Kitabı oku: «Wiener Wohnwunder»

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Nachbarschaft aus Tradition

Schon zu Beginn ihrer beinahe 100-jährigen Geschichte waren Städtische Wohnhausanlagen auch Orte der Begegnung und des nachbarschaftlichen Miteinanders. Mit seiner großen sozialen Durchmischung ist der Gemeindebau heute ein lebendiger Ausdruck unserer offenen (Stadt-)Gesellschaft. Hier treffen viele unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Einstellungen, Haltungen und Interessen aufeinander.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von wohnpartner sind Tag für Tag für eine gute Nachbarschaft in Gemeindebauten im Einsatz. Dabei lernen sie viele Mieterinnen und Mieter persönlich kennen, erhalten Einblicke in ihren Alltag, leben mit ihren Sorgen mit und unterstützen, freuen sich mit ihnen über Erfolge und pflegen ein wertschätzendes und freundschaftliches Miteinander der Mietergemeinschaft.

Kein Gemeindebau gleicht dem anderen. Gemeindebauten haben immer ihre eigene Geschichte. Diese Geschichte wird von den Bewohnerinnen und Bewohnern geschrieben. Niemand weiß das besser als die Teams von wohnpartner. Die Kolleginnen und Kollegen haben daher Mieterinnen und Mieter zu ihren persönlichen Erinnerungen an ihr Leben in „ihrem“ Gemeindebau befragt. Das Spektrum ist groß: Manche leben schon ihr ganzes Leben lang an diesem Ort und können sich kein anderes Zuhause vorstellen, andere sind erst vor Kurzem in ihre Wohnung gezogen und haben hier eine neue Heimat gefunden. Dazwischen gibt es viele Facetten, die wir für Sie im vorliegenden Buch in 100 Geschichten verpackt haben. Es sind lustige, traurige, berührende, Mut machende Geschichten – wie sie manchmal nur das Leben im Gemeindebau schreibt.

Josef Cser

Geschäftsführer Wohnservice Wien

Claudia Huemer

Bereichsleiterin wohnpartner

VORWORT
Es lebe der Gemeindebau

Mit der Fertigstellung der ersten Städtischen Wohnhausanlage vor rund 100 Jahren legte die Stadt Wien den Grundstein für eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Wien, die alte Hauptstadt des untergegangenen Kaiserreichs, erlebte damals nach dem Ersten Weltkrieg eine schwere Krise. Die Wohnungsnot war gewaltig, die Mieten teils unerschwinglich, die hygienischen Bedingungen waren miserabel und Krankheiten grassierten, drei Viertel aller Wiener Wohnungen waren heillos überbelegte Ein- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen.

Um diese Missstände abzustellen, begann die Stadtregierung unter dem ersten sozialdemokratischen Bürgermeister Wiens, Jakob Reumann, mit dem Bau von Gemeindewohnungen. Unter dem Motto „Licht, Luft und Sonne“ wurden moderne Wohnhausanlagen errichtet, deren begehrte Wohnungen gesunde Lebensbedingungen und eine hohe Wohnqualität für ihre Bewohnerinnen und Bewohner ermöglichten – und das bei äußerst leistbaren Mieten.

Ein Jahrhundert „Rotes Wien“ später wohnen nun rund 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener im geförderten Wohnbau und knapp eine halbe Million im Gemeindebau, nicht selten seit mehreren Generationen. Die Wiener Wohnbaupolitik hat heute eine preisdämpfende Wirkung auf den gesamten Wohnungsmarkt, ist die größte Förderung der Mittelschicht in der Stadt und ist ein Sicherheitsnetz nach unten und ein Sprungbrett nach oben.

Ebenso zeichnet es den Gemeindebau aus, dass er ein Biotop des Wienerischen geworden ist. Der vielseitige Charakter unserer wunderbaren Stadt findet sich wohl nirgendwo sonst so sehr in seiner Reinform wie im Wiener Gemeindebau; das Miteinander in diesen „Dörfern in der Großstadt“ ist wirklich etwas ganz Besonderes. Am besten – liebe Leserinnen und liebe Leser – Sie überzeugen sich im vorliegenden Buch selbst davon.

