Kitabı oku: «Scheidung kann tödlich sein»
Scheidung kann tödlich sein
Impressum
Ein Hinweis vorab
Was in Band 1 geschah
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Andrea Ross
Scheidung kann tödlich sein
Band II
XOXO Verlag
Dieser Band ist gewidmet
Herrn
Dr. Dr. Franz »Monaco Franze« Kreuter Bayreuth – Bad Berneck
einem hervorragenden Arzt weisen Philosophen ehrlichen Theologen und Schriftstellerkollegen
... einer schillernden Persönlichkeit, die ihresgleichen sucht nachträglich zum 70. Geburtstag in Dankbarkeit
Impressum
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Print-ISBN: 978-3-96752-039-2
E-Book-ISBN: 978-3-96752-539-7
Copyright (2019) XOXO Verlag
Umschlaggestaltung: Grit Richter
Buchsatz: Alfons Th. Seeboth
Hergestellt in Bremen, Germany (EU)
XOXO Verlag
ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH
Gröpelinger Heerstr. 149
28237 Bremen
Rechtlicher Hinweis:
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten rund um diesen Roman sind, abgesehen freilich von real existierenden Ortschaften, frei erfunden. Dasselbe gilt bezüglich der beschriebenen Vorgänge bei Behörden sowie anderen Institutionen oder Firmen. Eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Menschen sowie deren Vereinigungen sind von der Autorin nicht beabsichtigt und wären daher rein zufällig. Selbstverständlich gilt letzteres nicht für ›Öffentliche Personen‹ aus der Politik.
Ein Hinweis vorab
Dieser Roman greift ein sensibles Thema unserer Zeit auf und hinterlässt die wohl berechtigte Frage, ob die Rechtsprechung in Familiensachen im Deutschland unserer Tage in ihrer Form noch aktuell sein kann. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind nicht beabsichtigt, können wegen der Vielzahl so oder ähnlich abgelaufener Fälle jedoch neben autobiografischen Teilen dieses Werks wohl nicht vermieden werden, wobei auch bei diesen Teilen alle Namen geändert wurden.
Als Schauplatz der Handlung habe ich meine wirkliche Heimatstadt gewählt, doch hätte der Roman auch an jedem anderen Ort spielen können. Es ist nicht meine Absicht, diese Stadt zu verunglimpfen, aber ein wenig Satire wird sie sicherlich verkraften können.
Die Romanfiguren sind stellvertretend für bestimmte Persönlichkeitstypen zu sehen. Eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten kann somit nicht eintreten.
Ich bedanke mich bei Freunden und Bekannten, die mir mit zahlreichen Fallschilderungen Anregungen zu diesem Buch gegeben haben.
Ihre Autorin
Was in Band 1 geschah
Andrea, die Erzählerin dieser Geschichte, wollte in ihrer Verzweiflung Selbstmord begehen. Sie verfasste einen sehr langen Abschiedsbrief, in dem sie die Geschichte erzählte, wie ihre Absicht langsam reifte. Warum sie ihr Leben nicht mehr ertragen konnte. So entstand dieses Buch. Folgende Ereignisse gingen diesem Band voran: Attila ist es leid, dass seine dritte Ehefrau Uschi ständig an ihm herumnörgelt. Entweder reicht ihr das Geld nicht, das sie mit beiden Händen ausgibt, oder er arbeitet zu viel in seinem Beruf als Programmierer. Immer, wie es ihr gerade passt. Das Paar hat drei Kinder: Solveig (11), Ronja (9) und Marco (7). Ihretwegen hält Attila durch, trennt sich viel zu lange nicht von seiner Familie. Er hat schon einmal ein Kind aufgeben müssen, nach seiner zweiten Ehe. Natascha ist jetzt 17, und er hat keinerlei Kontakt. Sie wurde vom neuen Ehemann seiner Exfrau Ina adoptiert.
