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Kapitel 2

„Lass mich runter, du blutsaugender Wahnsinniger!“, rief Alicia, während sie Damons Rücken zerkratzte, wo immer sie ihn erreichen konnte, so wie er sie über die Schulter geworfen hatte. In dem Moment, wo sie erkannt hatte, dass sie nicht auf dem Weg zum Night Light waren, hatte sie ihn zum Anhalten bewegen wollen… offensichtlich waren wollen und bekommen zwei unterschiedliche Dinge. „Ich will Micah sehen!“

„Michael hat mir aufgetragen, dich hierher zurückzubringen, und hier wirst du bleiben“, befahl Damon, während er gelassen in Alicias Zimmer spazierte. Er warf sie auf das Bett und zuckte zusammen, als ihre Fingernägel tiefe Schnitte in seinem Rücken hinterließen. Knurrend fügte er hinzu: „Ich glaube nicht, dass dein Partner so enttäuscht sein wird, wenn du ein wenig später in sein Schlafzimmer… Bett kommst.“

Alicia schnaubte und versuchte, vom Bett zu rutschen, aber Damon war sofort über ihr, je eine Hand fest neben ihre beiden Schultern gepflanzt.

Damon starrte böse auf sie hinunter, versuchte noch einmal, sie seiner Gedankenkontrolle zu unterwerfen. „Verdammt, ich sagte, bleib hier!“

„Ich bin kein Hund, ich bin eine Katze, du…“ Alicias Gedanken ließen sie im Stich, als sie in seine Augen hochsah, erkannte, wie sein Haar um sein perfektes Gesicht hing. Sie fühlte, wie etwas in ihrer Magengegend mit Sehnsucht erwachte. Als sie ihren Blick auf seine Lippen senkte, griff sie auf das einzige zurück, was ihr einfiel, wie sie sich davon abhalten konnte, ihn zu küssen… Aggression.

„Du hast mir nichts zu befehlen!“ Alicia boxte ihn in die Brust, aber bereute es sofort, als Damon seine Augenlider vor Schmerzen aufeinanderpresste und sich noch weiter auf sie herunterbeugte.

„Hat dir nie jemand eine ordentliche Tracht Prügel verpasst, als du noch klein warst?“, knurrte Damon, als er in Schweiß ausbrach. Er rollte sich zur Seite, bis er neben ihr auf seinem Rücken lag.

„Nur in deinen Träumen.“ Alicia runzelte die Stirn, als sie sich fragte, wie, um alles in der Welt, er sie gerade wie ein Neandertaler den ganzen Weg durch die Stadt tragen hatte können und jetzt sah er aus, als würde er gleich bewusstlos werden, nur weil sie ihn ein wenig geboxt hatte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie unruhig, wollte sich nicht schuldig fühlen, dafür, dass sie es ihm zurückgezahlt hatte.

Damon öffnete seine Augen, nur um sich einem dummen Teddybären gegenüber zu finden. Seine violetten Augen wurden schmal, als er die Buchstaben entzifferte, die auf seinem Halsband standen… ‚Micah'.

„Ich fühle mich blendend… und du?“, antwortete er, während er sich in eine sitzende Position hochdrückte und sich fragte, wozu er sich überhaupt mit Menschen einließ… besonders Frauen. Sie bedeuteten nur Probleme. Nachdem er aufgestanden war, ging er zur Tür, hoffte, dass er nicht irgendetwas Schwachsinniges tun würde, wie in Ohnmacht fallen. „Wenn du versuchst, dieses Haus zu verlassen, bevor Michael zurückkommt, werde ich dir diesen Teddybären ins Maul stopfen.“

Alicia starrte wütend auf die Tür, bis er weg war, dann hob sie eine Augenbraue in die Richtung des unschuldigen Teddybären. „Also, ich weiß, was ich getan habe… aber womit hast du ihn verärgert?“

Sie verdrehte ihre Augen und streckte ihre Hand aus, um die Nachttischlampe anzuschalten. Damon war so in Eile gewesen, als er hereingekommen war, dass er nicht einmal das Licht aufgedreht hatte. Sie wollte nach dem Teddybären greifen, als etwas auf dem Bett ihre Aufmerksamkeit erregte. Genau dort, wo Damon gelegen hatte, war ein feuchter, roter Fleck zu sehen. Sie streckte ihre Finger danach aus, und wollte ihn gerade berühren, als sie die Hand wieder zurückzog.

