Kitabı oku: «Genesis VI», sayfa 3

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III

„Wer?“ Das Wort war geschrien und hallte in dem Höhlenraum laut und beinahe krachend nach. Wut und Zorn schwangen mit und verstärkten seine Wirkung noch. Sein Verursacher war Captain Narrix. Mit von großer Wut gerötetem Kopf und schwellender Halsschlagader stand er in der Mitte des Raumes und starrte auf die sieben Personen herab, die vor ihm mit auf dem Rücken gefesselten Händen knieten und von je einem seiner Männer mit einer Schlinge drangsaliert wurden, die um ihren Hals lag und fest angezogen war, sodass alle Schwierigkeiten hatten, normal zu atmen.

Narrix Oberkörper erhob sich ein Stück, er drehte sich parallel zu den Knieenden und betrachtete jeden Einzelnen. Doch keiner von ihnen würdigte ihn eines Blickes, alle starrten nur geradeaus und waren bemüht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren, da die Männer hinter ihnen die Stricke um ihren Hals so weit in die Höhe gezogen hatten, dass sie ihre Oberkörper weit strecken mussten, um atmen zu können, was ihre Stabilität ziemlich beeinträchtigte.

Die Nichtbeachtung seiner Person machte Narrix sichtlich noch wütender. Mit einem wilden Aufschrei trat er einen halben Schritt nach vorn, packte Kendig rüde am Hinterkopf an den Haaren und drosch zweimal mit brutaler Härte in sein Gesicht. Der hatte nicht die geringste Chance, dass zu verhindern oder irgendetwas zu tun, um die Schläge abzumildern. Mit lautem Klatschen krachte Narrix Faust auf seinen Wangenknochen, Kendig schrie erstickt auf. Blut und Speichel flogen umher. Kendig sackte zusammen, doch der Captain war unerbittlich, riss seinen Kopf wieder in die Höhe, schob sein wutverzerrtes Gesicht direkt über das seine und brüllte nochmals. „Wer?“

Doch er sollte erneut keine Antwort bekommen. So ließ er Kendig los, der daraufhin zusammensackte. Der Mann hinter ihm riss jedoch sofort an der Schlinge, die sich augenblicklich fester um seinen Hals schloss und ihm den Atem nahm. Kendigs Körper zuckte in die Höhe und er drückte ihn wieder durch, so gut es ging, rang nach Luft. Viele Kraftreserven hatte er allerdings nicht mehr, Oberschenkel und Arme zitterten bereits erbärmlich.

Rechts neben ihm, an dem einen Ende der Reihe kniete seine Frau Malawi. Ihr Gesicht war gezeichnet von einigen Misshandlungen, auch sie atmete schwer. Schweiß rann ihr über die Stirn in die Augen. Ihr Blick war auf Kendig gerichtet, tiefer Schmerz hatte ihr Herz erfasst, sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihm helfen zu können. Doch ihre Arme waren ebenso auf dem Rücken gefesselt, wie die aller anderen und der Zug an ihrem Hals tat sein Übriges, um sie ziemlich wehrlos zu machen. Dennoch war ihr klar, dass sie ihrem Mann helfen musste. Sie musste die Aufmerksamkeit von ihm nehmen, damit er durchatmen konnte. Echte Angst um ihn erfasste sie, ließ sie ihre eigene Angst und ihre vielfältigen Schmerzen vergessen. Einzig Liebe trieb sie an. „Wer was?“ stieß sie halb erstickt hervor – und bereute es einen Augenblick auch schon.

Denn Narrix wirbelte zu ihr herum, legte seine rechte Hand um ihre Kehle und drückte gnadenlos zu. Malawi wurde schlagartig heiß, sie konnte nicht mehr atmen und hatte das Gefühl, ihr Kehlkopf würde zerquetscht werden.

„Wer was?“ Das war Rimbo. Er befand sich links neben seiner Frau Idis, die wiederum links von Kendig kniete. Seine Stimme klang gereizt und ziemlich kraftvoll, doch schon im nächsten Moment zog der Kerl hinter ihm derart kräftig an der Schlinge, dass Rimbos Knie für einen Moment vom Boden abhoben und er röchelnd zu zappeln begann.

