Kitabı oku: «Amalie Sieveking: Vermächtnis für meine jungen Freundinnen»
Amalie Sieveking
Amalie Sieveking: Vermächtnis für meine jungen Freundinnen
Band 141 in der gelben Buchreihe
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort des Herausgebers
Die Autorin Amalie Sieveking
Wer war Amalie Sieveking?
Vermächtnis für meine jungen Freundinnen
Die gelbe Buchreihe
Weitere Informationen
Impressum neobooks
Vorwort des Herausgebers
Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.
Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leserreaktionen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.
Der in diesem Band enthaltene Text von Amalie Sieveking zeugt von der tiefen Frömmigkeit einer vom Pietismus geprägten Dame aus der gutbürgerlichen Gesellschaft Anfang des 19. Jahrhunderts und spiegelt die Denkmuster und Lebensart eines Teils der damaligen Zeit. Für uns sind diese Ansichten heute kaum nachzuvollziehen, doch sind sie ein Zeugnis damaliger diakonischer Aktivität. Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski
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Die Autorin Amalie Sieveking
Die Autorin Amalie Sieveking
Amalie Wilhelmine Sieveking wurde am 25. Juli 1794 in Hamburg geboren und starb am 1. April 1859 ebendort. Sie war eine Philanthropin und Mitbegründerin der organisierten Diakonie in Deutschland. Mit dem von ihr gegründeten Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege, ihren Initiativen zur Arbeitsbeschaffung und Berufsausbildung für Arme und Aktionen für den Bau von Wohnungen und Krankenhäusern gilt sie als eine Vorreiterin der modernen Sozialarbeit in Deutschland. Außerdem verfasste sie Schriften zur Sozialarbeit sowie theologische Abhandlungen.
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Wer war Amalie Sieveking?
Wer war Amalie Sieveking?
Autorin: Silke Köser
https://www.diakonie.de/amalie-sieveking/
Amalie Sieveking gehört zu den zentralen Frauengestalten der deutschen Diakoniegeschichte. In Hamburg als Tochter eines Ratsherrn aufgewachsen, verlor sie früh beide Elternteile und drei der vier Brüder. Neben diesen Verlusterfahrungen gehört das Erleben der französischen Besatzung Hamburgs zu den ihre Jugend prägenden Erlebnissen.
Ihr späteres diakonisches Engagement hat seine theologischen Wurzeln in der die konfessionellen Grenzen sprengenden Erweckungsbewegung. So begeisterte sich die Lutheranerin Sieveking für Thomas a Kempis Schrift „Nachfolge Christi“ und stand in regem theologischen Austausch mit Claus Harms (1778 – 1855), Johann Wilhelm Rautenberg (1791 – 1865), Johannes Evangelista Goßner (1773 – 1858) etc.
Claus Harms
Johann Wilhelm Rautenberg
Johannes Evangelista Goßner
Vor diesem Hintergrund und ihren Erfahrungen als Erzieherin und freiwillige Krankenpflegerin während der Cholera-Epidemie in Hamburg 1831, gründete sie im Jahr 1832 den „Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege“.
Charakteristisch für diese Vereinsgründung – wie auch für alle ihre weiteren Aktivitäten – ist die Idee der Wahrung einer größtmöglichen religiösen und institutionellen Freiheit für sich selbst andere.
Schon 1824 hatte sie im Brief an eine Freundin in Bezug auf Johannes Gossner geschrieben: „Irgendeinen Menschen mit unbedingter Zuversicht zu meinem Führer in Glaubensachen zu erwählen, das habe ich ohnedies schon lange aufgegeben.“ In diesem Kontext ist sowohl die ‚genossenschaftliche‘ Organisationsstruktur ihres Vereins zu verstehen, als auch ihre Absage an Theodor Fliedner 1837, das Vorsteherinnenamt im neu gegründeten Rheinisch-Westfälischen Diakonissenverein in Kaiserswerth zu übernehmen.