Nachdem sie schnell vom Bett geklettert war, ging Alicia auf den Balkon hinaus und schlich sich zur nächsten Glastür, die in Damons Schlafzimmer führte. Was sie dort sah, brach ihr das Herz.

Damon warf die Schlafzimmertür hinter sich ins Schloss und riss sein schwarzes Hemd von seinem Körper, warf es quer durch den Raum. Mehrere Kugeln, die in das Hemd gefallen waren, trafen bei der Aktion auf den Boden und die Wände. Sein Körper hatte sie aus seinem Fleisch gedrückt, um wieder heilen zu können. Er atmete tief ein und sah angeekelt hinunter auf die blutigen Löcher. Durch die Kugeln, die noch in seinem Körper waren, konnten sich die Wunden nicht schließen.

Als er eine Patrone sah, die halb aus seiner Brust ragte, zog er sie ganz heraus. Er umklammerte den Bettpfosten so fest, dass das Holz brach. Wenn er nicht das Werwolfblut vorhin getrunken hätte, läge er nun auf seinen Knien und würde vor Schmerzen laut heulen. Obwohl, wenn er es sich recht überlegte, hätte er es wahrscheinlich nicht einmal aus der Villa geschafft.

Das Blut eines Paranormalen erzeugte einen größeren Energieschub als menschliches Blut, aber es war klar, wenn er schneller heilen wollte, dann würde er mehr Blut brauchen. Niemand hatte ihm je vorgeworfen, geduldig zu sein.

Mit einem Brummen ließ Damon die Kugel, die er gerade herausgezogen hatte, zu Boden fallen und ging zum Schrank, um ein anderes Hemd zu holen. Alles, was er finden konnte, waren Pullover… er nahm einen schwarzen vom Kleiderhaken, ehe er auf die Balkontür zuging.

Alicia hatte sich die Hand vor den Mund geschlagen, um nicht aufzuschreien, als sie sah, wie viel Schaden an Damons Brust angerichtet worden war. Einige der Schusswunden bluteten noch, und einige pressten tatsächlich die Kugeln aus seiner Haut. Kein Wunder, dass er Schmerzen gehabt hatte, als sie ihn geschlagen hatte. Sie fühlte einen schmerzenden Stich in ihrer Brust. Wie konnte sie nur so grausam sein?

Sie wollte gerade die Tür aufmachen, als Damon sich umdrehte und sie hielt inne. Sie wollte heulen, als sie seinen blutigen Rücken sah, der noch schlimmer aussah, als seine Brust, ehe er einen Pullover anzog. Wie oft hatte sie ihn auf den Rücken geschlagen, ehe er sie auf das Bett geworfen hatte? Alicia fühlte, wie bei dem Gedanken ihre Knie weich wurden.

Als er auf die Balkontür zukam, trat sie schnell zur Seite, wirbelte herum und drückte ihren Rücken an die Ziegelmauer zwischen den beiden Glastüren. Mit einer Hand auf ihrer unverletzten Brust hielt sie ihren Atem an und hoffte, dass er nicht herauskommen und sie dabei erwischen würde, wie sie ihm nachspionierte.

Ihre Panik wurde schnell verdrängt von Schmerz… dann Wut und Verwirrung. Damon hatte sie in der Villa angelogen… all das Blut war seines gewesen. Wieso sollte er so etwas tun? Wieso sollte er sich als Schild vor sie stellen und ihr dann nicht sagen, dass er verletzt war? Er hätte sterben können… und wofür? Um sie zu retten?

Alicias Augen wurden groß, als die Balkontür plötzlich aufgerissen wurde, und Damon auf das Geländer sprang und auf die Straße hinuntersah. Er blieb kurz oben stehen, wollte gerade springen, als er jemanden hinter sich fühlte. Er konnte all diese Emotionen in ihrer Aura fühlen und seufzte… er war müde und verletzt und hatte keine Lust mehr, heute Nacht noch mehr zu streiten.

„Michael hat ihre Erinnerungen daran, dass du heute Nacht dort warst, ausgelöscht. Wenn du jetzt zu Micah zurückläufst, bevor sie dich anrufen… war alles umsonst, was er getan hat, um dir zu helfen. Wenn du schon nicht für mich hierbleiben willst… dann tu es für Michael.“ Damit ließ sich Damon vom Balkon fallen und landete im Gras darunter.

