Kitabı oku: «Haus der Hüterin: Band 12 - Der Händler»
Das Buch
Kann es tatsächlich sein, dass Rylees Eltern noch am Leben sind? Diese Frage beschäftigt Rylee mehr als alles andere. Doch sie muss sich zuerst anderen Problemen stellen.
Der Vater von Vlads getöteter Frau will Rache, und alle Vampire leiden an einer seltsamen Krankheit. Ein Heilmittel existiert nur auf dem geheimnisvollen Planeten Sangua.
Und was für eine Rolle spielt der geheimnisvolle Händler TeqTeq, dessen Laden wie aus dem Nichts neben Securus Refugium auftaucht?
„Der Händler“ ist Band 12 der Fantasy-Serie „Haus der Hüterin“ von Andrea Habeney. Band 1 „Das Erbe“, Band 2 „Das Erwachen“, Band 3 „Das leere Bild“, Band 4 „Das Portal“, Band 5 „Der Verrat“, Band 6 „Der verschwundene Schlüssel“, Band 7 „Die Hochzeit“, Band 8 „Die Rettung“, Band 9 „Die Fremden“, Band 10 „Die Wächterin“ und Band 11 „Die Bedrohung“ liegen ebenfalls bei mainbook vor. Weitere Bände der Serie folgen.
Zudem gibt es die Bände 1-3, 4-6 und 7-9 als Sammelband-Taschenbücher und die Bände 1, 2, 3 und 4 als Hörbücher. Weitere Taschenbuch-Sammelbände und Hörbuchbände werden folgen …
Die Autorin
Andrea Habeney, geboren 1964 in Frankfurt am Main, in Sachsenhausen aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte sie in Gießen Veterinärmedizin. 1997 folgte die Promotion. Bis 2013 führte Andrea Habeney im Westen Frankfurts eine eigene Praxis. Heute arbeitet sie als Tierärztin für einen Tierärzteverbund.
Als Autorin hat sie sich einen Namen gemacht mit ihrer Frankfurter Krimi-Reihe um Kommissarin Jenny Becker: „Mörderbrunnen“ (Frühjahr 2011), „Mord ist der Liebe Tod“ (Herbst 2011), „Mord mit grüner Soße“ (April 2012), „Arsen und Apfelwein“ (2013), „Verschollen in Mainhattan“ (2014), „Apfelwein trifft Weißbier“ (Oktober 2015), „Abgetaucht“ (November 2017) und „Apfelwein auf Rezept“ (2019)
Zudem hat Andrea Habeney zwei weitere Fantasy-E-Books bei mainbook veröffentlicht: „Elbenmacht 1: Der Auserwählte“ und „Elbenmacht 2: Das Goldene Buch“.
eISBN 978-3-947612-95-6
Copyright © 2020 mainbook Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Gerd Fischer
Covergestaltung: Olaf Tischer
Coverbild: © Christian Müller - fotolia
Auf der Verlagshomepage finden Sie weitere spannende Taschenbücher und E-Books www.mainbook.de
Andrea Habeney
Haus der Hüterin
Band 12: Der Händler
Fantasy-Serie
Inhalt
Das Buch
Die Autorin
Haus der Hüterin
Nachdem sich der Gott Kairos von ihr verabschiedet hatte, saß Rylee wie paralysiert im Portalraum. Kairos hatte ihr zum Dank für seine Rettung ermöglicht, einen Moment der Vergangenheit mitzuerleben, und sie hatte den vermeintlichen Todestag ihrer Eltern gewählt. Doch statt ihr Ende mit anzusehen, wurde Rylee Zeugin, wie sie zwar schwer verletzt, aber keinesfalls tot, in einem strahlend hellen Spalt verschwunden waren.
Was bedeutete, dass sie vielleicht noch lebten!
Vor Aufregung schossen ihr Tränen in die Augen. Aber warum hatten sie sich nicht bei ihr gemeldet? Und wo waren sie jetzt? Wer könnte etwas darüber wissen?
Sie überlegte fieberhaft. Vielleicht Antrax. Alles, was sie vom vermeintlichen Ende ihrer Eltern wusste, hatte sie von der Gesellschaft erfahren, deren Leiter heute Antrax war. Er musste ihr weiterhelfen können! Oder Percival. Sein Bekannter hatte später ihre Eltern auf einem Raumschiff gesehen. Angeblich. Der Hinweis war so vage gewesen, dass die Hoffnung, die kurzzeitig in Rylee aufflammte, bald wieder in sich zusammen gefallen war.