Mit herzlichen Grüßen

Kathrin Gaál

Stadträtin für Wohnen, Wohnbau,

Stadterneuerung und Frauen

Soziales & Zusammenleben

Die Kinder von der Engerthstraße

350 Mal Willkommen

Am Murhoferweg hilft man zusammen

Kochen öffnet das Herz

Die ewige Liebe der Hunde

Das schöne Leben in Hirschstetten

Hier gibt’s keine Außerirdischen

Chillen und das Leben geniessen

Das, was man selber angreift

Das Herzstück von Wien

Mir gefällt alles

Die Abrüstung der Worte

In kurzer Zeit ist viel passiert

Gemeinschaft Gemeindebau

Die Natur vor der Tür

Man kann hier lachen

Nie lockerlassen

In der Mitte der Gemeinschaft

Der Segen der Kinder

Kontaktbesuchsdienst Donaustadt

Margareten ohne Partnergewalt

Ein freundliches Gesicht

Es fühlt sich zusammen an

Der Weg zur Freundlichkeit

Gegrüßt soll wieder werden

Man soll nie vergessen, woher man kommt

Architektur & Infrastruktur

Simmeringer Vogelperspektive

Das Erbe des Metzleinstalerhofes

Der Zauber des Gemeinschaftsraums

Am Fuß des Rosenhügels

Der Garten war das Highlight

Das Wirtshaus im Gemeindebau

Einfach a guade Stimmung

Das Floridsdorf von damals

Am Nordrand

Der Sozialmarkt im Quarinhof

Die Damen von der Stiege 8

Die Blumenhändlerin vom Rabenhof

Die Einkaufsstraße vor der Tür

Eine Küche für alle

Große Aufgaben

Die Wohnmaschine

Ich will, dass die Leute stolz sind

Grünoase in der Stadt

Warten auf Herbert Prohaska

Die Friseurinnen vom Albin-Hirsch-Platz

Ich würd hier auch gern wohnen

Leise war ma ned

Tanzcafé mit Liftboy

Handwerk und Begabung

Wer im Gemeindebau lebt, kann was erzählen

Ohne Harmonie funktioniert nichts

Kunst & Kultur

Das Theater am Boulevard Erdberg

Kunst macht was Schönes im Hirn

Ein besonderes Objekt

Kinder an die Macht

Wir waren alle füreinander da

Der Tausendsassa vom Paul-Speiser-Hof

Wo man die Löwen brüllen hört

Aizhan und die Seele der Musik

Stimmen aus der Brigittenau

Der gute Geist vom Karl-Seitz-Hof

Alles für die Fisch’

Ein Fest für Körper und Geist

30 Jahre Schöpfwerk Schimmel

Zu Besuch in Indien

Die Meinungen im Alfred-Klinkan-Hof

Bücher für alle

Kunst führt dazu, dass Menschen sich öffnen

Heimweh nach Wien

Donaustadt upcyceln

Japanische Feuerkunst

Spiderman am Schöpfwerk

Der Sound des Gemeindebaus

Ein syrischer Wiener in der Schweiz

Geschichte & Gegenwart

Um die Gemeindebauten beneidet uns die ganze Welt

Ein gelungenes Leben

Die Rückkehr der Hofgemeinschaft

Das Wohnwunder

Durchs Reden kommen d‘Leit zsamm

Früher wor’s wüd

Ich wollt nicht weg aus Meidling

90 Jahre Charly-Marx-Hof

Das Dorf in der Großstadt

Von der Fabrik zur Siedlung

Über die Hasenleiten loss i nix kumman

Do bin i auf die Barrikaden

Der kleine UNO-Gemeindebau

Ich bin stolz, hier zu wohnen

Ein Leben lang Gemeindebau

Geschaffener Lebensraum

Eine begnadete Ecke

Kolschitzky, Kreisky und der Bärlipark

Waschhalle mit Geschichte

Was für ein Geschenk

Die Freunde von der 39er-Stiege

Über der Donau geht die Sonne auf

Zum Wohle die Tat

Die kleine Stadt in Favoriten

Es lebe der Gemeindebau

Dank

Die Herausgeber

Impressum

Soziales & Zusammenleben


KURT-HELLER-HOF

Die Kinder von der Engerthstraße

Eine Gruppe von Kindern aus dem Kurt-Heller-Hof in der Leopoldstadt soll an diesem Nachmittag ein bisschen über ihr Leben im Gemeindebau in der Engerthstraße erzählen. Im Gegensatz zu den älteren Bewohnerinnen und Bewohnern, die ihre Kindheit ebenfalls hier verbracht haben, kennen sie keine Überschwemmungen mehr und haben noch nie Leute mit einer Zille durch ihre Straße fahren gesehen. Aber das heißt nicht, dass sie nichts zu erzählen hätten! Zur Wohnzufriedenheit gibt es etwa gleich zu Beginn ein paar klare Ansagen:

