Kitabı oku: «ROSAROT war ihre Brille … Die Fortsetzung», sayfa 2

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Nichts im Leben muss man fürchten.

Man muss es nur verstehen.

(Marie Curie)

DER TOD GEHÖRT ZUM LEBEN

Meine erste Begegnung mit dem Tod erlebte ich mit der Beerdigung meiner geliebten Oma Milda. Ich war acht Jahre alt und ich fragte mich, was die Großmutter in diesem engen Kasten sollte, der dann auch noch vergraben wurde. Die andere Ungereimtheit bestand darin, dass die Klassenkameraden, die sonst nie von mir Notiz nahmen, mir mit einem ernsten Kopfnicken die Hand schüttelten. Was sollte das? Oma Milda hätte alles erklären können, das hatte sie immer getan. Doch sie kam nicht wieder. Lange, lange noch wartete ich vergebens auf sie.

Meine zweite, die schmerzlichste Begegnung mit dem Tod war, als ich unsere kleine Tochter Sabine am frühen Morgen tot im Bett fand. Ich brauchte viele Jahre, um darüber sprechen zu können und noch mehr Jahre, um die Trauer annehmen und den Tatsachen ins Auge sehen zu können. Doch sie ist nicht vergessen, sie ist immer bei uns.

Mein Vater

Er wollte nicht mehr leben, als er, nach mehreren OPs erblindet, auch noch einen Schlaganfall erlitt und fast gelähmt war. Ich habe ihm gern zugehört, wenn er Klavier spielte. Doch das kam selten vor. Er war sehr intelligent und schlagfertig. Immer wollte er perfekt sein, und selten zeigte er seine Gefühle. Ging er doch einmal ein wenig aus sich heraus, nannte er mich zärtlich „Dotschka“, was auf Russisch Töchterchen heißt. Dieses Wort von ihm zu hören, machte mich jedes Mal sehr glücklich.

Als mein Vater nach vielen unbewältigten Krankheiten den Freitod wählte, traf mich das Geschehen besonders tief. Ich sah auch darin wieder eine Schuld meinerseits. Hatte mein Vater doch am Vortag seines Todes noch mit mir telefoniert und mir seine Sorgen mitgeteilt. Ob ich nicht genug darauf eingegangen war? Hätte ich den Freitod verhindern können? Froh war ich nur, dass unser beider Verhältnis am Ende seines Lebens wieder ein sehr gutes geworden war. Das war nicht immer so, denn ich hatte lange Zeit Angst vor ihm gehabt. In seiner Brieftasche fand ich einmal beim Herumstöbern ein Gedicht. Dem Zustand des Papiers nach zu urteilen, musste es schon lange unbeachtet in einem Fach gelegen haben. Es kamen diese Worte vor, von denen ich annahm, dass sie schmutzig sind. Ich war einmal für solch ein Wort bestraft worden. In der Erntezeit kamen größere Jungen auf unseren Hof, die beim Einbringen der Ernte, beim Abladen der Garben und beim Transportieren von Stroh auf die Scheune halfen. Meistens konnte ich mich vor ihnen verstecken, weil ich sie nicht mochte. Doch einmal gelang es mir nicht und sie riefen mich: „Komm mal her und sprich uns den Satz nach: Die Hühner picken. Du musst aber dabei die Mundwinkel breitziehen.“ Wegrennen ging nicht mehr, also tat ich, was die beiden Jungen mir auftrugen. Schallendes Gelächter ertönte, aber ich wusste nicht, was daran so amüsant zu sein schien. Es kam ja kein P beim Breitziehen der Mundwinkel heraus, sondern ein F. Ja und? Ich begriff nicht und kam mir dumm vor. Ich kannte dieses neue Wort mit F nicht. „Nun geh zu deiner Mutter und führe ihr das Kunststück vor, sie lacht bestimmt genauso wie wir.“ Gesagt, getan. Sie lachte nicht. Ich bekam böse Worte von ihr zu hören. „Schämst du dich nicht, so etwas zu sagen?“, empörte sie sich. Ich wusste nicht, warum ich mich schämen sollte. Aber ich schlussfolgerte, dass dieses Wort etwas beinhaltete, wofür man sich zu schämen hatte und was man nicht tun durfte, ohne dafür bestraft zu werden.