Rylee sprang auf und rannte zur Treppe, die aus dem Keller ihres neutralen Hauses Securus Refugium ins Erdgeschoss führte. Ihr Herz raste. Sie blieb kurz stehen und presste eine Hand in ihre Seite.
Etwas langsamer eilte sie nach oben in die Eingangshalle und eine weitere Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sich ihr Zimmer befand. Hektisch suchte sie ihr Handy und fand es auf ihrem Tisch unter einem Stapel Rechnungen, die sie überweisen wollte.
Zuerst versuchte sie, Percival anzurufen. Der Hüter nahm jedoch nicht ab. Dann also Antrax.
Zum Glück hatte sie seine Nummer eingespeichert. Ihre Hände zitterten jedoch so sehr, dass sie einige Anläufe brauchte, bis die Verbindung zustande kam.
Sie verband wenig Zuneigung mit dem Leiter der Gesellschaft, die den neutralen Häusern dieser Galaxis vorstand, doch jetzt brauchte sie ihn.
Antrax` Sekretärin erkannte ihre Nummer und begrüßte sie. „Miss Montgelas, welch …“
„Antrax, sofort!“, keuchte Rylee und atmete erleichtert auf, als sie wenige Sekunden später seine Stimme hörte.
„Ich muss etwas wissen“, sagte sie, bevor er sich auch nur mit vollem Namen melden konnte. „Ich komme gerade von einer Zeitreise zurück. Natürlich bin ich nicht wirklich durch die Zeit gereist“, fügte sie schnell hinzu, „aber ich habe einige Minuten der Vergangenheit erleben dürfen.“
„Aber wie …?“, begann Antrax, doch Rylee unterbrach ihn.
„Ich habe die letzten Minuten meiner Eltern erlebt! Ihre angeblich letzten Minuten! Mir wurde erzählt, sie seien beim Versuch einen Gefangenen von einem Gefängnisplaneten zu befreien, getötet worden.“
„Und was …?“
„Hören Sie mir einfach zu!“, blaffte Rylee und holte tief Luft. Etwas ruhiger sagte sie. „Entschuldigung. Aber ich … Ich habe gesehen, wie etwas aus einem Spalt im Raum kam und meine Eltern mitgenommen hat. Da haben sie noch gelebt!“
Es blieb still in der Leitung.
„Hallo?“, rief sie. „Was sagen Sie dazu?“
„Ehrlich gesagt, weiß ich nicht recht, was ich dazu sagen soll? Was erwarten Sie von mir?“
Rylee zwang sich zur Ruhe. „Man hat mir von Seiten der Gesellschaft immer erklärt, meine Eltern seien damals ums Leben gekommen. Aber das sind sie nicht. Sie sind durch den Spalt verschwunden. Aber wohin? Vielleicht leben sie noch!“
Sie hörte, wie er mit irgendwelchen Papieren raschelte. „Miss Montgelas, zu der Zeit, als Ihre Eltern umkamen, war ich noch ein unbedeutender Angestellter und weiß gar nichts über die Vorfälle. Ein Spalt, sagen Sie? Was denn für ein Spalt? Überlegen Sie doch einmal. Wenn Ihre Eltern noch am Leben wären, hätten sie doch sicher in den letzten Jahren … wie viele sind es? Fünfzehn? Sie hätten doch sicher Kontakt mit Ihnen aufgenommen.“
„Aber ich habe es doch gesehen!“, rief Rylee aufgebracht.
„Wie sollte das überhaupt möglich sein?“, fragte er. „Es gibt keine Zeitreisen! Auch wenn auf Ihrem Planeten in Filmen suggeriert wird, so etwas sei möglich. Seien Sie versichert. Das ist es nicht.“
Rylee zwang sich zur Ruhe. „Ich bin nicht wirklich durch die Zeit gereist, aber ich war in diesem Moment im Geist bei ihnen. Glauben Sie mir. Ich will die Aufzeichnungen des damaligen Vorfalls lesen, ich habe ein Recht darauf!“
„Das ist ja auch gar kein Problem“, sagte er. „Ich lasse die Akte aus dem Archiv holen. Möchten Sie herkommen, oder soll ich sie Ihnen übermitteln lassen? Sie müsste schon digitalisiert sein.“
Sein Angebot nahm Rylee den Wind aus den Segeln. Sie hatte Widerstand erwartet und angenommen, dass die Gesellschaft irgendetwas vertuschen wollte. Dass Antrax ihr so einfach die Akte zur Verfügung stellen wollte, irritierte sie. Möglicherweise enhielt sie ja nicht die Wahrheit, die sie suchte. Aber sie wusste nicht, wo sie sonst anfangen sollte.
