Kitabı oku: «Diana de Lys», sayfa 2
Doch der Tag wollte nicht enden.
Um 7 ½ Uhr nahm Maximilian einen Wagen, und eine Viertelstunde später war er vor dem Hause Aubry’s.
Um 8 Uhr 20 Minuten hielt ein Fiakre neben ihm, und eine verschleierte Dame stieg heraus.
»Wo führen Sie mich hin?« war das erste Wort dieser Dame.
»In dieses Haus«
»Zu wem?«
»Zu einem zuverlässigen Freunde.«
»Einem zuverlässigen Freunde?«
»Rechnen Sie auf ihn.«
»Werden wir ihn selbst antreffe?«
»Nein, er wird vor Mitternacht nicht wiederkommen.«
»Nun, so wollen wir eintreten.«
Maximilian klingelte hierauf und die Thür öffnete sich.
»Lassen Sie Ihren Schleier nieder und gehen Sie immer gerade fort,« sagte Maximilian zu der Marquise.
»Bis wohin?« sagte sie.
»Bis hinter in den Garten,« antwortete der Baron lachend.
»Was treibt Ihr Freund?«
»Er ist Maler.«
Maximilian trat bei Vater Fremy ein, welcher, ohne ein Wort zu reden, dem Baron den Schlüssel und ein Wachslicht reichte.
Die Marquise war schon bis zur Thür des Ateliers gelangt.
Es giebt stets bei einem ersten Besuche dieser Art materielle Schwierigkeiten, die gewöhnlich vollständig bei dem zweiten wegfallen. Diese Schwierigkeiten existieren wohl mehr für den Mann als für die Frau, welche sich um keins der vorbereitenden Details zu kümmern hat. Auch Maximilian, welcher sehr bewegt war, wagte nichts zu sagen. Er öffnete schweigend die Thür seines Freundes, läßt Dianen eintreten und folgt ihr, indem er dafür besorgt ist, den Schlüssel abzuziehen und die Riegel vorzuschieben.
Im Atelier angekommen, blieb Diana stehen, ohne zu wissen, ob sie weiter gehen sollte, denn wie wir schon früher gesagt haben, dieses Zimmer war ein wahrhaftes Labyrinth. Der Baron, welcher die Gegenstände besser kannte, begleitete sie bis an das Sopha, auf welchem sie sich niederließ, dann lüftete sie ihren Schleier und reichte Maximilian die Hand.
Dieser setzte das Wachslicht auf den Tisch, und zu den Knieen der Marquise sinkend, bedeckte er mit Küssen die weiße Hand, welche sie ihm überließ.
»Sie sind ein Engel,« flüsterte er.
»Ein sehr unverständiger Engel, und überdies ein Engel, der sich nicht sehr bitten läßt,« erwiederte sie und empfand das Bedürfnis, augenblicklich die Unterhaltung zu wechseln.
»Das ist also das Atelier Ihres Freundes,« sagte sie.
»Ja.«
»Was zeichnet Ihr Freund, Landschaften, Begebenheiten aus der Geschichte, oder Portraits?«
»Wie Sie sehen, er wagt schon Alles und es gelingt ihm Alles wohl.«
»Wie heißt er!«
»Paul Aubry.«
»Ich kenne diesen Namen nicht. Haben Sie mit ihm von mir gesprochen?«
»Ja, es war nothwendig.«
»Sie haben mich genannt,« sagte die Marquise erschrocken.
»O nein, er weiß nicht, wer Sie sind.«
»Und es ist nicht zu befürchten, daß er zurückkommt?«
»Seien Sie unbesorgt.«
Die Marquise blickte neugierig um sich, und von Zeit zu Zeit hefteten sich ihre Augen auf den jungen Mann, welcher zu ihren Füßen lag.
Die Conversation eines erstere Rendez-vous ist für beide Liebende etwas schwierig. Für die Dame insofern als sie in dem Bewußtsein der Gefahr, welcher sie sich aussetzt, ihrem Schamgefühl noch das Verdienst eines Kämpfers geben will; für den Mann, welcher vollkommen überzeugt, daß die Bebende ihm nicht lange widerstehen wird, doch sein ganzes Zartgefühl und sein ganzes Talent zu Rathe ziehen muß, um seiner Geliebten eine so tiefe Neigung einzuflößen, daß sie unbewußt der Sünde verfällt und dies nicht eher gewahrt, als wenn es schon zu spät ist.
