Kitabı oku: «Brehm’s Thierleben: Die Säugethiere 1», sayfa 5
Herrentiere (Halbaffen)
Komba
Zu den uns am besten bekannten Halbaffen überhaupt gehören die Ohrenmakis oder Galagos, über deren Leben und Treiben schon ältere Reisende uns Kunde gegeben haben. Während bei den Zwergmakis der Sinn des Gesichtes obenan steht, überwiegt bei ihnen das Gehör, entsprechend den sehr großen häutigen Ohren, welche an die einzelner Fledermäuse erinnern. Der Leib der Galagos darf eher schmächtig als gedrungen genannt werden, sieht aber infolge der reichen Behaarung stärker aus als er ist; der verhältnismäßig große Kopf zeichnet sich außer den ungewöhnlich entwickelten, nackten Ohren, durch die einander genäherten großen Augen aus; Vorder- und Hinterglieder sind mittellang, Hände und Füße noch wohlgebildet, Zeigefinger und zweite Zehe, bei einzelnen auch Mittelfinger und mittlere Zehe mit krallenartigen, alle übrigen mit platten Nägeln versehen.
Der auf Sansibar lebende Ohrenmaki, welcher sich von dem des nahe gelegenen Festlandes zu unterscheiden scheint, der Komba der Suaheli (Otolicnus [Otolemur] agisymbanus) [Heute: Galago crassicaudatus], übertrifft den Galago an Größe: seine Leibeslänge beträgt 20 bis 30, die Schwanzlänge 22 bis 25 Centim. Die vorherrschende Färbung des Felles ist gelblich- oder bräunlichgrau, da die Haare an der Wurzel aschgrau, an der Spitze braun aussehen. Auf der Schnauzen- und der Nasengegend sowie auf den Fingern und Zehen dunkelt die Farbe, auf Kinn und Wangen lichtet sie sich zu Grauweiß; auf Brust, Bauch und Innenseite der Glieder geht sie in ein helleres Grau über. Der an der Wurzel braunrothe Schwanz ist in der hinteren Hälfte schwarzbraun. Die großen, beinahe kahlen Ohren sehen aschgrau aus. Auf Sansibar hat man, laut Kersten, ein sehr einfaches Mittel, sich des Komba zu bemächtigen; man fängt ihn, ohne eigentlich Jagd auf ihn zu machen: seine Leckerhaftigkeit wird ihm zum Verderben. Ungeachtet der Gier nach dem warmen Blute höherer Wirbelthiere nämlich, ist der Komba süßen Genüssen nicht abhold, ja im Gegentheile denselben in einer Weise zugethan, für welche es nur noch in der Lebensweise der Affen und einzelner Nagethiere anderweitige Belege gibt. »Wenn der Palmenwein abgeschöpft wird, stellt gar nicht selten unser Ohrenmaki als ungebetener Gast zu dem ihm in hohem Grade behagenden Schmause sich ein, schlürft von dem süßen Labetrunke und erprobt auch an sich die Wahrheit, daß zu viel des Geistes den Geist umnebelt.
Mit nicht geringer Verwunderung und entschiedenem Misbehagen sieht sich das Kind des Waldes beim Erwachen im Käfige oder doch gefesselt, mindestens eingeschlossen im beengenden Raume. Für die Freundlichkeit, mit welcher der Pfleger ihm entgegenkommt, zeigt es nicht das geringste Verständnis, vielmehr nur Widerwillen, Unlust und Bosheit. Sein schwaches Gehirn vermag sich in die veränderten Umstände nicht so bald zu fügen; es vergilt die ihm gewährte Liebe mit Haß, thut, als ob es willentlich geschähe, regelmäßig das Gegentheil von dem, was sein Gebieter beabsichtigte, verschmäht Speise und Trank und regt sich nur, wenn es gilt, die Zähne zu zeigen. Allgemach befreundet sich der Störrische mit seinem Wohltäter. Als entschiedener Freund berauschender Getränke meidet er das Wasser, auch wenn man ihn in der Absicht, seinen Trotz zu brechen, längere Zeit dürsten ließe. Das ihm endlich vorgesetzt Schälchen Sorbet ist aber doch gar zu verlockend, als daß er es unberührt stehen lassen sollte. Bis auf die Neige schlürft er es, sein Behagen durch Laute bekundend, welche an das Schnurren der Katze erinnern, und dankbar gleichsam leckt er auch noch den mit der süßen Flüssigkeit befeuchteten Finger ab. Nachdem einmal das Eis gebrochen, hält es nicht schwer, ihn weiter zu zähmen.
