Kitabı oku: «Blutsbande»

Yazı tipi:

Blutsbande

Blutsbündnis-Serie Buch 5

Amy Blankenship, RK Melton

Translated by Martina Hillbrand

Copyright © 2012 Amy Blankenship

Ins Deutsche übersetzt von Martina Hillbrand

Zweite Auflage herausgegeben von TekTime

Alle Rechte vorbehalten.

Kapitel 1

Die Stadt Los Angeles erstreckte sich vor ihm wie ein Kaleidoskop blinkender Lichter und Farben. Die entfernten Geräusche des Stadtlebens ertönten in seinen Ohren, aber Syn schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit, lauschte stattdessen dem Flüstern einer sanften Brise, die über ihn floss. Er stand am höchsten Punkt des höchsten Gebäudes der Stadt, balancierte auf der Spitze des Turms.

Syn hatte seine Hände in seinen Hosentaschen vergraben, während sein langer Mantel wie ein Umhang hinter ihm flatterte und dabei zu verschwinden und wieder zu erscheinen schien, als wäre er lebendig. Sein langes, dunkles Haar wurde aus seinem Gesicht zurück geweht, wodurch eine alterslose Schönheit sichtbar wurde, wie sie auf dieser Welt kaum einmal gefunden werden konnte.

Er hatte aus Vorsicht seine Aura vor allen Kreaturen, die ihn spüren könnten, verborgen, aber er konnte all ihre Auren weit unter ihm wahrnehmen… wie sie sich zwischen den Menschen bewegten, in ihrem alltäglichen Leben, als hätten sie keine Sorge auf der ganzen Welt.

Als er senkrecht nach unten sah, auf den Balkon, der direkt unter ihm war, grinste er, als er hörte, wie Damon Alicia den Blutstein gab… ihn in ihr vergrub, sodass sie immer vor dem gefährlichen Sonnenlicht geschützt sein würde, das ihre neue Existenz bedrohte. Syn war stolz darauf, eine solche Schwiegertochter zu haben, jemanden, der Damon auf Trab halten würde, und ihn auf jegliche Art herausfordern würde, wo es wichtig war.

Sein Grinsen wurde breiter, als ihre Schmerzensschreie bald von den Ausrufen ihrer Leidenschaft gefolgt wurden, und er nickte zustimmend. Er konnte es nicht erwarten, sie kennenzulernen.

Syn konzentrierte den Blick aus seinen violetten Augen wieder auf die Stadt und sah die bösen Schatten selbst in den Gegenden, die hell erleuchtet waren… Dinge, die andere nicht sehen konnten. Er konnte nicht verstehen, wieso seine Kinder sich entschieden hatten, in diesem Kampf gegen die Dämonen teilzunehmen. In seinen Augen hatten die Dämonen ungefähr dieselbe Bedeutung wie die Menschen… sie waren ihm eigentlich ziemlich egal. Doch seine Kinder und seine eigenwillige Seelenfreundin hatten beschlossen, sich ihnen entgegen zu stellen… hatten entschieden, dass sie die beschützen wollten, die sich in so einem Krieg nicht selbst beschützen konnten.

Ein leises Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er sich an seine Frau erinnerte… seine Seelenfreundin. Sie hatte schon immer auf der Seite der Schwächeren gestanden, hatte sich immer für die eingesetzt, die sie als schwach ansah. Er musste davon ausgehen, dass nicht viel in ihr sich seit ihrer früheren Leben verändert hatte… die Seele war dieselbe, egal wie oft sie wiedergeboren wurde. Sie hatte ihn einst als Feind angesehen, einfach weil seine Macht viel größer war, als die der meisten anderen in ihrer Welt… er hatte Jahre gebraucht, um sie umzustimmen.

Die Sonne schielte gerade über den Horizont und Syn hob sein Gesicht, um sie zu begrüßen, ließ das Licht sich über ihn ergießen… fühlte die riesige Menge an Energie und füllte seinen Körper damit. Syn wusste, dass seine Kinder ein menschliches Leben gewählt hatten… etwas, das er früher noch nie ausprobiert hatte. Die Andeutung eines weiteren Lächelns überzog seine perfekten Lippen, als ihm eine interessante Idee kam.

