Kitabı oku: «Die Schäferin von Yorkshire», sayfa 4
3
Eine Frau und ihr Hund
Ich liebte mein kleines Häuschen, ich liebte es sehr. Ich hatte keine Möbel, aber die Leute im Dorf halfen mir aus, von einem bekam ich dies, vom anderen jenes. Die Dorfbewohner akzeptierten mich, denn ich war keine typische offcumden. Sie konnten sehen, dass ich versuchte, mich ihnen anzupassen, ihre Lebensweise anzunehmen. Auf der anderen Seite der Kirche wohnte ein sehr nettes altes Ehepaar, Ruth und Keith Robinson, wundervolle Menschen, die mich unter ihre Fittiche nahmen. Sie borgten mir, was ich brauchte, und standen mir bei Problemen mit Rat und Tat zur Seite. Als ich einmal tagsüber unterwegs war, bepflanzten sie den gesamten Vorgarten meines Hauses mit Blumen.
Ein richtiges Bett hatte ich nicht. Einmal startete ich den Versuch, mir eines zu kaufen, denn ich hatte 30 Pfund auf die Seite gelegt und in Appleby gab es ein Secondhand-Möbelgeschäft, in dem ich ein Bett entdeckte, das mir gefiel. Als ich mich dort umsah, fiel mein Blick jedoch auch auf eine staubige, struppige, ausgestopfte Ziege in der Ecke, die genau 30 Pfund kostete. Aus Erfahrung wusste ich, dass die Gelegenheiten, eine ausgestopfte Ziege zu erwerben, äußerst selten sind, und deswegen kaufte ich die Ziege statt des Betts. Ich würde sicher noch häufiger die Chance haben, ein Bett zu kaufen, und bis dahin konnte ich wunderbar vor dem Feuer auf einem Haufen Kissen schlafen, die ich aus dem Caravan mitnehmen durfte. Warum sollte ich oben im Schlafzimmer schlafen, wenn es dort kalt, unten am Feuer aber warm und gemütlich war? Das Schlafzimmer eignete sich doch hervorragend als Abstellraum …
In Penrith gab es einen Secondhand-Elektroladen, wo ich mir einen Kühlschrank, einen Herd und eine Waschmaschine kaufte. Ein Freund schenkte mir dann noch einen Staubsauger, ein lebensnotwendiges Utensil für jemanden, der abends voller Heu und Stroh von der Arbeit nach Hause kommt. Einen Fernseher hatte ich nicht.
Mein großes Problem zu jener Zeit war das Kochen. Ich hatte wirklich gar keinen Schimmer davon und lebte dementsprechend von Nudeln und Pasta. Immer wenn ich etwas mehr Geld verdient hatte, veredelte ich mein Pasta-Gericht durch eine Dosensuppe – der höchste Luxus, den ich mir vorstellen konnte. Von Zeit zu Zeit füttern die Farmer hier ihre Herden mit Rüben und Mangold, wovon einiges während der Fahrt vom Anhänger fällt. Ich sammelte das Gemüse ein, das am Straßenrand lag und ließ es zu Hause köcheln. Auch überfahrene Tiere standen auf meinem Speiseplan: Ganz in meiner Nähe führte die Straße an einem Wäldchen vorbei, wo sich gerne Fasanen aufhielten. Von diesen Fasanen konnte ich mir leicht die Bruststücke in der Pfanne braten. Erstaunlich, wie wenig Essen man zum Leben braucht, wenn man sich darauf einstellt. Ich hatte einen kleinen gekachelten Kaminofen in meinem Häuschen, sodass ich permanent damit beschäftigt war, Brennholz zu sammeln. Starker Wind hieß für mich reiche Beute an Stöcken und Zweigen. Einige Zeit lang hatte ich Jobs bei der Klauenpflege und beim Baden der Schafe auf einer der Farmen in Greystoke Castle, einem wunderschönen Anwesen in der Nähe von Penrith. Als ich eines Abends von der Arbeit nach Hause fuhr, sah ich etwas am Straßenrand liegen. Ich hielt an und fand einige riesengroße Stücke Kohle. Der Kohlenhändler musste wohl von der Ladung hochwertiger Kohle, die er nach Greystoke Castle liefern sollte, einen Sack verloren haben. Dieser glückliche Fund ließ mein Kaminfeuer einige Tage lang brennen.