Da Attila nach einer Firmenpleite mit seiner Spedition noch nicht selbst Inhaber seiner Software-GmbH sein darf, ist seine Frau als Geschäftsführerin eingetragen. Sie bezieht zwar ein fürstliches Gehalt, arbeitet jedoch nicht für die Firma. Trotzdem reichen ihr die Einkünfte ihres Mannes nicht, und Attila billigt um des lieben Friedens willen, dass seine Ehefrau mit der Zeit insgesamt 160.000 Euro darlehensweise aus der Firma zieht. Ihm bedeutet Geld nichts. Selbst zu arbeiten, das kommt für Uschi nicht in Frage. Zur ordnungsgemäßen Führung des Haushalts hat sie keine Lust, und Attila darf nicht einmal im Ehebett schlafen, muss wegen Schnarchen auf die Couch, in ein separates Zimmer. Das ist keine Ehe.
Im Jahre 2004 erträgt Attila die Situation nicht mehr. Uschi hat ihm angedroht, ihn mitsamt den Kindern zu verlassen. Den Gedanken, die Kinder zu verlieren, kann er nicht ertragen. So begeht er einen Selbstmordversuch, der trotz bombensicherer Vorbereitung jedoch misslingt. Zunächst scheint es, als sei Uschi aufgewacht: Sie geht mit ihm zu einer Eheberatung. Aber nach kurzer Zeit ist alles beim Alten, und Attila weiß, dass er diese Ehe weiterhin ertragen muss. Nach insgesamt 12 Ehejahren ist er wieder so weit und weiß: Entweder ich gehe oder ich unternehme den nächsten Selbstmordversuch.
Er entscheidet sich für Ersteres, außerdem hat Uschi bereits von sich aus die Scheidung eingereicht. Weil Attila die Scheidung aber so fair wie möglich durchziehen möchte und dabei niemanden verletzen will, nimmt er Kontakt zu Uschis Kusine Andrea auf, die seine Frau gut kennt. Diese schätzt er seit Jahren, hat mitunter bei Familientreffen gute Gespräche mit ihr geführt. Sie hatte ihm ihre Hilfe angeboten, falls er mit jemandem reden will, denn sie hat eine Ausbildung als Psychotherapeutin.
Die beiden treffen sich in einem Café, verbringen einen sehr angenehmen Nachmittag. Und sie verlieben sich, ohne dies je beabsichtigt zu haben. Jetzt haben die beiden erst recht ein Problem: Dies ist ein absolutes Tabu! Und auch Andrea ist noch in einer unglücklichen Ehe gefangen, hat ebenfalls drei Kinder: Ann (17), Axel (11) und Fredrik (4). In der Zwischenzeit ist Attilas älteste Tochter Solveig, 11, zu ihrem Vater gezogen. Die beiden wohnen in seinem Büro. Vorsichtig beginnen Attila und Andrea, seine Tochter und Andreas Restfamilie einander anzunähern. Andrea hat ihrem Mann Günther reinen Wein eingeschenkt, er ist nun ausgezogen. Dies ist für Andrea auch schon die dritte Ehe, die scheiterte. Zuvor war sie mit Klaus-Werner, dann mit Theo verheiratet.
Eines Tages muss Uschi von dieser neuen Liaison erfahren, Solveig ist die Überbringerin der Nachricht, weil sie ein Wochenende bei ihrer Mutter verbringt. Das ist der Auslöser für bodenlosen Hass, von diesem Moment an ist keine normale Kommunikation mit Uschi mehr möglich. Attila und Solveig ziehen in Andreas Reihenhaus, das sie mit ihren drei Kindern bewohnt. Zunächst scheint alles gut zu gehen. Die Kinder vertragen sich, auch wenn Attilas Kinder am Wochenende zusätzlich zu Besuch kommen.