Narrix schien im ersten Moment nicht auf ihn reagieren zu wollen. Stattdessen weidete er sich sichtlich an Malawis Schmerz und Hilflosigkeit, so sehr, dass er grinsen musste. Plötzlich schoss sein Kopf nach vorn und er küsste sie fest auf den Mund. Malawi stöhnte auf und versuchte sich ihm zu entwinden, was ihr aber nicht wirklich gelang. Hilflos musste sie den rüden Kuss über sich ergehen lassen. Als Narrix schließlich wieder von ihr abließ war sie einer Ohnmacht sehr nahe. Wild rang sie nach Luft, spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg, sie röchelte und hustete Schleim hervor.

Narrix grinste sie nochmals breit an, dann wandte er sich von ihr ab und trat vor Rimbo. Ohne Vorwarnung riss er sein rechtes Bein in die Höhe und rammte es ihm in den Magen. Rimbo stöhnte, sein Gesicht wurde rot und auch er würgte hustend Schleim hervor. Narrix wartete reglos, bis er sich wieder etwas beruhigt hatte. „Wer fehlt hier?“ fragte er dann und starrte Rimbo direkt in die Augen.

„Ich…!“ Rimbo hatte Mühe durch seine zunehmend verstopfte Nase zu atmen. „…verstehe nicht! Wer zum Teufel soll denn hier fehlen?“

„Ich glaube…!“ brachte Idis mit großer Mühe hervor. Auch sie hatte große Sorgen um ihren Mann und wollte ihm helfen, indem sie die Aufmerksamkeit von ihm ablenkte. „…ich bin nicht mehr ganz bei mir!“ Im Gegensatz zu Malawi war sie auf eine ruckartige Bewegung des Captains gefasst, die auch prompt kam. Er griff rüde ihre Haare an der Stirn und drückte ihren Kopf nach hinten. „Vitaminmangel…schätze ich!“ fügte sie noch hinzu und grinste dabei sogar verzerrt.

Narrix starrte sie mit einem widerlichen Grinsen und zunehmend offener Gier an. Seine Augen leuchteten. „Du bist eine Wildkatze!“ sagte er und schon lag seine linke Hand auf ihrer rechten Brust. Idis stöhnte auf, doch nicht aus Wollust, sondern aus Ekel. Narrix aber störte sich nicht daran. Er knetete sie für einen Augenblick hart, dann drückte er mit aller Kraft zu. Wieder musste Idis stöhnen, dieses Mal jedoch aus Schmerz. „Ich liebe das!“ Er bleckte die Zähne. „Eure Männer sterben zuerst. Dann werde ich mich mit euch Frauen beschäftigen. Und wenn ich mit dir fertig bin, dann kannst du sagen, dass du nicht mehr ganz bei dir bist. Ich werde dir und deinen Freundinnen nämlich den Verstand aus dem Kopf vögeln. Erst ich…und dann meine Männer!“ Er starrte Idis direkt in die Augen, während er ihre Brust wieder knetete. „Gib zu, du freust dich schon darauf!“

Das war zu viel für Rimbo. Obwohl er wusste, dass es wehtun würde, drückte er sich auf die Beine und machte einen Schritt auf Narrix zu. Doch bevor er ihn ganz ausgeführt hatte, war der Kerl in seinem Rücken auch schon bei ihm und hämmerte ihm mit rüder Gewalt den Gewehrkolben zwischen die Schulterblätter, dass es nur so krachte. Rimbo hatte das unbedingte Gefühl, dass etwas zerbrach. Alle Kraft wich aus seinem Körper und er fiel zurück auf die Knie, wo ihm der Kerl nochmals einen derben Schlag mit dem Kolben in den Nacken versetzte, sodass er aufschreien musste. Für einen Moment verschwamm das Bild vor seinen Augen, dann spürte er widerliche Hitze in seinem Gesicht, als die Schlinge um seinen Hals wieder festgezogen und er somit zurück auf seine Ausgangsposition getrieben wurde.

„Bist du bescheuert?“ fragte Narrix in lässigem Ton wahrlich von oben herab.

„Lass sie in Ruhe!“ stieß Rimbo hervor. „Leg dich mit mir an, wenn du dich traust!“ Er blickte seinem Gegner geradewegs und mutig in die Augen.