Das Wort wird hier zur Maske des Herzens; die Blicke allein und ein unwillkürliches Zittern der Stimme widersprechen den trivialen Phrasen, welche sich abwechseln und an denen der Gedanke leisten Theil hat.
Die Marquise konnte eine sehr natürliche Bewegung nicht unterdrücken« weil es das erste Mal war, daß sie sich zu einem solchen Schritte hatte hinreißen lassen. Sie empfand zwar keine Gewissensbisse, aber sie frug sich leise und voll Unruhe, ob denn dieser Genuß, wozu sie heute Abend den ersten Schritt that, ihr eine hinreichende Entschädigung für ihre Langeweile und wirkliche Zerstreuung gewähren würde. Auch verzögerte sie so sehr als möglich die Antwort auf diese Frage. Sie wußte wohl, wo sie wandelte, aber sie fand mehr Vergnügen darin, einem krummen Nebenwege zu folgen, als sogleich den graden Weg zu gehen, und obschon sie keineswegs daran dachte, sich zu vertheidigen, so hätte sie doch gern ihren Schritt ungeschehen gemacht.
Sie betrachtete den Mann, welcher sie zu lieben vorgab, indem sie die sehr einfache Betrachtung machte, daß er noch jung genug sei, um das, was er sagte, für Wahrheit nehmen zu können, daß er älter zugleich zu jung wäre, als daß diese Liebe von langer Dauer sein könne. Auch sah sie ein, daß früher oder später ein Bruch statt finden müsse, ein Bruch, dem eine neue Verbindung folgert würde, denn sie fühlte, daß man schwer auf einem solchen Wege stehen bleibt.
Kurz, sie war zwar erstaunt, sich an diesem-Orte zu finden, und frag sich, wie sie dahin gekommen wäre, aber wie alle Frauen, welche aus dem Kreise der Sitte und Tugend heraustreten, indem sie die Schranken derselben überspringen, wie sie alle diese Reflexionen weit von sich, welche zu machen es jetzt zu spät war.
Was Maximilian betraf, so hatte er sich von seinen Eindrücken noch wenigen als die Marquise Rechenschaft geben können. Er hatte keine große Frauenerfahrung, und es war das erste Mal, daß er ein Vergnügen mit einer Frau vom Range Dianas zu finden hoffte. Er empfand also eine Bewegung des Verlangens, des Stolzes und der Liebe, welche er für die reine Liebe in der ernstesten Bedeutung des Wortes nahm, und jedes Mal als sich seine Augen auf die Marquise hefteten, fühlte er das Blut seines Herzens nach dem Kopfe steigen.
Madame de Lys stand auf, und indem sie sich dm offenen Fenster näherte, von dem die Aussicht auf die Gärten ging, athmete sie die frische Luft in langen Zügen ein.
Maximilian näherte sich ihr. Die Nacht war herrlich und erfüllt mit Frühlingsdüften.
An diesem Abende, wie auch an anderer Abenden, gingen viele Leute vor Nr. 67 der Märtyrerstraße vorüber; die einen herab, die andern hinaufsteigend, die einen ihren Geschäften nachgehend, Andere nach Vergnügungen haschend, diese so glücklich, jene traurig; es war genug Geräusch in der Straße, dies erinnerte jedoch Dianen Und Maximilian nicht daran, daß die Zeit verging; ja, als sie sich nur seit einer halben Stunde in dem Zimmer des Malers glaubten, schlug es mit einem Male 11 Uhr.
»Elf Uhr!« rief Madame de Lys, indem sie ihr Haar aufwickelte, welches unbemerkt sich gelockert hatte.
Einige Augenblicke nachher sagte die Marquise, deren Wangen glühten, zu dem Baron, indem sie ihm einen offenen Schrank zeigte:
»Maximilian, nehmen Sie eine dieser Flaschen, und lassen Sie uns ein Glas ans die Gesundheit unsers Wirths trinken!«
Der junge Mann nahm eine Flasche Madeirawein und füllte ein Glas, welches im Lichte wie ein heller Topas glänzte. Die Marquise trank daraus die Hälfte, und reichte das Glas dem Baron, welcher es leerte, indem er die Stelle suchte, wo die Lippen der Marquise geruht hatten, um die seinigen dort anzusetzen.
Dann betrachteten sie sich lächelnd.