Theodor Fliedner 1837
Mutterhaus Kaiserswerth
Mit ihrem diakonischen Engagement eröffnete Amalie Sieveking sich selbst und anderen bürgerlichen Frauen eine neue Sphäre öffentlicher Aktivität im Bereich der evangelischen Kirche und gehört damit zu den Wegbereiterinnen der weiblichen Diakonie.
In enger Verbindung zu ihren diakonischen Aktivitäten muss ihre theologische Arbeit betrachtet werden. 1823 veröffentlichte sie noch anonym die „Betrachtungen über einzelne Abschnitte der heiligen Schrift“. Die „Beschäftigungen mit der heiligen Schrift“ erschienen 1827 bereits unter ihrem Namen und 1855 publizierte sie die „Unterhaltungen über einzelne Abschnitte der heiligen Schrift“.
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Literatur: Kuessner, Theodor: Die Erweckungsbewegung in Hamburg im Spiegel der Briefe, Tagebücher und theologischen Schriften Amalie Sievekings. Hamburg 1986.
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Vermächtnis für meine jungen Freundinnen
Vermächtnis für meine jungen Freundinnen
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Einen großen Teil meines Lebensglücks, ihr Lieben, verdanke ich meiner Verbindung mit euch, und wenn ich in meinem 61sten Lebensjahre in meine Vergangenheit zurückblicke, und überall mich getrieben fühle, die Führungen meines Gottes dankbar zu preisen, so möchte ich's doch vor vielem Andern als eine sonderliche Gnade rühmen, dass er so viele junge Seelen mir zugeführt, bei denen ich mehr oder minder, als den Lämmern seiner Weide, ein Hirtenamt zu verwalten hatte.
Seht, als ich jung war, da drückte mich manchmal das Gefühl, dass ich den jugendlich leichten Sinn meiner Altersgenossen nicht teilte: Ihnen gegenüber kam ich mir oft viel älter vor, als ich wirklich war. Jetzt, möchte ich sagen, ist es umgekehrt. In der Kinderwelt, die so das eigentlichste Element meines Lebens geworden, habe ich mich gleichsam verjüngt, und in Eurem Kreise fühle ich mich, obwohl mit weißen Haaren, doch jugendlich frisch und heiter. Aber in meinem Alter ist es ja wohl an der Zeit, auf den Abschied zu denken. Es kann ja sein, dass der Herr mich noch eine Reihe von Jahren in eurer Mitte lässt; aber ebenso möglich ist es doch auch, dass er mich plötzlich abruft, und wenn das auch nicht, so weiß ich doch nicht, ob sich mir noch einmal in künftiger Zeit die gleiche Gelegenheit darbieten wird, euch einen freundlichen Scheidegruß zu senden, der mein Andenken bei euch in Segen erhalte auch noch über das Grab hinaus.
Sollte ich einmal mein Leben beschreiben, so würde ich als Motto die Anfangsworte des 103ten Psalms wählen: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen; lobe den Herrn, meine Seele, und vergisst nicht, was er dir Gutes getan hat, der dir alle deine Sünde vergibt, und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöset, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst, wie ein Adler. (Ps. 103, 1-4.) Ja, fürwahr, mehr, als ich's sagen kann, hat mein Gott mich gekrönt mit Gnade und Barmherzigkeit, und da dringt mich nun ein herzliches Verlangen, von diesem reichen Segen Euch das Pflichtteil der Freundschaft zukommen zu lassen. Auf dem Gebiete des Geistlichen werden wir selbst durch solches Mitteilen ja nicht ärmer, sondern wird unser eigener Reichtum dadurch nur gemehrt.
