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Blutsbündnis-Serie Buch 4

Amy Blankenship, RK Melton

Translated by Martina Hillbrand

Copyright © 2012 Amy Blankenship

Ins Deutsche übersetzt von Martina Hillbrand

Zweite Auflage herausgegeben von TekTime

Alle Recht vorbehalten.

Kapitel 1

Micah lag am Bett, eingewickelt in so viele Verbände, dass er schon beinahe wie eine Mumie aussah. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als Frau Tully um ihn schwänzelte, wie eine Henne um ihr Küken, und ab und zu ihren Kopf schüttelte. Er beschwerte sich auch nicht über die Menge an Schmerzmittel, die sie in seinen Arm injiziert hatte. Er konnte sich im Spiegel an der anderen Wand sehen und wollte eine Augenbraue heben, aber entschied sich schnell anders, als auch das schon schmerzte.

Sie hatten ihm schon versichert, dass Anthony tot war, aber er konnte nichts dagegen tun, dass er sich wünschte, dass der Alphawerwolf noch am Leben wäre, damit er den Schweinehund ebenso foltern könnte, wie dieser es mit ihm getan hatte. Das, was sie ihm erzählt hatten, klang wie ein schneller Tod. Er hätte es nicht schnell gemacht.

„Ich glaube, ihr Formwandler werdet mich noch ins Grab bringen“, jammerte Frau Tully leise. Die Formwandler… sowohl die Jaguare, wie auch die Pumas, hatten es ihr besonders angetan. Sie hatte bei der Geburt jedes einzelnen von ihnen assistiert und war deren Müttern sehr nahegestanden. „Sieh dir nur an, in welchem Zustand du bist.“

Micah schmollte in Richtung Decke, wobei er gleich begann, sich schwindlig zu fühlen, als er dem Ventilator an der Decke zusah, wie der sich fortwährend im Kreis drehte. „Es war nicht meine Schuld, dass ich entführt und gefoltert wurde.“

Frau Tully schlug ihm vorsichtig mit ihren Fingerspitzen auf die Stirn. „Da muss ich dir leider widersprechen, junger Skywalker. Wenn die Geschichten, die ich gehört habe, stimmen, hast du diesem schrecklichen Werwolf die Stirn geboten, und darum hat er dich entführt.“

„Also sagen Sie, dass ich mir das selbst eingebrockt habe?“ fragte Micah scharf und ignorierte dabei das Grinsen der anderen Leute im Zimmer.

„Unterbrich die Weisheit des Alters nicht“, erwiderte Frau Tully mit einem strengen Gesichtsausdruck. „Ich war noch nicht fertig. Also, wie ich sagte… du hast diesem lausigen Hund die Stirn geboten, und ich muss sagen, dass das längst überfällig war.“

Micah warf Quinn einen vielsagenden Blick zu und grinste, als wollte er sagen: 'Hab ich's doch gesagt'. Er war nicht bereit, seinem Bruder zu verzeihen. Er hatte Quinn vor Anthony gewarnt, und dieser hatte ihm gesagt, dass er sich heraushalten sollte. Er hoffte, dass sein großer Bruder jetzt glücklich war, weil er nicht aufstehen konnte, um sich einzumischen.

„Hört auf!“, knurrte Frau Tully und verpasste ihm einen Klaps auf die Schädeldecke.

Dadurch wurden die Kopfschmerzen plötzlich wieder unerträglich und er presste seine Augenlider aufeinander. „He, ich bin verletzt“, beschwerte sich Micah.

„Du machst es nur noch schlimmer, indem du diese Geschwisterrivalität aufrecht erhältst“, schoss Frau Tully zurück und warf Quinn denselben warnenden Blick zu. „Ich muss meine Enkelin anrufen und ihr sagen, wo ich bin. Die arme Kleine wird sich Sorgen machen, wenn ich nicht zu Hause bin, und das Telefon nicht abnehme.“

Frau Tully wartete nicht darauf, dass ihr jemand zeigte, wo das Telefon war. Sie war nicht zum ersten Mal im Hause der Wilders. Sie wäre beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert, als sie Michael still in einem Stuhl in einer dunklen Ecke des Zimmers sitzen sah. Es passte gar nicht zu dem charmanten Vampir, dass er so nachdenklich war. Als sich die Tür hinter ihr schloss, wandten sich aller Blicke wieder auf Micah.