Als er in das Atelier zurücktrat, ergriff Maximilian ein Stück Kreide, und schrieb an die Wand: »Heute am 15. September 1845 um 11 Uhr Abends tranken hier zwei glückliche Liebende auf das Wohl ihres Wirthes.«
»Sind Sie damit einverstanden?« sagte der Baron zu Diana, »oder wollen Sie, daß ich nur schreibe: ein Glücklicher?«
»Lassen Sie stehen was Sie geschrieben haben,« antwortete die Marquise, »und jetzt wollen wir gehen.«
»Und wann werde ich Sie wiedersehen?«
»Sobald es möglich ist, werde ich Ihnen schreiben.«
»Wird dies bald geschehen?«
»Rechnen Sie auf mich.«
Mit der einen Hand hielt Maximilian die Thür, mit der andern drückte er den Kopf der Marquise an seine Brust.
Beide verließen das Zimmer.
Sie stieg in den Wagen, der sie erwartete, und hielt Maximilian, welcher sie begleiten wollte; zurück, indem sie die Befürchtung aussprach daß man sie in dieser Zeit zusammentreffen möchte.
Der Baron bedeckte die Hände seiner Freundin mit Küssen, und der Wagen rollte hinweg.
Der Marquis war nach nicht zu Hause, als Diana zurückkam, denn er kehrte niemals vor Ein Uhr früh zurück.
Die Marquise war schön, und Maximilian nahm von diesem ersten Rendez-vous eine Erinnerung voll Entzücken mit sich.
»Endlich,« wiederholte er von Zeit zu Zeit, »gehört sie mir an! Die Marquise, die schöne Diana de Lys, sie liebt mich!«
Und während er sieh dies sagte, schien es Maximilian, als ob er um eine Armlänge größer würde, und als ob Niemand in der Welt jemals so glücklich als er gewesen war und sein könnte.
Wenn Jemand in diesem Augenblicke ihm gesagt hätte: »Einst werden Sie diese Frau nicht mehr lieben,« so würde er sich über ihn wie über einen Narren lustig gemacht haben.
In seine Wohnung zurückgekehrt, versuchte Maximilian, nach der Gewohnheit der Liebenden, Dianen die Seligkeit zu schildern, welche ihn die wenigen Stunden hatten genießen lassen, die er mit ihr zugebracht. Aber so viele Gedanken wogten in ihm, daß er, nachdem er einige Phrasen, welche er trivial fand, geschrieben hatte, die drei oder vier Briefe zerriß, welche er angefangen, und sich begnügte, von dieser neuen Liebschaft zu träumen
Ihrerseits hatte sich die Marquise in ihr Zimmer verschlossen, und es abgelehnt, daß ihr Kammermädchen sie entkleiden.
Nachdem sie sieh gesetzt hatte, frug sie sich, ob sie wohl, wie sie fünf Stunden zuvor gehofft hatte. Ein Mittel für ihre Langeweile gefunden habe?
Wenn in diesem Augenblicke der vertraute Genius der Marquise sich zu ihrem Ohre geneigt und ihr das einzige Wort zugeflüstert hätte:
»Und nun?«
So hätte sie ihm wahrscheinlich geantwortet:
»Nun, ich bereite es noch nicht, aber wenn ich diesen Morgen gewußt hätte, was ich heute Abend weiß, so würde ich vielleicht heute nicht ausgegangen sein.«
Als die Marquise früh erwachte, erinnerte sie sich nicht sogleich dessen, was sich am Abend ereignet hatte, aber nach einigen Augenblicken kehrte das volle Bewußtsein zurück, und sie sagte bei sich:
»Ich habe also einen Geliebten!« und sich in dem Spiegel über ihrem Bett betrachtend, fuhr sie fort: »Es ist sonderbar, daß dieses Wort keine größere Rolle in meinem Leben spielt. Liebe ich denn etwa Maximilian nicht, und erschreckt denn dieses Wort nur, wenn man« liebt?«
»Ja, ohne Zweifel, denn man zittert dann vor der Möglichkeit, nicht geliebt zu werden, und es muß eine grausame Strafe sein, ohne Erwiderung zu lieben. Glücklicher Weise bin ich nicht in diesem Falle. Nach alle dem kommt die Liebe vielleicht nicht sogleich, und es ist möglich, daß ich einstens Maximilian noch liebe.