„Meine Familie und ich wohnen hier alle schon seit drei Jahren. Ich fühle mich hier gut.“

„Es ist echt cool hier.“

„Am meisten, weil der Park hier in der Nähe ist.“

„Und weil hier ein Laden in der Nähe ist. Ich geh da manchmal einkaufen.“

„Da kann man sich manchmal auf die Schnelle ein Eis kaufen.“

„Ich fahr hier manchmal mit meinem Pennyboard spazieren.“

Bei der Frage, wie viele Kinder sich hier regelmäßig auf der Grünfläche treffen, gehen die Meinungen dann allerdings leicht auseinander:

„So 30.“

„Nein, mehr als 30; 50 oder 60.“

„Nein, 70 oder 80!“

Wichtiger als die genaue Anzahl ist den Kindern aber ohnehin die Stimmung:

„Die Kinder im Park sind echt nett zueinander. Manchmal gibt’s halt auch Probleme.“

„Ja, manchmal nervt es, dass es gleich alle angeht, wenn zwei streiten.“

„Manchmal kämpfen die Teenager auch miteinander. Aber wir sagen ihnen dann, dass sie aufhören und sich vertragen sollen.“

Und hilft das?

„Manchmal.“




KURT-HELLER-HOF

Engerthstraße 249–253

1020 Wien

Errichtet 1981–1983

272 Wohnungen

Geplant von Carl A. J. Hala, Adolf Hoch, Karl Leber, Heinrich Matha

Dass auch Kinder von den Angstmacher-Kampagnen der Boulevardmedien nicht unbeeindruckt bleiben, zeigt dann die Antwort eines eigentlich sehr lebensfroh und gut gelaunt wirkenden jungen Mädchens:

„Es gibt ja viele Entführer hier und deshalb nehm ich zur Sicherheit immer mein Handy mit, falls was passiert. Das steht nämlich in der Zeitung, das mit den Entführern.“

Zum Glück spielen im Alltag der Kinder von der Engerthstraße andere Dinge eine größere Rolle, beispielsweise das Thema Haustiere: Kathi zum Beispiel hat eine Katze, darf sie aber nicht mit in den Hof nehmen, damit sie nicht abhaut. Und natürlich können auch Haustiere Probleme machen:

„Wir haben zwei Papageien. Ein grünes Mädchen und einen blauen Jungen. Das Mädchen is so eine Zicke.“

„Wir haben zwei Aquarien zu Hause. Leider haben früher die großen Fische die kleinen gefressen, drum haben wir jetzt eben zwei Aquarien.“

„Bei mir zu Hause ist alles zerkratzt von unserer Katze. Wenn wir essen, attackiert sie auch unser Essen. Wir haben sie mit zehn Tagen gekriegt, jetzt ist sie elf Wochen alt.“

Und die Nachbarn im Gemeindebau?

„Die sind eh nett. Eine Oma, die wohnt über uns und ist richtig nett. Wir kennen sie nicht so gut, aber sie ist sehr nett.“

„Unter uns wohnt eine Oma, die ist ziemlich alt, aber sehr nett, die gibt mir immer Süßigkeiten.“

Lauter nette Omas im Gemeindebau? Fast. „Dafür haben wir eine unter uns, die ist ganz fies. Die kommt sich immer beschweren, und ihre letzte Beschwerde hat fünf Stunden gedauert.“

Bei der Frage nach seinem Lieblingsort muss ein kleiner Bub nicht lange nachdenken:

„In meiner Wohnung ist mein Bett das Schönste.“

Dann ist aber langsam genug gefragt worden, ein Mädchen unterbricht das Interview höflich, aber sichtbar ungeduldig:

„Ich will sagen: Wann macht ihr denn Spaß? Ich würde nämlich gern in den Prater gehen.“

Prater ist nicht geplant (obwohl er ganz nah wäre), aber ja, auch Spaß muss sein, deshalb erzählen die Kinder ein paar Witze. Zum Beispiel den von der Schnecke auf der Straße, zu der die andere Schnecke sagt …, aber lassen wir das.