Im Verlaufe der Zeit vergilt er die ihm gewidmete Sorgfalt durch gute Dienste. In dem Raume, welcher einen Komba beherbergt, endet alle Gemüthlichkeit des Lebens einer Maus, in dem Zimmer oder auf dem Schiffe, welches er bewohnt, stellt er den so lästigen großen Schaben mit unermüdlichem Eifer nach.
Ein wirklich gezähmter Komba ist weit liebenswürdiger und anmuthiger als ein Affe, Störung seines Tagesschlafes berührt natürlich auch den frömmsten höchst unangenehm; abends hingegen, nachdem er sich vollständig ermuntert, beweist er seinem Gebieter eine große Anhänglichkeit und warme Zuneigung, obschon er hierin hinter seinen Ordnungsverwandten, den Makis, noch zurücksteht. Aber er gestattet, daß man ihn angreift, gibt sich mit Vergnügen den ihm erwiesenen Schmeicheleien hin und denkt gar nicht mehr daran, von seinem scharfen Gebiß Gebrauch zu machen. Mit Seinesgleichen verträgt er sich von Anfang an vortrefflich, auch an andere Hausthiere gewöhnt er sich. Wenn er erst gelernt hat, verschiedenerlei Nahrung zu sich zu nehmen, hält es nicht schwer, ihn nach Europa zu bringen.«
Koboldmaki
Das Gespenstthier oder der Koboldmaki (Tarsius spectrum) ist, falls man sich so ausdrücken darf, eine Wiedergabe des Frosches in der Klasse der Säugethiere. Unverkennbare Aehnlichkeit mit dem Gesichte eines Laubfrosches zeigt das seinige, und ebenso erinnern die Hände und Füße durch gewisse, später zu beschreibende Eigenthümlichkeiten an die des gedachten Lurches, mit dessen Bewegungen die seinigen ebenfalls bis zu einem gewissen Grade übereinstimmen. Der große Kopf würde kugelig sein, wenn nicht die Schnauze als ein kurzer, ziemlich breiter Kegel aus der Gesichtsfläche hervorträte. Hierdurch gerade und durch die im Verhältnis zur Schnauzenlänge ungemein weite, bis unter die Augen sich ziehende Mundspalte und die dicken Lippen erhält das Gesicht den Ausdruck des Froschartigen. Dieser Ausdruck wird durch die ungemein großen, eulenartigen Augen, verhältnismäßig wohl die größten, welche ein Säugethier überhaupt besitzt, noch wesentlich vermehrt. Sie nehmen buchstäblich den größten Theil des ganzen Gesichtes ein, stehen ziemlich nahe bei einander und haben einen Durchmesser von mindestens 1,5 Centim. Minder eigenthümlich, weil auch bei anderen Säugethieren vorkommend, erscheinen die Ohren, welche großen, weiten, auf einem kurzen röhrenförmigen Stiele sitzenden Löffeln gleichen, am Vorderrande eine außen scharfkantige, nach innen eine durch den Anfang der Ohrleiste abgesetzte schmale Fläche, am Hinterrande einen durch die Gegenleiste abgegrenzten, vertieften Saum und im Innern der Muschel vier über einander stehende Querbogen zeigen. Der Hals hat nur geringe Länge und läßt sich kaum als selbständigen Theil unterscheiden; der Rumpf ist vorn am breitesten, weil die Schultern stark hervortreten; der Rücken erscheint eingesunken, die Brust schmäler als der Rücken. Die Vorderglieder fallen wegen des sehr kurzen Oberarmes ebenso sehr durch ihre Kürze wie die hinteren durch ihre Länge auf, da letztere sogar den Rumpf übertreffen. Im Verhältnis zur Länge der Arme müssen die Hände als sehr lang bezeichnet werden. Das Verhältnis der einzelnen Finger ist ein anderes als bei den meisten Lemuren, da der Mittelfinger der längste ist und äußerlich fast dreimal länger als der Daumen erscheint, welcher seinerseits noch ziemlich bedeutend hinter dem Kleinfinger zurücksteht. Wie bei einigen Galagos sind in der Handfläche und an den Fingerenden große polsterartige Ballen ausgebildet. Einer von ihnen liegt unter dem Handtheile des Daumens, zwei unter der Wurzel des Mittel- und Goldfingers und je Koboldmaki einer an den Fingerspitzen.