Aber in demselben Augenblicke schien Madame de Lys diese Möglichkeit abzuleugnen.
Hierauf klingelte sie ihrem Kammermädchen, und als diese gekommen war, sagte sie:
»Zu welcher Stunde ist mein Mann gestern zurückgekehrt?«
»Um Ein Uhr des Morgens.«
»Ist er wach«
»Ich will fragen, wenn Sie es wünschen.«
»Laß ihn durch Joseph bitten, zu mir zu kommen, sobald er aufgestanden ist.«
»Ja, Madame.«
»Oeffne das Fenster.«
Das Kammermädchen gehorchte, und die Marquise legte ihr liebliches Köpfchen auf die Seite.
»Ich bin sehr neugierig, meinen Mann diesen Morgen zu sehen,« sagte sie zu sich, und von Zeit zu Zeit schwebte ein Lächeln auf ihren Lippen, der Reflex gewisser bizarrer Gedanken, welche so oft ihren Geist durchkreuzten.
Eine halbe Stunde nachher klopfte man an der Thür der Marquise.
»Herein,« sagte diese.
Der Marquis trat ein.
Der Marguis war ein Mann von ungefähr fünfundvierzig Jahren. Er hatte blonde Haare gehabt und verbarg sorgfältig die wenigen grauen, welche sich bereits zeigten. Seine Augen waren blau, sein Mund fein, geistreich und witzig. Er hatte eine aristokratische Nase und trug den Bart auf englische Manier. Er war ein Weltmann im ausgewähltesten Sinne des Wortes. Das Alter und das Leben, welches er bisher geführt hatte, hatten ihm einen gewissen Embonpoint gegeben. Er hatte viel Vermögen besessen, und man hätte dies nicht geahnt, wenn nicht ans der Eleganz seiner Sprache und dem Skepticismus seiner Theorieen.
Er war mehr geliebt worden als liebenswürdig, und aus diesem Leben, in welches er, glücklich für ihn, mit einem ausgezeichneten Magen, einem schönen Vermögen und einem großen Namen eingetreten war, war er siegreich hervorgegangen, denn er hatte seinen Namen ungeschmäht, seinen Magen kräftig erhalten, und nur sein Vermögen hatte in dieser stürmischen Existenz Schiffbruch gelitten. Er hatte Geist, schöne Zähne, weiße und zarte Hände wie eine Frau, eine angeborene Eleganz einen anerkannten Muth, kurz, er war einer von den Männern, welche sich verheirathen, um die Mittel zu erhalten, ihr Garcon-Leben fortzusetzen, und welche sich durch ihre Frau hintergehen lassen, sobald dies ohne großes Aufsehen geschieht.
Er wußte zwar, daß die Marquise ihn nicht hinterging, er wußte aber auch, daß sie für ihn keine enthusiastische Liebe hegte, und er gab mit ziemlich hinreichenden Gründen diese Treue der Indolenz seiner Frau Schuld.
Er hielt sich in dieser Ueberzeugung vollkommen berechtigt, nicht erkenntlich zu sein, und sie benutzte das Recht, ihm nicht mehr treu zu sein.
Es folgte aus diesem erworbenen Rechte die vollständige Freiheit Beider.
»Sie haben mich rufen lassen, Diana?« sagte der Marquis eintretend.
»Habe ich Sie gestört?«
»Keineswegs, und hätten Sie mich gestört,« so würde ich mich darüber nicht beklagen.«
»Kommen Sie denn und setzen Sie sich neben mich, Marquis.«
»Was haben Sie heute, liebe Freundin, ich habe Sie niemals so gütig gesehen.«
»Ist dies ein Vorwurf?«
»Nein, im Gegentheil.«
»Was ist denn so Wunderbares darin zu finden, daß eine alte Frau einige Augenblicke mit ihrem Manne sprechen will?«
»Es ist in der That sehr einfach.«
»Besonders, wenn sie wie ich ihren Mann seit drei Tagen nur auf wenige Stunden gesehen hat.«
»Wünschen Sie, daß ich nicht mehr ausgehe?»
»Es würde ein zu großes Opfer sein, Marquis, und ich will von Ihnen nicht zu viel fordern.«
»Was wünschen Sie denn? Denn Sie müssen doch etwas von mir wollen?«
»Ich will Sie sehen« sage ich Ihnen, und nichts weiter, ich schwöre es.«
Und als wäre es in der That das einzige Verlangen gewesen, betrachtete Diana den Marquis mit Aufmerksamkeit und begann zu lächeln.