„Es ist schön, dich endlich wieder zu Hause zu sehen, wo du hingehörst“, sagte Steven mit einem freundlichen Lächeln, das die Tatsache, dass er besorgt war, verbergen sollte. Obwohl Micah zu Hause war, sagte ihm etwas, dass er nicht außer Gefahr war. Micah war blass und seine Augen waren ein wenig zu glasig für seinen Geschmack.

Micah erwiderte das Lächeln, aber ein Schwindelgefühl überkam ihn. „Ich bin nur froh, dass ich aus dieser Hölle weg bin.“

„Du warst diesmal sehr leichtsinnig“, erklärte Quinn vom Fenster her, wo er stand, seine Arme vor der Brust verschränkt. „Du hättest in diesem Keller sterben können, wenn wir die Nachricht, die du Alicia geschickt hast, nicht gesehen hätten.“

Micah sah sich im Zimmer um, hielt Ausschau nach seiner kleinen Schwester und runzelte die Stirn. „Apropos Alicia, wo ist sie? Ich hätte erwartet, dass sie hier ist.“

„Sie ist auf Besuch bei einer Freundin und bleibt dort, bis dies alles vorbei ist“, antwortete Kat. Sie schielte hinüber zu Quinn und fragte sich, wie lange er warten würde, ehe er seine Schwester anrufen wollte, um ihr zu sagen, dass sie zurückkommen konnte.

„Wieso ist sie nicht von Anthonys Villa mit uns zurückgekommen?“, fragte Micah. „Ich war mir sicher, dass sie…“, er schielte wieder hinüber zu Quinn, gab ihm die Schuld für Alicias Abwesenheit, einfach, weil er es wollte.

Nick verdrehte die Augen, aber innerlich zog er den Kopf ein. Er versuchte, nicht zu Michael hinüber zu sehen, denn er wusste, dass der Vampir die Erinnerungen der anderen ausgelöscht hatte, aber nicht seine und nicht Micahs. „Mann, sie haben dich wohl ein paar Mal zu fest am Kopf getroffen… Alicia war nicht in Anthonys Haus.“

„Aber sie war da“, beharrte Micah. „Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen.“ Er schenkte Nick einen bösen Blick, aber dieser zuckte nur seine Schultern und schüttelte den Kopf.

Er sah von einem zum anderen und erkannte, dass niemand bestätigen wollte, dass Alicia in der Villa gewesen war. Er erinnerte sich an sie in dem Keller… wie sie seine Hand gehalten hatte. Sie hatte geweint und er würde nicht zur Ruhe kommen, ehe er sie wiedersah und sicher war, dass es ihr gut ging. Er wusste nicht, was für ihn schlimmer gewesen war… sie weinen zu sehen, oder fast zu sterben. Er sah sich noch einmal um und stellte fest, dass auch der Mann, der bei Alicia gewesen war, nicht anwesend war.

Schnaubend legte er seinen Kopf wieder auf das Kissen und beschloss, dass er herausfinden musste, bei welcher Freundin Alicia war. Er würde sie suchen, und von ihr die Wahrheit erfahren.

„Du musst halluziniert haben“, sagte Jewel sanft.

Micah sah hinüber auf die hübsche Blondine und runzelte die Stirn. „Wer bist du?“

„Das ist Jewel Scott Wilder“, sagte Steven und legte seinen unverletzten Arm um ihre Schultern. Frau Tully hatte sich schon um seine Schusswunden gekümmert, und den lädierten Arm in eine Schlinge gebunden. „Sie ist meine Partnerin.“

„Anthonys Jewel Scott?“ Nun war Micah nur noch verwirrter.

„Nur in Anthonys krankem Kopf“, entgegnete Steven, aber konnte sich nicht davon abhalten, Jewel ein wenig enger an sich zu ziehen.

Micah blinzelte und sah hinüber zu Quinn, um von ihm eine Bestätigung zu erhalten, als er sah, wie Kat sich an seinen älteren Bruder schmiegte. Seufzend fragte er sich, wie hoch die Drogendosis war, die Frau Tully ihm verabreicht hatte, denn entweder verlor er seinen Verstand, oder alle anderen taten es. Er sah zu der einzigen Person in dem Zimmer, von der er wusste, dass er noch nicht völlig bescheuert war: Warren.