Das Wunderbare an diesem Feuer war, dass es auch mein Wasser aufheizte. Ich hatte zwar einen Warmwasserboiler, aber ich war stolz darauf, ihn nie benutzen zu müssen – genau wie jetzt auf Ravenseat. Nachdem ich ja lange Zeit gezwungen war, mich mit dem Kaltwasserhahn in der alten Milchkammer anzufreunden, konnte ich nun wieder eine heiße Dusche genießen und mir sogar die Haare waschen.
Die Rastalocken zu entwirren erforderte viel Zeit und Geduld, dazu sicher 5 Liter Kokosöl. Das Entwirren der kleinen Knoten dauerte einige Wochen, einiges musste ich auch einfach abschneiden. Ich war überrascht, wie viel Heu und Stroh sich darin angesammelt hatte, es wäre sicher genug gewesen, um ein Kälbchen eine Woche lang zu füttern.
Obwohl ich sehr wenig Geld hatte und auch shoppen nicht zu meinen favorisierten Tätigkeiten gehörte, legte ich doch immer Wert auf mein Äußeres. Ich hatte, notgedrungen, zwar die meiste Zeit Arbeitskleidung an, aber ich liebte es, mich schön zu machen und meine Weiblichkeit zu betonen, sobald sich die Gelegenheit bot. Ich kaufte mir aber keine neue Kleidung, sondern stöberte in Secondhand-Läden.
Einen dieser Abende, an denen ich schick ausging, musste ich mit der Hintertür meines Häuschens bezahlen – oder zumindest mit der halben. Wie dumm und unnötig. Ich hatte gerade einen riesigen Holzbrocken ins Feuer geworfen, als eine Freundin anrief und mich fragte, ob ich mit ihr abends weggehen wollte. Ich duschte, machte mich fertig und merkte dann, dass es zu gefährlich war, den Holzklotz so im Feuer liegenzulassen. Ich schaffte es, den glimmenden schwarzen Block vorsichtig aus dem Feuer auf eine Schaufel zu bugsieren und hinter dem Haus zu deponieren. Als ich in den frühen Morgenstunden nach Hause kam, hatte ich nur noch eine halbe Tür: Etwas heiße Asche musste beim Raustragen des Holzscheits auf den Gummi-Zugluftstopper gefallen sein. Wind hatte die schwelende Glut genährt, die sich dann langsam nach oben durch die lackierte Tür gefressen hatte. Die obere Türhälfte war mir noch geblieben – es sah aus wie eine geteilte Stalltür – und ein Häufchen Asche darunter. Mein Vermieter, Woody, musste eine ganz neue Tür kaufen, aber wir wussten beide, dass ich Glück im Unglück gehabt hatte, das ganze Häuschen hätte in Flammen aufgehen können. Woody hat mich nie direkt gefragt, was passiert ist, und freiwillig habe ich es ihm auch nie erzählt. Ich glaube, er dachte an Fremdverschulden, denn zu jener Zeit wurde ich von einem Fremden belästigt, einem Dorftrottel, für den ein Nein nichts galt. Woody hatte ihn schon ein paar Mal weggescheucht, wenn er an meinem Häuschen herumstrolchte.
Zwischendurch arbeitete ich auch mal bei einem alten Farmer namens Mike, der allein auf seiner Farm in der Nähe von Salkeld eine Herde Mutterkühe hielt. Mike hatte als Junggeselle sein bisheriges Leben auf dieser Farm verbracht, zusammen mit seiner Schwester, die vor Kurzem gestorben war. Er war ein wortkarger Mann und lebte bescheiden, aber zufrieden mit seiner Herde. Er verließ die Farm selten, hatte keinen Führerschein und zählte auf den wöchentlichen Besuch seiner Haushälterin, die ihn mit dem Nötigsten versorgte. Jeden Montag kochte sie einen Eintopf, der ihm für die ganze Woche reichte. Es stimmt, dass der Geschmack eines Eintopfs beim Aufwärmen immer besser wird, doch wenn ein Gericht zum vierten oder fünften Mal aufgewärmt wird, sollte man sich vielleicht doch mal über Nahrungsmittelvergiftung Gedanken machen. Mike musste die Konstitution eines Ochsen haben: Nie bereitete ihm das Essen Probleme, und er wurde es auch nicht leid, tagein tagaus dasselbe zu essen.