Sie beruhigte sich etwas, bedankte sich und legte auf. Sie sank auf ihr Bett und legte den Kopf auf die Knie.
Boh, ihr Werkater und Wächter von Securus Refugium, bohrte schnurrend seinen Kopf unter ihre Arme. Dankbar umarmte sie ihn und vergrub ihr Gesicht in sein weiches Fell.
Die Unsicherheit über das Schicksal ihrer Eltern erschütterte sie tief. Als kleines Kind war sie zu Pflegeeltern gekommen. Sobald Rylee alt genug gewesen war, um es zu verstehen, erzählten sie ihr, dass ihre leiblichen Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen wären.
An ihrem achtzehnten Geburtstag war sie völlig überraschend von einem Fremden, einem Mitarbeiter der Gesellschaft, abgeholt worden, und er hatte ihr widerwillig Securus Refugium übergeben. Er hatte nur Schlechtes über ihre Eltern zu berichten gehabt und erklärt, sie wären hingerichtet worden.
Sein Nachfolger allerdings, der inzwischen verstorbene Zimmermann, hatte ihr eine andere Version dargeboten, die sie bis heute für richtig gehalten hatte. In dieser Variante waren sie im Kampf umgekommen, nachdem ein Gast versucht hatte, über das Portal einen Gefangenen zu befreien.
Der Gast war Adriana gewesen, die sich später noch einmal in Securus Refugium eingeschlichen und als Rylees Tante ausgegeben hatte.
Diese Version kam der Wahrheit, die sie beobachtet hatte, ziemlich nahe. Doch von dem Spalt war keine Rede gewesen!
Ein Freund von Percival, dem jungen Hüter, der jetzt ein Haus in Bayern leitete, hatte sie angeblich vor vielen Jahren auf einem Transport-Raumschiff mit unbekanntem Ziel gesehen. Aber was für einen Sinn ergab das alles? Antrax hatte recht. Selbst wenn sie überlebt hatten, wo sollten sie die letzten fünfzehn Jahre gewesen sein? Und warum hatten sie sich nicht um sie gekümmert? … Der Gedanke ließ einen heftigen Schmerz in ihr aufflammen.
Boh stieß sie heftig mit der Nase an. Rylee hob den Kopf und atmete tief durch. Wie sollte sie jetzt mit der alltäglichen Arbeit weitermachen? Sie konnte doch nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Am liebsten würde sie sich auf die Suche nach ihren Eltern machen.
Das Haus bebte um sie herum, und sie beruhigte es rasch. „Ich gehe nicht weg. Wo sollte ich auch suchen?“
Boh boxte sie mit dem Kopf und sandte ein Bild in ihren Kopf.
In den letzten Wochen hatten Rylee viel zu viele andere Sachen von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten. Vor allem die ständige Bedrohung, der sie ausgesetzt war, hatte nicht nur ihr, sondern auch allen um sie herum zugesetzt.
War es wirklich erst gestern gewesen, dass Vlads Frau sie im Wald angegriffen hatte? Ihre Magie war von Rylees schnell erschaffenem Schutzzauber zurückgeworfen worden und hatte sie getötet. Vlads überraschende Heirat hatte ihr fast das Herz gebrochen, und sie war kaum noch in der Lage gewesen, das Haus zu führen, bis Evanora ihr mit einem Trank geholfen hatte. Jetzt fühlte sie nichts mehr für Vlad, rein gar nichts. Irgendwann würde die Wirkung des Tranks nachlassen, doch dann wäre sie hoffentlich über ihn hinweg.
Der Tod seiner Frau würde jedoch noch lange auf ihr lasten, auch wenn sie an ihm nicht schuld gewesen war. Zu wissen, dass sie einen Menschen … Aber halt, die Frau war kein Mensch. Sie kam von Sangua, einem weit entfernten Planeten, von dem sie und ihre Freunde fast nichts wussten, außer dass er existierte, die Einwohner grünes Blut hatten und über magische und telepathische Fähigkeiten verfügten.
Außerdem war es Notwehr gewesen und Rylee hatte Glück gehabt. Um ein Haar wäre sie selbst getötet worden. Eigentlich sollte sie erleichtert sein, dass die Gefahr vorüber war, doch sie empfand ein ganzes Kaleidoskop an Gefühlen.
Sie stand auf und machte sich auf den Weg in die Küche. Durchs Fenster sah sie Maj, die ihr seit einiger Zeit im Haus half, vom Hühnerstall kommend auf die Küchenveranda zulaufen.