Doch Narrix blieb ruhig und grinste sogar. „Dass du mit ihr leiert bist, habe ich schon mitbekommen! Auch, dass ihr beide…!“ Er blickte zu Kendig und Malawi. „…zusammengehört, weiß ich!“ Er drehte sich zu den drei anderen Personen, die bisher noch ungeschoren davongekommen waren. „Aber bei euch dreien bin ich mir da noch nicht so sicher!“ Er trat vor Esha, Shamos und am anderen Rand der Gruppe Jorik. In ihren ebenfalls übel zugerichteten Gesichtern, konnte man sehen, dass sie nervös wurden. Narrix hatte im Moment wirklich alle Trümpfe in seinen Händen und spielte sie absolut gnadenlos aus. Allen war klar, dass er brandgefährlich war und ihr aller Leben am seidenen Faden hing. „Ich muss das aber wissen!“ Narrix Stimme klang beinahe entschuldigend. „Damit ich weiß, wessen Partner hier fehlt!“ Er schaute alle drei direkt an. „Denn das einer fehlt, ist klar!“ Plötzlich veränderte sich seine entspannte Miene, er verzog die Mundwinkel, blickte erst säuerlich, dann zornig und schon im nächsten Moment brüllte er fast hysterisch. „Denn diese Mistsau hat uns bei euren Freunden verraten und mich ein verdammtes Schiff gekostet!“ Ohne Vorwarnung zuckte seine rechte Faust nach vorn und schon verpasste er jedem der drei einen knallharten Schlag ins Gesicht, dass es nur so klatschte. Alle stöhnten, Esha schrie zusätzlich erstickt auf. Doch keiner von ihnen zeigte weitere Reaktionen, geschweige denn Blickkontakt. Shamos zerriss es innerlich beinahe, dass er mit ansehen musste, wie Esha litt, doch war ihm spätestens nach diesen Worten des Captains klar, was Jorik geschehen würde, wenn sich herausstellte, dass seine Marivar die Informantin ihrer Freunde gewesen war, denn nur sie konnte es doch gewesen sein.

Jorik sah man an, dass sich in seine Furcht vor den Konsequenzen auch so etwas wie Freude gemischt hatte, denn letztlich bewies dies alles doch auch, dass Marivar noch immer lebte – eine Ungewissheit, die ihm bisher schwer zu schaffen gemacht hatte.

Narrix beruhigte sich wieder etwas, zumindest schien es so. Er stand mit gesenktem Kopf der Gruppe abgewandt. Es waren tiefe Atemzüge zu hören, während seine Hände sich immer wieder zur Faust ballten und dann wieder öffneten. Sein Gesicht war eine zornige Grimasse, seine Augen funkelten irr, er schwitzte. Doch das konnte keiner der anderen sehen. Erst allmählich entspannten sich seine Züge und wenige Augenblicke später erschien tatsächlich ein Lächeln auf seinen Lippen, das sogar anhielt, als er sich wieder zu der Gruppe herumdrehte. „Okay!“ Seine Stimme klang fast freundlich, doch in den Gesichtern seiner Opfer sah er Furcht, was ihn zusätzlich belustigte. „So kommen wir also nicht weiter!“ Er atmete einmal tief durch. „Dann eben auf andere Weise!“ Sein Lächeln verschwand, er schürzte die Lippen und schniefte einmal durch die Nase. Dann schaute er Esha, Shamos und Jorik für einen Moment ausdruckslos an, bevor er sich nach links wandte und auf einen seiner Männer zuging, der bisher reglos am Eingang der Höhle Posten eingenommen hatte. „Geben sie mir ihre Waffe!“ Narrix sah ihn kaum an und deutete stattdessen auf die Pistole am Gürtel des Mannes. Der war im ersten Moment etwas überrascht, dass er nicht sein Gewehr haben wollte, dass er vor der Brust hielt, doch auch ihm schien mehr als bewusst zu sein, dass der Captain gerade sehr gefährlich war und womöglich auch vor seinen eigenen Leuten nicht Halt machen würde. Also reichte er ihm die Waffe. Narrix nahm sie mit seiner linken Hand und drehte sich zu der Gruppe um. Mit einem kurzen Druck entriegelte er das Magazin der Pistole, das daraufhin zu Boden fiel. Narrix beachtete es gar nicht, sondern ließ stattdessen sogar den Schlitten einmal vor und zurückratschen, sodass mit einem leisen Pling und deutlich sichtbar, die Patrone, die sich im Lauf befunden hatte, ebenfalls zu Boden segelte. Damit war klar, dass diese Waffe vollkommen entladen war. Narrix hielt inne und betrachtete seine Opfer einen nach dem anderen. In ihren Gesichtern sah er Anspannung und wieder Furcht. Doch er ließ sich seine Freude darüber diesmal nicht anmerken. Stattdessen zog er ruckartig seine eigene Waffe aus dem Hohlster an seinem Gürtel und entriegelte mit der gleichen Bewegung ebenfalls das Magazin, das daraufhin zu Boden fiel. Wieder hielt er danach inne und schaute ausdruckslos auf Esha, Shamos und Jorik, die ihn mit immer größer werdender Nervosität anstarrten, weil ihnen bewusst war, dass sich in dieser Waffe noch immer die Kugel im Lauf befand.