Am Ende wird es noch einmal ernsthaft, auch das haben die Kinder von der Engerthstraße nämlich drauf:

„Ich möchte, dass jeder viel Gemüse isst, damit wir alle gesund bleiben.“

„Und ich hoffe, dass es den Gemeindebau, so wie er jetzt ist, auch in der Zukunft geben wird.“

Da soll noch einer sagen, die junge Generation weiß nicht zu schätzen, was sie hat.




„Die Kinder im Park sind echt nett zueinander.“

BOHMANNHOF

350 Mal Willkommen

Würde man schreiben, dass es seit 2010 im Bohmannhof in der Donaustadt einen Hobbyraum gibt, dann wäre das vor allem eines: eine groteske Untertreibung. Denn wenn man Frau Kornelia Schrammel – Mieterin in der Melangasse und zwei Funktionsperioden lang auch Mieterbeirätin – nur ein wenig zuhört, wie sie von ihrem Engagement erzählt, dann versteht man: Frau Schrammel hat einen Raum genommen, ihn mit Leben gefüllt und ihr Wohnhaus damit nachhaltig verändert.

„2008 bin ich dem Mieterbeirat beigetreten und bin natürlich emsig gewesen. Damals bin ich auf diesen Gemeinschaftsraum gestoßen, der wirklich zugemüllt war, jeder hat da seinen Mist entsorgt. Ich hab dann mit Wiener Wohnen gesprochen und gebeten, dass ich den Raum haben kann. Dann ist das entrümpelt und sauber gemacht worden und ich bin Wiener Wohnen wirklich dankbar dafür, weil ich ausprobieren wollte, ob ich das schaffe, die Mieter an einen Tisch zu bekommen. Da wir ja mittlerweile alle Nationen im Haus haben, ist das natürlich ein bisschen schwierig. Für mich gibt’s aber keine Ausländer, für mich sind das alles einfach Menschen.“

Frau Schrammel schaffte es – und noch einiges mehr: „2010 hab ich hier notdürftig eröffnet, mit einem Tapezierertisch, wo ich ein bissl was zum Essen aufgetischt hab. Und so ist das dann immer mehr geworden: Weihnachtsveranstaltungen, Basteleien, Faschingsfeste für die Kinder et cetera. wohnpartner is mir dabei eine große Hilfe gewesen, ansonsten hab ich das alles alleine gemacht. Ich bin halt so gestrickt, dass mir immer wieder was einfällt, und ich versuch über die Kinder die Erwachsenen zu mobilisieren, weil nur so geht es.“ Natürlich stellte und stellt Frau Schrammel den Raum auch anderen Mieterinnen und Mietern zur Verfügung:

„Im ganzen Haus haben die Mieter die Möglichkeit, den Raum zu nutzen, zum Beispiel für Geburtstagsfeiern, dafür holen sie von mir den Schlüssel. Sie dürfen alles benutzen, und wenn sie mit Feiern und Saubermachen fertig sind, bekomm ich den Schlüssel wieder zurück. Die Kinder, mit denen ich hier, wie sie klein waren, Feste gemacht hab, die sind jetzt schon 14, 15 Jahre alt. Es is irre, ich weiß nicht, wo die Zeit hingerannt ist“, sagt die engagierte Mieterin wehmütig und ist doch hörbar glücklich über das, was ihr in den letzten Jahren hier gelungen ist. „Aber heuer hab ich auch noch einiges vor, der Erste-Hilfe-Kurs, der hier vom sozialmedizinischen Dienst durchgeführt wurde, war ein toller Erfolg, und die Polizei hätt ich auch gern da, die Feuerwehr, die MA 48 – das is halt alles Arbeit und das dauert, bis man’s organisiert. Auch zu Halloween wollen die Kinder wieder eine gute Kürbissuppe von mir haben, und zu Weihnachten hab ich vor, mit den Kindern Bastelarbeiten zu machen und einen Christbaum damit zu schmücken. Und dann würd ich von den Erwachsenen gerne Spenden für die Stiftung Kindertraum sammeln, das ist mir ein Herzenswunsch, weil man da schwerkranke Kinder unterstützt.“