»Marguis, beeilte sie sich hinzuzufügen, als Herr de Lys sie nicht um die Bedeutung dieses Lächelns frug, »das Unerwartete interessiert mich, Sie wissen es, und heute will ich, daß Sie Ihren heutigen ganzen Tag mir opfern; verlange ich zu viel?«
»Ich wünschte« daß Sie einen andern Tag wählten, denn heute ist es kein Opfer, das ich Ihnen damit bringe.«
»Also heute wollen Sie mir ganz angehören?«
»Mit Leib und Seele«
»Bis morgen?«
»Bis morgen? wollen wir denn zum Ball gehen?«
»Nein.«
»So werden wir zu Hause bleiben?«
Diana nickte.«
»Wem verdanke ich diese ausgezeichnete Gunst?« sagte der Marquis, indem er die Hände seiner Frau drückte.
»Sie willigen also ein?«
»Von ganzem Herzen.«
»Nun, Marquis, so gehen Sie, ich will mich ankleiden.«
Der Marquis küßte die Hand feiner Frau und begab sich auf sein Zimmer zurück; er nahm ein Blatt Papier und schrieb:«
»Liebes Kind!
»Ein unvorhergesehenes Ereigniß wird mich abhalten, Sie heute zu sehen, aber morgen früh werde ich Sie bestimmt überraschen.«
Er unterzeichnete, siegelte den Brief und klingelte seinem Bedienten.
»Du wirst, sagte er zu diesem, »für diesen Abend eine Loge im Theater bestellen und das Billet zu der Adresse dieses Briefes, mit dem Briefe nämlich, wohl verstanden, tragen.«
»Soll ich aus Antwort warten?«
»Nein.«
Diana ihrerseits hatte geschrieben:
»Mein Freund!
»Es ist mir unmöglich, heute auszugehen, ich werde den ganzen Abend Gesellschaft bei mir haben. Ich habe nicht nöthig, Ihnen zu sagen, wo mein Herz und meine Gedanken weilen. Morgen vielleicht.«
Die Marquise unterzeichnete nicht, versiegelte den Brief und schrieb einen zweiten, in welchen sie den ersten einschloß und welchen sie an Marcelline richtete, sie bittend, den inliegenden an seine Adresse gelangen zu lassen.
Hierauf gab sie das Billet ihrem Kammermädchen, indem sie ihm sagte, es sogleich zu Madame Delaunay zu besorgen.
Der Tag verging, wie Madame de Lys es wünschte. Um zwei Uhr bestiegen der Marquis und seine Frau den Wagen und machten eine Spazierfahrt in den Wald.
Um sechs Uhr aßen sie zu Mittag, um acht Uhr waren sie in der Oper; um Mitternacht waren sie wieder zurück.
Den folgenden Tag Mittags kam Marcelline, um ihre Freundin zu besuchen, welche noch schlief.
Marcelline trat jedoch in das Zimmer Diana's ein, denn sie hatte das Recht, bei der Marquise zu jeder Stunde einzutreten.
Als sie die Thür öffnen hörte, erwachte Diana.
»Du bist es?« sagte sie zu Madame Delaunay.
»Ja, Du Langschläferin!« sagte diese, indem sie ihre Freundin umarmte.
»Warum Langschläferin?«
»Er ist Mittag!«
»Schon?«
»Du hast Dich wohl sehr spät schlafen gelegt?«
»Nein, ich habe geplaudert.«
»Mit wem?«
»Mit dem Marquis.«
»Ganz allein?«
»Ganz allein.«
»Ich verstehe das nicht. . . «
»Was ist denn dabei so ungewöhnlich?«
»Du bist also gestern Abend nicht ausgegangen?«
»Nein.«
»Du hast den Baron nicht gesehen?«
»Nein.«
»Du bist also nicht allein ausgegangen?«
»Ich bin mit meinem Manne ausgegangen.«
»Und ihr seid zusammen zurückgekehrt?«
»Ja.«
»Und habt hier so lange geplaudert?«
»Bis vier Uhr früh,« sagte die Marquise lachend.
»Oh! der Marquis ist noch sehr geistreich.«
»Hat er Dich um diese Unterredung gebeten?«
»Nein, ich ihn.«
»Ach! das ist eine wirkliche Untreue, welche Du an dem Baron begangen hast.«
Die Marquise antwortete Nichts.