Ja, es könnte richtig lustig sein, sich ihnen anzuschließen, nachdem seine Seelenfreundin auch dachte, dass sie einfach ein Mensch war, und nach deren Regeln lebte. Er würde es ihnen gleichtun… ihr näherkommen und sie überzeugen, dass sie ihm gehörte und er nicht ihr Feind war. Dieses Mal würde er den Großteil seiner Macht vor ihr verborgen halten, damit sie sich durch ihn nicht so bedroht fühlte. Er würde ihr Mitstreiter werden, ihr Freund, und dann wieder… ihr Partner.

*****

Misery saß auf einem Felsen, ließ ihr Beine vorwärts und rückwärts baumeln, sodass ihr lockiges, blondes Haar bei jeder Bewegung hüpfte. Sie war diese Woche sehr fleißig gewesen, hatte Dämonen für ihre wachsende Armee versammelt. Auch jetzt waren einige davon in der Dunkelheit, die sie umgab, versteckt… beobachteten sie neugierig.

Die meisten der Dämonen, die sie gesammelt hatte, waren schwach und hatten nicht wirklich erwähnenswerte Mächte, aber das war es ja, was einen Soldaten ausmachte: Wenn er alleine kämpfte, war er nur ein Schwächling. Aber wenn man sie zusammenrief, um eine Armee aufzustellen, konnten sie die stärksten Feinde niedermetzeln, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, wie viele von ihnen dabei verlorengingen.

Heute Nacht hatte Misery die Macht einer uralten Aura in dem Wald, der eine Seite der Stadt begrenzte, gefühlt, und war ihr bis in eine tiefe Höhle gefolgt. Die bösartige Energie hatte sich gegen sie erhoben, wollte sie aus ihrem Zuhause vertreiben, aber Misery hatte der Versuch nur belustigt… zumindest so lange, bis die Macht sie körperlich weggeschleudert hatte.

Als sie sich wieder aufrichtete, um den Dämon von Angesicht zu Angesicht zu bekämpfen, war alles, was sie sehen konnte, eine Krähe mit zerzausten Flügeln. Als sie deren schwarze Seele durchsuchte, beruhigte sich Misery wieder, denn sie erkannte, dass der Vogel einer der antiken Meister war, die vergessen worden waren, als die Gefallenen Engel die anderen in die Unterwelt vertrieben hatten.

Dieser Dämon hatte sich gut an seine Umgebung angepasst und hatte sich ein Zuhause errichtet. Die Eingeborenen-Stämme dieses Landes hatten den Dämon als einen großen Geist angesehen, der angebetet und verehrt werden musste, und durch dieses Anhimmeln war der dämonische Meister stärker geworden.

Misery konnte den Zorn, den dieser Dämon gegen die bleichgesichtigen Menschen hegte, die sich frei in diesem Land bewegten, schmecken und wollte sie zu ihrem Vorteil nutzen. Sie war einen Handel mit dem Dämon eingegangen, anstatt gegen ihn zu kämpfen… ein Kampf, von dem sie nun wusste, dass sie ihn verloren hätte. Dem Alten schien ihre Idee zu gefallen, ihre Artgenossen aus ihrem dimensionalen Gefängnis zu befreien und er hatte ihr, bevor er in den Wald davongeflogen war, aufgetragen, ein Blutopfer zu bringen… eines der Werkzeuge, die er brauchen würde, um ihr zu helfen.

Als Misery mit zwei Vampiren und einem verzauberten, halb bewusstlosen Mann zur Höhle zurückkam, wartete der böse Geist schon. Die roten, perlenartigen Augen der Krähe warfen ihr einen stechenden Blick zu, ehe der Vogel wegflog. Misery folgte ihm tief in den Wald hinein, bis zum Rand des Schutzgebiets. Sie betrat eine kleine Lichtung und war überrascht, dort einen alten Mann neben einem großen Lagerfeuer sitzen zu sehen.

„Man nennt mich Schwarze Krähe“, erklärte der alte Mann.

Misery nickte respektvoll. Sie erinnerte sich an die heilige Art, wie man mit einem Dämon umzugehen hatte, dessen Macht größer war, als die ihre. „Ich heiße Misery.“

Schwarze Krähe lachte spöttisch. „Was weißt du schon von wahrer Misere?“

Misery erwiderte nichts, biss sich auf ihre Zunge, um zu vermeiden, in Stücke gerissen zu werden. Sie hatte Macht und er wusste es… sie war sich sicher, dass er sie ebenso fühlen konnte, wie sie ihn.