Doch Andrea merkt, dass etwas nicht stimmt. Attilas Tochter ist ausgesprochen zickig, bekämpft sie, treibt ein hinterlistiges Spiel. Sie versucht, das Mädchen bei Laune zu halten, um Attila nicht zu verlieren. Dadurch fühlen sich wiederum Andreas Kinder zurückgesetzt, und der jetzt 12-jährige Axel zieht beleidigt zu seinem Vater, zu Andreas geschiedenem Ehemann Nr. 2, dem das nur recht ist, da er jetzt keinen Unterhalt mehr leisten muss. Währenddessen hetzt Uschi die Kinder gegen das neue Paar auf, begreift nicht, dass sie selbst es war, die Attila nur ausgenutzt und schließlich vertrieben hat. Sie stellt hohe Forderungen über Unterhalt, die Attila nicht bezahlen kann, meldet aber für sich selbst Privatinsolvenz an, um ihre Schulden bei der Firma nicht zurückzahlen zu müssen. Inzwischen ist Attila selbst Inhaber der GmbH. Das eifersüchtige Verhalten Solveigs wird immer extremer, Andrea hält es nicht mehr aus. Die Gesamtsituation ist nun für sie kaum mehr erträglich, denn sie weiß, dass sie zwischen allen Stühlen sitzt und Uschi vor allem ihretwegen diesen unerträglichen Hass schürt, unter dem so viele Menschen leiden müssen. Sich aufgrund dieser Umstände zu trennen, das kommt für Attila und Andrea nicht in Frage. Keiner kann sich vorstellen, ohne den anderen weiterleben zu können.
Gesprächsangebote von Attila lehnt Uschi kategorisch ab, stattdessen flattern ständig polemische Anwaltsschreiben ins Haus, die Uschi als armes Opfer darstellen. Die Fronten sind komplett verhärtet.
Nach den Sommerferien 2009 kommt Solveig nicht mehr zurück. Zusammen mit ihrer Mutter hat sie das Komplott geschmiedet, es dem Vati heimzuzahlen. Beim Jugendamt wird Attila hingestellt, als habe er die Kinder geschlagen, was dazu führt, dass ihm das Sorgerecht streitig gemacht wird. Vor Gericht glaubt man zunächst Uschis Darstellung, die auch zum Beginn des Trennungsjahres die Unwahrheit sagt. Attila ist entsetzt, erst jetzt den wahren Charakter seiner Noch-Ehefrau erkannt zu haben. Seine Tochter Solveig will keinen Kontakt mehr mit ihm haben. Uschi geht sogar mitsamt allen Kindern »taktisch« ins Frauenhaus, weil Attila angeblich brutal und unberechenbar ist.
Dabei hat sie ihn einmal mit einer Glasscherbe schwer verletzt, wodurch er immer noch Bewegungseinschränkungen hat.
Um Weihnachten 2009 herum fasst Andrea den Plan, Selbstmord zu begehen. Sie kann nicht mehr. Die Vorbereitungen sind getroffen, Attila ist nicht zu Hause. Er verbringt ein Wochenende mit seinen Kindern im Büro, damit nicht wieder Schwierigkeiten auftauchen. In letzter Minute taucht Attila auf, er hatte so eine Ahnung. Andrea fühlt, dass er sie wirklich liebt, kann es nicht tun. Allerdings liegen die Nerven derart blank, dass sie nun unter Panikattacken leidet.
Die folgenden Monate sind geprägt durch äußerst turbulente Ereignisse. Die Anwälte von Attila und Uschi duellieren sich, außerdem leiden Attilas Kinder sehr unter der Beeinflussung und dem Gezerre ihrer Eltern. Sie dürfen ihren Vater nicht mehr lieb haben, jedoch bekommt Attila immer wieder verzweifelte SMS, die das Gegenteil beweisen, auch gelegentlich Hilferufe seiner sensiblen Tochter Ronja, 9. Attila versucht, die elterliche Sorge zu bekommen, weil er um die seelische Gesundheit seiner Kinder fürchtet.