Auch bei der Aktion „Willkommen Nachbar“ war und ist die rührige Donaustädterin aktiv, denn: „Das hat mich sofort interessiert, ich hab Brot und Salz mitgenommen, mit wohnpartner gemeinsam hab ich die Mappe mit wichtigen Dokumenten für die Neuzuzüge befüllt. Wenn ich davon red, dann krieg ich eine Gänsehaut, weil mir das so wichtig ist.“

Kornelia Schrammel ist immer im Einsatz für die Nachbarschaft

„Wenn ich davon red, dann krieg ich eine Gänsehaut, weil mir das so wichtig ist.“

Unglaubliche 350 Familien hat Frau Schrammel nämlich schon begrüßt, die ihre ungebrochene Begeisterung für Nachbarschaftshilfe so erklärt: „Es ist jedes Mal faszinierend, neue Leute kennenzulernen. Das darf man nicht als Arbeit sehen. Entweder man macht’s gern oder man macht’s gar nicht. Und wenn man Vorurteile gegen andere hat, dann braucht man’s gar nicht machen. Wichtig wär, dass wir alle an einem Strang ziehen, gerade im Gemeindebau. Ich wohn da seit 1983, da bin ich als Erste in den Bau eingezogen. Und ich find’s ganz wichtig zu wissen, wer is mein Nachbar. Weil wenn du was brauchst, wenn was passiert, wenn du in Urlaub fährst, sollst du mutig genug sein, anzuklopfen. Und ich glaub, grad in Zeiten wie diesen sollten wir wieder enger zusammenrücken und einer für den anderen da sein.“

An diesem Beispiel wird deutlich, dass es Menschen wie Frau Schrammel braucht, um das Konzept Gemeindebau mit Leben zu füllen. Alles Gute für die nächsten 350 „Willkommen Nachbar“-Besuche, Frau Schrammel!

MUHRHOFERWEG

„Am Muhrhoferweg hilft man zusammen“

Frau Fleck ist ein Phänomen: Auf einem Auge fast blind, kümmert sich die rüstige ältere Dame trotzdem jeden Tag selbst um das Blumenbeet, das zur Zier des Muhrhoferweges geworden ist, seit sie es betreut. Und das ist noch nicht alles: Da Frau Fleck offenbar einen grünen Daumen hat, züchtet sie auch Zitronenbäumchen. Wobei das Wort Bäumchen angesichts der prachtvollen Pflanze, die sie den Besuchern präsentiert, geradezu eine freche Untertreibung ist: „Der Stock ist vier Jahre alt und aus einem Kern gezogen“, erzählt Frau Fleck. „Ich hab noch einen anderen, der hat hundert Blüten!“ Solche Erfolge kommen freilich nicht von ungefähr, Frau Fleck ist täglich schon in aller Früh für ihre Blumen und Pflanzen da – und ihre Tiere versorgt sie auch: „Wenn ich aufsteh, ist der erste Weg das Fenster aufmachen, die Zeitung holen und zu den Blumen gehen. Dann schau ich, wer braucht ein Wasser. Dann kommen meine Vogerln dran. Wei waun meinen sieben Wellensittichen was ned passt, dann gibt’s an Wirbel. Dene g’hert des Wohnzimmer allein“, lacht Frau Fleck. Und fügt lebenslustig hinzu: „Mir mocht des ois so an Spaß!“

Frau Fleck wohnt seit 44 Jahren am Muhrhoferweg in Simmering, noch länger aber ist Frau Kainz hier zu Hause. Sie hat sich ebenso wie Herr Bugdajci zu Frau Fleck auf das sonnige Bankerl gesellt, von wo aus man einen guten Blick auf die Blumenbeete hat.