Dann aber ging alles unendlich schnell:

Narrix drehte ihnen mit beiden Waffen den Rücken zu. Alles, was zu sehen war, waren seine hin und her zuckenden Arme. Dann zuckte er blitzschnell zurück, hielt beide Waffen lässig neben dem Körper, während er sie hörbar entsicherte und ging direkt auf Esha zu. Die starrte ihn mit zunehmendem Entsetzen an, weil sie ahnte, dass etwas Schlimmes passieren würde, sie aber noch nicht genau wusste, was.

Narrix konnte sich eines kurzen Lächelns nicht erwehren, dann aber wurde er wieder ernst, riss den rechten Arm in die Höhe und zielte auf Jorik.

Augenblicklich schrien Kendig, Rimbo und ihre Frauen auf, auch Shamos. Esha war nicht fähig zu einer Reaktion, sie starrte den Captain nur unvermindert an, während Tränen aus ihren Augen rannen.

Dann drückte Narrix ab!

*

Marivar schreckte aus dem Schlaf auf und richtete sich sofort kerzengerade auf. Ihr Atem ging stoßweise und unregelmäßig, kalter Schweiß lag auf ihrer Stirn. Ihre Augen waren weit geöffnet und starrten ins Leere.

Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war. Sie konnte sich gerade noch vage daran erinnern, dass sie gegen ihre Müdigkeit angekämpft hatte, sie ihr letztlich aber Tribut zollen musste.

Dann waren da plötzlich Esha, Malawi und Idis. Kendig, Rimbo und Shamos. Und da war Jorik. Sie stand direkt vor ihm, wollte ihn umarmen, doch noch bevor sie ihn berühren konnte, erschlafften plötzlich all seine Gesichtszüge, er verdrehte die Augen und schon im nächsten Moment sackte er direkt vor ihr vollkommen kraftlos zu Boden, während sich auf seiner Brust ein Fleck aus frischem Blut ausbreitete. Der Schreck ließ sie erstarren und gleichzeitig aufschreien.

Ihr Blick klärte sich allmählich, sie erkannte ihre Umgebung und plötzlich dämmerte ihr, dass sie geschlafen haben musste. Nichts von dem, was sie gesehen hatte, war hier. Nicht ihre Freunde, nicht Jorik. Sie war vollkommen allein, in einem kleinen Raum voller umgestürzter Einrichtungsgegenstände auf einem notdürftig bereiteten Lager im Inneren eines Schiffswracks vor der Küste Kimuris. Plötzlich kamen all ihre Erinnerungen zurück und sie fühlte sich augenblicklich leer und hilflos.

Hinzu kam, dass ihr zwar klar wurde, dass ihr Traum nur ein Traum gewesen war, dass sie aber ebenso sicher war, dass das Gefühl, dass etwas Furchtbares mit Jorik geschehen sein musste, dennoch real war und tief in ihrem Inneren fest verankert blieb.

Und deshalb konnte sie sich absolut nicht dagegen erwehren, dass ihr die Tränen aus den Augen quollen und sie ganz erbärmlich schluchzen musste, weil sie erkannte, dass sie so unendlich weit weg von dem Menschen war, für den sie nichts mehr als einfach nur Liebe empfand.

*

Ein scharfes Klicken war zu hören – mehr jedoch…nicht!

Jorik, der Narrix die ganze Zeit über angestarrt hatte, spürte, wie eine heiße Schockwelle durch seinen Körper zuckte, die ihm fast die Besinnung raubte und seine Knie weich werden ließ. Er schluckte demonstrativ und begann dann leicht zu zittern.

Erleichterung mache sich breit, doch sie dauerte nur einen winzigen Augenblick.

Dann nämlich sagte Narrix mit fast schon obszön klingender Gleichgültigkeit. „Okay, dann eben der andere!“ Und im selben Moment riss er seinen linken Arm in die Höhe und visierte Shamos an.

Esha spürte deutlich, wie sie den Verstand verlor, weil der Kerl vor ihr ein so unfassbar widerliches Spiel mit ihnen trieb, dass ihr schlecht und schwindelig zugleich wurde und der Puls mit einer derart großen Wucht unter ihre Schädeldecke hämmerte, dass sie das Gefühl hatte, er würde sie schon im nächsten Moment durchbrechen und ihr Kopf aufplatzen.