Rylee brannte darauf, noch jemandem von ihrem Erlebnis zu erzählen, und so nahm sie Maj das Körbchen mit Eiern aus der Hand und bat sie, sich an den Tisch zu setzen. Die Tabatai sah sie besorgt an, und Rylee sagte rasch. „Keine Sorge. Ich möchte nur deinen Rat.“ Dann erzählte sie Maj, was sie vor wenigen Minuten Antrax erzählt hatte.
Nachdem sie geendet hatte, sah sie Maj erwartungsvoll an. „Nun?“, drängte sie, als die Tabatai zunächst gar nichts sagte.
Maj schien sich ihre Worte sorgsam zurechtzulegen. „Ich verstehe, dass dich das Gesehene aufwühlt. Aber zum einen weißt du nicht, ob das, was der Gott Kairos dir gezeigt hat, der Wahrheit entspricht. Zum anderen bedeutet es nur, dass sie in dem Moment, in dem sie in den Spalt gezogen wurden, noch lebten. Du sagst selbst, dass es ihnen sehr schlecht zu gehen schien. Und was soll das für ein Spalt gewesen sein? Ich habe noch nie von einem solchen Phänomen gehört. Es erinnert mich an das Licht, in das Menschen angeblich gehen, wenn sie sterben.“ Sie sah Rylees hoffnungsvollen Gesichtsausdruck. „Könnte es nicht sein“, sagte sie sanft, „dass Kairos dir absichtlich oder unabsichtlich gezeigt hat, was du sehen wolltest?“
„Aber Percivals Bekannter kennt doch jemanden, der sie auf dem Transportschiff gesehen hat! Er hat sogar mit ihnen gesprochen. Sie haben ihm von Securus Refugium erzählt!“
„Und das passt in meinen Augen am wenigsten zusammen. Sie gehen schwer verletzt in einen Spalt und sind irgendwann auf einem Transportschiff in Richtung … war es nicht eine weit entfernte Welt? Und warum sind sie nie zurückgekommen oder haben sich bei dir gemeldet? Solche Geschichten sind selten wahr.“
Das aufgeregte Strahlen in Rylees Augen verblasste. Jetzt, wo Maj ihr die Tatsachen so nüchtern darlegte, dachte sie wieder klarer. Antrax und Maj hatten recht. Es ergab alles keinen Sinn.
„Schau“, sagte Maj traurig. „Ich würde dir nichts mehr gönnen, als dass deine Eltern noch leben. Aber siehst du nicht selbst, wie unwahrscheinlich es ist und wie viele Lücken diese Geschichte hat?“
Rylee schwieg lange. Ein Kloß hatte sich in ihrer Kehle gebildet. Maj hatte recht. Und doch … auch wenn ihre Eltern tot waren. Sie würde erst Ruhe geben, wenn sie endgültig Klarheit darüber hatte, was mit ihnen geschehen war.
„Schon gut“, sagte sie und beschloss, das Thema erst einmal nicht mehr anzusprechen. Vielleicht würde die Akte, die Antrax ihr schicken würde, Licht ins Dunkel bringen. Bis sie wusste, wie sie mehr herausfinden konnte, würde sie sich um ihre Arbeit kümmern. Die Welt blieb nicht plötzlich stehen, nur weil sie diese Erfahrung gemacht hatte.
Zum ersten Mal empfand sie die Verantwortung, die mit der Leitung des Hauses einherging, als Belastung. Sie musste sich zusammenreißen. Als Hüterin musste sie ihre persönlichen Probleme hinten anstellen, so schwer ihr das auch momentan fiel.
Eine Nachricht vom Portal riss sie aus ihren Überlegungen. „Magier Paice meldet sich an“, sagte sie überrascht zu Maj, die aufgestanden war, und die Eier in den Kühlschrank räumte. „Sollte es schon soweit sein?“
Erst vor wenigen Tagen hatte sie dem mittellosen jungen Hüter Percival einen neuen Platz für sein Haus Heaven, dessen Seele er auf seiner Flucht aus der Verbannung mit sich getragen hatte, besorgt. Er durfte es, unter Billigung der Gesellschaft, an dem Ort errichten, wo früher Haus Bayern gestanden hatte.
Rylee hatte sich bei den Portalmagiern erkundigt, welche Voraussetzungen für die Errichtung eines Portals erforderlich waren. Abgesehen von einer ewig langen Wartezeit waren insbesondere die horrenden Kosten weder jetzt noch in naher Zukunft für Percival erschwinglich. Magier Paice hatte ihr aber angeboten, für ein viel kleineres Entgelt einen Schnellweg zwischen ihrer beider Häuser einzurichten, quasi einen Nebenanschluss ihres Portals.