Alicia schrie leise auf und rannte zu dem Steingeländer, sah hinunter als er blind nach unten taumelte. Ihre Augen wurden groß und sie umklammerte den Stein, als sie erkannte, dass Damons blindes Taumeln nicht so blind war, wie sie gedacht hatte. Seine Arme streckten sich zu beiden Seiten und es sah aus, als würde er die Schatten um sich schlingen, sich darin einwickeln… dann verschwand er, bevor er am Boden ankam.

Alicias Blick durchsuchte die Dunkelheit, wollte ihm folgen, aber sie konnte ihn nicht mehr sehen… nicht einmal seine Schritte hören. Er tat ihr leid, und sie fühlte selbst die Schmerzen, die er heute Nacht für sie auf sich genommen hatte.

Sie schlang ihre Arme um sich, fühlte sich plötzlich viel einsamer als erwartet und wünschte sich verzweifelt, dass er nicht gegangen wäre. Sie musste ihm sagen, dass es ihr leid tat… sie wollte ihm danken und sie wollte ihn wirklich noch einmal schlagen dafür, dass er ihr nicht gesagt hatte, dass er verletzt war. Wohin ging er? Was machten Vampire, wenn sie verletzt waren?

Er wollte, dass sie hierblieb und machte, worum Michael gebeten hatte. Mit einem Seufzen entschied sie, ausnahmsweise einmal zu gehorchen… aber sie machte es nicht für Michael.

Alicia wandte sich vom Geländer ab und ging zurück in ihr Zimmer, wo sie sich auf das Bett setzte. Sie starrte einige Sekunden lang das Telefon an und fragte sich, was sie tun sollte, wenn es klingelte. Sollte sie abheben? Was, wenn es nicht Michael war? Was, wenn Warren oder Quinn Michael anrufen wollten, und sie nahm ab?

Damon hatte recht… sie schuldete ihnen genug, um zumindest bis zum Morgen zu warten, ehe sie irgendwelche Entscheidungen traf, oder etwas machte, was sie nicht tun sollte. Sie erinnerte sich an den gefährlichen Klang von Michaels Stimme, als er Damon aufgetragen hatte, sie nach Hause zu bringen. Niemand hatte gewollt, dass sie heute Nacht dort war, außer vielleicht Damon… noch etwas, wofür sie Damon dankbar sein musste.

In der Hoffnung, dass die Zeit dann schneller verging, stand sie auf und zog sich ihr Nachthemd an. Sie legte sich ins Bett, deckte sich zu und versuchte, zu schlafen. Aber es war zu heiß, obwohl sie die Balkontür offengelassen hatte, sodass der kühle Wind hereinwehte. Fast eine Stunde lang warf sie sich von einer Seite auf die andere, ehe sie schließlich ihre Hand hob, um den Schweiß von ihrer Stirn zu wischen.

Ihre Haut fühlte sich heißer an, als sie sein hätte sollen, also warf sie die Decke von sich, sodass es endlich kühler wurde. Frustriert knüllte sie die Decke zusammen, sodass sie wie ein langes Kissen war, kuschelte sich daran und schlang ein Bein darum. Sie rieb sich daran, genoss das Gefühl zwischen ihren Oberschenkeln und zog die Decke noch fester an sich.

Alicias Augen öffneten sich ruckartig, als sie plötzlich die Symptome erkannte, die sie aufwies. Sie hatte davon gelesen und gesehen, wie eine ihrer Freundinnen in der Schule es durchgemacht hatte.

„Nein…“, flüsterte sie, als sie fühlte, wie die Angst alleine schon bei dem Gedanken hieß durch sie schoss. „Bitte lass mich nicht läufig werden.“

*****

Damon eilte durch die Schatten der Stadt auf die dunkelsten Viertel zu, auf der Suche nach etwas oder jemandem, der getötet werden musste. Er versuchte, den Gedanken an Alicia zu verdrängen, aber es schien, dass in jeder Minute, die er in ihrer Gegenwart verbrachte, sie tiefer unter seine Haut kroch. Das Merkwürdigste war… er mochte sie dort.