Die Gefühle und Gedanken von damals waren beim Finden dieses ‚Pamphlets‘ plötzlich wieder da. Ich konnte meinen geliebten Vater nicht mehr innig umarmen, ich hatte Angst vor ihm. Als er immer kränker wurde, nutzte ich jede Gelegenheit, ihn in den Arm zu nehmen und mich mit ihm zu unterhalten. Das tat uns beiden so gut! Und was besagtes F-Wort anging, war ich ja inzwischen erwachsen und konnte lockerer damit umgehen, wenn ich irgendwo eines der F-Wörter las. Doch damals wie heute empfinde ich sie als unangenehm.

Am Vortag seines Freitodes war ich in Jena in der Augenklinik gewesen und mit dem Linienbus durch den Ort gefahren, in welchem meine Eltern wohnten. Warum bloß war ich nicht ausgestiegen? Warum hatte ich ihn nicht noch einmal besucht?

Später erfuhr ich, dass das Ende meines Vaters auch ohne sein freiwilliges Sterben über kurz oder lang eingetreten wäre. Aber trotzdem. Ich kam von diesen doch so unbegründeten Schuldgefühlen einfach nicht los.

Meine Mutter

Mancher wundert sich vielleicht, warum ich meine Mutter nicht an erster Stelle genannt habe. Mütter sollten doch immer für ihre Kinder da sein, sie sollten ihnen Mut machen, ihnen sagen, dass sie stolz auf sie sind. Eine Mutter sollte ihrem Kind erst recht beistehen, wenn es einen Fehler begangen hat. Es gibt da diese Sprüche: Meine Tochter ist wundervoll, und ich bin glücklich, ihre Mama zu sein. Es tut mir leid, aber meine Mutter sagte einen ganz anderen Satz zu mir: „Du musst mich lieben, denn ich habe dich unter großen Schmerzen zur Welt gebracht.“

Du musst? Nein, ich musste gar nichts. Der Satz bewirkte nämlich genau das Gegenteil bei mir. Ich konnte sie nicht lieben, auch weil sie nicht liebevoll zu mir war, weil sie mich wegen Kleinigkeiten mit stundenlangem Schweigen bestrafte, weil sie mich nie in den Arm nahm und mir nie beistand, wenn ich mich mit meinen Sorgen an sie wendete. Vielleicht war ich ein ungewolltes Kind? Dieser Gedanke verfolgte mich bis ins Erwachsenenalter hinein. Ich kann es einfach nicht vergessen.

Lange, sehr lange dauerte es, aber ich habe ihr inzwischen verziehen.

Viele Freunde mussten wir gehen sehen, auch unsere geliebte Tante. Aber die Erinnerung bleibt.

Bertold Brecht soll einmal gesagt haben: „Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“

Hindernisse und Schwierigkeiten sind Stufen,

auf denen wir in die Höhe steigen

(Friedrich Nietzsche)

DAMALS WAR’S …

Sind die jetzt vollkommen verrückt geworden? Warum ziehen die jetzt weg? Na, da steckt Die dahinter, denn Der würde das nie wollen. Die Dame, die sowieso immer mal ihre eigenen Wege gegangen ist, oft genug ist sie allein weggefahren. Warum lässt Der sich das eigentlich gefallen?“

„Hey, ihr Tratschtanten, merkt euch eines: Erstens geht euch das überhaupt nichts an, kümmert euch mal lieber um euch selbst. Und zweitens: Was Er nicht will, das tut Er auch nicht. Das könnt ihr mir glauben.“

Dieses – natürlich fiktiv geführte – Gespräch fand vor über zehn Jahren statt. Wobei es durchaus auf Tatsachen beruhte. Denn die lieben Mitbewohner des Ortes konnten es nicht lassen, diesen Tratsch weiterzuverbreiten, bis er wieder bei mir ankam.

Inzwischen sind wir ja auch wieder nach Thüringen zurückgekommen.