Die Oberschenkel haben beträchtliche Stärke, und die Unterschenkel erscheinen ihnen gegenüber schlank, die bis auf die eigentliche, d. h. erst an der Theilungsstelle der Zehen beginnende Fußsohle dünn behaarten Fußwurzeln sogar klapperdürr. Der Fuß entspricht bis auf die Bildung der Nägel der zweiten und dritten Zehe im allgemeinen der Hand, nur daß die Daumenzehe vollkommener als der Daumen den anderen Fingern den übrigen Zehen entgegengestellt werden kann und die Ballen an den Zehenspitzen beträchtlich größer sind; auch ist nicht die dritte, sondern die vierte Zehe die längste. Alle Finger tragen dreiseitige, flache, nur längs der Mitte etwas gewölbte, an den Rändern gebogene, an der Spitze ausgezogene Nägel, die große und die beiden äußeren Zehen durchaus ähnlich gebildete, die beiden inneren Zehen dagegen anstatt des Plattnagels aufrecht stehende, wenig gekrümmte, spitze und scharfe Krallen. Der Schwanz endlich ist drehrund und gleichmäßig sanft verjüngt. Das Gebiß unterscheidet sich von dem aller übrigen Halbaffen da- durch, daß es nicht die schmalen, wagerecht vorgezogenen unteren Schneidezähne, sondern aufrecht stehende, fast ebenso sehr an die der Kerbthierräuber wie an die anderer Halbaffen und Affen erinnernden Schneidezähne, verhältnismäßig breite, scharfe schneidend zackige Lücke und Mahlzähne besitzt.
Ueber die Lebensweise des Gespenst- oder Koboldmaki‘s liegen Berichte von Raffles, Cumming und Salomon Müller vor, denen ich noch einige wichtige Angaben von Rosenberg und Jagor hinzufügen kann. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich, laut Wallace, über alle malaiischen Inseln westlich bis Malakka; doch tritt das Thierchen nirgends häufig auf. Sein Namenreichthum und noch mehr die über ihn umlaufenden Fabeln beweisen, daß er allen Eingeborenen als ein in hohem Grade auffallendes Geschöpf erscheint. Auf Sumatra heißt er nach Raffles »Singapua«, auf der zu den Philippinen gehörigen Insel Bohal, laut Cumming, »Malmay«, bei den Dojakers, nach Angabe von Salomon Müller, »Ingger«, auf Celebes, laut Rosenberg, »Tarrdabana«, auf Samar, laut Jagor »Majo«. Zum Aufenthaltsorte wählt sich der Gespenstmaki, nach Angabe von Rosenberg, ebene Wälder, woselbst er sich am Tage an dunkeln, feuchten Stellen im dichten Laube oder in Baumlöchern verbirgt. Nach Cumming lebt er im Gewurzel der Bäume, besonders der großen Bambusstämme, ausschließlich in den dichtesten Waldungen, überall einzeln und selten. Männchen und Weibchen werden gewöhnlich zusammen gesehen, weshalb die Eingeborenen, nachdem sie eines der Thierchen erlangt haben, Sorge tragen, auch das andere zu bekommen. In der Art und Weise, wie er sitzt und springt, erinnert er, laut Salomon Müller und Rosenberg, unwillkürlich an einen Laubfrosch, nimmt oft eine ähnliche Stellung an, springt wie ein Frosch und macht Sätze von fast einem Meter Weite. Ueber Tags ist er so wenig scheu, daß er zuweilen von einem hohen Baume oder Strauche herab den Vorübergehenden auf den Leib springt und sich mit der Hand greifen läßt. Seine unverhältnismäßig großen, kugelig vorspringenden Glotzaugen, deren Stern sich je nach den einfallenden Lichtstrahlen schnell vergrößern und verkleinern kann, haben ihn bei den Eingeborenen zu einem gespensterhaften Wesen gestempelt. Man betrachtet ihn als ein verzaubertes Thier und nach den Grundsätzen der Seelenwanderung als den Geist eines Missethäters, welcher Zauberkräfte besitzt. »Singapua« bedeutet, nach Raffles, »kleiner Löwe« und hängt ebenfalls mit einer Fabel der Eingeborenen zusammen, welche berichtet, daß das Thier ursprünglich so groß wie ein Löwe war, aber in neuerer Zeit zu der Größe herabsank, welche es jetzt besitzt. Die Eingeborenen Sumatra‘s haben eine solche Furcht vor ihm, daß sie ihre Reisfelder augenblicklich verlassen, wenn sie einen Gespenstmaki auf einem Baume neben demselben erblicken, weil ihrer Meinung nach sonst ohne Zweifel ein Unglück über sie oder ihre Familie kommen müsse. Diese Fabelei erstreckt sich auch auf die Angaben über die Nahrung unseres Thierchens. Schon Peter Camel bemerkt Anfang des vorigen Jahrhunderts, daß das Gespenstthierchen nach Ansicht der Eingeborenen von Holzkohle lebe, daß dies aber falsch sei, da es sich von Bananen und anderen Früchten ernähre. Jagor, welcher zwei Koboldmakis lebend erhielt, wurde in gleicher Weise berichtet und erfuhr erst durch eigene Versuche, daß das Thierchen selbst Pflanzenkost verschmäht und hauptsächlich Kerbthiere, letztere jedoch mit großer Auswahl, frißt. Cumming behauptet, daß die Nahrung unseres Halbaffen aus Eidechsen bestehe, und daß er diese Kriechthiere aller übrigen Kost vorziehe, bei großem Hunger jedoch auch kleine Krebse und Küchenschaben zu sich nähme; Salomon Müller gibt neben den Kerbthieren noch verschiedene Früchte als Nahrung an.