Sein ganzes Leben basierte darauf, dass ihm alles egal war… und alle. Er war außerdem stolz darauf gewesen, dass er es zu seiner Regel gemacht hatte, dass er sich nahm, was er wollte. Er wollte sie, und sie musste dringend aufhören, den Teufel in Versuchung zu führen. Als er sich vom Balkon fallen gelassen hatte, hatte er gebetet, dass sie ihm nicht folgen würde. Zum Glück hatte das Mädchen noch ein wenig von ihren Selbsterhaltungsinstinkten übrig.

Schließlich kam er an sein Ziel: eine heruntergekommene Gegend von Los Angeles. Damon hielt sich auf der dunklen Seite des Gehsteigs auf, grinste, als ein Polizeiauto vorbeifuhr und alle verschwanden. Sobald die Bullen wieder außer Sichtweite waren, kam der Abschaum der Erde wieder aus ihren Verstecken und das Leben ging wieder weiter, als wäre nichts geschehen.

Damon grinste hämisch in die Richtung von zwei sehr dürftig bekleideten Frauen und ging weiter, als sie versuchten, ihn mit ihren Körpern zu verführen. Vielleicht hätte er es sich vor ein paar Wochen noch einmal überlegt, aber jetzt… wollte er nichts mit dem anderen Geschlecht zu tun haben. Bei dem Gedanken, von einer von ihnen zu trinken, wurde ihm übel.

Als er um eine Ecke bog, bemerkte Damon zwei Schlägertypen ein Stück weiter, die ihn ansahen, als er sich näherte. Das war schon eher, wonach ihm der Sinn stand.

„Wie geht’s?“, fragte einer von ihnen mit tiefer Stimme. Er hatte seine Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben, hoffte, Drogen verkaufen zu können. Als er einen Blick auf die wilden Augen des Mannes erhaschte, beschloss er aufzugeben, denn er nahm an, dass der Typ seine Drogen schon woanders bekommen hatte.

Damon antwortete nicht und ging weiter. Er wusste, was kommen würde, und er freute sich darauf. Diese beiden Typen waren vermutlich die Könige in dieser Straße, so wie sich ihre Muskeln abzeichneten und ihre Augen finster strahlten. Er konnte altes Blut auf ihren Kleidern riechen und erkannte die Narben auf ihren Fäusten, die solche Gangster immer auszeichneten. Ja, sie waren vermutlich in ihren eigenen Köpfen Legenden.

„He“, rief der zweite, „mein Freund hat dich etwas gefragt.“

„Und mein Schweigen hätte ihn warnen sollen, dass ich nicht in der Stimmung war“, warnte Damon und drehte dann den Kopf, um ihn anzusehen. Er schenkte ihnen ein gemeines Grinsen, seine Fangzähne blitzten in dem schwachen Schein der Straßenlaterne auf und sie erkannten die roten Iris in seinen Augen. „Aber ein Abendessen mit euch beiden klingt gut.“

Damon bewegte sich schnell, packte den ersten und leerte ihn in weniger als einer Minute bis auf den letzten Tropfen. Schweiß brach auf seiner Stirn aus, durch den Schmerz von weiteren Kugeln, die sich aus seinem Körper schoben und mit einem metallischen Klingeln am Boden landeten. Er legte seinen Kopf in den Nacken und lachte atemlos, ehe er den toten Mann zu Boden sinken ließ.

Das Echo von dem zweiten Mann, der wegrannte, erreichte Damon und er rannte ihm nach, wobei er wieder die Schatten um sich schlang, um sich zu verstecken. Schmerz und Adrenalin gemeinsam erzeugten einen besonders berauschten Zustand.

Er holte den überdimensionalen Punk ein und verfolgte ihn noch ein paar Sekunden, genoss den Geruch seiner Angst. Als der Mann langsamer wurde, kicherte Damon nur in der Finsternis, sodass der Mensch wieder schneller rannte. Ja, das musste er tun… die Welt von ein wenig niedrigem Abschaum säubern, während er sich das Blut holte, das er brauchte, um wieder gesund zu werden.

Nachdem er schnell die Lust an der Verfolgungsjagd verlor, näherte sich Damon dem Mann und riss ihn hinaus auf die Straße. Der Mensch wehrte sich mit aller Kraft, aber gegen Damons überlegene Macht… war das Ergebnis unabwendbar.