„Bin ich Rip Van Winkle oder so? Ich meine, als ich weggegangen bin… war Steven noch single und Quinns romantische Ader war ungefähr so ausgeprägt wie die von Dean.“

Warren lächelte. „Es ist einiges passiert, seit du weggegangen bist.“

„Gut, ich habe meinen Anruf erledigt“, erklärte Frau Tully, als sie wieder ins Zimmer spazierte. Sie hatte nicht wirklich ihre Enkelin angerufen. Sie hatte das nur gesagt, um ihnen ein paar Minuten alleine mit Micah zu schenken, ehe sie sie wegjagte. „Und jetzt… alle raus hier, und lasst dieses kleine Kätzchen schlafen.“

Micah knurrte die ältere Frau an. „Ich bin kein Kätzchen.“

„Mein Lieber, meine kleinste Katze könnte dich in diesem Zustand besiegen, und sie ist ein schrecklicher Angsthase, flüchtet vor ihrem eigenen Schatten“, meinte Frau Tully. Während sie sprach, nahm sie eine Spritze aus dem merkwürdig aussehenden Köfferchen, das sie mitgebracht hatte.

„Ich weiß nicht, ob ich noch mehr Drogen brauche“, seufzte Micah. Er würde sich noch alles erzählen lassen müssen, was er verpasst hatte. Alleine die Tatsache, dass er Alicia noch nicht gesehen hatte, schmerzte ihn mehr als die gebrochenen Knochen.

„Darum bist auch nicht du der Arzt.“ Frau Tully war froh, dass er noch immer diesen absurden Sinn für Humor hatte… wenn seine Wunden heilen würden, würde er ihn brauchen.

Micah knurrte leise, als die Nadel sich in seinen Arm bohrte und er musste wegschauen. Es behagte ihm gar nicht, Befehle entgegen zu nehmen und was er wirklich tun musste, war, seine Schwester suchen. Die anderen verließen den Raum, einer nach dem anderen, als sie die leere Spritze aus seinem Arm zog.

Frau Tully sah ihnen nach und drehte sich dann wieder zu Micah um, der schon schlief. Seine Familie war froh, dass er wieder zu Hause war, aber die Wahrheit war… sie machte sich Sorgen um den Puma. Seine Verletzungen waren so schlimm, dass sie sich wunderte, dass er überhaupt noch am Leben war.

Beide seiner Kniescheiben waren von Kugeln durchbrochen worden, seine Rippen waren gebrochen, weil sie so lange immer und immer wieder geschlagen worden waren. Es sah auch so aus, als wäre sein Rücken ausgepeitscht worden. Er war dehydriert und unterernährt und eine Infektion breitete sich durch seinen Körper aus. Wenn er ein Mensch wäre, hätte sie ihm Penicillin gegeben, aber leider… wirkten menschliche Antibiotika bei Paranormalen nicht.

Obwohl Wer-Tiere schnell genesen konnten… bedeutete das nicht, dass sie keine bleibenden Verletzungen davontragen konnten… oder tödliche. Sie würde ihn als glücklich einschätzen, wenn er die Infektion überlebte.

Sie schielte aus dem Augenwinkel hinüber zu Michael, der nicht gegangen war, und der noch immer regungslos in seinem Stuhl saß. Frau Tully entschied, ihn in Ruhe zu lassen. Sie hielt sehr viel von Michael und wenn er bleiben wollte, würde sie ihn nicht vertreiben. Auch er kam oft zu ihr, aber meistens nur, um ihr Verwundete zu bringen, nie für eine eigene Verletzung.

Mit einem Seufzen packte Frau Tully ihre Utensilien ein und stand auf. Mit einem kurzen Nicken in Michaels Richtung verließ sie wortlos das Zimmer.

Michael wusste, dass es Zeit war, zu gehen… er hatte nur darauf gewartet, dass seine Wut verflog. Alicia war mühsam, aber Damon hätte sie nie auf diese Art mitten in eine gefährliche Schlacht bringen dürfen. Er konnte noch immer den besitzergreifenden Blick auf Damons Gesicht sehen, als er seine Arme um sie geschlungen hatte, und fragte sich, ob sich die Geschichte gerade dazu anschickte, sich selbst zu wiederholen.