Seine Frau hat außerdem einer Freundin gegenüber behauptet, dass sie hoffe, Attila mache nie einen Vaterschaftstest. Das wäre nicht auszudenken ... So ist Attila gezwungen, genau solch einen Test durchführen zu lassen, er wird vom Gericht genehmigt. Es stellt sich heraus, dass er der Vater der Kinder ist und dass Uschi die Äußerung nur in böswilliger Absicht in den Raum gestellt hat. Dabei war es ihr egal, ob die Kinder davon versehentlich erfahren. Andrea liebt Attila über alles, erträgt den ganzen Wahnsinn ihm zuliebe und leidet. Mitunter führt die unsägliche Situation auch dazu, dass diese beiden trotz ihrer harmonischen Beziehung in Konflikt geraten. Zu präsent ist Attilas alte Familie im Leben des Paares.
Attila bekommt kein Sorgerecht, vielmehr erhält seine Ehefrau die alleinige Sorge für die medizinischen und schulischen Belange der Kinder, obwohl sie durch vielfältige Aktionen eigentlich bewiesen hat, dass sie dafür nicht verantwortungsvoll genug ist. Sie erzog die Kinder noch nie, stellte sie lieber mit Fernsehen ruhig,
förderte sie auch nicht in schulischer Hinsicht. Die düsteren Prognosen Attilas und Andreas bewahrheiten sich, als zwei von Attilas Kindern in die Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses eingeliefert werden müssen, Ronja sogar ein halbes Jahr lang. Und Attila muss verzweifelt darum kämpfen, überhaupt die Diagnose zu erfahren. Die Situation ist nicht mehr zu ertragen. Inzwischen hat Uschi Andrea an ihrem Arbeitsplatz schlechtgemacht und ihre Tante Thea, Uschis Adoptivmutter, gegen sie aufgehetzt. Der Gerichtsvollzieher hat Attilas Konto eingefroren, obwohl Attila jetzt sämtliche Schulden aus der Ehezeit alleine abtragen muss. Uschi hetzt systematisch mit üblen Intrigen jeden auf, der Andrea und Attila kennt. Um es kurz zu machen: Es ereignen sich Dinge, mit denen zu Beginn des Scheidungsverfahrens niemand auch nur ansatzweise gerechnet hätte. Und die Behörden sehen zu, schieben einander die Verantwortung hin und her.
Schließlich sind sowohl Attila als auch Andrea in nervenärztlicher Behandlung, beide leiden unter Depressionen und müssen medikamentös behandelt werden. Anders ist für sie das Leben nicht mehr zu ertragen. Attila hat sich in Behandlung begeben, als er kurz vor einem Amoklauf stand. Spätestens jetzt ist klar: So kann es nicht weitergehen, sonst wird es am Ende noch Tote geben. Uschi unternimmt indessen alles, um nicht arbeiten gehen zu müssen. Sie lässt sich lieber ins soziale Netz fallen.
Die beiden Liebenden fassen einen kühnen Plan: Sie werden auswandern. Nach Spanien. Andrea wird ihren ohnehin ungeliebten Beruf als Beamtin aufgeben. Eine spanische Firma wird gegründet, die die GmbH ablösen soll. In der Hoffnung, dass sich die Situation dadurch entzerren wird, die Nerven sich mit der Zeit beruhigen. Auch die Lebenshaltung ist in Spanien günstiger, wird die beiden befähigen, den Kindesunterhalt für ihre insgesamt sechs Kinder zu leisten. Andrea und Attila wollen schon einmal dorthin fliegen, um sich ein Wohnbüro zu suchen ...
Kapitel I
Alles anders?
Attila und ich waren uns einig: Unser bisheriges Leben in Deutschland hatte ausgedient. Jetzt galt es, die Scherben aufzuklauben und etwas vollkommen Neues daraus zu basteln, das uns künftig Luft zum Atmen ließ. Selbst wenn unser neues Dasein nicht immer einfach werden würde, es fand immerhin unter der strahlenden Sonne Spaniens statt. Und vor allem: weit weg von Uschi!