Doch das geschah nicht und beinahe ertappte sie sich dabei, dass sie traurig deswegen war, musste sie dadurch doch diesen unmenschlichen Wahnsinn weiter miterleben, der vor ihr ablief.

Zwei Pistolen, eine Kugel.

Und eine der beiden Waffen war auf Jorik gerichtet gewesen. Schonungslos hatte Narrix abgedrückt, ein gefühlloser Henker ohne Gnade und Gewissen. Esha wollte aufschreien, doch ihr ganzer Körper war vollkommen erstarrt, sie konnte sich absolut nicht bewegen. Dann war das Klicken zu hören, als der Schlaghammer nach vorn klappte, aber nur auf die leere Trommel traf und keinen Schuss auslöste. In diesem Moment ging ein sichtbarer Ruck durch Esha und sie erzitterte heftig. Ihre Augen flackerten, sie versuchte die Dunkelheit einer Ohnmacht zu verdrängen.

Dann wurde ihr bewusst, was geschehen war. Kein Schuss war ausgelöst worden, Jorik wurde das Leben geschenkt. Doch schon im selben Moment wurde ihr mit einer solch wuchtigen und eiskalten Erkenntnis klar, was das hieß und was als nächstes geschehen würde, dass ihr Gehirn vollkommen leergefegt wurde und nur noch ein einziger Gedanke haften blieb: Rette Shamos!

Und in dem Moment, da Narrix auf den Wissenschaftler anlegte, spannte sie all ihre Muskeln an und sprang.

Sein Zeigefinger betätigte den Abzug, der Schlaghammer traf auf die Trommel – und es ertönte ein scharfes Klicken – nur!

Doch das war kaum zu hören, denn der Raum war erfüllt von Eshas Aufschrei, mit dem sie sich vor Shamos gehechtet hatte, um die vermeintliche Kugel gegen ihn abzufangen.

In ihrem Kopf ertönte das Klicken wie ein Schuss und fast glaubte sie, einen Schlag auf der Brust zu spüren, doch dann krachte sie zu Boden und spürte plötzlich nichts mehr davon. Stattdessen realisierte sie, dass es keinen Schuss gegeben hatte und eine heiße Woge echter Freude erfasste sie.

Doch nur für einen winzigen Augenblick, dann drehte sie sich zur Seite und schaute hinauf in das breit grinsende Gesicht ihres Widersachers. Und da wusste sie, dass sie einen Fehler begangen hatte und ausgetrickst worden war.

„So!“ Narrix Stimme klang süß und triumphierend. „Haben wir also auch das geklärt!“ Er grinste süffisant und ließ seinen Blick einen Moment auf Esha verweilen, weidete sich an ihrer Erkenntnis und ihrem Schmerz. Dann wurde er plötzlich ernst. „Schafft sie raus! Alle!“ rief er und seine Männer agierten sofort. Auch Jorik wurde auf die Füße gerissen, während Esha in die Höhe gezerrt wurde. „Alle, außer ihn!“ Narrix Worte klangen sehr hart, als er sich Jorik in den Weg stellte und Esha dabei ausdruckslos ansah.

Und da wusste sie, dass sie in ihrem Versuch, den Menschen, den sie so sehr liebte, zu retten, einen wunderbaren Freund ans Messer geliefert hatte. Doch all ihre Schreie und Rufe nutzten nichts, sie hatte nicht die Kraft sich gegen die Männer, die sie zusammen mit den anderen aus dem Raum drängten, zu wehren und musste am Ende ihren Schmerz über ihren schlimmen Fehler sehr qualvoll und tränenreich hinnehmen.

IV

Es war genauso, wie zuvor - Kabus saß wieder auf der Liege, Niuri stand direkt vor ihm und kümmerte sich um seine Wunde.

Und doch war alles ganz anders.

Ganz still saß er da und ließ die junge Frau vor ihm machen, was immer zu tun erforderlich war. Keine Albernheiten mehr, keine Ablenkungen, kein Bedrängen. Kabus war folgsam, ruhig und mithelfend.

Niuri konnte frei agieren und tat dies auch in einer sehr konzentrierten und kompetenten Art und Weise. Kabus hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie genau wusste, was zu tun war und genau das auch tat.