Sein Blick wandte sich wieder auf das, was von Micah noch übrig war, und das Bild der weinenden Alicia, die die Hand ihres Bruders hielt, suchte ihn wieder heim. Ein weiteres Bild blitzte in seinem Kopf auf… die Erinnerung daran, wie Dean seine Hand gepackt und sie auf Kane gelegt hatte, um zu verhindern, dass er starb. Gemeinsam hatten er und Dean… Kanes Verletzung dazu gebracht, vor ihren Augen zu verheilen.

Michael hatte nie darüber nachgedacht, aber er hatte gesehen, wie Syn in der Vergangenheit derartige Dinge getan hatte. Eine spezielle Situation würde Michael nie vergessen… vor so langer Zeit, dass er sich an die Umstände nur mehr halb erinnern konnte.

Es war während einer ihrer vielen Ausflüge gewesen, als sie auf ein verletztes Kind getroffen waren. Er lächelte liebevoll, als er sich an Damons und Kanes Reaktion auf das kleine Mädchen erinnerte. Eines ihrer Beine war gebrochen gewesen, und sie hatte mehrere Blutergüsse, die teilweise schon halb verheilt waren.

Das Kind hatte beteuert, dass sie nur gestürzt war, aber sie alle wussten, dass es auf der Lichtung nichts gab, das zu einer solchen Verletzung führen hätte können. Als Damon sich vor ihr hinkniete, und mithilfe seiner Gedankenkontrolle die Wahrheit aus dem Mädchen herausholen wollte, hatte Syn ihn weggestoßen und gesagt: „So etwas macht man nicht mit einem unschuldigen Kind.“

Sie hatten ihr angeboten, sie zu ihrem Haus zurückzubringen, aber sofort die Angst gefühlt, die sich in dem Kind breitmachte. Aber es war nicht Angst vor ihnen, es war die Angst davor, nach Hause zu gehen, die das Herz des Mädchens beutelte. Obwohl das Kind es nicht gesagt hatte, wusste Michael, dass ihre Eltern für ihre Verletzungen verantwortlich waren… und nicht nur für das gebrochene Bein.

Syn hatte nichts darüber zu dem Kind gesagt, als er dessen Tränen trocknete. Stattdessen hatte er nach Geschwistern gefragt, und sie hatte erklärt, dass sie keine hatte. Sie hatte ihnen von ihrer Großmutter erzählt, die in den Bergen lebte, und ihre Augen hatten mit der Liebe einer Enkelin geleuchtet.

Während sie erzählt hatte, hatte Syn seine Hand auf das verletzte Bein des Mädchens gelegt. Als sie mit ihrer Geschichte fertig war, war nicht nur ihr Bein wieder verheilt gewesen, sondern auch alle Blutergüsse waren verschwunden. Und dann hatte Syn Michael richtig schockiert. Während Kane das Mädchen genommen hatte, um mit ihm zu spielen, war Syn auf ihn und Damon zugekommen.

Mit einem festen Blick auf Damon hatte er gesagt: „Du darfst nie die Gedanken eines Kindes verändern… außer dieses Mal. Sie erinnert sich nicht an die Schläge, aber sie erinnert sich daran, dass sie gestorben sind.“ Seine Augen waren kalt geworden, als er hinzugefügt hatte: „Sie sind bei einem Feuer ums Leben gekommen.“ Damit hatte sich Syn umgedreht und war den Pfad entlanggegangen, der offensichtlich zu dem Haus des Mädchens führte.

Kane machte kein Geheimnis daraus, dass er das Kind behalten und aufziehen wollte… er hatte immer ein Herz für Kinder gehabt. Sie alle mochten Kinder, aber Kane war richtig verrückt nach ihnen. Er würde einen ganzen Spielzeugladen für sie kaufen, wenn ihm gerade danach war… und das war es… manchmal. Aber Syn hatte darauf bestanden, das Richtige zu tun und das Kind zu seiner geliebten Oma gebracht.

Als die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen war, hatte sich im Dorf schnell die Nachricht verbreitet, dass ein Haus völlig verbrannt war. Die Überreste eines Mannes und einer Frau waren gefunden worden, aber von ihrer Tochter fehlte jede Spur.