Schwarze Krähe stand auf und kam auf sie zu. Sie betrachtete seine menschliche Gestalt und konnte nicht verstehen, wieso jemand, der so mächtig war, einen so zerbrechlichen Körper wählen sollte. Er sah uralt aus, alt und runzelig, mit langem, weißen Haar, und trug dunkle Hosen aus Hirschleder. Sein Hemd war aus demselben Leder gemacht und mit Perlen und Federn geschmückt. Ein kleiner Beutel hing an seiner Hüfte und weitere Federn waren über einem Ohr in sein Haar geflochten worden.

Schwarze Krähe streckte plötzlich die Hand aus und packte den menschlichen Mann am Haar, sodass er in sein Gesicht sehen konnte. „Dieser wird genügen“, erklärte er und ging zurück zum Lagerfeuer.

„Was soll ich tun?“, fragte Misery.

„Wir müssen warten“, meinte Schwarze Krähe und legte mehr Holz ins Feuer.

Misery ließ zu, dass ihr Ärger sichtbar wurde. „Worauf warten, alter Mann? Ich habe keine Ewigkeit Zeit… mein Krieg wird mit oder ohne dir stattfinden.“

Sie ignorierend legte Schwarze Krähe noch mehr Holz ins Feuer und begann zu singen. Misery wollte gehen, aber erkannte, dass sie wie angewurzelt war. Sie konnte fühlen, wie ihre Macht aus ihr floss und ihre kindliche Gestalt begann zu verrotten. Dies war nicht das Resultat ihrer Leichengestalt… ihrem gesamten Sein wurde langsam die Macht, die sie den Menschen gestohlen hatte, entzogen.

„Dein Plan ist ohne mich zum Scheitern verurteilt“, sagte Schwarze Krähe herablassend. „Deine Existenz ist mein Eigentum geworden, als wir unseren Handel eingegangen sind. Du bist schwach und hast keine Macht über mich, denn du besitzt nichts, was ich will.“

Misery wurde plötzlich freigelassen, aber starrte ihn wütend an, während sie auf dem großen Felsen sitzenblieb und auf weiß Gott was wartete. Schwarze Krähe hatte ständig neues Holz ins Feuer gelegt und die Flammen waren zu einer erstaunlichen Höhe gewachsen. Der alte Mann stand auf und ging zur anderen Seite der Lichtung zu einem alten Mammutbaum, den Misery vorhin nicht bemerkt hatte.

Schwarze Krähe kniete sich neben den riesigen Wurzeln hin und hob eine Handvoll Erde auf. Dann kam er zurück zum Feuer und sein Gesang wurde sehr laut und rhythmisch, ehe er die Erde ins Feuer warf. Das Feuer spuckte Funken und loderte noch höher, als der Staub auf die Flammen traf. Sein Körper bewegte sich wie bei einem Kriegstanz und sein Sprechgesang wurde noch lauter.

Die Schatten um sie dehnten sich aus, bis nur noch Schwarze Krähe von ihnen unberührt blieb, während er innerhalb eines perfekten Kreises tanzte. Plötzlich blieb er stehen und griff nach den Schatten zu seinen Füßen. Die tintenartige Dunkelheit schien von seiner Hand angezogen zu werden, suchte die warme Berührung, die Schwarze Krähe ausstrahlte, ehe er die Schatten aus dem Boden zog. Auch sie trafen auf die Flammen und ein Funke entstand, der schnell zu einer Explosion wurde, sodass Misery ihre Hand hob, um ihre Augen zu beschatten.

Ein unmenschliches Heulen erfüllte die Lichtung und Misery beobachtete, wie der Schatten über die Flammen nach oben kroch, wobei er vor Hitze rot glühte. Er flog über die Lichtung zurück dorthin, wo Schwarze Krähe die Erde geholt hatte, und verschwand dort im Boden. Wenige Augenblicke später begann die Erde sich zu bewegen, als würde sie atmen und zwei verwitterte, knochige Arme wuchsen daraus hervor.

Schwarze Krähe ging direkt zu dem Blutopfer, das Miserys Vampire aufgesammelt hatten, und riss den Mann aus deren Griff los.

Der junge Mann, ein Student der lokalen öffentlichen Universität, erwachte aus der Gedankenkontrolle der Vampire, als Schwarze Krähe ihn übernahm. Immer noch desorientiert, wusste er nicht, was geschah, bis er die lange Klinge sah, die sich seinem Hals näherte. Noch ehe er etwas dagegen unternehmen konnte, hatte sich die Klinge durch sein Fleisch gebohrt und sein Schrei war still.