Sie beeilte sich, in den Portalraum zu kommen. Als sie den grünen Knopf an der Konsole drückte, der eine direkte Verbindung zum Büro der Portalmagier herstellte, erschien das schmale Gesicht des Magiers auf dem Bildschirm.
„Ich grüße Sie“, sagte er lächelnd. „Und ich habe gute Neuigkeiten!“
„Wirklich?“, sagte Rylee überrascht. „Ich habe gar nicht so schnell mit Euch gerechnet.“
Er nickte. „Ich muss einen beruflichen Termin auf der Erde wahrnehmen, und da bietet es sich ja geradezu an, es mit der Portalinstallation bei Eurem Freund zu verbinden.“
„Wunderbar!“, rief Rylee aus. „Wann kommt Ihr?“
„Ich reise, wenn es Euch recht ist, sofort an und setze meinen Weg dann per Auto fort. Es ist bereits arrangiert, dass ich abgeholt werde. Ich wollte mich nur ankündigen, und nicht einfach so vor dem Portal stehen.“
Rylee zeigte ihre Überraschung nicht. Sie hatte nicht gewusst, dass die Portalmagier ihr Einverständnis offensichtlich nicht brauchten, sondern das Portal selbstständig benutzen konnten. Nicht, dass sie Magier Paice nicht vertraute. Aber sie hätte schon gerne gewusst, wer noch Zugriff hatte.
Doch nicht jetzt. Sie gab lächelnd ihr Einverständnis, und keine Sekunde später trat die hohe Gestalt aus dem Rahmen.
„Mein Wagen müsste schon warten“, sagte er, nachdem sie sich noch einmal begrüßt hatten. „Auf dem Weg nach oben könnten Sie mir noch den Weg zu Haus Heaven beschreiben.“
„Gerne“, sagte Rylee und biss sich auf die Lippe. Sollte sie es wagen? „Ich würde Euch gerne noch etwas fragen“, begann sie vorsichtig.
Paice blieb auf der Treppe stehen und sah sie an. „Ja?“
„Habt Ihr schon einmal von einem Spalt gehört, der sich mitten in einem Raum bildet, und in dem Wesen verschwinden?“
Der Portalmagier sah sie erstaunt an. „Wie kommt Ihr auf eine solche Frage?“
„Ich habe so etwas gesehen“, sagte Rylee. „Habt Ihr schon davon gehört oder nicht?“
Paice ging langsam weiter. In der Eingangshalle blieb er stehen. „Wo habt Ihr einen solchen Spalt gesehen?“
„In einer Erinnerung“, erklärte Rylee. „An die Zeit, wo meine Eltern umgekommen sind.“
Der Magier antwortete ernst. „Ich bin sehr erleichtert, dass Ihr nur eine Projektion erlebt habt. Vermutlich handelte es sich bei Eurer Erfahrung um einen optischen Effekt. Nicht auszudenken, welche Gefahren mit einem solchen Riss in der Realität einhergehen würden! Aber um Eure Frage zu beantworten. Bei der Erschaffung eines Portals machen wir nichts anderes, als eine Verbindung zwischen den Dimensionen zu öffnen und zu verankern. Theoretisch, und ich möchte betonen, dass es sich um reine Theorie handelt, könnte es auch zu einer spontanen Öffnung kommen, die als Spalt erscheint. Mir ist so etwas allerdings nie begegnet.“
„Das heißt, es ist nicht unmöglich“, beharrte Rylee.
„Unser Wissen ist angesichts der Unendlichkeit des Universums winzig“, gab Paice zu. „Ich halte nichts für unmöglich. Warum jedoch hat niemand sonst über einen solchen Spalt berichtet?“
„Vielleicht …“, begann Rylee, brach dann aber ab.
Paice sah sie verständnisvoll an. „Ich werde mich umhören, ob irgendjemand von einem solchen Spalt gehört hat.“
„Das wäre fantastisch!“, sagte Rylee dankbar. Sie erklärte Paice noch die genaue Lage von Percivals Haus, dann stieg der Portalmagier in den wartenden Wagen und fuhr davon.
Alleine und von Zweifeln geplagt blieb Rylee vor dem Gartentor stehen. Es lohnte nicht, noch einmal hinein zu gehen. Sie hatte Fahrstunde und würde in wenigen Minuten abgeholt werden.
