Welt 1993/1998, 163)
Das ist zu bedenken, wenn man die Verteilung der Eigenheime untersucht. So mag der wachsende Anteil von Personen mit kulturellem Kapital unter den Eigenheimbesitzern (bei Abwendung von den ›kollektivistischen‹ Gütern) zwar zur Angleichung von mehr kulturell und mehr ökonomisch Reichen führen; doch bleibt die Frage, wie sie sich im physischen Raum verteilen. So zeigt die Analyse der Daten der INSÉE-Erhebung von 1984, dass die Arbeiter in die ländlichen Gebiete verbannt werden, während die Vorarbeiter im Ballungsraum von Paris zu finden sind (Eigentumssinn 1990/2002, 174). In den Vororten erfahren nun beispielsweise die Kleinbürger keine »symbolische Weihe« durch ihren Hausbesitz, sondern werden häufig mit den Nöten der Vororte konfrontiert. Und jene, die zwar die ökonomischen Mittel haben, um in eine privilegiertere Wohngegend zu ziehen, verfügen oft nicht über den notwendigen Habitus, um diesen Raum auch zu bewohnen, weil ihnen der passende Lebensstil dazu fehlt, das Wissen, welche Gardinen im Viertel erwartet werden und wie der Garten aussehen sollte (Raum 1991, 31).