Blut spritzte in die Flammen, wodurch das Lagerfeuer zu zischen begann, und weitere Funken sprühte. Die Arme, die aus dem Boden gestoßen waren, zogen nun den Rest ihres Körpers hinaus in die dunkle Nacht. Langes, tiefes Stöhnen erklang aus seiner Kehle, begleitet von hungrigem Grunzen, als sich der Körper auf den sterbenden Mann zu bewegte.

Knochige Finger packten das Hemd des Mannes und die Kreatur senkte ihren Kopf zu der offenen Wunde, labte sich an dem Blut und dem Fleisch. Während sie fraß, begannen Muskeln und Fleisch um ihre Knochen zu wachsen und Misery verfolgte die Szene gebannt. Sie konnte ihren Blick nicht von dem Kunstwerk von Schwarzer Krähe losreißen und klatschte freudig in die Hände.

„Er wird mehr brauchen, von denen er sich ernähren kann, ehe er wieder vollständig wiederbelebt ist… aber für jetzt wird dieser hier genügen“, sagte Schwarze Krähe mit einem Anflug von Langeweile in seiner krächzenden Stimme.

„Können wir mehr machen?“, fragte Misery, während sie beobachtete, wie das Blut und die Leichenteile im Licht des Feuers glitzerten.

„Ich kann es“, sagte Schwarze Krähe einfach und Misery wusste, was er damit sagen wollte… er konnte es tun, und sie nicht.

„Und jetzt, junge Dämonin… zeige mir deine Macht“, befahl Schwarze Krähe.

Misery lächelte und berührte das Abbild der Spinne, die um ihren Hals hing. Die Spinne zerfiel augenblicklich in Tausende ihrer kleinen Gegenstücke, ehe sie sich wieder versammelten. Schwarze Krähe sah zu, als zwei der Krabbeltiere über ihre Beine hinunterkletterten und über den Boden liefen. Die Kreaturen blieben etwa auf halbem Wege zwischen ihm und Misery stehen, ehe sie sich in der Erde vergruben.

Schwarze Krähe stand still, als der Boden sich bewegte, und ein dünner, blutroter Riss den Grund spaltete und ein schwaches Erdbeben zu fühlen war. Die Bäume raschelten und Schreie der Waldtiere ertönten, als der Boden verärgert brummte. Fünf Schattendämonen flogen aus der Öffnung und drehten eine Runde auf der Lichtung. Ihre Schreie, die fast wie ein Kreischen klangen, ließen die Nacht singen. Sie näherten sich dem Lagerfeuer und umkreisten es fliegend, kamen noch näher, ehe sie sich in letzter Sekunde zurückzogen.

Dies setzte sich fort, bis den Dämonen das Spiel langweilig wurde, und sie in der Finsternis des Waldes verschwanden… in Richtung der Stadt flogen, wo sie ihre Beute fühlen konnten. Schwarze Krähe starrte auf den Riss zur Unterwelt, sein Gesichtsausdruck unleserlich. Aber als er sich dem gezackten Spalt näherte, trat er darauf und schloss ihn wieder, wodurch er verhinderte, dass weitere Dämonen entkommen könnten.

„Ein guter Versuch“, erklärte Schwarze Krähe. „Aber du bist jung und dumm. So ein dünner Riss zwischen den Welten ermöglicht es nur einfachen Schattendämonen, in diese Welt zu kommen… und unsere wahren Verbündeten sind immer noch auf der anderen Seite gefangen. Du wirst mehr Macht brauchen, als diese!“ Seine Stimme wurde lauter und dann wieder ruhiger. „Während du diese Macht gewinnst, werde ich deine Armee erzeugen… aber sie folgen letztendlich meinem Kommando.“

Misery hatte keine andere Wahl, als ehrfürchtig und ergeben mit dem Kopf zu nicken. Als sie sich umdrehte, verzogen sich ihre kindlichen Lippen zu einem gemeinen Grinsen. Der alte Dämon hatte völlig recht: sie brauchte mehr Macht… und sie wusste genau, wie sie sie bekommen konnte.