Seine Farm war heruntergekommen, alles wurde irgendwie mit Stricken zusammengehalten, alte Bettgestelle dienten als Gatter und die Kuhställe waren so voll mit Mist, dass die Rinder über die Tore entwischen konnten. Jedes Tor hatte fünf Stangen, doch die jeweils oberste war durch die Ausreißversuche der Kühe, demoliert. Einmal im Jahr verkaufte er seine stirks, die einjährigen Kühe, und ich half ihm davor beim Papierkram, den Ohrmarken und dem Aufladen der Tiere in den Transporter. Dies war ein hartes Stück Arbeit, denn die Kühe waren so sehr an die tägliche Routine mit Mike gewöhnt, dass sie sich stur stellten, wenn der Plan sich änderte. Mike machte sich immer im entscheidenden Moment – beim Aufladen der Tiere – aus dem Staub, denn er konnte es nicht ertragen, seine Kühe wegfahren zu sehen.
Auch wenn Mikes Gebäude und Zäune in einem erbärmlichen Zustand waren, kümmerte er sich doch rührend um seine Herde, manchmal sogar etwas zu viel. Er liebte seine Tiere. Viele Kälber zog er mit Flaschenmilch auf, denn ihre Mütter waren teilweise so alt, dass sie nicht mehr genug Milch hatten. Mike konnte es nicht übers Herz bringen, sie wegzugeben, und so hatte er ein paar ziemlich altersschwache Kühe in seinen Reihen. Die Kälber waren ungewöhnlich zutraulich, denn sie waren den täglichen Umgang mit Menschen gewöhnt. Dies konnte allerdings auch zu einem Problem werden, denn jeder, der sich auf die Weide wagte, wurde von einem heranstürmenden halbwüchsigen Rind begrüßt.
Diese Kühe zusammenzutreiben und sie für den Verkauf auf einen Transporter zu laden war ein Albtraum. Die Ohrmarken der meisten Tiere waren herausgefallen, was problematisch war, weil jede Kuh eine leserliche Ohrmarke haben muss, bevor sie in den Verkauf gehen darf. Die alten Kühe mussten registriert sein, damit Käufer detaillierte Informationen über ihre Kälber bekommen konnten. Die Marken waren aber so alt, dass sie Hieroglyphen ähnelten. Unmöglich zu entziffern. Mike schaffte seinen Papierkram einfach nicht: Obwohl er lesen und schreiben konnte, lehnte er das Ausfüllen von Formularen oder andere bürokratische Aufgaben kategorisch ab. Er hatte einen Verwalter, der regelmäßig vorbeikam und sich um die Korrespondenz kümmerte. Mike konnte einfach nicht verstehen, warum das alles so kompliziert ablaufen musste. Ich kann das gut nachvollziehen, denn ich wühle mich auch regelmäßig durch die Papierberge, die auf Ravenseat anfallen.
Einen meiner anderen regelmäßigen Jobs erledigte ich bei Pat Bentley, die in der Nähe von Newby lebt. Sie ist eine auffallend schöne, hochinteressante Frau, die die ganze Welt bereist hat. Sie ist eine der ersten Alpaka-Züchterinnen in Großbritannien und hat damit einen richtigen Trend in Gang gesetzt. Sie war dann auch Gründungsmitglied der British Alpaca Society. Ich kenne mich also nicht nur mit dem Scheren von Schafen, sondern auch von Alpakas aus, und das können nicht viele von sich behaupten …
Sie stellte mich ein, damit ich ihre kleine Farm beaufsichtigte, wenn sie geschäftlich unterwegs war oder in Südamerika neue Alpakas kaufte. Die meiste Zeit arbeitete ich täglich ein paar Stunden dort, aber wenn sie im Ausland war, wohnte ich auch auf der Farm und kümmerte mich um die Alpakas, ihr Jagdpferd Scattercash und ihre Hunde.
Ich liebte es, für sie zu arbeiten; sie war eine Perfektionistin und alles auf ihrer Farm hatte ›so und so zu sein und nicht anders‹. Das war frischer Wind für mich, eine willkommene Abwechslung zu meinen vorherigen Jobs. Alpakas sind von Natur aus neugierig, sanft und zahm. Sie schienen wunderbar mit dem britischen Klima zurechtzukommen und obwohl jede Koppel einen Unterstand hatte, verbrachten sie die meiste Zeit des Tages draußen, fraßen Gras oder knabberten Heu. Sie tagtäglich zu versorgen war denkbar einfach: Keines von ihnen hatte Moderhinke (Fußfäule), denn sie besaßen ein Sohlenpolster, sie kalbten nur tagsüber, hatten jeweils ein einziges cria (Alpakababy) und machten außerdem alle zusammen auf einen großen Haufen. Sehr angenehm!