Wie konnte sie sich Klarheit verschaffen? Den meisten Erfolg versprach der Hinweis von Percivals Bekanntem. Vielleicht konnte sie herausfinden, wo das Schiff hingeflogen und wo es hergekommen war. Die Passagiere hatten zum Teil aus Gefangenen aber auch aus normalen Reisenden bestanden. Zu welcher Gruppe mochten ihre Eltern gehört haben? Und wie kam sie an die entsprechenden Informationen?
Eins hatte sie gelernt. Der Weltraum mit seinen unzähligen bewohnten und unbewohnten Planeten war größtenteils rechtsfreier Raum. Natürlich hatte jede Welt ihre eigenen Gesetze und es gab auch übergreifende, die besonders die Handelsplaneten und die gemeinsam genutzten interstellaren Routen betrafen, doch sie war sich sicher, dass es keine zentrale Aufzeichnung über Transporte und Passagiere gab.
Vielleicht konnte Squeech ihr helfen. Der junge Squatch, der mit seiner zukünftigen Frau Emmea noch unter ihrem Dach lebte, in wenigen Tagen aber in sein neu erbautes Häuschen auf der Wiese nebenan ziehen würde, war ein wahres Genie, wenn es darum ging, Daten im Internet aufzuspüren. Er konnte das galaktische Internet auch nach Hinweisen auf spontan entstehende Spalten in der Realität durchsuchen.
Hinter ihr erklang eine Stimme und ließ sie erschrocken herumfahren. Sie hatte nicht mitbekommen, dass ihr Freund, der Schamane Stephan, vom Bauplatz nebenan herüber gekommen war. „Das neue Haus für Emmea und Squeech ist fertig“, sagte er statt einer Begrüßung.
„Schon?“, antwortete sie überrascht. „Das ist unglaublich schnell gegangen.“
„Die Magie deines Hauses hat viel dazu beigetragen“, gab er zu. „Und ich habe ein eingespieltes Team guter Handwerker, von denen der eine oder andere besondere Fähigkeiten hat.“ Er zwinkerte ihr zu.
Jetzt verstand Rylee. Stephan hatte vor seiner Rückkehr auf die Erde im Rahmen seiner schamanistischen Ausbildung lange Zeit die unterschiedlichsten Planeten bereist. Vermutlich hatte er dort mehr als Schamanismus gelernt und interessante Kontakte geknüpft.
Wieder auf der Erde schien er problemlos zwischen seinem schamanistischen Selbst und seiner Rolle als reicher Geschäftsmann hin und her zu wechseln.
„Squeech verkabelt das Haus gerade“, führte er weiter aus.
„Das kann ich mir vorstellen“, grinste Rylee. „Highspeed Internet und Anschlüsse in jedem Zimmer inklusive der Gästetoilette.“
Stephan lachte. „Meine Arbeit ist beendet“, sagte er dann bedauernd. „Zumindest bis Emily und Arthur zu bauen beginnen.“
Erst vor Kurzem hatte Rylee zu ihrer großen Überraschung erfahren, dass die Wiese und alles Land um Securus Refugium herum ihr gehörten und nicht, wie angenommen, Stephan. Erst hatte er das gesamte Gelände von ihr pachten wollen, inzwischen waren sie jedoch übereingekommen, dass er Parzellen pachtete und erschloss, darauf Häuser baute und vermietete. Die Pacht verrechneten sie mit den Schulden, die sie noch bei ihm hatte.
Rylee hatte jedoch das letzte Wort bei der Entscheidung, wer hier wohnen durfte.
„Was hast du mit ihnen besprochen?“, fragte sie neugierig.
„Emily möchte eine Art Landhaus, der Oberst am liebsten eine Kaserne mit Wohnmöglichkeit.“
Rylee lachte. „Ich bin sicher, Emily wird sich durchsetzen. Immerhin hat sie mal einen Planeten regiert. Oh, da kommt schon mein Fahrschulwagen! Bis später!“
Die Doppelfahrstunde war eine angenehme Ablenkung, und Rylee stieg etwas ruhiger aus dem Wagen. Sie fuhr inzwischen recht sicher. Wenn sie sich endlich die Zeit nahm, die Theorie zu lernen, würde sie bald zur Prüfung zugelassen werden.
In ihrem Büro checkte sie ihre Mails und sah, dass Antrax ihr die Akte geschickt hatte. Ihre Finger zitterten, als sie sie öffnete und sie merkte erst, als sie schon einige Sätze gelesen hatte, dass sie die Luft anhielt. Mit einem tiefen Seufzer stieß sie sie aus und überflog den Rest des enttäuschend kurzen Textes. Er enthielt exakt die Version, die Zimmermann ihr erzählt hatte. Adriana hatte versucht, den Gefangenen zu befreien, ihre Eltern waren eingeschritten und dabei getötet worden. Punkt.