Indem sie die Dunkelheit in sich dazu brachte, sich auszubreiten, eilte sie zurück in die Stadt und überließ es ihren Untergebenen, ihr zu folgen. Sie heckte einen Plan aus und sie musste das Dämonenkind suchen, das ihr helfen konnte. Sie würde ihren verbliebenen Vorrat an Kanes Blut aufgeben müssen, aber das Ziel heiligte die Mittel… es würde das Opfer wert sein.

Sie schwebte über die Stadt auf die Slums zu, wo sie ihr vorübergehendes Zuhause gefunden hatte. Dort wanderte sie durch die Straßen und versuchte, den Geruch dessen, den sie suchte, aufzuspüren. Das Problem mit diesem Dämon war, dass er seine dämonische Aura verstecken konnte. Für alle, die ihn jagten, würde er einfach wie ein Mensch erscheinen, und das war die größte Lüge von allen.

Nicht lange nachdem sie ihre Suche begonnen hatte, fühlte Misery den Hybriden Skye, der ihr folgte. Er mischte sich nicht in ihre Angelegenheiten ein und er kam ihr nicht näher, aber sie konnte fühlen, wie er sie auf Schritt und Tritt verfolgte. Vermisste er es, mit ihr in der Höhle gefangen zu sein? Sie würde ihm einen Auffrischungskurs geben, wenn er versuchen sollte, ihre Pläne zu durchkreuzen. Es war schon schlimm genug, dass die beiden Gefallenen Engel ihn überhallhin verfolgten… er würde sie nur auf ihre Spur bringen, wenn er so weitermachte.

Der Tagesanbruch stand kurz bevor, als sie endlich den kleinen Dämon fand, den sie suchte. Er kam aus den Schatten und eilte über die Straße in eine andere Seitengasse. Misery war aus reinem Zufall ein paar Tage zuvor über ihn gestolpert und hatte ihn für einen Menschen gehalten… bis er ihre Vampir-Gefolgschaft, die ihn angegriffen hatte, dezimierte.

Von außen sah der Dämon nach nicht mehr aus, als nach einem achtjährigen Straßenjungen. Sein schulterlanges, dunkles Haar hing in verfilzten, fettigen Strähnen um sein Gesicht, das blass war, aber sonst süß, fast engelhaft erschien. Das unterstrich seine menschliche Verkleidung nur noch, wenn er die Herzen und Geister seiner Opfer anziehen wollte. Seine Kleider waren zerfetzt und er hatte keine Schuhe. Als er seinen Kopf hob, um auf die Straße hinter ihm zu sehen, glitzerten seine Augen wie schwarze Diamanten.

Misery glitt über ihm die kleine Straße entlang, ehe sie sich direkt vor dem anderen Dämon vom Himmel fallen ließ, und während des Falls, die Gestalt des kleinen, blonden Mädchens annahm. Sie landete in der Hocke vor ihm, ehe sie sich aufrichtete, und ihr Rüschenkleid abstaubte.

„Hallo Misery“, sagte der Junge und Misery lächelte über seine leise Stimme.

„Hallo Cyrus“, entgegnete Misery ebenso.

„Du warst diejenige, die all die Menschen dazu gebracht hat, einander umzubringen, in jenem Bus, vor ein paar Tagen“, flüsterte der Junge.

Misery lächelte stolz. „Ja, das war ich und ich brauche das, was du tun kannst.“

Cyrus hielt seinen Kopf schräg. „Was kann ich, was du noch nicht kannst?“

Misery kicherte und nahm die Spinnenhalskette ab, in der der Rest von Kanes Blut festsaß, und hängte sie um seinen Hals.

„Du würdest dich wundern, Kleiner“, flüsterte sie.

„Werde ich spielen können?“, fragte der Junge, wodurch Misery klar wurde, wie jung der Dämon wirklich war.

„Oh ja, du wirst so viel spielen können, wie du willst“, antwortete Misery.

Die Dunkelheit in den Augen des Jungen dehnte sich aus, fraß jede Farbe auf, bis sie aussahen wie zwei bodenlose Gruben aus Nichts.

„Ich mag spielen“, sagte der Junge und ein gemeines Lächeln erschien, während seine Finger mit der Spinne spielten, die an der Halskette hing.

*****

Kriss lag im Bett in der großen Wohnung im obersten Stockwerk in einem der luxuriöseren Wohnbauten im Zentrum von Los Angeles. Er hatte hier einen Zufluchtsort gefunden, um Tabatha und seinen wachsenden Gefühlen für sie aus dem Weg zu gehen.