Schließlich erschlafften die Bewegungen des Mannes und Damon ließ ihn auf den schmutzigen Asphalt fallen. Während dem Kampf waren kleine Säckchen mit weißem Pulver aus den Taschen des anderen gefallen, außerdem ein ganzer Stapel Geldscheine und eine Pistole. Damon kniete sich neben die Leiche und verwendete einen Zipfel ihres T-Shirts, um seinen Mund abzuwischen, ehe er das Geld aufhob und es in seine Jackentasche steckte, bevor er wegging.

Als er wieder auf eine größere Straße bog, steckte Damon seine Hände in seine Hosentaschen und schlenderte den Gehsteig entlang, als hätte er keine Sorge auf der ganzen Welt. Jetzt, wo sein Verlangen zu töten und zu trinken teilweise gestillt waren, konnte er sein nächstes Opfer sorgfältiger aussuchen.

Misery beobachtete die gesamte Interaktion zwischen dem Vampir und den beiden Menschen, die er als seine Opfer gewählt hatte. Sie wollte sich ihm nähern, aber sie war zu schwach dafür. Stattdessen musste sie sich damit begnügen, sich an der Angst, die die Menschen zeigten, als der Vampir sie aussaugte, zu laben. Ihre Tode waren köstlich gewesen.

Ihre Begegnung mit Kane früher am selben Abend, hatte sie dazu gezwungen, die gesamte Macht, die sie gespeichert hatte, seit sie aus der Höhle entkommen war, zu verwenden. Als sie ihre Macht mit Kanes Blut vereinigt hatte, hatte das alle ihre Reserven gefressen. Sprünge in den Dimensionswänden dieser Welt zu erzeugen war ein mühsames Unterfangen und würde noch viel mehr Macht brauchen, als sie im Moment besaß. Sie konnte den bösen Herzschlag der Gegend fühlen und wusste, sie hatte einige der schwächeren Dämonen, die hier schliefen, aufgeweckt.

Sie würde stärker sein müssen, um die Wände dünn genug zu machen, damit die Dämonen auf der anderen Seite es spüren und ihre Chance nutzen konnten. Wenn die Dämonen mächtig genug waren… konnten sie den Riss von der anderen Seite her vervollständigen und sich ihr in dieser Welt anschließen.

Obwohl ihre Vorführung nicht genug gewesen war, um zu tun, was sie gewollt hatte, vermehrte sich das Böse in der Stadt und sie würde nicht lange brauchen, um ihre Macht auf das nötige Niveau anzuheben. Wenn dieses Niveau einmal erreicht war… würde sie wieder versuchen, die Wände dieser Dimension zu durchbrechen. Die Aura des Vampirs war nicht so köstlich wie die von Kane, aber sie war ihr ähnlich und die Möglichkeit eines Blutrituals war auf jeden Fall gegeben.

Dieser Vampir… obwohl er eine sadistische Seite zeigte, die Misery gefiel… war seine Macht so völlig anders als die von Kane. Sie wusste schon, wie sie an Kanes wahre Macht gelangen konnte, aber je weiter sie in die Seele von diesem hier blickte, umso besser erkannte sie die gefährliche Wahrheit. Die Macht, die der Vampir, den sie beobachtete, besaß, konnte nur erwachen, wenn er etwas beschützte, das er liebte. Es war eine nutzlose Macht, nachdem die Kreatur solche Gefühle unterdrückte.

Nachdem sie den Vampir noch ein paar Sekunden länger beobachtet hatte, beschloss Misery, dass es besser war, wenn dieser ohne Liebe blieb, denn wenn er je eine solche Empfindung fühlen würde… würde seine Macht grenzenlos sein.

Damon konnte seelenlose Vampire überall um sich und in den dunkleren Seitengassen fühlen. Er überlegte kurz, die Stadt von einigen davon zu befreien, aber entschied, dass er seine gute Tat für diesen Tag schon erledigt hatte. Wenn sie sich von dem niedrigen Leben in dieser Gegend ernähren wollten, wieso sollte er sie aufhalten wollen? Es war ja nicht so, als hätte er nicht gerade dasselbe getan. Während er weiter über die Straße spazierte, fielen mehr Patronen aus seinem Pullover zu Boden und klingelten wie vergessene Erinnerungen auf dem Gehsteig.