»Du liebst also den Marquis?«
Die Marquise begann zu lächeln.
»Ich will sterben, wenn ich ein Wort von alle dem verstehe.«
»Höre, sagte die Marquise, indem sie sich halb aufrichtete, »willst Du, daß ich offen gegen Dich bin? Marguise
»Ja.«
»Ich habe den vorgestrigen Abend mit dem Baron zugebracht, welcher zwanzig Jahre alt ist.«
»Schön.«
»Und den gestrigen Abend mit meinem Manne, welcher fünfundvierzig Jahre alt ist.
»Nun?«
»Nun, meine Liebe, ich ziehe meinen letzten Abend dem ersten vor.«
»Der Himmel erbarme sich!« sagte Marcelline, indem sie sich langsam auf einen Stuhl setzte.
»Meine Liebe, ich habe es wohl überlegt,« sagte Diana, »und es ist, wie ich Dir sagte.«
»Dann komme ich ungelegen.«
»Warum?«
»Weil ich Dir einen Brief des Barons bringe.«
»Gieb ihn geschwind her, im Gegentheil; es ist nun die rechte Zeit, sich zu entschädigen.«
Madame de Lys nahm den Brief, strich ihr Haar zurück und begann zu lesen.
»Was sagt er Dir?« frug Marcelline.
»Daß er mich liebt.«
»Ist dies Alles?«
»Und daß er mich heute Abend zu sehen wünscht.«
»Und Du wirst gehen?«
»Ohne Zweifel«
»Auch dem, was Du mir soeben sagst?«
»Gewiß, Seitdem ich Maximilian kenne, gefällt mir mein Mann, nach dem Gesetze der Contraste. Um des Marquis willen, sehe ich den Baron wieder.«
»Diana, willst Du, daß ich aufrichtig gegen Dich bin?«
»Sprich.«
»Nun, ich habe Dich nie so gesehen, wie seit einigen Tagen, und Du scheinst mir jenen Kranken gleich, welche sich lange Zeit in ihrem Bette herumdrehen, bevor sie den Platz finden, welcher ihnen behagt. Ich bin überzeugt, daß nach vielem Zaudern Du ernsthaft lieben wirst.«
»Diese wäre ein Unglück,« sagte Diana lachend, »aber ich versichere Dich, daß es mich nicht wundern würde. Setze Dich, ich will an Maximilian schreiben.«
Man wird uns ohne Zweifel sagen, daß wir einen Charakter schildern, der in der Wirklichkeit nicht existiert, daß wir die Unsittlichkeit durch das Bedürfniß nach Vergnügen beschönigen, und im schönen Gewande zeichnen, kurz, daß es keine Frauen wie die Marquise gibt.
Hierauf antworten wir, daß alle unthätigen Frauen das zu thun fähig sind, was Diana that.
Es gibt ein Sprichwort, welches heißt: »Müßiggang ist aller Laster Anfang.«
Von allen Sprichwörtern ist dies eins von denen, welche vollkommenen Grund haben.
In der That, wenn man mit physischer Unthätigkeit die moralische Trägheit verbindet, wenn eine Frau, die ihre Zeit nicht anzuwenden weiß, auch reicht weiß, wie sie ihr Herz beschäftigen soll, ist diese Frau, wie unsere Heldin, nicht der Gefahr ausgesetzt, Zerstreuungen in den Gefühlen zu suchen, welche ihr unbekannt geblieben sind?
Wenn sie um sich her Frauen sieht, die stolzer auf ihre Fehler, als andere auf ihre Tugenden sind; wenn sie die Welt diesen Frauen nicht allein verzeihen, sondern sie durch ihren Skepticismus und ihre lockere Moral sogar triumphieren sieht, ist es zu verwundern, daß sie dadurch angespornt wird, das Gute und das Böse kennen zu lernen, dessen Einflüssen schon die unschuldige Eva nicht hat widerstehen können?
Wenn eine Frau einen Mann wie den Marquis heirathet; wenn sie weder einen Vater besitzt, der über sie wacht, noch eine Mutter, um ihr zu rathen; wenn sie keine Kinder hat, wenn sie die unbeschränkteste Freiheit genießt, diese schlechteste Rathgeberin der Frauen; wenn sie alles Das erreicht hat, was sie gewünscht, und wenn sie noch nicht dreißig Jahre alt ist, was will man, daß sie thun soll?