Cumming ist der erste, welcher über einen gefangenen Gespenstmaki Ausführlicheres mittheilt. »Er ist sehr reinlich in seinen Gewohnheiten«, sagt er; »niemals berührte er ein Nahrungsmittel, welches schon theilweise verzehrt war, und niemals trank er zum zweiten Male aus demselben Wasser. Im Verhältnis zu seiner Größe frißt er sehr viel. Beim Trinken schlappt er das Wasser wie eine Katze, aber sehr langsam. Die für ein so kleines Thierchen auffallend große Losung gleicht der eines Hundes. Ueber Tags schläft er sehr viel und bekundet den größten Abscheu gegen das Licht, weshalb er sich stets nach den dunkelsten Stellen begibt. Nähert man sich seinem Käfige, so heftet er seine großen, offenen Augen lange Zeit auf den Gegenstand, ohne eine Muskel zu bewegen; kommt man näher, oder wirft man etwas nahe an ihn heran, so fletscht er die Zähne gleich einem Affen, indem er die Gesichtsmuskeln auseinanderzieht. Selten macht er Geräusch, und wenn er einen Ton hören läßt, so ist es ein einfacher, kreischender Laut. Bei geeigneter Pflege wird er sehr bald zahm und ungemein zutraulich, beleckt Hände und Gesicht, riecht am Leibe seines Freundes herum und bemüht sich, geliebkost zu werden.«
Nicht minder günstig spricht sich Jagor aus. »In Loquilocun und Boranjen hatte ich Gelegenheit, zwei Gespenstmakis zu erwerben. Diese äußerst zierlichen, seltsamen Thierchen sollen, wie man in Luzon versicherte, nur in Samar vorkommen. Mein erster Majo mußte anfänglich etwas hungern, weil er Pflanzenkost verschmähte, verzehrte dann aber lebende Heuschrecken mit großem Behagen. Es sah äusserst drollig aus, wie das Thier, wenn es bei Tage gefüttert wurde, aufrecht stehend, auf seine beiden dünnen Beine und den kahlen Schwanz gestützt, den großen kugelrunden, mit zwei gewaltigen gelben Augen versehenen Kopf nach allen Richtungen hin bewegte, wie eine Blendlaterne auf einem Dreibeingestell mit Kugelgelenk sich dreht. Nur allmählich gelang es ihm, die Augen auf den dargebotenen Gegenstand richtig einzustellen; hatte es ihn aber endlich wahrgenommen, so reckte es plötzlich beide Aermchen seitwärts und etwas nach hinten aus, wie ein Kind, welches sich freut, griff schnell mit Händen und Maul zu und verzehrte dann bedächtig seine Beute.