„Da hätten sie gleich dableiben können, die wissen wohl nicht, was sie wollen. Und in dem Alter noch mal umziehen? Da kann man nur den Kopf schütteln.“

„Mund halten, klar? Es ist jedem selbst überlassen, was er aus seinem Leben macht. Traut ihr euch doch nur nicht, etwas an eurem langweiligen Leben zu verändern? Aber über andere herziehen, ist leicht. Wisst ihr was ich denke? Ihr seid nur neidisch.“

Es war eine spannende Zeit. Wir schmiedeten Pläne für den Umzug nach Schierke, gelegen im Hochharz. Einige Male hatten wir dort unseren Urlaub verbracht und liebten diese Gegend. Vor allem Hans, weil er als Kind in der Nähe in einem Erholungsheim gewesen war. Er schwärmte von der würzigen Harzluft und der urwüchsigen Natur. „Da kommt kein Thüringer Wald mit!“, meinte er bei jedem Besuch.

Lange hatten wir im Internet nach einer passenden Wohnung gesucht. Es musste unbedingt eine sein, bei der auch ein geräumiger Keller, ein Schuppen oder Ähnliches vorhanden war, damit Hans sich dort eine Werkstatt einrichten konnte.

Da gab es etwas Passendes, doch das war ihm zu nahe am Wasser gelegen. Es hätte ja Hochwasser kommen können. Bei den anderen Wohnungen fehlte immer das Nebengelass. Dann wurden wir endlich fündig. Und von da an fuhren wir fast jedes Wochenende an unseren zukünftigen Wohnort. Die Wohnungsbaugenossenschaft ließ uns darin werkeln, wir brauchten nur die Nebenkosten zu bezahlen. Hinter unserer großen Wohnung – eigentlich waren es zwei nebeneinanderliegende mit Gästezimmer und zwei Bädern – erstreckte sich der Wald. Von da führte direkt ein Wanderweg auf den Brocken. Und parallel zu unserer Wohnung verlief der Ottoweg, ideal als erweiterbare Walkingstrecke zu nutzen.

Direkt gegenüber hatten wir das Brockenstübchen, das später zu unserem Lieblingsrestaurant wurde. Dort übernachteten wir auch, wenn wir in der Wohnung arbeiteten. Denn die gelieferten Ikea-Möbel mussten zusammengebaut werden, Gardinenstangen mussten angebracht und Gardinen aufgehängt werden. Wir kauften in Wernigerode eine hübsche Einbauküche und waren selbstverständlich vor Ort, wenn die Monteure anrückten.

Dann kam der Winter, der in Schierke besonders streng und lang ist, mit Unmassen von Schnee. Ein Mauerdurchbruch wurde vorgenommen, der nun unsere beiden kleinen Wohnungen miteinander verband. Dieser Mauerdurchbruch zog sich hin, denn die Wände waren aus Beton, der mit einer Stahlbewährung durchzogen war. Man konnte vor lauter Staub in der Luft kaum atmen. Draußen empfing uns die eisige Winterluft. In den Vorgärten und auf der Straße türmte sich der meterhohe Schnee. Unser Hausmeister fuhr unermüdlich mit seiner Schneefräse herum und versuchte, Gehwege freizuschaufeln.

Endlich war der Durchbruch geglückt. Wir fuhren zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt hin und her, um da zu sein, wenn die Handwerker arbeiteten. Ihnen einen Kaffee vorzusetzen, war immerhin schon möglich. Wir hatten uns eine provisorische Küche eingerichtet mit Herdplatte und einer Kaffeemaschine.

Ein Tischler kam und fügte einen schönen Holzrahmen in die nun vorhandene Lücke ein. Es wurde gemalert und Teppichboden verlegt. Das Bad wurde gefliest und eine Dusche eingebaut. Wir freuten uns über jede Neuerung.