In seinem Kopf blitzten Erinnerungen daran auf, wie er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Er hatte starrsinnig mehrere Tage lang Abstand von ihr gehalten, ehe die Trennung zu schmerzhaft für ihn geworden war. Seine Brust hatte zu schmerzen begonnen, weil er nicht in ihrer Nähe war, und als er ihre Wohnung betrat und sie schlafend vorfand, mit getrockneten Tränen, die ihre Wangen verunzierten… war sein einziger Gedanke gewesen, sie festzuhalten, um es alles wiedergutzumachen.

Er war unter ihre Decke gekrochen, hatte nicht bemerkt, dass sie nackt war, bis er sich in einer schützenden Umarmung um sie schlang. In dem Moment war er erstarrt, wollte gleichzeitig zu ihr hin und von ihr weg. Sie hatte sich im Schlaf zu ihm umgedreht und einen Arm um ihn gelegt, um sich an ihn zu kuscheln, wie sie es oft mit Kissen tat. Als ihre Brüste sich an ihn drückten, war die Selbstkontrolle, auf die er immer so stolz gewesen war, zerrissen.

Monatelang waren seine Gedanken immer weiter in die Richtung gedriftet, wie er Dinge mit ihr machte… Dinge, die er nicht tun durfte, egal, wie sehr er sie liebte und wollte. Aber in diesem Augenblick wollte er so sehr in sie hinein, dass er riskiert hatte, die Frau zu töten, die er liebte. Er hatte seine Erektion pochen gefühlt, und sie an ihrer weichen Haut gerieben.

Als ein wütender Schatten über das Bett gefallen war, war Kriss erstarrt und hatte langsam seinen Kopf gedreht, um in Deans anschuldigende, silberne Augen zu sehen. Er wusste, dass er die Grenze zwischen Freundschaft und Gefahr überschritten hatte, als er diesen Ausdruck auf dem Gesicht seines Liebhabers sah.

Er war in jener Nacht mit Dean gegangen, wollte keinesfalls dieselben Sünden begehen wie sein Vater. Er fühlte, wie es zwischen seinen Beinen wieder pochte, als er nur daran dachte. Bis er diese Emotionen unter Kontrolle hatte, hatte Dean recht… er musste sich von Tabatha fernhalten.

Als weitere Vorsichtsmaßnahme hatte er seinen Job im Silk Stalkings gekündigt, nur für den Fall, dass sie ihn dort suchen kommen wollte. Er hatte alles getan, um sicherzustellen, dass Tabatha so weit wie möglich von ihm entfernt blieb, aber diese Trennung schmerzte ihn, wie ihn nichts zuvor je geschmerzt hatte. Wenn ein Gefallener Engel jemanden liebte… war das einen Stufe weiter, als das, was Menschen Liebe nannten, und der Wahnsinn, den das Gefühl in Menschen verursachte, wenn sie denjenigen, den sie liebten, nicht haben konnten, war bei einem Gefallenen Engel mindestens zehnmal so schlimm.

Kriss riss noch einmal an der Fessel, die sein Handgelenk festhielt… er hatte Dean dafür gehasst, dass er ihn festgebunden hatte. Aber Kriss wusste auch, was beinahe passiert wäre. Wenn er der Lust nachgegeben hätte… hätten der Schmerz, Dean zu verlieren und gleichzeitig Tabatha zu töten, seinen Geist zerstört.

Er schloss seine Augen, als eine kühle Brise durch die offene Terrassentür über seinen nackten Körper strich. Obwohl die Fessel ihm erlaubten, sich in der riesigen Wohnung frei zu bewegen, hatte er sich schon vor Stunden hingelegt, ohne schlafen zu können, wie das verworrene Knäuel aus Bettlaken am Boden bezeugen konnte. Kriss lag nun auf seinem Bauch, ein Knie in die Matratze gebeugt und das andere Bein war noch bedeckt von einer Ecke eines Lakens.

Ein weiterer Lufthauch zog durch das Fenster und brachte einen vertrauten Geruch mit sich. Kriss öffnete seine Augen und betrachtete die Schatten der dünnen Vorhänge auf der Wand vor ihm. Als ein geflügelter Schatten sich zu ihnen gesellte, blieb Kriss still und erwartungsvoll.