Die vier Männer hatten das Dorf zu Pferd verlassen und hatten sich aufgemacht, in die Berge eines Landes, das heute als die Schweiz bekannt war. Nachdem sie das Mädchen bei ihren Großeltern abgeliefert hatten, hatte Syn der Großmutter einen Brief und einen Beutel voller Goldmünzen gegeben, als er ein paar Worte mit ihr austauschte. Die alte Frau hatte gelächelt und Syn fest umarmt, ehe sie ihre Enkelin in ihre Arme geschlossen hatte.

Obwohl Syn nie etwas erzählt hatte, wussten sie, dass er verantwortlich für den Tod der Eltern des Mädchens war. Bis zu diesem Tag zitterte Michael, wenn er zu genau darüber nachdachte. Syns Ethik erlaubte es nicht, dass ein Kind solche Qualen erlitt, und, wenn er etwas dagegen tun konnte… würde er es auch tun. Syn machte sich keinerlei Gedanken darüber, wer die Eltern waren, oder was sie repräsentierten. Er war überzeugt davon, dass Eltern, die ihre Kinder misshandelten nur das verdienten, was sie irgendwann auch ihren Kindern antun würden.

Als Michael Syn über seine Heilungskräfte, die er an dem Kind angewendet hatte, befragt hatte, hatte Syn ihm ein geduldiges Lächeln geschenkt.

„Die Macht lebt in deiner unsterblichen Seele. Im Lichte der Unsterblichkeit… bist du noch ein Kind, also schläft die Macht. Mit der Zeit wird die Macht wachsen. Welches deine Macht sein wird… das kann nur deine Seele entscheiden. Wenn es das Heilen ist, was deine Seele verlangt, dann musst du es dir nur genug ersehnen.

Als er wieder auf den verletzten Puma blickte, verstand er. Alicia so weinen zu sehen, war für ihn mehr als genug Grund, um es sich genug zu ersehnen. Michael stand langsam auf und näherte sich Micah. Als er näherkam, konnte er die Infektion riechen, die über den Körper des Pumas herfiel. Er wusste, wenn dem Puma etwas passierte, würde Alicia weinen, und er wollte nicht, dass Alicia weinte.

Michael legte seine Hand auf Micahs Brust und erinnerte sich an die Gefühle, die er erfahren hatte, als er gemeinsam mit Dean Kane berührt hatte. Als er sich auf sein Bedürfnis konzentrierte, Alicia lächeln zu sehen, fühlte er, wie dieses Verlangen durch ihn floss und in den, von dem er wusste, dass er sie glücklich machen konnte. Micah begann leicht zu leuchten und Michael wartete um zu sehen, ob er auch Micahs Seele sehen können würde, ebenso wie er es bei Kane getan hatte. Nach einem Moment wurde ihm klar, dass das Deans Macht gewesen war… nicht seine.

Wäre jemand mit ihnen im Zimmer gewesen, hätte er die Veränderung sehen können. Michaels Augen hatten tief violett zu leuchten begonnen und seine eigene Seele wurde langsam um seine physische Gestalt sichtbar.

Michael konnte einen Teil von sich selbst tief in dem Körper des Pumas fühlen… durch sein Blut fließen fühlen. Er seufzte erleichtert, als der Geruch der Entzündung langsam aus dem Raum verflog. Er konnte nicht unter all die Verbände sehen, um sicher zu sein, aber vor seinen Augen verheilten die Schnitte und Blutergüsse auf Micahs Gesicht und verschwanden schließlich vollständig.

Seine Hand zog sich zurück und Michael machte einen unsicheren Schritt weg von dem Bett. Als er seine Hand zu seinen Augen hob, um den Schwindel zu beruhigen, stellte er überrascht fest, dass er Tränen auf seinen Wimpern und Wangen fühlte. Er hielt einen Moment inne, als er sich daran erinnerte, dass er auch geweint hatte, als Dean seine Hand ergriffen und sie auf Kanes sterbenden Körper gelegt hatte.

War es das, was Syn gemeint hatte, mit, es sich genug ersehnen? Mussten sein Herz und seine Seele genau am selben Ort sein, damit es geschehen konnte?