Parallel dazu begannen wir schon einmal, unser Haus auf den Umzug und Verkauf vorzubereiten. Unsere Kinder halfen uns, wo sie nur konnten. Petra und ihr Partner bauten die Ikea-Möbel zusammen, Thomas transportierte mit dem Auto Kleinmöbel. Beim Ausladen meinte er etwas besorgt: „In welche Einöde hat es euch bloß verschlagen!“ Karin und Karl halfen beim Einpacken und beim Aussortieren. Unglaublich, was sich da in den Jahren alles angesammelt hatte!

Mehrere Male bestellten wir in Auma die Sperrmüllfirma, aber meistens holten sich Tschechen oder auch Nachbarn vorher schon etwas, das sie gebrauchen konnten. Vieles verschenkten wir aber auch. Unsere Küche nebst Kühlschrank holte sich Michael, ein ehemaliger Schüler, der gerade dabei war, sich eine Wohnung einzurichten. Eine ehemalige Schülerin konnte unseren Fernseher gebrauchen. Und so leerte sich langsam, aber wirklich ganz langsam, das Haus. Hans packte im Keller eine Kiste nach der anderen, jede Schraube, jedes Werkzeug musste natürlich mit.

Die vom Umzugsservice gelieferten Kisten reichten längst nicht aus. Im Baumarkt holten wir uns Nachschub. Wir benötigten vor allem Bücherkisten, denn wir wollten uns möglichst von keinem unserer Bücher trennen.

Es wurde bei uns immer ungemütlicher. Daher waren wir nun jedes Wochenende in Schierke, und immer war das Auto vollbeladen mit Zimmerpflanzen, Kleinmöbeln, Geschirr, Küchengeräten und Bücherkisten.

Wir sind beide Fans von Raumschiff Enterprise-Filmen. Vor allem die Folgen mit Captain Picard haben es uns angetan. Daher nannten wir eine bestimmte Brücke, unter der wir durchfahren mussten, unseren „Fiktivtransmitter“. In Gedanken fuhren wir an dieser Stelle aus der alten Welt in die neue. Es war ein erhebendes Gefühl!

Der Umzugstermin rückte immer näher. Petra kam noch ein letztes Mal nach Auma, um zu helfen und unsere Stimmung aufzuhellen. Das hatten wir bitter nötig, denn so einfach war das alles dann doch nicht. Über vierzig Jahre war hier unsere Heimat gewesen.

Zu meinem Geburtstag Ende Mai herrschte zum Glück richtiges „Kaiserwetter“. Wir konnten also mit unseren Gästen im Garten sitzen. Geschirr war nur noch wenig da, das Meiste befand sich in Kisten oder schon in Schierke. Aber es bekam doch noch jeder seine Tasse und seinen Teller. Der letzte Tag brach an. Ohne Fernseher, ohne Kühlschrank, ohne Herd, fast ohne Geschirr, und der Schlaf auf den Matratzen war alles andere als ruhig.

Aus meinem Tagebuch: Es ist der zweite Juni. Der Möbelwagen steht pünktlich 7.30 vor der Tür und nun geht es los. Nein, doch noch nicht. Denn es gibt Probleme, weil der Möbelwagen nur ohne Anhänger bis zu uns durchkommt. Also in den LKW laden und danach an anderem Ort umladen. Es ist 13 Uhr und die Wohnung ist leer. Noch ein letztes Mal auskehren und durchwischen. Wir warten auf die Käufer zur Schlüsselübergabe. Sie kommen 15:30. Dann fahren wir mit unserem Opel Astra los. Das Auto ist voll mit dem, was wir gleich mitnehmen wollten, um die Möbelarbeiter dort in der neuen Heimat mit Kaffee und frischen Brötchen vom Bäcker Röder bewirten zu können. Ich heule im Auto wie ein Schlosshund. Am späten Nachmittag kommen wir in Schierke an, unterwegs überholen wir das Möbelauto, das sich den Berg hoch quält. Eine halbe Stunde nach uns sind sie am Ziel. Brockenstraße 39b. Mit dem Ausladen wird es an diesem Tag allerdings nichts mehr.

Zum Glück haben wir die breite Doppelbettcouch von Ikea schon aufgestellt, sodass wir einigermaßen bequem schlafen können.