Dean war auf dem Dach gewesen, hatte seiner dämonischen Beute und einem flüchtigen Hybriden für den Rest der Nacht ihre Ruhe gelassen. Er ließ sich von der Dachkante auf die Terrasse darunter fallen und stand in der offenen Tür, betrachtete Kriss. Das weiße Bettlaken war zur Seite getreten worden, sodass sein nackter Körper dem Leuchten des Mondes ausgesetzt war. Dean fühlte die Einsamkeit, die Kriss in seinem Herzen trug, und wusste, dass die einzige Möglichkeit, einen solchen Schmerz zu heilen, war, sich lange genug von Tabatha fernzuhalten.

Sein Blick fiel auf die übernatürliche Fessel, die Kriss davon abhielt, die Wohnung während seiner Abwesenheit zu verlassen. Er wollte Kriss nicht auf diese Art verletzen, aber er konnte fühlen, dass Kriss‘ Liebe für Tabatha jeden Tag wuchs. Er hatte Kriss daran erinnert, dass, mit einer Frau dieser Welt zu schlafen, dasselbe bedeuten würde, wie sie zu töten und er hatte nicht gelogen… der Same des Gefallenen Engels würde sogar in einer unfruchtbaren Frau Wurzeln schlagen. Er würde die Unfruchtbarkeit heilen, um Leben zu erzeugen, wenn es sein musste… aber dieses Leben würde die Frau umbringen, die es in sich trug.

Dean hatte Kriss die Wahrheit über seine eigenen Sünden erzählt… als eine sichere Methode, um Kriss davon abzuhalten, sich mit Tabatha zu vereinigen. Als er gerade erst auf diese Welt geschickt worden war, war er dem Charme eines jungen Mädchens ungefähr in Tabathas Alter erlegen. Er hatte zu viel Zeit mit ihr verbracht und eine Sache hatte zur nächsten geführt… er hatte sich in die menschliche Frau verliebt.

Er hatte gedacht, dass der Fluch ihn nicht verfolgt hätte… gemeint, dass, so sehr, wie er sie liebte, sie einen Engel als Kind haben würden… und hatte seiner Lust nachgegeben. Sie hatte ihn dazu aufgefordert, denn sie hatte ihn ebenso sehr gewollt. Sie zu lieben war der Himmel gewesen, aber es hatte nur Stunden gebraucht, ehe sich der Dämon in ihr voll entwickelt hatte. Als sie ihn später in derselben Nacht mit ihren Schreien aufgeweckt hatte, hatte er sein eigenes Kind töten müssen, als es begann, sie von innen zu fressen.

Kriss hatte sich selbst belogen… dachte, dass er jede Nacht bei Tabatha schlafen konnte, ohne Sex zu haben, aber Dean wusste, dass das eine Lüge war… eine gefährliche. Kriss würde nie mit seiner Schuld leben können, wenn er Tabathas Todesurteil mit dem Samen seiner Liebe unterzeichnete.

Die Gefallenen Engel sehnten sich nach Liebe, aber waren in eine Welt gesandt worden, wo sie die Frauen nicht anfassen durften… sie hatten nur einander. Kriss‘ Schönheit hatte Dean schon immer beeindruckt, ihn selbst verzaubert, und er wusste, wieso… Kriss war ein adeliger ihrer Art. Er hätte nie geschickt werden sollen, um die Dämonen hier zu bekämpfen. Er fragte sich manchmal, wie lange es gedauert hatte, ehe die Könige bemerkt hatten, dass ihr Prinz verschwunden war. Kriss hätte verwöhnt, geliebt und verehrt werden sollen.

Als er in den Raum trat, bewegte sich Dean langsam und achtete darauf, dass sein Schatten auf der Wand blieb, sodass Kriss sehen konnte, was er machte, und ihn rechtzeitig aufhalten könnte, wenn er es wollte.

„Die Dämonen in der Stadt sind heute Nacht ruhelos… kannst du sie fühlen?“ Dean sprach mit ruhiger Stimme, erwartete keine Antwort. Seine Lippen öffneten sich leicht, als Kriss‘ melancholische Stimme ein leises Echo durch den Raum schickte.