Bei Tage war der Maki schläferig, blödsichtig, wenn man ihn störte, auch mürrisch; mit abnehmendem Tageslichte aber wurde er munter und sein Augenstern erweiterte sich. Nachts bewegte er sich lebhaft und behend mit geräuschlosen Sprüngen, am liebsten seitwärts. Er wurde bald zahm, starb aber leider schon nach wenigen Tagen; und ebenso konnte ich das zweite Thierchen nur kurze Zeit am Leben erhalten.«
Herrentiere (Neuweltsaffen)
Brüllaffe
Okens Ausspruch, daß die größten Thiere innerhalb einer Familie oder Sippe auch immer die vollkommensten seien, findet wie bei den altweltlichen Affen, so auch bei den neuweltlichen seine Bestätigung. Den Brüllaffen (Mycetes) [Heute: Alouatta] wird in der dritten Familie unserer Ordnung der erste Rang eingeräumt. Ihr Körper ist schlank, aber doch gedrungener als bei den übrigen Sippen der neuweltlichen Affen; die Gliedmaßen sind gleichmäßig entwickelt, die Hände fünffingerig; der Kopf ist groß und die Schnauze vorstehend, die Behaarung dicht und am Kinn bartartig verlängert. Als eigenthümliches Merkmal der Brüllaffen muß vor allem der kropfartig verdickte Kehlkopf angesehen werden. Alexander von Humboldt war der erste Naturforscher, welcher dieses Werkzeug zergliederte. »Während die kleinen amerikanischen Affen«, sagt er, »die wie Sperlinge pfeifen, ein einfaches dünnes Zungenbein haben, liegt die Zunge bei den großen Affen auf einer ausgedehnten Knochentrommel. Ihr oberer Kehlkopf hat sechs Taschen, in denen sich die Stimme fängt, und wovon zwei taubennestförmige große Aehnlichkeit mit dem unteren Kehlkopfe der Vögel haben. Der dem Brüllaffen eigene klägliche Ton entsteht, wenn die Luft gewaltsam in die Knochentrommel einströmt. Wenn man bedenkt, wie groß die Knochenschachtel ist, wundert man sich nicht mehr über die Stärke und den Umfang der Stimme dieser Thiere, welche ihren Namen mit vollem Rechte tragen.« Der Schwanz der Brüllaffen ist sehr lang, am hinteren Ende kahl, nerven- und gefäßreich, auch sehr muskelkräftig und daher zu einem vollkommenen Greifwerkzeuge gestaltet.
Weit verbreitet, bewohnen die Brüllaffen fast alle Länder und Gegenden Südamerikas. Dichte, hochstämmige und feuchte Wälder bilden ihren bevorzugten Aufenthalt; in den Steppen finden sie sich nur da, wo die einzelnen Baumgruppen zu kleinen Wäldern sich vergrößert haben und Wasser in der Nähe ist. Trockene Gegenden meiden sie gänzlich, nicht aber auch kühlere Landstriche. So gibt es in den südlicheren Ländern Amerika‘s Gegenden, in denen der schon merkliche Unterschied zwischen Sommer und Winter noch gesteigert wird durch die Verschiedenheit in der Hebung über den Meeresspiegel. Hier stellen sich, laut Hensel, im Winter heftige Nachtfröste ein, und am Morgen ist der Wald weiß bereift; die Pfützen frieren so fest zu, daß das Eis die schweren Bisamenten der Ansiedler trägt, und man selbst mit faustgroßen Steinen auf dasselbe werfen kann, ohne es zu zerbrechen. »Freilich hält eine solche Kälte nicht lange an, und die warme Mittagssonne zerstört wieder die Wirkungen der Nacht. Empfindlicher als diese Fröste sind die kalten Winterregen, welche nahe am Gefrierpunkte oft mehrere Tage, ausnahmsweise auch Wochen, anhalten und von einem durchdringend kalten Südwinde begleitet werden. Während das zahme Vieh, wenn es nicht gut genährt ist, diesen Witterungseinflüssen leicht unterliegt, befindet sich die wilde Thierwelt ganz wohl dabei; und sobald an heiteren Tagen die Sonne zur Herrschaft gelangt, ertönt auch wieder die Stimme des Brüllaffen als Zeichen seines ungestörten Wohlbefindens. Wenn man an solchen Tagen des Morgens, sobald die Wärme der Sonnenstrahlen anfängt sich bemerkbar zu machen, einen erhöhten Standpunkt gewinnt, so daß man das ganze Blättermeer eines Gebirgsthales vor sich ausgebreitet sieht, entdeckt man auf demselben auch mit unbewaffnetem Auge hier und da rothleuchtende Punkte: die alten Männchen der Brüllaffen, welche die trockenen Gipfel der höchsten Berge erstiegen haben und hier, behaglich in einer Gabel oder auf dichtem Zweige ausgestreckt, ihren Pelz den wärmenden Strahlen der Sonne darbieten. Das Aeußerste erreicht die Winterkälte von Rio-Grande-do-Sul auf der Hochebene der Sierra, wo keine Orange mehr gedeiht und die Wirkungen der Winterstürme, welche aus den Pampas und von Patagonien her wehen, besonders hart empfunden werden. Hier fällt nicht selten Schnee in dichten Lagen und bleibt mehrere Tage liegen; niemals aber hat man bemerkt, daß die Kälte den Brüllaffen Abbruch gethan hätte.«
In unseren Lehrbüchern werden gegen ein Dutzend Arten von Brüllaffen aufgeführt; doch ist jetzt ausgemacht, daß gerade diese Thiere vielfach abändern, und daher so gut als entschieden, daß alle auf wenige Arten zurückgeführt werden müssen.