Pat verkaufte die Alpakas im ganzen Land und gründete eine Kooperative, durch die die produzierten Fasern mit Gewinn an die Textilindustrie verkauft werden konnten. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Schur: Da Alpakas im Gegensatz zu Schafen kein zusammenhängendes Vlies haben, erinnert die erforderliche Schurtechnik eher an Haareschneiden. Die Alpakawolle hat einen sehr geringen eigenen Fettanteil, ebenfalls ein Unterschied zur Schafwolle, sodass es wichtig ist, die Scherwerkzeuge beständig zu ölen, damit sie nicht überhitzen. Der Vorteil ist, dass die Fasern dann nicht mehr gesäubert werden müssen und sofort gesponnen werden können.
Die Wolle muss schon während des Scherens sorgfältig sortiert werden, da die verschiedenen Körperpartien unterschiedliche Wollqualitäten und Farbtöne aufweisen.
Da ein Alpaka recht groß ist, eigentlich genau so groß wie ich, müssen zum Scheren einige Vorbereitungen getroffen werden: Das Tier wird mit zusammengebundenen Beinen auf einen Schertisch gelegt, man schert eine Seite, dreht das Alpaka um und schert dann die andere. Sie sahen danach recht lustig aus, ihr kleiner plüschiger Kopf oben auf dem langen, dünnen Hals erinnerte an einen Sturzhelm. Versteht sich von selbst, dass sie von dieser Prozedur nicht begeistert waren, doch wenn ein Helfer den Kopf festhielt, waren sie relativ bewegungsunfähig, und abgesehen davon, dass sie ab und zu ein paar Brocken halbverdautes Gras ausspuckten und markerschütternde Schreie ausstießen, gab es keine größeren Schwierigkeiten.
Genauer gesagt, keine größeren Schwierigkeiten bis auf eine – ›Black Bastard‹.
Hier zeigte sich wieder einmal der Fluch des von Hand aufgezogenen Schmusetiers: Black Bastard war in einem Zoo aufgewachsen und wurde mit der Flasche großgezogen, von Kindern verwöhnt und verhätschelt, sodass er jetzt seine hässliche Fratze zeigte – schwerwiegende Verhaltensauffälligkeiten. Er hatte seinen eigenen Paddock, den er systematisch kontrollierte, und ein wachsames Auge auf alle Menschen oder andere Alpakas, die sich in sein Reich wagten. Er stürzte jedes Mal auf den unglückseligen Eindringling los, stieg auf die Hinterbeine, versuchte den Störenfried mit den Vorderbeinen auf den Boden zu zwingen und ihn zu … naja, man weiß nicht, was er genau beabsichtigte, aber niemand hat sich bis jetzt freiwillig gemeldet, um es herauszufinden.
An einem Sonntagnachmittag kam Pats Mann, Bill, nach dem Mittagessen entspannt aus dem Pub nach Hause. Genau in diesem Moment hörte er Black Bastards wildes Geschrei, als dieser ein unschuldiges Alpaka angriff, das ihm versehentlich zu nahe gekommen war. Man hörte Bill in einem Rausch von Tollkühnheit: »Jetzt reicht’s, jetzt ist dieses schwarze Ungeheuer dran, ein für allemal!« Er rannte in die Sattelkammer, holte eine Longenpeitsche und wollte Black Bastard unter den Anfeuerungsrufen von Pat und anderen Zuschauern eine Lektion erteilen, die dieser niemals vergessen sollte. Das Ganze dauerte zehn Minuten und Bill war fix und fertig: Black Bastard hatte das nächste Opfer auf seinem Gewissen. Bills unglücklicher Versuch, das Tier zu zähmen, machte alles nur noch schlimmer, und das verbitterte Alpaka war von dem Moment an Bills Erzfeind.
Eines frühen Morgens fand ich Pat bei meiner Ankunft in Syke House völlig in Tränen aufgelöst. Eines ihrer besten jungen Alpaka-Weibchen war in der Nacht gestorben. Dieses Alpaka war ein ganz besonderes Tier und gerade erst aus Peru eingeflogen. Pat wollte mit ihr eine neue Zucht beginnen, sodass dieser Tod ein herber Rückschlag für ihre Zukunftsaussichten war.
»Lass es uns mal positiv sehen«, begann ich.
»Wie könnten wir? Sie ist tot.«
»Wir können sie ausstopfen lassen.«
Zu jener Zeit war Pat gerade damit beschäftigt, ein Alpaka-Informationszentrum einzurichten, in dem Besucher etwas über die Tiere lernen sowie Garn und andere aus Alpakafasern gefertigte Produkte kaufen konnten.