Die Reise nach Spanien wurde zunächst ganz schön anstrengend. Wir fuhren am Dienstagabend nach einem langen Arbeitstag über vier Stunden lang zum Flughafen Frankfurt-Hahn, um dort das Auto auf einem Dauerparkplatz abzustellen. Dann war ein Fußmarsch zum Busbahnhof angesagt, weil die nahegelegenen Parkplätze sehr teuer waren. Es war eiskalt und windig, schnell waren wir durchgefroren, während wir auf den Shuttlebus warteten. Doch der würde erst in einer Stunde kommen. Nachdem wir schon eine halbe Stunde mit hochgestellten Jackenkragen frierend an der Bushaltestelle gesessen hatten, trafen wir einen eben gelandeten Teneriffa-Heimkehrer, der anregte, wir könnten genauso gut drüben im Terminal warten, weil sich davor eine zusätzliche Bushaltestelle befinde. Das taten wir dann erleichtert. Schließlich kam der Bus, der uns die lange Strecke zum Flughafen Frankfurt/Main beförderte. Wir versuchten, ein wenig zu dösen, was aber vor lauter Aufregung nicht so recht gelingen wollte. Attilas letzter Urlaub war 20 Jahre her gewesen, meiner noch länger. Gerädert stiegen wir aus dem Bus wieder in die Kälte und suchten das richtige Abflugterminal. Da wir noch Zeit hatten, konnten wir die Lebensgeister bei Starbucks mit einem Kaffee wieder etwas wecken. Dann unterzogen wir uns der üblichen Eincheckprozedur und saßen schließlich im Warteraum, bis unser Flug aufgerufen wurde.
Der Flug selber war recht kurz, dauerte nur knapp über zwei Stunden. Es gelang vor lauter Service und Verkaufsveranstaltungen kaum, im Flugzeug etwas Schlaf zu erwischen. So waren wir schon recht lädiert, als wir um 6.30 Uhr in Alicante landeten. Wir hatten seit über 48 Stunden keinen richtigen Schlaf mehr gehabt. Übernächtigt, aber glücklich verließen wir am »Aeropuerto« Alicante den Flieger und freuten uns, das uns lästig gewordene Leben in Deutschland hinter uns lassen zu können, auch wenn es nur für wenige Tage sein würde. Am Ausgang wollten wir uns mit Juan treffen, von dem wir lediglich wussten, dass er einen braunen Anzug tragen würde. Selbstverständlich liefen ab diesem Moment, da wir nach ihm Ausschau hielten, nur noch Leute mit braunen Anzügen durch die Gegend, doch keiner nahm Notiz von uns. So gingen wir nach draußen und begrüßten erst einmal die Palmen und das angenehme Klima, das trotz des bedeckten Himmels herrschte. Ich stellte erfreut fest, dass ich vieles aus der Unterhaltung der Taxifahrer auf Spanisch verstehen konnte. Da war das Lernen doch nicht umsonst gewesen. Aber bisher war kein Juan zu sehen. Schließlich steuerte ein wieselflinkes Kerlchen von ungefähr 1,60 m auf uns zu, Juan hatte auf der anderen Seite des Flughafengebäudes gewartet und uns erst jetzt gefunden. Lebhaft lotste er uns zu seinem schwarzen Opel Corsa und versprach, dass wir heute eine ganze Reihe von schönen Objekten ansehen würden. Ich hoffte nur, dass meine Augen lange genug offen bleiben würden, um sie auch alle wahrzunehmen. Wir verstanden uns auf Anhieb prima mit Juan, der uns gleich seine halbe Lebensgeschichte erzählte. Er war wie Attila jemand, der durch viele Widrigkeiten musste und trotzdem immer wieder auf die Füße fiel. Nicht aus Spanien kam er, sondern aus Kolumbien. Er hatte zahllose Berufe gehabt, konnte ebenfalls seine Töchter nach der Scheidung nicht sehen und vermittelte jetzt seit drei Jahren Immobilien.