Der Aluate oder rothe Brüllaffe (Mycetes seniculus) [Heute: Alouatta seniculus] hat röthlichbraunen, auf der Rückenmitte goldgelben Pelz; die Haare sind kurz, etwas steif und am Grunde einfarbig; Unterhaare fehlen. Die Länge beträgt etwa 1,5 Meter, wovon freilich 70 Centim. auf den Schwanz kommen. Das Weibchen ist kleiner und dunkelfarbiger.
Beim Caraya oder schwarzen Brüllaffen (Mycetes caraya) [Heute: Alouatta caraya] ist das Haar bedeutend länger und einfarbig schwarz, nur an den Seiten etwas röthlich, beim Weibchen auch auf der Unterseite gelblich, und beträgt die Länge etwa 1,3 Meter, wovon die Hälfte auf den Schwanz kommt. Ersterer bewohnt fast den ganzen Osten Südamerika‘s, letzterer Paraguay.
Der Brüllaffe ist eines derjenigen amerikanischen Thiere, welches schon seit der ältesten geschichtlichen Zeit den Reisenden, immer aber nur unvollständig, bekannt wurde und deshalb zu vielen Fabeln Veranlassung gab. Solche haben heutigen Tages noch unter den nicht selbst beobachtenden Weißen und Indianern Geltung. Wir lassen sie gänzlich bei Seite und halten uns dafür an unsere Gewährsmänner. »Nach meiner Ankunft«, sagt der trefflich beobachtende Schomburgk, »hatte ich bei Auf- und Untergang der Sonne aus dem Urwalde das schauerliche Geheul zahlreicher Brüllaffen herübertönen hören, ohne daß es mir bei meinen Streifereien gelungen wäre, die Thiere selbst aufzufinden. Als ich eines Morgens nach dem Frühstücke, mit meinem Jagdzeuge versehen, dem Urwalde zuschritt, schallte mir aus der Tiefe desselben abermals jenes wüste Geheul entgegen und setzte meinen Jagdeifer in volle Flammen. Ich eilte also durch Dick und Dünn dem Gebrülle entgegen und erreichte auch nach vieler Anstrengung und langem Suchen, ohne bemerkt zu werden, die Gesellschaft. Vor mir auf einem hohen Baume saßen sie und führten ein so schauerliches Koncert auf, daß man wähnen konnte, alle wilden Tiere des Waldes seien in tödtlichem Kampfe gegen einander entbrannt, obschon sich nicht leugnen ließ, daß doch eine Art von Uebereinstimmung in ihm herrschte. Denn bald schwieg nach einem Taktzeichen die über den ganzen Baum vertheilte Gesellschaft, bald ließ ebenso unerwartet einer der Sänger seine unharmonische Stimme wieder erschallen, und das Geheul begann von neuem. Die Knochentrommel am Zungenbeine, welche durch ihren Wiederhall der Stimme eben jene mächtige Stärke verleiht, konnte man während des Geschreies auf und nieder sich bewegen sehen. Augenblicke lang glichen die Töne dem Grunzen des Schweines, im nächsten Augenblicke aber dem Brüllen des Jaguars, wenn er sich auf seine Beute stürzt, um bald wieder in das tiefe und schreckliche Knurren desselben Raubthieres überzugehen, wenn es, von allen Seiten umzingelt, die ihm drohende Gefahr erkennt. Diese schauerliche Gesellschaft hatte jedoch auch ihre lächerlichen Seiten, und selbst auf dem Gesichte des düstersten Menschenfeindes würden für Augenblicke Spuren eines Lächelns sich gezeigt haben, wenn er gesehen, wie diese Koncertgeber sich mit langen Bärten starr und ernst einander anblickten. Man hatte mir gesagt, daß jede Herde ihren eigenen Vorsänger besäße, welcher sich nicht allein durch seine schrillende Stimme von allen tiefen Bassisten unterscheide, sondern auch durch eine viel schmächtigere und feinere Gestalt auszeichne. Ich fand die erstere Angabe bei dieser Herde vollkommen bestätigt; nach der feineren und schmächtigen Gestalt sah ich mich freilich vergeblich um, bemerkte dafür aber auf dem nächsten Baume zwei schweigsame Affen, welche ich für ausgestellte Wachen hielt: –waren sie es, so hatten sie ihre Dienste schlecht genug versehen; denn unbemerkt stand ich in ihrer Nähe.«
Diese anmuthige Schilderung beweist uns hinlänglich, daß wir es bei den Brüllaffen mit höchst eigenthümlichen Geschöpfen zu thun haben. Man kann, ohne einer Uebertreibung sich schuldig zu machen, behaupten, daß ihr ganzes Leben und Treiben eine Vereinigung von allerhand Absonderlichkeiten ist und deshalb der Beobachtung ein ergiebiges Feld bietet, während man andererseits anerkennen muß, daß die Indianer zu entschuldigen sind, wenn sie die Brüllaffen ihres trübseligen Aeußeren und ihres langweiligen Betragens halber misachten und hassen. Selbst die Verleumdungen, welche man sich zu Schulden kommen ließ, sind erklärlich, wenn man bedenkt, daß unsere Thiere weder im Freileben noch in der Gefangenschaft irgend welche Anmuth, ja selbst irgend welche Abwechselung in ihrer Lebensweise zeigen.