Die einzig neue Information war, dass eine Waffe zum Einsatz gekommen zu sein schien, die ihre Eltern pulverisiert hatte. Also gab es keine Leichen. In Rylee wurden neue Zweifel wach, dass ihre Eltern wie in der Akte beschrieben, umgekommen waren. Jetzt stellte sich die Frage: Wusste die Gesellschaft es nicht besser oder verbargen sie etwas? Sie starrte noch eine Zeit lang auf den Bildschirm, dann speicherte sie die Akte ab und schloss den Laptop. Für den Moment konnte sie nicht viel mehr unternehmen.
Sie sah auf die Uhr. Es war Mittagessenszeit, und es duftete köstlich aus der Küche.
Emmea beugte sich über den Küchentisch und blätterte hektisch in Katalogen. Sie blickte mit verzweifeltem Augenausdruck auf. „Weißt du, wie lange die Lieferzeiten für Möbel sind? Ich dachte, man bestellt sie, und einen Tag später sind sie da. Aber wenn man etwas Schönes möchte, dauert das Wochen! Wir wollen doch sofort umziehen!“
Hilflos sah Rylee von ihr zu Maj. „Damit habe ich mich noch nie beschäftigt. Es gibt auch günstige Mitnahmemärkte. Emily fährt ihre Lieblingsnichte bestimmt in die Stadt.“ Sie lächelte die junge Drachin aufmunternd an.
Emmea ließ jedoch unglücklich den Kopf hängen. „Das ist sehr nett von dir. Aber …“ Sie schluckte und hatte Tränen in den Augen.
Erschrocken setzte Rylee sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern. „Aber was ist denn? Euer Haus ist fertig. Ich dachte, du freust dich.“
Ein erstickter Schluchzer war die Antwort. „Doch, das tue ich auch, wirklich. Aber es ist alles so viel. Und Squeechi hat nur seine Computer im Kopf. Und Tante Emmi ist immer noch sauer auf mich. Und Mutter auch. Und ich will das alles alleine schaffen. Und überhaupt …“
Sie weinte jetzt richtig und Rylee sah zu Maj, die hilflos die Hände ausbreitete.
„Was ist …? Oh!“ Rylee fuhr herum und sah Squeech in der Tür stehen. Der junge Squatch seufzte und ging zu Emmea. Er zog die junge Drachin an sich und streichelte ihr über den Rücken. Rylee sah, dass seine Hand ganz trocken war. Die Schwimmhäute zwischen den Fingern sahen spröde aus. Er hatte sich zu lange nicht gewässert.
Squeech tätschelte Emmea den Rücken und sah Rylee an. „Die Hormone spielen bei Drachinnen in der Schwangerschaft total verrückt. In ein paar Minuten ist es vorbei.“
Zweifelnd nickte Rylee, stand auf, trat an den Herd und spähte in den Topf, aus dem es verführerisch duftete.
„Sarabash“, erklärte Maj und schnitt Baguette auf. „Ein Hühnchengericht aus meiner Heimat. Ähnlich wie euer Coq au vin.“
Rylee sah sie erschrocken an. Maj schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht von unseren Hühnern, was denkst du denn?“
Tick, Trick und Track, die Hühner, die Maj vor einiger Zeit angeschleppt hatte, waren Rylee ans Herz gewachsen und würden nie auf dem Teller landen.
„Es riecht köstlich!“, sagte sie schnell.
„Das stimmt allerdings“, ertönte eine hohe Stimme an der Tür.
Rylee fuhr erschrocken herum. Sie hatte ihren aktuell einzigen Gast, den Händler TeqTeq, völlig vergessen. Er watschelte in den Raum und hievte seine Körpermasse auf einen Küchenstuhl.
Emmea machte sich von Squeech los und trocknete sich die Augen. Dann putzte sie sich geräuschvoll die Nase. TeqTeq warf ihr einen fragenden Blick zu.
Rylee beeilte sich, alle miteinander bekannt zu machen. Ihr kam ein Gedanke, und sie wandte sich an die junge Drachin, die sich wieder beruhigt hatte. Tatsächlich war es, als wäre innerhalb weniger Sekunden ein Schalter umgelegt worden. Sie begrüßte den Händler und lächelte ihn an, als wäre nichts gewesen.