Die kleinen Härchen in Damons Nacken stellten sich auf und er blieb stehen, sah sich um… er wurde beobachtet. Schließlich riss er seinen Kopf herum und erkannte eine formlose Silhouette am Dach des Gebäudes neben ihm.

Indem er die Dunkelheit wieder um sich wickelte, verschwand Damon in die Schatten, hasste es, dass diese Stadt keine Privatsphäre bot, durch all die paranormalen Kreaturen, die hier herumliefen. Ehe er hierhergekommen war, war er nie in der Gegenwart von Formwandlern oder Gefallenen Engeln gewesen. In seinem Land waren Formwandler schon in den dunklen Zeitaltern ausgelöscht worden, und waren klug genug gewesen, nicht zurückzukommen. Es war ihm nie aufgefallen, wie territorial er war, als er in einem sauberen Land gewesen war.

Er war nie so scharf auf Reisen gewesen wie Kane oder Michael… nicht wenn er sich so sehr vergnügen konnte, wo er lebte. Aber dort auf dem Dach, das war kein Formwandler… es war ein Gefallener Engel und es war keiner der beiden Männer, die er in der Kirche gesehen hatte. Dies musste derjenige sein, der entkommen war.

*****

Zachary atmete erleichtert auf, als die letzten Journalisten endlich genug hatten, und seinen unter Anführungszeichen Tatort verließen. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Feuerwehrleute, die schwarz vor Ruß waren, und zog teilnahmslos den Kopf ein. Arme Jungs, sie hatte keine Chance gehabt, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen, obwohl sie offenbar dankbar dafür waren, dass es sich nicht über die Grenzen von Anthony Valachis Anwesen hinaus ausgebreitet hatte. Zachary lächelte, als er sah, worauf er gewartet hatte.

Er hatte das Feuer so heiß gemacht, dass er wusste, es würde nicht lange dauern, bis es alles verbrannt hatte, was brennen konnte. Er hatte zwei Gründe dafür gehabt. Einmal aus Mitleid mit den Menschen, die täglich ihre Leben riskierten, wenn sie mit dem Feuer spielten, und zweitens um jegliche Beweise zu zerstören, die Menschen nicht zu sehen brauchten… unter anderem Körper für Autopsien oder Knochen, die man untersuchen könnte.

„Es scheint, dass es ausgebrannt ist“, sagte Chad, als er sich Zachary näherte. „Es überrascht mich, dass Trevor nicht hier ist.“

„Oh, er war hier“, grinste Zachary. „Als ich ihn zuletzt sah, zerrte er deine Schwester hier heraus, damit ich die Villa in die Luft jagen kann.“

„Was!“, rief Chad und kam einen Schritt näher, damit sie nicht belauscht werden konnten. „Ich bin seit einer ganzen Stunde hier, und du sagst mir erst jetzt, dass meine Schwester heute Nacht beinahe gestorben wäre?“

„Der Schuss hat sie nur gestreift.“ Zachary liebte es einfach, den neuen Typen zu ärgern. Er fühlte sich ein wenig schuldig, als er sah, wie jegliche Farbe aus Chads Gesicht verschwand. „Beruhig dich, es geht ihr gut.“

„Du bist ein Arschloch“, erklärte Chad ohne Schuldgefühle.

„Ich wurde schon Schlimmeres gerufen“, meinte Zachary schulterzuckend. „Aber im Moment darfst du mich Chef nennen. Ich habe dafür gesorgt, dass die Formalitäten schneller abgewickelt werden, also ist alles erledigt. Du arbeitest nicht mehr für die Polizei. Sie arbeiten für sich, und du arbeitest für die CIA, soweit sie wissen. Und nachdem dies eine Mafia-Angelegenheit ist, ist die CIA dafür verantwortlich.

„Und was soll ich jetzt tun?“, fragte Chad, der sich ein wenig verloren fühlte, während er sich insgeheim fragte, wie er einen Jaguar dafür verprügeln konnte, dass er seine Schwester schon wieder in Gefahr gebracht hatte.

„Die Beförderung genießen, denn ich überlasse diese Sache hier für heute Nacht dir.“ Zachary klopfte ihm auf die Schulter, bevor er die Autotür öffnete und sich auf den Fahrersitz setzte. Er zählte bis drei, ehe Chad an sein Fenster klopfte. Mit gehobener Augenbraue öffnete er das Fenster.