Daß sie sich dieser Neugierde entgegenstellt, die eine Folge ihrer Schönheit, ihrer Unthätigkeit und ihrer Jugend ist?
Bemerken Sie wohl, daß wir hier nicht von Frauen sprechen, welche sich plötzlich und unvorbereitet von Liebe für einen Andern, als ihren Mann, ergriffen fühlen, und welche endlich der Versuchung dieser Liebe unterliegen, welche sich nur so mehr steigert, je öfter sie dieselbe unterdrückt haben. Diese Frauen brauchen nicht entschuldigt zu werden. Ihre Entschuldigung liegt in ihrer Liebe.
Diejenige, von denen wir reden, sind solche, welche, wie die Marquise, aus Langeweile sündigen. Wenig kümmert sie der Mann, den sie lieben. Das, was ihnen noth thut, ist das Reue und Zerstreuende. Diese sind daher auch zahlreicher, als die Andern.
Es sind schöne Frauen, immer lächelnd, Frauen, für welche das Leben keine wirkliche Betrübniß, die Liebe keinen ernsten Verdruß, der Fehler keine Gewissensbisse hat. Sie sind es, welche Niemand lieben, Niemand hintergehen. Ihre Liebe ist vorübergehend und parfümiert wie die Blumen, leicht wie Gaze, durchsichtig wie der Krystall. Wenn sie weinen, so sind sie nervenkrank. Sind sie traurig, so geschieht dies, weil sie allein sind; dann aber handeln sie gleich Berauschten, welche, wenn sie nicht mehr den Wein trinken können, den sie lieben, zu etwas Anderen greifen, weil die Trunkenheit ihnen zur Gewohnheit geworden, so daß sie lieber einen schlechten Wein, als gar nicht mehr trinken!
Diese Gattung von Frauen ist es, denen die Marquise bis jetzt angehörte; sie bilden vier Fünftel der Frauen, welche ihre Männer hintergehen, und wenn sie entschuldbar sind, so sind sie es nur in dem Sinne, daß sie nirgends eine Stütze und eine Zuflucht finden, und daß die Erziehung, die Religion und die Moral, welche bisweilen die Frau vor dem Schmerze oder der Leidenschaft schützen können, sie niemals vor den Einflüsterungen der Langweile bewahren.
Gott bewahre uns, jemals ein Buch gegen die Frauen zu schreiben. Wir halten sie eben so wenig für bösartig, als wir sie für vollkommen halten. Sie scheinen uns den Vögeln gleich, die wir in einen Käfig einsperren, und die uns jedesmal mit dem Schnabel stoßen, sobald wir sie ergreifen wollen, aber ihr Gesang ist so lieblich, ihr Gefieder so reizend, daß wir sie beweinen, wenn sie davon fliegen, ohne eingedenk zu sein, daß wir auf den Händen die Merkzeichen ihrer Bosheit tragen, und ohne zu bedenken, daß ihr Entweichen eine Undankbarkeit sein würde, wenn sie nicht das unbesiegbare Verlangen nach Freiheit gehabt hätten, welches Gott allen seinen Geschöpfen gegeben hat.
So viel ist gewiß, daß die Marquise so war, wie wir sie beschrieben haben, und daß sie, nachdem sie ihre Liebeseindrücke so gewissenhaft, wie ein Kaufmann seine Kasse abschließt, liquidiert hatte, ein Defizit in ihren Hoffnungen vorfand.
Doch, wie sie schon Marcellinen gesagt hatte, sie wollte nicht unmittelbar mit dem Baron brechen. Maximilian war für sie nur ein Kind, aber dieses Kind konnte sie lieben, ein Bruch konnte ihm Kummer bereiten, und um keinen Preis wollte Diana Jemand einen Verdruß verursachen.«
Die Besuche hatten also im Hause der Märtyrerstraße jeden dritten Tag ihren Fortgang.
Was Aubry anlangt, so fuhr er fort, unsichtbar zu bleiben.
Doch war der Baron am Tage zwei- oder dreimal auf Besuch zu ihm gekommen, um ihm zu danken, und er hatte unausgesetzt von dem Dienste Gebrauch gemacht, den ihm sein Freund gewährte, da er sah, daß dies in Nichts seine Geschäfte störte.