»Ich suche jemanden, der sie für dich ausstopft und dann können wir sie ausstellen. Die Besucher werden begeistert sein, ein Alpaka aus der Nähe betrachten und sogar sein Fell streicheln zu können.«
»Meinst du? Finden wir wirklich jemanden, der das kann?«
Ich wusste, dass uns nicht viel Zeit für die Entscheidung blieb, was wir mit dem toten Tier anfangen sollten. Ein Tierarzt war keine Hilfe, also fingen wir sofort an zu telefonieren. Zufällig hatte ich auf irgendeiner Landwirtschaftsschau die Visitenkarte eines Tierpräparators mitgenommen. Ich rief ihn an, doch er präparierte nur kleine Vögel und Eichhörnchen. Er gab mir aber die Nummer eines Freundes an der schottischen Grenze, der, wie er sagte, Herausforderungen liebe.
»Bringen Sie mir das Tier sofort hierher«, sagte der Freund am Telefon.
Pat und ich benutzten eine Pferdedecke als improvisierte Trage, um das Alpaka hinten auf den Pickup zu laden. Wir wickelten es schnell in ein Bettlaken und ich machte mich auf den langen Weg mit der sehr wertvollen, sehr toten Ladung hinten drin. Die Adresse war ein ganz normales Wohnhaus in einem Vorort von Hawick. Die Nachbarn waren entweder absolute Ignoranten oder einfach daran gewöhnt, dass zwei Menschen einen in ein Tuch gehüllten, steifen, lang ausgestreckten Körper den Gartenweg hoch ins Wohnzimmer trugen.
»Kein Problem«, sagte der Präparator, »ich fange sofort an.«
Das war das Zeichen für mich, zu gehen.
»Alles was ich brauche, sind ein paar Fotos von einem lebenden Alpaka, damit ich die Haltung richtig hinkriege.«
Pat schickte ihm welche, aber es dauerte noch, bis er sie wirklich brauchte: Es gab eine Menge zu tun, bevor er das Alpaka endlich in eine vertikale Position bringen konnte.
Es kostete Pat 3000 Pfund, ihr Alpaka ausstopfen zu lassen, aber mit dem Ergebnis war sie sehr zufrieden. Das ausgestopfte Tier nahm im Alpaka-Informationszentrum einen Ehrenplatz ein, sodass sein trauriges, unerklärliches Ableben zu guter Letzt doch noch ein glückliches Ende fand.
Nachdem ich Clive getroffen hatte, stellte ich ihn und seinen Freund Alec Pat vor. Sie brauchte zu bestimmten Zeiten im Jahr immer mal ein paar starke Männer, denn ihre Alpakaherde war aufgrund eines neuen Zuchtprogramms beträchtlich gewachsen. Clive und Alec liebten Alpaka-Wrestling als willkommene Abwechslung zum Schafalltag, und sie wurden Experten im Umgang mit willensstarken Alpakas, genauso wie kompetente Zahnärzte, wenn es darum ging, mit umfunktionierten Trennschleifern Alpakazähne zu behandeln. Clive musste sogar einmal in den Süden runterfahren, um im Quarantäne-Zentrum einen Haufen frisch importierter Tiere zu untersuchen, und ich selbst hatte einen Einsatz im Twycross Zoo, in den Midlands, um dort einige Alpakas zu scheren. Wirklich amüsante Aufträge, die wir durch die Alpakas bekamen, vor allem, weil ich, bis ich Pat traf, gar nicht wusste, dass es diese Tiere überhaupt gibt.
Mein erster Kontakt zu Pat entstand durch einen anderen Schäfer, Bob, dem ich immer mal wieder aushalf. Bob war ein alteingesessener Schäfer und bekam oft mehr Arbeit angeboten, als er bewältigen konnte. Er war glücklich, diese dann an mich weitergeben zu können, und manchmal erledigten wir die Jobs auch zusammen. Mit der Zeit kannte man meinen Namen in der Gegend und das Telefon klingelte regelmäßig.