Bei denen unter euch, die mich persönlich kennen, und insbesondere bei denen, die im engeren Sinne meine Schülerinnen gewesen, glaube ich mich darauf berufen zu dürfen, dass eine trübe Verstimmung bei mir nicht leicht Raum gewinnt, dass vielmehr Frohsinn und Heiterkeit der Grundton meines Lebens sind. Nun will ich mich nicht vermessen, dass es damit nicht auch einmal anders werden könnte bei mir; ich will es nicht verkennen, wie vielen Anteil an meiner heiteren Stimmung die äußern Vorzüge meiner Lage haben mögen. Sollte es dem Herrn einmal gefallen, mich aller dieser Vorzüge zu berauben, und durch schwere Leiden, namentlich Krankheitsleiden, mich zu prüfen, da würde ja freilich wohl der Ton der Freude verklingen, und in Seufzen und Wehklage sich verkehren. Aber das hoffe ich doch, dass vor finsterem Trübsinn die Gnade des Herrn mich auch dann bewahren, und mir verleihen wird, auch unter Tränen, doch fröhlich in Hoffnung der großen Zukunft des Jenseits entgegenzugehen.
Und dann noch das: Ob auch die Vorteile meiner äußeren Stellung ihren Anteil haben an meiner Heiterkeit: wenn nicht ein anderer, ein höherer Einfluss noch dazu gekommen, so wäre es damit doch schlecht bestellt gewesen bei mir. Oder meint ihr etwa, dass sie nur die Folge eines natürlich glücklichen Temperaments? Diese Voraussetzung müsste ich als eine entschieden falsche bestreiten. Man hat mir immer gesagt, dass ich, wie ein sehr eigenwilliges, so auch ein besonders misslauniges Kind gewesen. Etwas später, in meinem 14ten Lebensjahre, hatte ich eine Periode, wo ich mit Gott und den Menschen, wie mit mir selber ganz zerfallen war, und nur in lärmenden Knabenspielen, die ich mit meinen Brüdern teilte, mich selbst zu vergessen suchte. Noch in einer späteren Zeit, nach meiner Konfirmation, finde ich in meinen Tagebüchern die Spuren einer tiefen Verstimmung, und ein paarmal wird es unumwunden von mir ausgesprochen, dass ich eines geheimen Lebensüberdrusses mich nicht erwehren könne.
Eine oder die Andere von Euch, ihr Geliebten, kennt vielleicht eine so trübe Stimmung aus eigener Erfahrung; vielen dagegen, und namentlich den Jüngeren unter euch, mag wohl das vor ihnen liegende Leben im rosigen Schimmer der Hoffnung sich verklären, und darum schauen sie denn auch wohl recht fröhlich und wohlgemut hinaus in ihre Zukunft. Soll ich euch aber aufrichtig meines Herzens Meinung sagen, so sind es gerade diese, für die ich am meisten sorge, ob sie den Frohsinn, der ihnen jetzt so gut ansteht, auch im reiferen Alter sich bewahren werden. Denn seht, ihr Lieben, um die Hoffnungen einer jugendlichen Einbildungskraft ist es gar ein trügliches Ding, und wenn man da nun so eine nach der andern wie Seifenblasen zerplatzen sieht, da ist es nicht immer leicht, vor Missmut sich zu bewahren.
Weil ich aber aus eigener Erfahrung weiß, dass ein fröhlicher Sinn ein köstlicher Schatz ist, so möchte ich nun als Liebesgabe vor allen Dingen euch etwas hinterlassen, das euch etwa dienen könnte, diesen Schatz zu erlangen und zu bewahren. Dreierlei ist's, das mir dazu geholfen hat: der Glaube, die Entschlossenheit, die kleinen Neckereien des Lebens zu verachten, und dann ein meine Zeit ausfüllender Liebesberuf. Jene Periode einer gänzlichen Zerrissenheit meines Inneren, wovon ich oben geredet, war bei mir eine Periode des entschiedenen Unglaubens.
Was wär' ich ohne dich gewesen,
Was würd' ich ohne dich nicht sein?
Zu Furcht und Ängsten auserlesen
ständ' ich in weiter Welt allein.