„Emmea, ich habe eine Idee“, sagte Rylee. „Der Dachboden steht voller Möbel und anderer Einrichtungsgegenstände, wie Lampen und so weiter. Warum schaut ihr nicht nach, ob ihr da etwas für euer Haus findet. Dann kannst du in Ruhe eigene Möbel bestellen, und sie gegen die alten austauschen, wenn sie geliefert werden.“
„Alte Möbel?“ Emmeas Kopf schoss hoch. „Ich liebe alte Möbel! Du würdest sie uns tatsächlich geben?“
„Aber ja!“ Rylee musste ob der plötzlichen Begeisterung lachen.
„Können wir sie uns gleich nach dem Essen anschauen?“
„Auch das, aber ich glaube, dein zukünftiger Mann muss erst duschen.“
Emmea sah Squeech an, als würde sie ihn das erste Mal sehen. „Oh, Schatz. Es tut mir leid. Du siehst völlig ausgetrocknet aus.“
Maj trug das Essen auf und alle, auch TeqTeq, griffen ordentlich zu. „Ganz köstlich, meine Liebe“, sagte er mit einer angedeuteten Verbeugung zu Maj. „Habt Ihr das auf Aklanta gelernt?“
Maj erstarrte. Nur ganz wenige wussten von ihrer Herkunft. Sie war auf dem Planeten Aklanta in die Sklavenklasse hineingeboren worden und hatte fast ihr ganzes bisheriges Leben dort verbracht. Aufgrund einer Gehorsamsverweigerung war sie entehrt und vom Planeten verstoßen worden. Niemand hatte sie aufnehmen oder ihr Arbeit geben wollen, bis sie sich aus Verzweiflung und mit wenig Hoffnung auf Erfolg bei Rylee als Haushälterin beworben hatte. Rylee war Majs Herkunft völlig egal gewesen, und so hatte sie die beste Haushälterin bekommen, die sie sich vorstellen konnte, und Maj einen Job, den sie sich immer gewünscht hatte.
„Ja“, sagte Maj langsam und beobachtete TeqTeq wie ein scheues Tier. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Gast sie aufgrund ihrer Herkunft herablassend behandelte oder sogar beschimpfte.
TeqTeq nickte ihr jedoch freundlich zu. „Ich dachte schon immer, dass die Küche das einzig Gute an diesem furchtbaren Planeten ist.“
Maj entspannte sich sichtlich. Sie zögerte noch einen Moment, dann nickte sie dem kleinen korpulenten Mann zu. Sie brachte sogar ein zaghaftes Lächeln zustande. „Das stimmt wohl. Möchtet Ihr noch etwas?“
TeqTeq strahlte. „Jetzt, wo Ihr fragt! Sehr gerne!“
Emmea kam Squeech zuvor. „Wir gehen nach oben und unter die Dusche. Ich möchte bald die Möbel anschauen!“
Rylee sah TeqTeq zu, wie er eine zweite Portion verdrückte.
„Darf ich fragen, was Euch auf die Erde führt?“, fragte sie, um Konversation zu machen.
Er lehnte sich zurück und legte die Hand auf seinen stattlichen Bauch. Die farbige Kleidung, in der er angereist war, hatte er gegen eine Art Kaftan ausgetauscht, der ebenso schreiend bunt war.
„Ich überlege, auf dem Planeten Erde einen Laden zu eröffnen. Ein aufstrebendes Reiseziel wie dies verspricht gute Geschäfte.“
„Einen Laden?“, wiederholte Rylee erstaunt. „Mit welchen Waren handelt Ihr denn?“
„Mit allem, was gebraucht wird“, war die kryptische Antwort. „Ich habe mitbekommen, dass neben Eurem Haus eine Ansiedlung entsteht“, fuhr er fort.
Rylee lachte. „Eine Ansiedlung ist wohl übertrieben. Es entsteht gerade das erste Haus. Emmea und Squeech ziehen dort ein.“
TeqTeq faltete die Hände über seinem gewaltigen Bauch. Nachdenklich sah er Rylee an. „Ich überlege gerade …“, sagte er in seiner unverwechselbaren Fistelstimme. „Euer Haus entwickelt sich immer mehr zu einem attraktiven Reiseziel. Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass das Portal Euch zu vielen Gästen verhilft?“
Rylee, der nicht ganz klar war, worauf er hinaus wollte, nickte. „Ja, schon. Es werden immer mehr.“
TeqTeq nickte zufrieden. „Was haltet Ihr davon, wenn ich mich für einige Zeit hier in der Nähe niederlasse?“
„Ihr meint in der Nähe von Securus Refugium?“, fragte Rylee verwundert. „Wir haben zwar inzwischen regelmäßig Gäste, aber ein Laden braucht doch einiges mehr an Laufkundschaft, würde ich annehmen.“