Wir gingen im Städtchen Ciudad Quesada erst einmal mit ihm frühstücken. Die englische Kneipe hatte er ausgesucht, damit wir unseren in Deutschland üblichen Milchkaffee bekamen. Ach, wie ging uns das Herz auf, als wir feststellten, dass die Menschen dort ganz anders auf einen zugingen. Ob es nun Engländer oder Spanier oder Kolumbianer waren. Nicht die deutsche Muffigkeit, sondern Herzlichkeit. So verdrückten wir mit Juan zusammen ein leckeres Frühstück mit weißen Bohnen, ein Spezialrezept. Die Engländerin scherzte mit uns, als wären wir alte Freunde oder Stammgäste. Das fing schon einmal gut an, wir fühlten uns wohl. Erst recht, als die Rechnung kam. In Deutschland hätten wir das Doppelte bezahlt. Eine Tasse Kaffee für einen Euro, das hatten wir schon lange nicht mehr gesehen.
Und dann ging es los. Wir fuhren zum ersten Objekt, einem Reihenhaus. Das war nett, riss uns aber nicht vom Hocker. Trotzdem stellten wir schon fest, dass fast kein Häuschen dem anderen glich. Kein strikter, immer gleicher Baustil, sondern mal maurische Einflüsse, mal mit bunter Keramik, mal mit Türmchen oder als Rundbau. Herrlich für das Auge, wie sich das Weiß und Apricot und Türkis gegen den Himmel abhoben. Wir kamen mit dem Gucken gar nicht mehr nach.
Dann ging es nach La Mata. Juan warnte uns schon vor: ein Häuschen in Meeresnähe mit grandiosem Ausblick auf selbiges. Als wir nach La Mata hineinfuhren, war uns klar, dass uns der Ort alleine schon sehr gefiel. Er war an einen Hügel bis hinunter zum Meer gebaut, weiße Häuser reihten sich in Kaskaden anmutig aneinander. Als wir dann in die Siedlung einbogen, in der das zu besichtigende Haus stand, blieb uns schier der Atem weg. Wunderschöne Häuschen in hellem Orange, die wie in einer kleinen Burg abgetrennt von der Straße am Strand standen. Mit Pool und Tiefgarage. Und eines dieser Häuschen würden wir uns gleich ansehen.
Als wir das Reihenhaus betraten, fühlten wir uns drinnen auf Anhieb wohl. Nicht nur, dass es mit seinen hellen Steinfliesen und der schönen Einrichtung hübsch aussah, es war wie ein Gefühl des Nachhausekommens. Das Haus hatte im Erdgeschoss eine schöne große Terrasse und im 1. Stock einen Balkon. Wir verfielen in totale Begeisterung, als wir den Ausblick aufs Meer sahen. Wir konnten gar nicht glauben, dass dies die Wirklichkeit und für uns zum Greifen nahe war, in einem solchen Haus künftig leben zu dürfen. Für die halbe Miete, die wir bisher in Bayreuth zahlten. Der Ausblick von der riesigen Dachterrasse gab uns den Rest.
Auf einer Seite die weißen Häuserkaskaden und Palmen, auf der anderen der weiße Sandstrand und das Meer, das an diesem Tag eine türkisgrüne Farbe hatte. Wir konnten uns kaum losreißen von diesem Anblick und sagten zu Juan und Yvonne, die als Verwalterin die Schlüssel zu dem Haus gebracht hatte, dass es wohl schwer werden würde, dieses Haus noch zu toppen. Es würde auf jeden Fall in die nähere Auswahl kommen.
Wir sahen uns dann einige wirklich tolle Häuser in Los Montesinos in der Nähe der Salzseen und in Torrevieja an, die sehr schön lagen und auch teilweise toll eingerichtet waren. Auf der Fahrt unterhielten wir uns blendend mit Juan, stellten fest, dass er auch ein Skorpion war. Was für ein Wunder, diese Gattung verstand sich untereinander doch immer blendend. So war es vollkommen klar, warum wir uns blindlings für ihn entschieden hatten.
Zum Schluss sahen wir ein Haus, das uns die Entscheidung schwer machte. Es war etwas größer als das Reihenhaus in La Mata und freistehend. Außerdem hatte es einen Privatpool und eine ganz tolle Inneneinrichtung. Wir waren uns einig, dass die Entscheidung zwischen diesen beiden Objekten fallen würde. Juan erklärten wir, dass wir uns noch am selben Tag für eines der beiden Häuser entscheiden wollten. Wir überlegten, bis die Köpfe rauchten. In Los Montesinos hatte man Blick auf die Salzseen, doch zum Meer würde man mit dem Auto fahren müssen.