Nichts wüsst' ich sicher, dass ich liebte,
die Zukunft wär' ein dunkler Schlund,
und wenn mein Herz sich tief betrübte,
Wem tät' ich meine Sorge kund?
Einsam verzehrt von Lieb' und Sehnen
verging mir nächtlich jeder Tag;
ich folgte nur mit beißen Tränen
dem wilden Lauf des Lebens nach.
Ich fände Unruh' im Getümmel
und hoffnungslosen Gram zu Haus;
wer hielte ohne Freund im Himmel,
wer hielte da auf Erden aus?
In diesen schönen Versen von Novalis liegt eine Hindeutung auf meinen damaligen Seelenzustand, wenn mir auch nicht alles zum klaren Bewusstsein kam, und mancher trübe Eindruck durch die noch an das Kindesalter grenzende Jugend gemildert ward. Wie ich nun allmählich vom Unglauben zum Glauben, erst zum rationalistischen, dann zum evangelischen Glauben gekommen, darüber habe ich mich bei anderen Gelegenheiten ausgesprochen, und würde mich das hier zu weit führen.
Nur das Eine möchte ich hier hervorheben, dass wenigstens da, wo mein besseres Selbst die Oberhand hatte, das Verlangen nach Glückseligkeit und das Verlangen nach göttlicher Wahrheit bei mir identisch war; ich fühlte, dass es für mich kein Glück geben könnte, wenn nicht mein Durst nach Erkenntnis in göttlichen Dingen gestillt würde. In dieser Zeit war es, dass die Schrift eines ganz oberflächlichen rationalistischen Autors: „Salzmanns Himmel auf Erden“ Epoche machte in meinem inneren Leben.
Christian Gotthilf Salzmann, * 1. Juni 1744 in Sömmerda; † 31. Oktober 1811 in Schnepfenthal, heute zu Waltershausen, war evangelischer Pfarrer und Pädagoge. Er gründete 1784 die philantropische Erziehungsanstalt Schnepfenthal bei Gotha.
Salzmann studierte Theologie in Jena und wurde 1768 Pfarrer. Von 1781 bis 1784 arbeitete er an der von Johann Bernhard Basedow gegründeten und geprägten Philantropin in Dessau. 1784 gründete er eine eigene Anstalt in Schnepfenthal.
In diesem Buch entwickelt Salzmann die zentrale Idee, dass die Menschen die Glückseligkeit nicht erst im Jenseits, nach dem Tode erwarten sollen, sondern dass es jeder selbst in der Hand hat, seine Umgebung in ein Paradies umzuwandeln, und damit des Himmels bereits auf Erden teilhaftig werden kann. Dazu gehört, dass man seinen Pflichten gewissenhaft nachkommt, das Gute, das einem begegnet, nicht gering achtet und den lebendigen Glauben gewinnt, „dass auch das härteste Schicksal eine Fügung der göttlichen Liebe, ein Erziehungsmittel ist, wodurch Gott des Menschen Geist auszubilden und zur Erfahrung der Seligkeit immer fähiger zu machen sucht“.
Der in diesem Buche durchgeführte Grundgedanke ist die Analogie zwischen Himmel und Erde, und wie es Torheit sei, einen Himmel jenseits zu suchen, wenn wir ihn nicht in gewisser Weise schon hienieden gefunden haben. Vom Standpunkte des evangelischen Glaubens ist unstreitig vieles an diesem Buche auszusetzen; die Erfahrung aber, dass ich ihm in der Entwickelung meines geistigen Lebens doch entschieden etwas zu danken habe, hat mich immer vorsichtig gemacht, ein Verdammungsurteil zu fällen über irgend ein Buch, worin ein anderer Nahrung zu finden meint für sein geistiges Leben. Wenn nun die stärkere Speise, die wir ihm bieten möchten, für seinen damaligen Zustand noch gar nicht passt?