Anfangs hatte er dadurch genügend Zeit, sich um seine Freunde die allergrößten Sorgen zu machen. Die Tatsache, dass der Elay allein und noch dazu derart schwer verwundet zurückgekehrt war, gab Anlass zu den schlimmsten Befürchtungen. Wenn Kabus jedoch allzu intensiv darüber nachdachte, spürte er sofort eine unerträgliche Nervosität in sich aufsteigen, die ihm das Herz schwermachte. Doch so unerträglich es auch sein mochte, er musste sich in Geduld üben. Das einzige Lebewesen, das ihm bei der Suche nach Jorik und den anderen helfen konnte, war der Elay – und der war selbst verletzt und wurde von Umuras und einigen anderen behandelt. Bevor das Tier nicht zumindest soweit genesen war, dass es wieder fliegen konnte, war er zum Nichtstun förmlich verdammt.

Doch das stimmte nicht ganz. Er konnte durchaus etwas tun – nämlich dafür sorgen, dass er selbst ebenfalls schnell gesundete. Mehr als Niuris Ratschlägen und Anweisungen zu folgen, blieb ihm jedoch nicht. Dabei allerdings konnte er beständig sehen und auch fühlen, mit welcher Hingabe und Konzentration sie agierte. Ihm war schnell klar, dass sie wusste, wie sehr ihm das ungewisse Schicksal seiner Freunde zusetzte und sich deshalb doppelt und dreifach anstrengte, um ihn gesund zu pflegen, aber er erkannte in ihr auch echte, eigene Sorge um die Menschen, die ihm so wichtig waren.

Und glaubte Kabus anfangs, dieses Gefühl, dass er für Niuri empfand und leichthin beinahe als Liebe bezeichnet hätte, wäre eben genau diese nicht, sondern nur Verlangen und…ja…Geilheit, so wurde ihm mit jedem Blick in ihr Gesicht mehr und mehr klar, dass es doch genau das war. Die Wärme in seinem Herzen war wundervoll, die Ruhe, die ihn umfing grandios, das Funkeln in ihren Augen schlichtweg fantastisch. Kabus spürte es mit jeder Faser seines Körpers: Dort vor ihm, da stand nicht nur eine atemberaubend schöne, intelligente und faszinierende Frau, die man gern um sich hatte und noch lieber spürte, sondern ein Mensch, dessen Wesen so reichhaltig war, dass er sich mehr als gut vorstellen konnte, sein Leben mit ihr zu verbringen – und nicht nur den so widerlich wahrscheinlichen Rest von einigen, wenigen Monaten.

Kurzum: Je länger Kabus sie ansah, desto sicherer war er, dass er sie tatsächlich und wahrhaftig liebte.

„Kabus?“

Er schreckte aus seinen tiefen Gedanken auf und musste feststellen, dass er mit offenen Augen geträumt hatte. Als er wieder ein klares Bild sah, konnte er Niuri erkennen, die mit einem sanften, aber irritierten Lächeln vor ihm stand und ihn mit großen Augen ansah. „Ja, was?“ stieß er hervor.

„Du hast geträumt!“ stellte sie sanft fest und lächelte etwas breiter.

Kabus, sofort wieder gebannt vom Leuchten in ihren Augen, musste ebenfalls lächeln und nicken. „Ein wenig!“

„Okay!“ Sie nickte zurück und schloss dabei ihre Augen. In diesem kurzen Moment war ihr deutlich anzusehen, wie anstrengend die Versorgung seiner Wunde gewesen war. „Ich bin fertig!“

Kabus Lächeln wurde wehmütig. „Ich werde mich wieder hinlegen!“

Jetzt grinste Niuri breiter.

„Was ist?“ fragte er.

„Das brauchst du nicht. Nicht mehr!“ Ihre Augen leuchteten noch intensiver. „Deine Wunde ist verheilt!“

„Was?“ Kabus war erstaunt. „Aber…?“ Er blickte auf den Verband um seinen Bauch, der nicht anders aussah, als sonst.

Niuri verzog die Mundwinkel. „Eine reine Vorsichtsmaßnahme!“

Kabus sah sie an und allmählich machte sich echte Freude in seinem Gesicht breit. Er rutschte von der Liege, zog die junge Frau an sich und drückte sie ganz fest. „Oh, das hast du wirklich toll gemacht!“ Er schob sie sanft von sich und wartete, bis er ihr in die Augen schauen konnte. „Danke!“

„Gern gesch…!“ Weiter kam sie nicht, da waren bereits seine Lippen auf den Ihren und sie spürte seine weiche, warme Zunge. Niuri musste aufstöhnen – halb überrascht, halb vor Lust. Als sie sich wieder trennten, lächelte sie erneut. „Ich habe eine Überraschung für dich!“

„Eine…!“ Kabus runzelte die Stirn. „Was denn?“

„Umuras hat Recht behalten!“

Kabus war noch verwirrt. „Womit?“

„Dass der Elay genesen ist, wenn du es bist!“

„Du meinst…?“ Er blickte sie mit großen Augen an, dann nickte sie mit einem breiten Lächeln. „Aber das ist ja großartig!“ Er küsste Niuri gleich nochmals kurz, aber wieder sehr leidenschaftlich, dann zog er sie nach draußen in die Halle.