»Der Brüllaffe«, sagt Hensel, »lebt in dem Urwalde von Rio-Grande-do-Sul in großer Menge; er ist dasjenige wilde Thier, welches man am leichtesten finden und jagen kann, ja das man zu vermeiden sogar Mühe hat. Erlebt in kleinen Trupps von fünf bis zehn Stücken, welche ein bestimmtes, ziemlich kleines Gebiet haben, das sie nicht zu verlassen pflegen. In jedem Trupp findet sich wenigstens ein altes Männchen, welches gewissermaßen die Aufsicht zu führen scheint; in den meisten Fällen jedoch enthält der Trupp, wenn er nicht zu schwach ist, mehrere erwachsene Männchen, unter denen wahrscheinlich eines, das stärkste oder älteste, den Vorrang behauptet. Dabei geht es ohne Zweifel nicht immer ganz friedfertig zu, wie die Narben beweisen, welche man oft in den Gesichtern der Männchen, zuweilen auch in denen der Weibchen erblickt. Doch sind die Thiere im ganzen sehr harmlos und im Vergleiche zu anderen Affen ruhig und gleichgültig.« Diese Angaben stimmen mit früheren Beobachtungen vollkommen überein. Doch mag noch erwähnt sein, daß unsere Affen in manchen Waldungen so häufig auftreten, daß Humboldt ihrer vierzig zu einer Bande vereinigt sah und schätzen durfte, es möchten auf einer Geviertmeile des Waldes wohl gegen zweitausend von ihnen leben.
Während des Tages bilden die höchsten Bäume des Waldes den Lieblingsaufenthalt der Brüllaffen; bei anbrechender Dämmerung ziehen sie sich in das dichte, von Schlingpflanzen durchflochtene Laub der niedrigen Bäume zurück und überlassen sich hier dem Schlafe. Langsam, fast kriechend klettern sie von einem Aste zu dem anderen, Blätter und Knospen auswählend, langsam mit der Hand sie abpflückend und langsam sie zum Munde bringend. Sind sie gesättigt, so setzen sie sich in zusammengekauerter Stellung auf einem Aste nie- der und verharren hier regungslos, wie uralte schlafende Männchen erscheinend; oder sie legen sich der Länge nach über den Ast hin, lassen die vier Glieder zu beiden Seiten steif herabhängen und halten sich eben nur mit dem Wickelschwanze fest. Was der eine thut, wird von den anderen langsam und gedankenlos nachgemacht. Verläßt eines der erwachsenen Männchen den Baum, auf welchem die Familie sich gerade aufhält, so folgen ihm alle übrigen Glieder der Gesellschaft rücksichtslos nach. »Wahrhaft erstaunlich« sagt Humboldt, »ist die Einförmigkeit in den Bewegungen dieses Affen. So oft die Zweige benachbarter Bäume nicht zusammenreichen, hängt sich das Männchen an der Spitze des Trupps mit dem zum Fassen bestimmten schwieligen Theile des Schwanzes auf, läßt den Körper frei schweben und schwingt ihn hin und her, bis es den nächsten Ast packen kann. Der ganze Zug macht an derselben Stelle genau dieselbe Bewegung.« Für die Brüllaffen ist der Schwanz unzweifelhaft das wichtigste aller Bewegungswerkzeuge; sie brauchen ihn, um sich zu versichern –und das thun sie in jeder Stellung- sie benutzen ihn, um etwas mit ihm zu erfassen und an sich zu ziehen. Immer und immer dient er hauptsächlich dazu, jeder ihrer langsamen Bewegungen die ihnen unerläßlich dünkende Sicherheit zu verleihen. Man kann nicht behaupten, daß sie schlecht klettern: sie sind im Gegentheile sehr geschickt; aber niemals machen sie wie andere Affen weite, niemals gewagte Sprünge.