Michael blickte hinunter auf seine Hände und seufzte. Wie sehr er sich wünschte, dass Syn hier wäre, um seine Fragen zu beantworten. Syn war nun wach, aber so lange er denken konnte, war Syn nie an einem Ort geblieben… immer nur auf der Durchreise. Er hatte Syn einmal gefragt, wonach er suchte, aber Syn hatte nur gelächelt und in die Ferne gesehen, als er geantwortet hatte: „Einige Geheimnisse sollen nicht geteilt werden.“

Vielleicht würde er es bald herausfinden… aber jetzt würde er nach Hause gehen und ruhen. Den Puma zu heilen hatte ihm viel Energie gekostet, und er musste ruhen, um seine Kraft wiederzugewinnen. Mit einem kurzen Blick zurück auf Micah entschied Michael, dass er noch eine Sache erledigen musste, um seine Spuren zu verwischen und die Geschwister wieder zu vereinen.

Er legte eine Hand auf Micahs Wange, während er seinen Namen flüsterte und den Puma dazu verführte, genug aufzuwachen, um seine Worte zu hören. Als Micahs Augenlider zitterten, gab ihm Michael die Information, mit der Alicias Aufenthaltsort geheim bleiben würde, bis er kam, um sie zu holen.

*****

Trevor hielt vor dem Moon Dance an und riss grob den Schlüssel aus dem Zündschloss. Envy verletzt zu sehen, hatte ihm zehn Jahre seines Lebens gekostet… zumindest fühlte er sich so. Zu sehen, wie sie angeschossen wurde, gab ihm nur recht damit, dass er die Wahrheit über die paranormale Welt und seinen Anteil daran so lange vor ihr verborgen gehalten hatte. Indem er es geheim gehalten hatte, hatte er sie aus der Gefahrenzone herausgehalten.

„Willkommen zu Hause“, brummte er, ohne die anderen anzusehen. Nachdem er aus dem Auto ausgestiegen war, ging er zur Beifahrerseite, um die Tür für Envy zu öffnen, aber Devon war schneller.

Devon schenkte Trevor einen sehr bösen Blick, als der andere Mann ihnen nach drinnen folgte, ohne ein Wort zu sagen. Devon hasste die Tatsache, dass er Trevor etwas dafür schuldete, dass der Envy gerettet hatte… aber noch schlimmer war die Tatsache, dass es ausgerechnet Trevor war, dem er zu Dank verpflichtet war.

„Du brauchst nicht mitzukommen“, sagte Envy hilfreich, versuchte, die angespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern. Sie schenkte Trevor auch noch ein leises Lächeln und ein Nicken, um ihm zu zeigen, dass sie nicht gemein sein wollte, sondern wirklich dankbar für seine Hilfe gewesen war.

Trevors Blick wurde weicher, als er in Envys Augen sah. „Ich würde mich besser fühlen, wenn ich wüsste, dass sich jemand um dich kümmert.“

Envy zog den Kopf ein… völlig falsche Bemerkung.

„Willst du damit sagen, dass ich mich nicht um Envy kümmern kann?“ Devon blieb stehen und sprach ein wenig zu laut, als sie zu der Treppe kamen, die hinauf in die Wohnung führte.

„Das habe ich nicht gesagt“, sagte Trevor, während er Envy über die Treppe nach oben folgte.

Devons Augen weiteten sich, als er Trevor nachlief und ihn grob an die Wand stieß. „Was dann, Teddybär?“

Trevor zuckte die Schultern. „Naja, Wildkatze… du bist ein Nichtsnutz!“

„Fahr zur Hölle!“, knurrte Devon laut.

„Ich fürchte wir kriegen gleich ein Bild wie in irgendeinem Zeichentrickfilm“, murmelte Envy und rieb ihre Stirn. „Wie wäre es, wenn ihr beide einen Moment lang damit aufhören würdet, alles mit eurem Testosteron zu markieren und euch zur Abwechslung einmal benehmt? Ich habe Kopfschmerzen, mein Arm tut verdammt weh, und das Allerletzte, was ich gerade brauchen kann, ist, dass ihr beide euch darum streitet, wer der Bessere ist.“ Sie sah Trevor an. „Entweder du hältst den Mund, oder du gehst nach Hause, im Moment ist mir egal, welches von beiden.“

Devon grinste, bis Envy ihren wütenden Blick auf ihn richtete. „Und du… ich habe das Recht, mich dir zu verwehren, Miezekatze. Wenn du so weitermachst, bleibt dir nichts anders übrig, als draußen hinterm Zaun zu jaulen.“

Tabatha hatte schon lange darauf gewartet, dass sich etwas regte, bis sie endlich hörte, wie Devon Trevor sagte, dass er zur Hölle fahren sollte. Sie öffnete die Tür gerade rechtzeitig um zu sehen, wie Envy die beiden auf ihre Plätze verwies, und konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Wenigstens war sie nicht mehr alleine.