Seitdem ich diesen Gedanken recht erfasst, stand der Entschluss bei mir fest, nicht eher zu ruhen, als bis ich den Himmel auf Erden gefunden. Die innige Verbindung zwischen beiden gehört noch immer zu meinen Lieblingsvorstellungen, und den Gedanken an eine schroffe Abgetrenntheit des Jenseits von dem Diesseits kann ich nicht ertragen; der Glanz von oben soll unsern Erdenpfad verklären. Die Jakobsleiter, die von der Erde bis in den Himmel reicht, an der die Engel Gottes auf- und niedersteigen, ist mir ein liebliches Bild dieser Verbindung. Unser Wandel ist im Himmel, sagt Paulus, (Phil. 3, 20.) und den Ephesern schreibt er: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen, (Eph. 2, 19.) und Johannes zeuget: Wer an den Sohn glaubet, der hat das ewige Leben. (Joh. 3, 36.)
Um nun aber wahrhaftig den Himmel herabzuziehen auf Erden, suchte ich meinem ganzen Leben eine Beziehung zu geben auf das, was droben ist. Ich nahm Bedacht auf meine Ausbildung für das Himmelreich, ich suchte alles, was mir begegnete, Angenehmes und Unangenehmes, Großes und Kleines, so recht unmittelbar als aus der Hand Gottes zu nehmen, ich fragte in allem nach den Absichten meines himmlischen Erziehers, ich suchte und fand den Schöpfer in der Natur, und freute mich sein, ich gewöhnte mich, jeden Menschen als einen Boten Gottes an mich zu betrachten, als einen Boten, der irgend einen Auftrag an mich auszurichten, sollte es auch nur der sein, mich in der Geduld zu üben, und wie unangenehm auch seine Persönlichkeit mich berühren mochte, so suchte ich in dem Abgesandten doch den zu ehren, der ihn gesendet.
Längere Zeit hindurch waren es freilich nur die Streifbilder der Dämmerung, die also meinen Lebensweg erhellten; aber indem ich diesem Lichte folgte, tagte es mir im Osten heller und heller, bis mir endlich erschien der Aufgang aus der Höhe, der unsere Füße richtet auf den Weg des Friedens. (Luc. 1, 78. 79.) Ich hatte das Wort Gottes meines Fußes Leuchte sein lassen, ich hatte darauf geachtet als auf ein Licht, das da scheinet an einem dunklen Ort, bis der Morgenstern aufgegangen war in meinem Herzen. (2 Petr. 1, 19.) Zu diesem Achthaben auf das Wort Gottes aber, zu diesem ernstlichen Forschen darin hatte ich mich vornehmlich veranlasst gesehen durch meinen schönen Beruf als Lehrerin.
Den Schülerinnen, die meinen ersten Kursus bildeten, gab ich freilich noch einen ganz rationalistischen Unterricht. Aber wenigstens lehrte ich sie nichts, als was meine redliche Überzeugung war, und damit ist, denke ich, immer schon etwas gewonnen. So unternahm ich es nicht, sie in der biblischen Geschichte zu unterrichten. Ich fand darin selbst noch zu viele Steine des Anstoßes, die ich mir nicht zurecht zu legen wusste. Diese Steine aber durch eine den Sinn der biblischen Verfasser offenbar verdrehende Auslegung aus dem Wege zu räumen, das schien mir nicht ehrlich gehandelt, und darum unterließ ich es. So hatte ich bei meinen jungen Mädchen, mit denen ich ja auch noch nach ihrer Konfirmation in Verbindung blieb, den Vorteil, dass sie, als ich meine Überzeugung nun allmählich änderte, in die Aufrichtigkeit derselben keinen Zweifel setzten, und darum umso williger waren, auf dem Wege, der mich zum evangelischen Glauben geführt hatte, mir nachzufolgen. Ich hoffe mit Zuversicht behaupten zu dürfen, dass keine jener Seelen, die zuerst meinem Unterrichte anvertraut worden, auf dem Wege des Irrtums geblieben, aus den ich, selber im Irrtum befangen, zuerst sie geleitet.