Während meiner Zeit in Crosby trat ein neues Wesen in mein Leben: mein treuester Weggefährte. Ich war zur Schafschur auf einer Farm in Melmerby eingestellt und wir mussten die Schafe vom Berg runterholen. Wie immer wurde ich bergauf von einem Quad mitgenommen und rannte dann zickzack, pfeifend, rufend, brüllend den Schafen hinterher – wobei zur selben Zeit die anderen Schäfer und Farmer in meine Richtung pfiffen, riefen und brüllten. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich wäre purer Ersatz für einen Hütehund, aber so blieb ich wenigstens körperlich fit. Die schicksalsvolle Begegnung ereignete sich an einem Abend, als wir uns nach getaner Arbeit auf den Heimweg machen wollten und ich mir nur noch kurz einen frischen Wurf Welpen im Stall anschauen sollte. Ich hatte schon einige Hütehunde kennengelernt, die unterschiedlichsten Rassen und Farben, vom traditionellen, weit verbreiteten Border Collie bis zum großartigen, lustig dahinzockelnden Neuseeländischen Huntaway und den kleinen, feinen Australischen Kelpie. Es gab jedoch eine Rasse unter den Arbeitshunden, die ich am meisten bewunderte und das waren die Bearded Collies. Ich hatte sie im Lake District schon einmal bei der Arbeit beobachtet, wenn sie unter permanentem Gebell die Herden durch das unwegsame Farnkraut die steilen Hänge hinuntertrieben. Mir gefiel ihre ruhige Arbeitsweise und Gelassenheit – sie waren nicht so ›scharf‹ wie die Border Collies.
Ich schaute über die Stalltür und sah in einer Ecke die zotteligste, melancholischste Bearded Collie Hündin meines Lebens. Sie hatte dickes, verfilztes Fell und dunkle Augen, die durch ihre Zottelhaare hindurchblinzelten. Neben ihr tummelte sich ein halbes Dutzend Welpen gleichen Schlags, wollig und pummelig – die Hündin hatte sie gut versorgt. Doch inmitten dieses Durcheinanders von Eimern, Schüsseln und losem Stroh, lag etwas abseits noch ein Welpe, der ganz anders war: weiß und mit drahtigem Fell ähnelte er eher einem Terrier. Sein Aussehen war vielleicht ein Relikt aus früheren Generationen, denn er war sicher aus demselben Wurf.
»Sind alle schon vergeben«, sagte der Farmer.
Ich sagte nichts. Muntere, freundliche Welpen von tüchtigen Hütehunden sind sehr teuer und Beardies werden ganz besonders gesucht.
»Nur der nicht.«
Er zeigte auf den unglücklichen Außenseiter in der Ecke.
»Den will keiner.«
Ich schaute den kleinen Welpen an. »Was ist denn das für einer?«, fragte ich.
»Hündin, kannst sie haben, wenn du willst.«
Was für ein Angebot! Ich gab dem Farmer keine Sekunde Zeit, sich die Sache anders zu überlegen. Ich legte die Kleine in den Fußraum meines Autos und brachte sie in mein Häuschen, wo ich ihr ein Nest aus frisch geschorener Wolle herrichtete. Wir schliefen gemeinsam vor dem Feuer ein, glücklich zusammengekuschelt.
Ich nannte sie Deefa, ein dummer Name eigentlich, aber mir fiel kein besserer ein. D für dog aber auch für different, denn sie war anders. Wenn ich ihr einen typischen Namen für Hütehunde gegeben hätte, so wie Fly, Nip oder Floss, hätte sie auch die daran geknüpften Erwartungen erfüllen müssen, und ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich ja gar keine Ahnung hatte, wie man einen Hütehund ausbildete. Ich hatte mit Schäfern und Farmern zusammengearbeitet, die ihre eigenen Hunde dabei hatten, ich hatte sie auch häufig bei ihrer Arbeit beobachtet, doch wie man einen Hütehund dazu bringt, die von ihm erwarteten Aufgaben zu erledigen oder ihn für sich arbeiten zu lassen, das war für mich ein großes Mysterium. Ich bekam eine Menge Jobangebote, von denen manche auch ohne eigenen Hund machbar waren. Im Grunde meines Herzens wusste ich aber, dass man als Schäfer oder Schäferin nur mit einem eigenen Hund ernst genommen wird. Meine Kleine und ich, wir waren im Grunde genommen beide noch so grün wie die Hügel um uns herum, aber vielleicht könnten wir es ja zusammen schaffen. Wir lernten gemeinsam und jeder lernte vom anderen. Ich wusste nicht, wie ich sie richtig ausbilden musste, aber ich wusste, was ich von ihr verlangen wollte. Ich dachte mir meine eigenen Zeichen für sie aus und wir hielten zusammen durch.
Ich flehte sie praktisch an, für mich zu arbeiten. Wenn ich aus ihr einen guten Hütehund machte, würde mir das ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Ein Schäfer-Sprichwort sagt: »Nichts ist schlimmer wie’n rennender Schäfer«, wenn also ein Schäfer die Beine in die Hand nehmen muss, läuft irgendetwas schief.