„Ich bin schon 1974, bei Fertigstellung hier eingezogen“, berichtet Frau Kainz. „Ursprünglich komm ich aus Bruck an der Leitha und hab für die Postsparkasse gearbeitet. Mein Mann war Kranführer und hat die Wohnungen hier schon während des Baus sehen dürfen. Für die fünf Kinder, die wir hatten, war’s klein, aber wir haben zwei Kinderzimmer aus der Wohnung gemacht und als Eltern im französischen Doppelbett im Wohnzimmer geschlafen. Jetzt, wo die Kinder ausgezogen sind, samma froh, dass wir keine größere Wohnung haben, weil was würden wir jetzt damit machen?“ Frau Fleck und Frau Kainz kennen sich schon „eine Ewigkeit“, wie Letztere erzählt. „Wir machen auch ununterbrochen Fotos von ihren Blumen, und die stell ich dann auf Facebook, um zu zeigen, wie schön die Blumenkastln hier bei uns sind. Oft sicht ma die Frau Fleck gor ned, weil sie auf allen Vieren sich um ihre Blumen kümmert“, lacht Frau Kainz, und Frau Fleck und Herr Bugdajci lachen mit.


Um zu zeigen, wie schön die Blumenbeete am Murhoferweg sind, teilt Frau Kainz oft Fotos auf Facebook


Täglich ist Frau Fleck schon in aller Früh für ihre Blumen und Pflanzen da

Herr Bugdajci, der Dritte im Bunde, ist 1999 mit seiner Frau und zwei Kindern in eine Drei-Zimmer-Wohnung am Muhrhoferweg gezogen, vorher lebte er in Favoriten. Nach Wien kam er als Kind mit seinen Eltern aus der Türkei. „Ich bin hier wunschlos glücklich“, strahlt er, „von einem Zimmer in eine Drei-Zimmer-Wohnung zu kommen, das ist schon was. Wir schauen immer gegenseitig rüber, mit der Frau Kainz und der Frau Fleck, ob eh das Licht brennt und alles in Ordnung ist, sonst rufen wir an.“

„Waun meinen sieben Wellensittichen was ned passt, dann gibt’s an Wirbel.“


Überhaupt, am Muhrhoferweg hilft man zusammen: Herr Bugdajci hat Frau Fleck erst kürzlich das Schlafzimmer ausgemalt und einen neuen Boden gelegt, und auch bei der Gartenarbeit geht er ihr gerne zur Hand.

Einer allerdings fehlt heute in der Runde der Nachbarn, und die ursprünglich aus der Wachau stammende Frau Fleck, die am Muhrhoferweg ganze acht Kinder großgezogen hat, wird ein bisschen traurig, wenn sie von Herrn Werner erzählt, der ebenso lange hier gelebt habe wie sie und vergangenes Jahr verstorben ist: „Er war krank, und ich hab ihn gepflegt. Ich hab ihn gewaschen, auf die Toilette getragen, ihm Suppe gekocht – aber er wollt nix mehr essen. Dann hab ich ihn ins Spital führen lassen, und bald darauf is er verstorben.“

Dürfte sich die Runde der Bewohnerinnen und Bewohner des Muhrhoferwegs etwas wünschen, so wäre es mehr Ruhe, die es hier am Stadtrand früher in Hülle und Fülle gegeben habe – die auch während des Gespräches regelmäßig über die Köpfe ziehenden Flugzeuge aus Schwechat sind in den letzten Jahrzehnten naturgemäß nicht weniger geworden. Und auch die kleinteilige Infrastruktur sei hier früher besser gewesen, erzählt Frau Fleck: „Der Autobus is weg, die Bank hat zugesperrt und das Röntgenzentrum hat zugesperrt.“

Der Eindruck, der bleibt, ist dennoch der einer funktionierenden Nachbarschaft auf einem ziemlich grünen Flecken Erde – und natürlich Frau Flecks wunderbare Blumenbeete.


Herr Bugdajci schaut auf seine Nachbarn und hilft auch gerne bei der Gartenarbeit



MURHOFERWEG

Murhoferweg 1–5

1110 Wien

Errichtet 1971–1973

495 Wohnungen

Geplant von Franz A. Bayer, Anton Holtermann, Franz Kahrer, Karl Musil, Otmar Patak, Walter Schneider

₺1.212,16

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
429 s. 282 illüstrasyon
ISBN:
9783710604997
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