„Lass sie kommen.“

Dean zog die Jacke von seinen Schultern und warf sie auf einen Stuhl, der an der Wand stand. Danach kam sein Hemd… er knöpfte es auf und ließ es von seinen Schultern in ein Häufchen Baumwolle zu Boden sinken. Er öffnete seinen Hosenknopf und zog langsam den Reißverschluss auf, wollte beinahe grinsen, als Kriss‘ Atem stockte. Nachdem er seine Schuhe und Socken ausgezogen hatte, schob Dean seine Hose hinunter und ließ sie am Boden liegen.

Er ging zum Bett und hielt sich einen Moment an einem der Bettpfosten fest, während er auf Kriss hinuntersah, ehe er sich neben ihn legte. Dean rollte Kriss auf seine Seite und legte sich neben ihn, zog Kriss‘ Rücken an seine Brust und gab der Eifersucht nach, die in seinem Herzen schmorte.

Er wusste, dass Kriss‘ Traurigkeit von seiner Liebe für Tabatha stammte… er hatte eine Vorahnung der Gefahr schon gespürt, in jener Nacht, als Tabatha und Kriss sich kennengelernt hatten. Darum hatte er Tabatha auf dem Parkplatz des Silk Stalkings angegriffen. Er hatte sie vor der Gefahr warnen wollen, aber Kriss hatte ihn aufgehalten, seinen Körper als Schutzschild gebraucht… Deans Besessenheit gegen ihn verwendet.

Kriss rollte sich auf seinen Rücken und drehte seinen Kopf, um Dean zu betrachten. Ihre Blicke trafen sich scheinbar für eine Ewigkeit, ehe Dean schnell den Abstand zwischen ihnen überbrückte und seine Lippen sinnlich über die von Kriss streifte.

Als Kriss scharf einatmete, nutzte Dean das aus und vertiefte den Kuss… machte ihn fordernder. Er hatte es satt, jede Nacht neben Kriss zu liegen und zuzusehen, wie er um ein Mädchen trauerte, das er nie haben konnte. Wenn er es könnte, würde er einfach Kriss‘ Schmerz in sich aufsaugen und mit der wilden Liebe der Gefallenen Engel ersetzen.

Kriss fühlte, wie das Feuer sich langsam durch seine Adern ausbreitete, aber seine Schuldgefühle brachten ihn dazu, sein Gesicht wegzudrehen und den Kuss zu beenden. Er kuschelte sich in Deans Arme, schlang seine eigenen Arme um Deans Körper, ehe er dasselbe mit ihren Beinen machte.

Dean starrte schweigend auf Kriss‘ Scheitel hinunter und seufzte innerlich. Die Tatsache, dass Kriss sich so fest an ihn klammerte, war das einzige, was ihn beruhigte. Er konnte fühlen, wie seine Trauer ein wenig schwächer wurde, ehe sie zurückkam. Er hatte schon entschieden, dass er Kriss von seinen Fesseln befreien wollte, wenn der Morgen kam, aber nach Kriss‘ Ablehnung glühten Deans Augen und die Fessel verschwanden.

Plötzlich bewegte sich Kriss, packte Deans Handgelenke und drückte sie fest in die Matratze.

Dean starrte ruhig in die beunruhigten, silbernen Augen und fragte sich, was Kriss jetzt, wo er die Freiheit hatte, zu Tabatha zurückzukehren, tun würde. Als Kriss ihn einfach nur festhielt, hob Dean seinen Kopf vom Bett und strich mit seinen Lippen sanft über Kriss‘ Schlüsselbein und Halsbeuge. Er wurde mit einem Zischen und seiner Freiheit belohnt.

Mehrere Stunden später lagen sie eng umschlungen, als die Sonne aufging. Dean wusste, ebenso wie Kriss, dass er da sein würde, wenn Kriss später am Morgen erwachte… er würde immer da sein.

*****

Kane ging durch die Straßen der Stadt, versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, nach allem, was während der letzten Wochen geschehen war. Er hatte sogar gefühlt, wie seine alte Persönlichkeit manchmal wieder kurz an die Oberfläche kam… meistens, wenn er mit Michael war. Er musste zugeben, dass er den Jungen richtig gern hatte.

Die strenge Kontrolle, die er über die letzten zehn Jahre über all seine Emotionen gehabt hatte, begann sich aufzulösen und er vermisste schon die Sicherheit, die die imaginären Wände ihm geboten hatte. Er war sicher, dass irgendein gut bezahlter Typ, der sich als Psychiater ausgab, sagen würde, dass das gut war, aber er war ebenso sicher, dass er ihn sehr schnell eines Besseren belehren könnte.

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