Wenn jemand sagt, er brauche einen Schäfer, dann meint er normalerweise einen Schäfer und einen Hund. Die beiden sind eins. Man kann zwar mit Cleverness und List die Schafe auch ohne Hund zusammentreiben und oft ist auch ein Quad sehr nützlich, doch mit Hund geht es einfach immer leichter und besser. Ich erinnere mich gut an eine Situation, als ich einmal den Little Mell Fell in der Nähe von Penruddock zu Fuß hinunterkam: offenes Moor zwischen Penrith und Keswick, ein grauer, nebliger Tag, nur Deefa bei mir. Die Schafe, die ich vor mir her trieb, brachen immer wieder aus, ich hatte zu allem Überfluss auch noch ein Lamm auf dem Arm und nichts lief wie es sollte. Deefa, mittlerweile eine schlaksige junge Hundedame, folgte mir wie immer bei Fuß. Sie war mir so treu ergeben, wie man es sich nur wünschen konnte, aber sie hatte sich nie selbst weiterentwickelt, um mir eine professionelle Hilfe zu sein – abgesehen von ein bisschen Gebell hier und da.
»Bitte, bitte Deefa. Ich kann nicht mehr, kannst du schnell zurück zu den Schafen rennen? Bitte!«
Heute schäme ich mich dafür, was ich dann tat, aber ich setzte mich tatsächlich hin, mit dem ruhenden Lamm als Kissen und weinte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in diesem kritischen Augenblick ein stillschweigendes Verständnis zwischen Mensch und Tier gab, denn Deefa preschte los, schnell wie ein Blitz, zielstrebig den herumirrenden Schafen hinterher.
Ich konnte es kaum glauben. Mir hatte das keiner beigebracht, ihr hatte das keiner beigebracht. Ich glaube, dass damals ihr angeborener Instinkt, Schafe zu treiben, ans Licht kam. Ich benutzte einfach die Kommandos, die ich bei den anderen Schäfern gesehen hatte, mischte sie mit meinen eigenen Interpretationen, dazu viel Gefuchtel mit den Armen und Gestikulieren – das war’s. Deefa wurde ein Hütehund, sie musste einer werden, denn ich brauchte einen. Wir waren zwar nicht für Serien wie One Man and His Dog geeignet, denn meine Kommandos waren nicht die Üblichen und Deefas Laufstil und Laufwege waren eher ungewöhnlich, aber sie war meine gute Kameradin: Sie stand zu mir und ich zu ihr. Sie hatte – irgendwie – ihren Job gelernt.
Durch meine unregelmäßigen Beschäftigungen musste ich das Leben nehmen, wie es war, wenn ich also knapp bei Kasse war, lebte ich von einer Packung Nudeln für 29 Pence und Deefas Mahlzeit bestand aus Tütenfutter (Mischung aus Getreide, Mais und Erbsen), dem ich durch einen Oxo-Brühwürfel in heißem Wasser einen Fleischgeschmack gab. Sie fraß es. Wir hatten beide keine andere Wahl und waren trotzdem fit wie ein Turnschuh. Ein paar Monate später kaufte ich Deefa einen Freund, einen stattlichen, rot-weißen Bearded Collie von einem Farmer namens Geordie. Geordie und Connie hatten eine Farm in einem kleinen, malerischen Dorf im Lake District, ein Touristenmagnet.
Der Hund hatte ein sehr ausgeprägtes Territorialverhalten: Wenn irgendjemand auch nur einen Fuß in sein Revier setzte, ging er auf ihn los. Er konnte seine Zähne in ein Schienbein bohren und so schnell wieder verschwinden, dass das Opfer gar nicht sah, wer ihm die Wunde zugefügt hatte. Er war aber ein prima Hund und ich hatte auch gar keine Probleme mit seinem Revierverhalten, wahrscheinlich deswegen, weil wir ständig von einer Farm zur nächsten zogen. Es gab nur einen kleinen Nachteil: Der Hund hieß Roger, und das war einfach ein lächerlicher Name für einen Hütehund. Es war so peinlich, auf der Weide zu stehen und »Roger« zu rufen, dass ich den Hund wegen seiner Farbe zuerst in ›Red Roger‹ und später einfach in ›Red‹ umbenannte.