„Was soll ich ihnen erzählen?“, fragte Chad.

„Das ist das Beste an der Sache. Du kannst im Moment keinerlei Informationen geben.“ Zachary lachte und schloss das Fenster wieder, während er den Rückwärtsgang einlegte, und lachte noch lauter, als Chad nach seinem Reifen trat, als er an ihm vorbeifuhr.

Sein Humor verflog schnell wieder, als er mit seinen eigenen Gedanken alleine war. Er wusste, dass ein Großteil des Wolfsrudels harmlos war, und nur die Befehle ihres Alphas befolgt hatte, aber der Rest würde Rache für den Tod von Anthony Valachi wollen. Einige würden mit dem Finger auf Micahs Retter zeigen, aber einige würden sich an Steven rächen wollen, und der Verlobten, die Anthony mit ihm betrogen hatte. In jedem Fall würde das Night Light ganz oben auf der Liste der Ziele der verbleibenden Mafia der Stadt stehen.

Zachary zog sein Handy heraus und rief ein TEP-Mitglied an, das er als verdeckten Ermittler tief im gefährlichsten Teil des Wolfsrudels versteckt hatte. Wenn das, was er glaubte, sich zusammenbraute, dann könnte es klug sein, ein paar Todesdrohungen an das Night Light zu schicken, damit die Pumas in Alarmbereitschaft blieben, oder noch besser… sie dazu bringen, den Club eine Weile zu schließen.

*****

Angelica starrte abwesend aus dem Fenster auf die Stadt hinunter, während sie über den Albtraum nachdachte, der sie aufgeweckt hatte. Selbst mitten in der Nacht all die Lichter und das Leben der Stadt zu sehen, schenkte ihr ein wenig Ruhe, und sie konnte kaum ihren Blick losreißen.

Sie hatte noch nie einen Albtraum gehabt… hatte noch nie einen einzigen Traum gehabt, und das verunsicherte sie am meisten. Sie rieb mit ihren Fingern über das Zeichen in ihrer Hand, gab ihm die Schuld an ihrem Albtraum. Sie war so in düsteren Gedanken versunken gewesen, dass sie beinahe aus der Haut gefahren wäre vor Schreck, als die Tür hinter ihr krachend ins Schloss fiel.

Zachary hatte die Tür leise geöffnet, für den Fall, das Angelica schlief. Als er sie dort gedankenverloren stehen sah, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, die Tür laut ins Schloss zu werfen. Ihre Reaktion war sogar noch besser, als er gehofft hatte.

„Wenn ich ein Dämon gewesen wäre, wärst du gebissen worden“, grinste er, dann senkte er seinen Blick auf den Dolch, den sie so fest umklammert hielt, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. „Vielleicht nicht“, korrigierte er mit einem Stirnrunzeln. „Was hat an deinem Käfig gerüttelt?“

„Albträume“, sagte Angelica wahrheitsgemäß, während sie ihre Finger wieder entspannte. Es hatte keinen Sinn, zu lügen… zumindest nicht bei ihm. Sie atmete tief ein, versuchte die Spannung in ihren Schultern abzuschütteln, dann rümpfte sie die Nase. „Du riechst wie verbrannter Toast.“

„Willst du mit mir duschen?“ Zachary zwinkerte ihr zu, während er zum Badezimmer ging.

Angelica warf noch einen kurzen Blick aus dem Fenster, ehe sie sich abwandte. Während sie hörte, wie die Dusche aufgedreht wurde, setzte sie sich auf das Sofa und griff nach ihrem Notizbuch neben ihrem Laptop und begann den Mann, den sie in der Höhle gesehen hatte, zu zeichnen. Nachdem er derjenige war, der sie markiert hatte, mussten die Albträume sein Werk sein. Sie begann bei seinen Augen und zeichnete weichere Bleistiftstriche, als sein Gesicht auf dem Papier zum Leben erwachte.

Zachary trat aus dem dampfenden Badezimmer, während er noch sein Haar abtrocknete. Er trat hinter Angelica und sah hinunter auf das Porträt des Mannes, mit dem er sie in der Höhle gesehen hatte. Er betrachtete die Art, wie sie sorgfältig das lange, dunkle Haar des Mannes gezeichnet hatte… als würde der Wind es leicht verwehen. Für einen Dämon, war er in ihren Augen wirklich gutaussehend.