Das ernste Gefühl meiner Verantwortlichkeit als Lehrerin der Jugend, das Bedürfnis, mich selber zu begründen in dem, was ich den Kindern als göttliche Wahrheit verkündigte, die tief empfundene Verpflichtung, bereit zu sein zur Verantwortung jedermann, der von mir Grund forderte der Hoffnung, die in mir war, (1 Petr. 3, 15.) das war es, was mich zum ernstlichen, mit Gebet verbundenen Forschen in der Schrift getrieben, und es hat dem Herrn gefallen, auf diesem Wege mich von einer Erkenntnis zur andern, aus Glauben in Glauben zu leiten.
Nun konnte ich verstehen, was Paul Gerhard singt:
Mein Herze geht in Sprüngen,
ich kann nicht traurig sein;
in mir ist Freud' und Singen
und lauter Sonnenschein.
Die Sonne, die mir lachet,
ist Heiland, Jesus Christ;
das, was mich singen machet,
ist, was im Himmel ist.
Als ich diesen Vers das erste Mal las, da ergriff er mich mit fast wunderbarer Gewalt, und es stand von dem Augenblicke an bei mir fest, dass eine so selige Gemeinschaft mit dem Heilande der Zielpunkt meines Strebens sein sollte.
Aus diesen Winken über die Entwickelung meines Glaubenslebens mögt ihr, meine Lieben, wohl erkennen, wie mein Glaube von vorn herein eine heitere Färbung gehabt. Ich suchte Freude und Lust; aber frühe habe ich es empfunden, dass vieles von dem, was in der Welt als Glückseligkeit gepriesen wird, mir doch die rechte Befriedigung nicht geben konnte. Die Erde mochte mir nicht genügen; darum wollte ich den Himmel herabziehen auf die Erde, zuerst in die eigene Brust, und dann wollte ich auch den Himmel bauen um mich her, und jede Erdenblüte sollte einen Himmelsodem mir zuwehen.
Das ist mein Streben gewesen, das ist es noch; ich möchte, dass alle Welt es wüsste, wie gut es hat, wer dem Dienste des Herrn sich hingibt mit rechtem Ernste, und wie bei ihm wahrhaftig das Leben zu finden und die volle Genüge. Ein finsteres, trübsinniges Wesen kann ich bei den Gläubigen nicht wohl leiden. Wohl weiß ich, dass in den Augen der Welt manches dafür gilt, das es doch nicht ist in Wahrheit. Bin ich doch selbst zu einer Zeit der Kopfhängerei beschuldigt, weil ich einen Ernst zeigte, den man mit heiterer Lebenslust unvereinbar hielt, weil ich hin und wieder einmal eine Einladung ausschlug zu einer Lustbarkeit, die nicht hineinpassen wollte in meinen mit Konsequenz durchgeführten Lebensplan. Wohl kenne ich auch jene Traurigkeit, die da wirket zur Seligkeit eine Reue, die niemand gereuet, (2 Kor. 7, 10.) wohl weiß ich, dass bei manchem der seligen Gewissheit, dass er Gnade gefunden bei seinem Herrn und Heiland, ein schwerer Bußkampf vorhergeht, in dem der schreckende Donner des Gesetzes die freundliche Stimme des Evangeliums, übertönt, und dass mancher in seinem von Natur zur Schwermut hinneigenden Temperamente viele Hindernisse zu überwinden findet, die es ihm schwer machen, zu einem recht fröhlichen Glauben hindurch zu dringen. Aber das Alles, meine ich, gehört doch nur einer Vorbereitungs- oder Übergangsperiode an. Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geist. (Röm. 14, 17.) Der vollendete Glaube, das wird ja von allen anerkannt, führt zu einer völligen Freude; so muss denn doch aber auch schon bei den geförderten Christen eine heilige Freude der Grundton ihres Wesens sein.
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