Tatsächlich konnte er dort den Elay sehen. Sogar noch ein zweites Exemplar dieser Flugwesen. Beide Tiere standen aufrecht und ruhig. Als er mit Niuri näherkam, konnte er bei ihrem Elay deutlich die Spuren der Wunden erkennen, die dem Flugwesen beigebracht worden waren. Plötzlich beschlichen ihn Zweifel. „Umuras!“ rief er daher ungeduldig.

Der Alte drehte sich zu ihm und war sogleich überrascht. „Kabus!“ Er schaute mit einem Lächeln auf seinen Verband.

„Wie weit bist du mit dem Elay?“

„Wie weit bist du mit dir?“ Umuras lächelte noch immer.

„Niuri sagt, ich kann fliegen!“

„So? Du kannst fliegen!“ Jetzt lachte der Alte belustigt auf. „Ich dachte immer, dass würde der Elay tun!?“

„Lass den Unsinn, es ist ernst!“

Plötzlich verlor Umuras sein Lächeln. „Ich bin ernst!“ Er warf Niuri neben Kabus einen kurzen Blick zu. „Und ich sage, der Elay ist ebenfalls wieder gesund!“ Sofort sah er Erleichterung auf Kabus Gesicht. „Ich sage dir aber auch, dass wir ein Problem haben!“

„Was für ein Problem?“ Kabus verlor sein Lächeln wieder.

„Der Elay wird fliegen…!“ Der Alte nickte mehrmals, dann schaute er das Flugwesen an. „Aber wohl nicht mit dir!“

„Was?“ Kabus war bestürzt. „Warum nicht?“

„Erinnere dich!“ erwiderte der Alte. „Der Elay vertraut nur seinem Reiter! Und das ist Jorik!“ Umuras blickte mitleidig und schob den Unterkiefer vor.

„Aber…?“ Kabus verstand die Worte des Alten und Verzweiflung machte sich auf seinem Antlitz breit. „…das…?“ Er blickte den Elay an, dann Umuras, dann Niuri, dann wieder das Flugwesen. Schließlich senkte er den Kopf und schüttelte ihn. „Nein!“ sagte er nach einem kurzen Augenblick und riss den Kopf wieder nach oben. „Das kann ich nicht akzeptieren!“

Umuras lachte einmal heiser auf. „Das wirst du müssen!“

„Nein!“ Wieder schüttelte Kabus energisch den Kopf. „Muss ich nicht!“

Umuras Blick verdunkelte sich. „Was hast du vor? Du kannst den Elay nicht mit Gewalt zwingen!“

„Ich weiß!“ erwiderte Kabus, doch seine Stimme klang nicht überzeugend, zumal er Umuras dabei nicht anschaute, sondern seinen Blick direkt auf dem Elay lag, während er langsam auf das Tier zuging.

Der Alte wollte sofort hinter ihm her und ihn zurückhalten, doch Niuri hielt ihn am Arm zurück. „Warte!“ sagte sie und schaute ihm in einer Mischung aus Flehen und Zuversicht in die Augen.

Umuras stoppte daraufhin ab, brummte jedoch missmutig. Was soll´s? sagte er sich. Wenn er kein Glück hat, wird er das gleich schmerzhaft zu spüren bekommen!

Doch Kabus gelangte unbehelligt direkt vor den mächtigen Schädel des Elay, der ihn zur Seite gedreht und den Menschen scheinbar noch nicht bemerkt hatte – oder einfach ignorierte.

„Hallo, meine Schöne!“ sagte Kabus sanft, hob langsam seine rechte Hand und legte sie dem Flugwesen auf die Nase.

Plötzlich zuckte der Kopf des Tieres mit einem überraschten Stöhnen herum. Kabus erschrak, doch konnte er verhindern, dass er rückwärts stolperte. Niuri hinter ihm sog hörbar die Luft ein. Der Elay schaute Kabus für einen Augenblick direkt in die Augen, dann aber brummte er missmutig und drehte den Kopf wieder zur Seite.