Nach fünf oder sechs Besuchen kam die Marquise mit dem Baron dahin überein, daß er sie jeden Abend bei seinem Freunde von acht bis neun Uhr erwarten solle, wo sie ihn treffen werde, wenn es ihr möglich sei, und daß für den Fall, wenn sie vor ihm einträfe, sie den Schlüssel bei Vater Fremy verlangen und den Baron im Atelier des Malers erwarten wolle, welches Zerstreuungen genug darbot, nur dort eine Viertelstunde allein zu verweilen.
Während dieser Zeit hatte Aubry das Gemälde vollendet, welches er bei dem ersten Besuche Dianas begonnen.
»Es ist ein schönes Bild,Marquise sagte die Marquise, indem sie sich vor das Gemälde setzte. »Ihr Freund muß durch ein solches Talent viel gewinnen.«
»Ich glaube nicht, er bringt damit wohl nur sein Leben durch.«
»Armer Mensch! Ist er noch jung?«
»Er ist fünfundzwanzig Jahre alt.«
»Wo haben Sie ihn kennen gelernt?«
»Er ist ein Schulkamerad von mir.«
»Sahen Sie ihn oft?«
»Nein, ich habe mich seiner nur erst an dem Tage erinnert, ich muß es gestehen, wo ich ihn um den Dienst ersuchte, dem ich so Herrliches verdanke.«
»Wir müssen ihm beim Verkauf seines Gemäldes behilflich sein.«
»Ich habe auch schon daran gedacht, aber Paul ist ein so eigener Mensch. . .«
»Wie so?«
»Aus dem Grunde, weil ich sein Schulkamerad und ihm verpflichtet bin, würde er sich sehr verletzt fühlen, wenn ich ihm ein Gemälde abkaufen wollte.«
»Es gibt ein Mittel, daß er nichts davon erfahren soll.«
»Und das wäre?. . .«
»Das Gemälde durch einen Andern kaufen zu lassen.«
»Daran hatte ich nicht gedacht.«
»Aber ich denke daran, und ich stehe dafür, daß Ihr Freund Glück machen soll. Er wird mehr Geld verdienen, und wir werden besser empfangen werden. Der Marquis ist ein großer Liebhaber und Kenner von Gemälden.«
»Dieser arme Marquis .«
»Beklagen Sie ihn nicht, konnte Diana nicht umhin, lächelnd zu erwidern, »der er herrliche Gemälde erhalten wird.«
Und Madame Lys stand auf und betrachtete die andern an den Wänden hängenden oder aufgestellten Gemälde. Als sie sich überall umgesehen hatte, verließ sie das Atelier, zwei Stunden später als sie eingetreten war.
Diesen Abend kehrte Diana schon um 11 Uhr zurück, legte sich schlafen und schlief so sanft, als wäre ein reines Gewissen ihr Ruhekissen.
Es schien der Marquise mitten im Schlafe, als ob Jemand ihre jetzt wie immer verriegelte Thür aufzustoßen versuchte; sie öffnete die Augen und hörte die Fußtritte eines Mannes, welcher auf den Fußspitzen näher ging.
Dieser Mann war der Marquis. —
Die Marquise öffnete nicht, und, indem sie sich auf die Seite legte, schlief sie lächelnd wieder ein.
Den folgenden Tag, als sie sich in der Frühstücksstunde mit ihrem Manne zusammenfand, sagte sie:
»Mein Freund, ich habe einen Wunsch. Ich habe gestern bei einer meiner Freundinnen ein herrliches Gemälde eines jungen Malers, Namens Paul Aubry gesehen; ich möchte gern auch ein solches haben.«
Nach zwei Stunden stiegen der Marquis und Diana in einen Wagen, und einige Augenblicke später traten sie bei einem Bilderhändler des Boulevard des ltaliens ein, bei dem Herr de Lys schon mehrere Einkäufe gemacht hatte. —
»Wir wünschten, sagte der Marquis, »ein Gemälde eines Malers, Namens Paul Aubry.«
»Ein talentvoller Mann,« sagte der Gemäldehändler, »ein Maler von großer Geistestiefe, der wahrhafte Wunderschöpfungen auf die Leinwand zaubert, auch sind seine Arbeiten sehr gesucht.«
»Können Sie uns eins verschaffen?«
»Welchen Preis wollen Sie daran setzen?«
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