Am nächsten Morgen um 7.15 Uhr klingelt es. Die Arbeiter stehen schon vor der Tür. Und dann großes Chaos. Obwohl wir uns schon vorher Gedanken gemacht hatten, muss ich dann doch den Platzanweiser spielen. Wohin soll der Schrank, wohin dieser Tisch, wohin die Waschmaschine? Hilfe – wohin mit all den Kisten? Kurzerhand werden alle Kisten im Keller und im Gästezimmer abgestellt.

Nun kommt das zweite Frühstück mit den netten Mitarbeitern von Möbel Starke im halb eingeräumten Esszimmer. Im NP-Markt, der nur einige Meter entfernt ist, konnte ich alles Nötige besorgen. Und einen guten Bäcker scheint es auch zu geben. Doch die Röder- oder Heidrich-Brötchen gibt es hier leider nicht. Dann fährt das Möbelauto zurück nach Gera. Vorher erfolgt natürlich die Bezahlung. So ein Umzug kostet schon einiges! Plötzlich sind sie weg und wir sind allein. In unserem neuen Zuhause.

Zum Weihnachtsfest luden wir alle unsere Kinder mit ihren Familien zu einem zünftigen Festschmaus in unsere Wohnung ein. Als Dank für ihre Hilfe beim Umzug, aber auch, weil Weihnachten in Familie besonders harmonisch ist, noch dazu im Schneeparadies Schierke.

Es waren zwei schöne Jahre im Harz. Doch irgendwann packte uns das Heimweh nach Thüringen.

Wir fanden in Zeulenroda eine hübsche Wohnung mit Balkon und mit Aussicht zur Talsperre. Und da wohnen wir noch heute. Doch es zieht uns immer einmal wieder nach Schierke zurück.

Wir bereuen nichts. Keinen der Umzüge. Und wenn bei einem Lehrertreffen die ehemaligen Kollegen von ihren großen Reisen schwärmen, denken wir an die zwei schönen Jahre im Harz zurück. Mit Brockenbesteigung, vielen anderen langen Wanderungen und dem Kennenlernen der Städte in der Umgebung. Nicht vergessen möchte ich auch das Sammeln der herrlichen Steinpilze. Ach, und die Walpurgisnacht mit den Hexen auf den Dächern, die anderen Bräuche und den Schierker Feuerstein. Letzterer steht hier in Thüringen immer bereit, wenn uns wieder einmal das Fernweh packt.

Angst ist bei Gefahr das gefährlichste.

(Heinrich Heine)

SALTO MORTALE MIT TIZIAN

Ein Auto ist auch nur ein Mensch, sagt Anabella.

Nein? Wer sagt da: Das ist doch nur ein Auto, ein Fortbewegungsmittel?

Glaubt mir, auch ein Auto kann lachen und weinen und Kummer haben. Auch ein Auto kann streiken oder laufen wie eine Eins. Aber nur, wenn das Auto wie ein Mensch behandelt wird.

Ich bin Tizian, ein kleines flottes Auto. Ich bin ein Opel Corsa. Auf meine Farbe bin ich stolz. Sie ist etwas Besonderes, das man nicht oft auf den Straßen sieht: Tizianrot. Daher nennt mich meine Herrin auch liebevoll Tizian. Meine Herrin heißt Anabella. Doch sie benimmt sich gar nicht wie eine Herrin. Nein, ich glaube sogar, sie liebt mich. Würde sie sonst meine Seiten streicheln? Würde sie sonst mit mir sprechen? Für sie bin ich ein Mensch, ein treuer Gefährte.

Ich habe schon viel mit ihr erlebt. Ich habe sie treu begleitet, wenn sie zu einem Symposium oder einer Lesung fahren musste. Wir waren zusammen in Hessen, im Harz, im Saarland und oft auch in Berlin.

Das, wovon ich jetzt erzähle, ereignete sich allerdings ganz in der Nähe, in einer Kurve bei Geroda.