„Können die Jungs sich wieder mal nicht benehmen?“, fragte Tabatha.

„Du kannst es dir nicht vorstellen“, brummte Envy, als sie in Warrens Büro trat, Trevor und Devon nun schweigend im Schlepptau.

Envy ließ die Jacke von ihren Schultern gleiten und Tabathas Augen wurden groß, als sie den blutgetränkten Verband auf Envys Arm sah. Ein Bild davon, wie sie und Envy von Raven und seiner Blutsaugerbande als Geisel gehalten worden waren, drängte sich in ihre Gedanken, die sie eben mühsam beruhigt hatte.

„Kann einer von euch Jungs vielleicht den Erste-Hilfe-Kasten holen?“, fragte Tabatha, während sie Envy genau betrachtete, um sicherzugehen, dass die Verletzung an ihrer Schulter die einzige war.

„Ich hole ihn“, antwortete Devon und verschwand im angrenzenden Schlafzimmer.

„Was ist geschehen?“, wollte Tabatha wissen, während sie den Verband löste und sah, wo ein Schuss den Arm ihrer Freundin gestreift hatte.

„Auf mich wurde geschossen, ich wurde angeknurrt, beinahe von Krallen zerfetzt, und bin gerade noch einer großen Explosion entkommen“, sagte Envy grinsend, aber das Grinsen verschwand sofort, als sie den Blick auf dem Gesicht ihrer Freundin sah. „Es geht mir gut, wirklich“, fügte sie schnell hinzu.

Ohne auf Envys letzte Bemerkung zu hören, schoss Tabatha Devon einen wütenden Blick zu, als dieser wieder zurück ins Zimmer kam. „Wo, zur Hölle, warst du, als auf Envy geschossen wurde?“ Sie konnte sich nicht zurückhalten. „Dies ist meine beste Freundin, und du solltest doch auf sie aufpassen!“

Trevor lachte innerlich, war froh, dass noch jemand außer ihm Devon die dringend nötige Strafpredigt hielt.

„Ich habe um unsere Leben gekämpft“, sagte Devon zu seiner Verteidigung. „Ich konnte nicht zu ihr gelangen, aber Pu der Bär hier hat sie herausgeholt.“

„Nachdem Hello Kitty zuließ, dass er von ihr getrennt wurde“, fügte Trevor hinzu, während er sich bemühte, nicht laut darüber zu lachen, dass Devon immer noch dachte, dass er ein Werbär war… wenn Devon nur die Wahrheit darüber wüsste, wer er wirklich war. Der Drang zu lachen verschwand schnell wieder, als sein Blick sich wieder auf Envy richtete. Wenn Devon die Wahrheit wüsste, würde Envy sie auch erfahren, und er hatte es satt, dass sie seine Lügen aufdeckte.

Tabatha und Envy warfen einander einen resignierenden Blick zu und Envy formte mit ihren Lippen lautlos das Wort 'Hilfe', wissend, dass Tabby sie verstehen würde.

„He, Trevor, kannst du mich nach Hause fahren?“, fragte Tabatha, wollte Trevor aus dem Zimmer locken, ehe Devon seinen Kopf abreißen konnte… oder Envy wirklich auf die beiden losging.

Trevor seufzte und schob wütend seine Hände in seine Hosentaschen. „Klar, ich gehe schon vor und starte das Auto.“

Als Trevor schmollend das Büro verlassen hatte, schenkte Envy Tabatha einen erleichterten Blick. „Danke!“

Tabatha grinste. „Du solltest mir nicht danken, denn jetzt schuldet ihr mir beide etwas.“

„Ich gebe dir alles, was ich habe!“, rief Devon mit einem Grinsen.

„Auch Envy?“, fragte Tabatha mit einem Augenzwinkern.

„Keine Chance“, antwortete Devon und erwiderte ihr Zwinkern.

Tabatha verzog ihren Mund beleidigt. „Nun, dann macht das alles keinen Spaß.“

Envy kicherte, als Tabatha aus dem Zimmer stampfte und gespielt wütend die Tür hinter sich zuschlug.

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