Diese Geste gefiel Kabus sichtlich nicht, denn er schürzte die Lippen und seine Augenbrauen sanken herab. „Nicht wegdrehen!“ Gleichzeitig drückte er mit der rechten Hand seitlich gegen den Schädel des Tieres und nahm zusätzlich auch noch die linke Hand zur Hilfe. Damit konnte er die Bewegung des Flugwesens stoppen und sogar rückgängig machen. Dem Elay aber gefiel dies sichtlich nicht, denn er stöhnte zunächst überrascht auf und als er erkannte, was der Mensch im Begriff war zu tun, wurden seine Augen zu Schlitzen und er fauchte erbost. Doch Kabus, dessen Herz ziemlich raste, ließ sich seine Nervosität nach außen hin nicht anmerken, sondern blickte dem Tier erneut direkt in die Augen. „Jorik ist auch mein Freund!“ sagte er mit kräftiger, fester Stimme. „Und ich mache mir große Sorgen um ihn und die anderen!“ Zur Überraschung aller blickte der Elay beinahe wie gebannt auf Kabus. Zwar war sein Körper angespannt und anfangs war auch noch ein leises Knurren zu hören, doch blieb er ansonsten ruhig. „Deine Wunden sprechen eine eindeutige Sprache!“ fuhr Kabus unbeirrt fort. „Es muss etwas Schlimmes passiert sein. Und ich muss wissen, was das war!“ Kabus Stimme wurde leiser und traurig, sein Blick brach allmählich. „Ich weiß, dass du weißt, wo ich sie finden kann!“ Er atmete einmal tief durch. „Und ich bitte dich, …mich dorthin zu bringen, weil ich hoffe, …dass ich noch helfen kann!“ Er senkte seinen Blick vollends, doch war zuvor zu erkennen, dass er gegen Tränen ankämpfen musste, weil ihm klar wurde, dass er keine Chance haben würde, sein Vorhaben anzugehen, wenn er den Elay nicht überzeugen konnte und er im Moment nicht das Gefühl hatte, das ihm dies gelungen war. Das Tier blickte ihn zwar unverwandt an, doch zeigte es keinerlei Reaktion. Kabus spürte, wie die Kraft ihn verließ und sich Verzweiflung in ihm breitmachte. Niuri musste das erkannt und gespürt haben, denn schon im nächsten Moment stand sie neben ihm und schloss ihn tröstend in die Arme.

„Kabus!“ Auch Umuras trat neben sie, doch seine Stimmlage ließ beide aufhorchen. Sie blickten zu ihm, aber er sah sie nicht an. Stattdessen nickte er mit einem immer breiter werdenden Grinsen auf den Elay. „Sieh nur!“

Niuri und Kabus drehten sich irritiert herum und waren total erstaunt, als sie sahen, wie das rechte Vorderbein des Elay einknickte und sich der massige Rumpf zu ihnen herabschob. Dazu brummte das Tier sanft und tief. Die Einladung, aufzusteigen, war nicht miss zu verstehen.

Kabus Augen begannen zu leuchten und er musste lächeln. Er trat vor das Flugwesen, legte seine rechte Hand auf die Schnauze und wartete, bis der Elay ihn ansah. „Danke!“ sagte er aufrichtig und das Tier brummte nochmals sanft.

Einen Moment später schwang sich Kabus bereits auf seinen Rücken und nahm in der Sitzschale dort Platz. Als er hinabschaute, um sich von Niuri zu verabschieden, stellte er überrascht fest, dass sie ihren rechten Fuß auf das eingeknickte Bein des Elay gestellt hatte und ihm ihren rechten Arm entgegenstreckte. „Hilf mir!“ sagte sie nur.

„Was soll das werden?“ fragte Kabus.

„Ich komme mit dir!“ erwiderte Niuri wie selbstverständlich.

„Aber…?“

„Hör auf!“ schnitt ihm die junge Frau sanft das Wort ab. „Ich werde dich nicht allein lassen!“ Mittlerweile hatte sie es irgendwie selbst geschafft, sich zu ihm hinauf zu ziehen. Sie schob sich dicht vor ihn und schaute ihm tief in die Augen. „Vorzugsweise nie mehr!“ Als sie sah, wie gerührt Kabus von ihren Worten war, musste sie zaghaft lächeln.

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9783753195742
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Serideki Altıncı kitap "Genesis"
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