Er war ein lustiger Geselle fortgeschrittenen Alters, der in seinen besten Zeiten ein brillanter Hütehund für Kühe gewesen war. Viele Jahre lang hatte er Geordies kleine Herde Milchkühe in die Ställe getrieben und er wusste noch immer gut mit Schafen umzugehen. Allerdings hatte das Alter ihn streitsüchtig gemacht, er war immer mal wieder launisch und bockig. Doch Tatsache war: Ich hatte zwei Hütehunde, konnte professionell arbeiten und wirkte glaubwürdig als Schäferin.
Ich begann, mir eine eigene kleine Menagerie zusammenzustellen. Auf meinen Reisen durchs Land erwarb ich ein paar Lämmer, von denen die Farmer meinten, sie wären zu schwach, um zu überleben. Es gelang mir nicht, alle durchzubringen, aber die meisten Flaschenlämmer schafften es. Mein eigener Garten war groß genug für sie und Alpaka-Pat erlaubte mir auch, die Lämmer auf ihre Weiden zu führen. Es fiel mir nicht leicht, sie später auf dem Viehmarkt zu verkaufen, und die Farmer waren ziemlich verärgert: »Wir haben dir die Lämmer gegeben, damit du schnell ein bisschen Geld verdienst, und nicht, damit du sie ewig großziehst und dein ganzes Geld reinsteckst.«
Ich bekam auch eine Toggenburger Ziege namens Flymo (wie der Luftkissenrasenmäher). Sie war ein sehr hübsches, braun-weißes Geschöpf mit starkem Charakter. Ihr Name sprach Bände. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite meines Häuschens war ein breiter Grünstreifen, wo ich sie festband. Dort verspeiste sie alles Unkraut rundherum, Brennnesseln eingeschlossen. Fremde Leute kamen an meine Tür und baten mich, Flymo auch auf ihren Grünflächen fressen zu lassen. So befreite meine Ziege nach und nach das ganze Dorf von Unkraut. Ich nahm Flymo natürlich mit nach Ravenseat, zu Clives Verdruss, denn er ist nicht gerade ein Ziegenfreund. Ich muss zugeben, er hatte Recht mit seinen Befürchtungen, aber dazu später mehr …
Ich vergrößerte meinen Zoo um ein Pferd namens Bruno, denn ich hatte mittlerweile einen weiteren Stall zu Verfügung. Ich war dem alten Farmer Collin bei seiner Handvoll Schafe, die er noch versorgte, behilflich gewesen, und als Bezahlung durfte ich den Stall nutzen. Also kaufte ich beim Cowper Day Sale, einem großen Pferdemarkt, der jeden Herbst in Kirkby Stephen stattfindet, ein Fohlen. Ich bezahlte die stattliche Summe von 20 Guinees3 dafür, ein Freund brachte mir das Pferd mit seinem Anhänger vorbei. Das Tier war nicht gerade ein Hingucker – nur ein kleines, einsames, struppiges, geschecktes Pony – aber es gehörte mir. Mein allererstes Pferd!
Mein VW Polo hatte mir gute Dienste geleistet, aber die holprigen Feldwege mit ihren tausend Schlaglöchern waren gnadenlos und gaben ihm irgendwann den Rest. Auch innen hatte der Wagen durch den Transport von Lämmern, Hunden und Farmzubehör ziemlich gelitten. Er war in einem katastrophalen Zustand, aber irgendwie konnte ich ihn für ein paar Pfund doch noch verkaufen. Der Käufer meinte, er habe noch nie solch ein vergammeltes, ruiniertes Auto gesehen. Keine Ahnung, warum er mir überhaupt etwas dafür gab.
Mein nächstes Auto war ein Pickup mit Vierradantrieb, ein Hilux, der den Bedürfnissen einer herumreisenden Schäferin bestens entsprach. Dachte ich jedenfalls. Der Wagen wurde in der Lokalzeitung für 1000 Pfund angeboten. Das war, wenn auch viel Geld für mich persönlich, ein Schnäppchen. Es war genau das Auto, das ich gesucht hatte und zu der Zeit auch bezahlen konnte. Erst nach dem Kauf merkte ich, warum der Wagen so billig war: er brauchte Benzin, keinen Diesel. Da ich es mir gar nicht leisten konnte, den Tank vollzufüllen, versuchte ich herauszufinden, an welcher Tankstelle ich die kleinste Menge tanken konnte. Ich tankte jedes Mal für zwei bis drei Pfund, denn nur die hatte ich meistens flüssig. Ich merkte mir die wenig befahrenen und steileren Straßen, wo ich im Leerlauf runterfahren und Sprit sparen konnte. Ich war einfach knapp bei Kasse.