Es war eisig kalt, was meinem Motor aber nicht das Geringste ausmachte. Er schnurrte fröhlich vor sich hin. Die Glätte auf den Straßen war gefährlich, noch dazu weil der frisch gefallene in der Sonne glänzende Schnee darüber lag. Meine Herrin wollte nach Gera zum Augenarzt fahren. Sie hatte es eilig und trieb mich an. Auf meine mahnenden Worte hörte sie nicht. In einer Rechtskurve kamen wir ins Rutschen. Schnell Gegenbremsen? Ich wollte noch rufen: Pass auf, da ist der Straßengraben! Fahre ganz langsam, bitte nicht gegenbremsen! Doch es war schon zu spät. Wir überschlugen uns zweimal und landeten schließlich auf einem Feld.

Zum Glück lag dort eine Menge Schnee. Pufferzone sozusagen. Ich weiß nicht, was sonst mit Anabella und mir passiert wäre. Mein Fahrgestell krakelte in den Himmel. Der Motor lief. Hilfe, dachte ich, wenn jetzt Benzin ausläuft? Dann sind wir hinüber. Alle beide.

Ich spürte förmlich die Panik, die meine liebe Anabella ergriff. Ich hörte sie jammern, weinen und sogar schreien: „Ich muss hier raus! Hilfe, ich muss hier raus!“ Doch es war keiner außer mir in der Nähe, der sie hätte hören können. Und ich selbst war zu sehr mit mir beschäftigt. Alles verbogen, mein schöner tizianroter Lack abgeblättert! Doch die Hupe funktionierte noch. Das war die Lösung. Ich musste Hilfe holen!

Denn Anabella wusste nicht, wo oben und unten war und versuchte erfolglos, den Gurt zu lösen. Es war ja alles verkehrt herum! Auch die Autotüren. Klinke nach unten drücken funktionierte nicht!

Puh, jetzt hatte sie es geschafft. Klinke nach oben schieben, die Autotür öffnete sich, doch nur einen Spalt, wir lagen ja in einem Schneehaufen! Sie versuchte, sich herauszurollen, fiel in den tiefen Schnee und kam nicht weiter. Die Hupe ertönte, ich sah, wie ein Auto anhielt und jemand über die schneebedeckte Fläche rannte und meine Anabella auffing.

Ich lag Stunden allein auf dem Feld, bis ein Abschleppwagen vom ADAC kam und mich in die Werkstatt brachte. Ich wurde untersucht und hörte, wie ein Monteur sagte: Schwein gehabt, Motor und alles andere funktionieren noch!

So war es gewesen, genau wie mein lieber Tizian erzählte. Es hatte in meinen Augen eine Ewigkeit gedauert, bis ich die Autotür einen Spalt aufbekam und mich einige Zentimeter vom Auto entfernen konnte. Dann verließ mich alle Kraft und ich fiel, wie man mir später erzählte, in Ohnmacht. Als ich wieder zu mir kam, saß ich in einem Auto und fremde Menschen hüllten mich in eine Decke. Sie flößten mir heißen Tee ein. Vor meinen Füßen oder mehr darauf lag ein großer Schäferhund. Ich fror und meine Gedanken spielten Karussell. Als ich meinen Kopf etwas nach links drehte, sah ich ihn liegen, dort auf dem Schneefeld: Meinen kaputten zerdrückten Tizian. Ich war schuld, ich hatte den Unfall verursacht. und ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Dann wollte man die Telefonnummer meines Mannes wissen. Zum Glück fiel sie mir schließlich ein. Ich dämmerte vor mich hin, irgendwann war er da und zur gleichen Zeit auch die Polizei. Wegen witterungsbedingter nicht angepasster Geschwindigkeit musste ich Strafe zahlen und bekam zwei Punkte in Flensburg.

In der Autowerkstatt waren alle sehr besorgt um mich und schenkten mir erst einmal einen doppelten Cognac ein. Den trank ich auf Ex, obwohl ich diesen Schnaps gar nicht mag. Hans, mein Mann, hätte den auf den Schreck auch gebrauchen können, aber er musste mich ja nach Hause fahren.

Meinem Schutzengel danke ich noch heute dafür, dass ich noch lebe. Oh doch, da war einer, oder eine? Meine Zeit war noch nicht gekommen.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
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ISBN:
9783961457120
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