Wenig andere Thiere sind so ausschließlich an die Bäume gebunden wie die Brüllaffen. Sie kommen höchst selten auf die Erde hernieder, wahrscheinlich bloß dann, wenn es ihnen unmöglich ist, von den niederen Aesten und Schlingpflanzen herab zu trinken. Humboldt sagt, daß sie nicht im Stande wären, Wanderungen oder auch nur Wandelungen auf ebenem Boden zu unternehmen, und Rengger erklärt die Behauptung der Indianer, nach welcher die Brüllaffen manchmal über breite Ströme setzen sollen, für ein Märchen, welches den Fremden aufgebürdet wird. »Sie fürchten sich«, sagt er, »so sehr vor dem Wasser, daß, wenn sie durch das schnelle Anschwellen des Stromes auf einem Baume abgeschieden werden, sie eher verhungern als durch Schwimmen einen anderen Baum zu gewinnen suchen. So traf ich einst eine solche Affenherde auf einem von Wasser rings umgebenen Baume an, welche, ganz abgemagert, sich vor Schwäche kaum mehr bewegen konnte. Sie hatte nicht nur alle Blätter und zarten Zweige, sondern sogar einen Theil der Rinde des Baumes verzehrt. Um den nahen Wald zu erreichen, hätte sie nur eine Strecke von sechszig Fuß zu durchschwimmen gehabt.« Derselbe Naturforscher versichert, niemals einen Brüllaffen auf freiem Felde gesehen oder seine Fährte irgendwo auf dem Boden angetroffen zu haben.
Alles, was der Brüllaffe bedarf, bietet ihm sein luftiger Aufenthalt in Fülle. Die Mannigfaltigkeit und der Reichthum der verschiedenen Früchte lassen ihn niemals Mangel leiden. Neben den Früchten frißt er Körner, Blätter, Knospen und Blumen der verschiedensten Art, wahrscheinlich auch Kerbthiere, Eier und junge, unbehülfliche Vögel. Den Pflanzungen wird er niemals schädlich, wenn er sich auch tagelang am Saume derselben aufhält: er zieht Baumblätter dem Mais und den Melonen vor. Zuweilen sieht man ihn, nach Hensel, mit der Spitze des Wickelschwanzes an einem Zweige hängen und die Blätter eines unter ihm befindlichen Astes pflücken, um sie noch im Herabhängen in den Mund zu stopfen und zu verzehren. Daß die Nahrung vorzugsweise in Blättern besteht, beweisen nicht nur die stets schwarzen Zähne, sondern auch der Magen der Erlegten, welcher immer einen grünlichen Speisebrei wie von zerkauten Blättern enthält.
In Südamerika wirft das Weibchen im Juni oder Juli, manchmal auch schon zu Ende Mais oder erst anfangs August ein einziges Junges. Hensel versichert, daß die Fortpflanzung der Brüllaffen an keine bestimmte Jahreszeit gebunden ist; denn man findet neugeborene Junge das ganze Jahr hindurch und kann also auch an einem und demselben Tage Keimlinge und Junge der verschiedensten Entwickelungs- und Altersstufen sammeln. Niemals scheinen sie mehr als ein Junges zu haben. Während der ersten Woche nach der Geburt hängt sich der Säugling wie bei den altweltlichen Affen mit Armen und Beinen an den Unterleib der Mutter an; später trägt diese ihn auf dem Rücken. Sie legt ihre Gefühle nicht durch Liebkosungen an den Tag, wie andere Affen es thun, verläßt aber doch das Pfand ihrer Liebe wenigstens in der ersten Zeit niemals, während sie später das schon bewegungsfähiger gewordene Kind bei ängstlicher Flucht manchmal von sich abschüttelt oder gewaltsam auf einen Ast setzt, um ihren eigenen Weg zu erleichtern. Indianer, welche letzteres sahen, haben behauptet, daß die Brüllaffenmutter überhaupt lieblos und gleichgültig gegen ihre Jungen wäre; der Prinz von Wied sagt aber ausdrücklich: »Gefahr erhöht die Sorge der Mutter, und selbst tödtlich angeschossen, verläßt sie ihr Junges nicht.« Dieses ist ebenso langweilig wie die Alte und, zumal wegen des großen Kehlkopfes, wo möglich noch häßlicher.