„Du riechst besser“, bemerkte Angelica, als sie zu ihm hochsah. Sie klopfte mit dem Bleistift auf die Zeichnung und fragte: „Können wir Dean erreichen, damit ich ihm dieses Bild zeigen kann?“

„Ich habe ihn heute Nacht kurz in der Villa des Alphawerwolfs gesehen. Aber er scheint so schnell zu kommen und zu gehen, dass es einfacher wäre, es einfach Kane zu zeigen“, schlug Zachary vor, als er über die Lehne des Sofas sprang, um sich neben sie zu setzten. Dann nahm er das Papier aus ihrer Hand und betrachtete die Zeichnung genau. „Kane sagte, dass Misery weiblich ist.“

„Das habe ich befürchtet“, seufzte Angelica. „Wenn es nicht derselbe Dämon ist, den sie aus der Höhle befreit haben… dann fürchte ich, dass Misery nicht der einzige Dämon in der Stadt ist.“

„Wieso sagst du das?“, fragte Zachary.

Anstatt ihm zu antworten, machte Angelica genau das, wovon sie gedacht hatte, dass sie es nie tun würde. Sie wandte sich ihm zu und packte Zachary, beugte sich zu ihm. Als Zachary sofort versuchte, sie zu küssen, senkte sie ihren Kopf, sodass er stattdessen ihre Stirn küsste. Dann ließ sie die Erinnerungen an den Traum in ihren Gedanken los.

Zachary zuckte zusammen, als er sich plötzlich in ihrem Albtraum wiederfand. Als die flimmernden Bilder schließlich langsam verblassten und Angelica sich zurücklehnte, öffnete Zachary seine Augen und flüsterte: „Wow… das war ein ziemlich verrückter Traum.“

Angelica nickte. „Ja, vor allem für jemanden, der noch nie einen Traum hatte, in meinem ganzen Leben.“

*****

Kriss hatte alle Orte abgesucht, wo er dachte, dass sich ein verängstigter Gefallener Engel, der so lange eingesperrt gewesen war, dass er nicht einmal daran denken wollte, sich verstecken könnte. Er suchte nicht wirklich nach dem Gefallenen Engel… er suchte nach Dean. Nachdem er die ganzen Kirchen und alle Gegenden der Stadt, um die das Böse einen großen Bogen machte, satt hatte, dämmerte es ihm, dass er vielleicht auf der falschen Spur war. Es war ja nicht so, als würde er denjenigen den er verfolgte, sehr gut kennen.

Von einem Extrem zum anderen wechselnd, machte sich Kriss auf den Weg ins Stadtzentrum. Nach nur wenigen Stunden wurde er belohnt, als er einen kurzen Blick auf die Kreatur erhaschte, wie sie über die Dächer rannte und von einem Gebäude zum nächsten sprang.

Mit etwas Abstand folgte Kriss während er die helle Farbe des Gefallenen Engels begutachtete, ebenso wie die schneeweißen Flügel, die Menschen nun nicht erkennen konnten, aber er schon. Er legte seinen Kopf zur Seite, als der andere über seine Schulter blickte, als spürte er, dass er verfolgt wurde.

Als der Gefallene Engel seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straßen unter ihnen richtete, bekam Kriss das Gefühl, dass er heute Nacht nicht der einzige war, der auf der Jagd war.

„Wen genau suchst du?“, flüsterte Kriss leise, während er ihm noch ein paar Häuserblocks weiter folgte. Nachdem er um eine Ecke gebogen war, kam Kriss ruckartig zum Stehen, als der andere Mann plötzlich an der Kante eines Gebäudes stand… ihm zugewandt. Es waren seine aggressive Haltung und der wilde Blick in seinen silbernen Augen, die Kriss innehalten ließen.

Einen Moment lang bewegte sich keiner der beiden. Kriss nützte die Zeit, um seine Macht zu konzentrieren und in die Seele des anderen Mannes zu sehen. Als das Bild seiner Seele besser sichtbar wurde, erwartete Kriss, das glitzernde, silberne Flimmern eines Vollbluts zu sehen, aber zu seiner Überraschung war die Seele dieses Gefallenen Engels verdorben. Seine Augen weiteten sich, als ihm klar wurde, dass dieser Mann ein Hybrid war.

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