Wir fuhren mit Juan wieder zu den Engländern nach Quesada, um ein warmes Essen zu verdrücken. Wieder war die Rechnung überraschend niedrig. So viel zu den Lebenshaltungskosten an der Costa Blanca. Benzin rund 30 Cent pro Liter billiger, die Miete um die Hälfte, das Essen ebenfalls und dazu noch steuerliche Vorteile, wenn man dort eine Firma hatte, was ja bereits der Fall war. Die Tecnologia Anaconda SL musste nur noch vom Treuhänder auf mich umgeschrieben werden. Und zu all dem, quasi als Dreingabe, nette, offene Leute.
Juan musste tatsächlich den ganzen Tag für uns opfern, jedoch konnte er sich sicher sein, auch zu einem Abschluss zu kommen. Attila und ich waren uns schließlich einig, dass wir vom Gefühl her lieber in La Mata leben wollten. Erstens wegen der Nähe zum Meer und zweitens, weil dort das Leben tobte, das man aber hinter dem Tor auch aussperren konnte, wenn einem danach war. So teilten wir Juan mit, dass wir am liebsten noch heute den Mietvertrag hätten und dort einziehen wollten. Dieses Tempo konnte selbst einen Skorpion überraschen, und so musste er erst mit den Hausverwaltern Rücksprache halten, ob dies möglich sei. Diese waren sehr nette Holländer, die uns zusagten, den Vertrag für den nächsten Tag fertig zu machen. Wir würden somit nur eine Nacht im Hotel zubringen müssen und könnten dann am nächsten Tag gleich die Schlüssel zu »unserem« Haus erhalten.
Wir waren selig. Juan fuhr uns zu einem Hotel am Strand mit tollem Meerblick in dem Viertel, in dem auch unser Häuschen lag. So konnten wir dort schon einmal Probe wohnen. Das Hotel war für den Preis auch sehr schön. Wir tranken zum Abschluss des Tages noch einen Kaffee mit Juan im hoteleigenen Café. Am nächsten Tag wollte er uns dann zu den Hausverwaltern fahren, um den Vertrag abzuschließen.
Attila und ich beschlossen dann, uns den Strand anzusehen. In der Abenddämmerung machten wir einen langen Strandspaziergang, obwohl wir fix und fertig waren. Wir waren sehr zufrieden mit unserer Wahl und konnten kaum den nächsten Tag erwarten. Die Probleme aus Deutschland schienen schon ganz weit weg, so dass sie scheinbar gar nicht mehr belasten konnten. Jedenfalls schien das so. Dann waren wir so erledigt, dass wir nur noch wie Steine ins Bett fielen. Wir waren mit kurzen Dösunterbrechungen ja seit zwei Tagen nicht zum Schlafen gekommen und hatten dicke Augenringe.
In bester Laune wickelten wir am Donnerstag die Vertragsangelegenheiten ab und stellten erfreut fest, dass die Nebenkosten nur 60 Euro im Monat betrugen. Im Gegensatz zu 253 Euro in Deutschland. Dann setzte uns Juan bei unserem neuen Zuhause ab und versprach, am Abend noch auf ein Gläschen Wein vorbeizuschauen. Staunend und außerordentlich gut gelaunt gingen wir durch die Räume und waren glücklich. Wir hatten die richtige Wahl getroffen, da waren wir ganz sicher. Attila staunte immer wieder über den tollen Signalempfang für das Handy und das Internet, die UMTS-Verbindung hatten wir in Deutschland nicht. Und da glaubte man in Deutschland, die Spanier seien rückständig. Wir stellten fest, dass Torrevieja blitzsauber war, der Müll täglich abgeholt wurde, auch sonntags, und das gegen eine Minigebühr. Sie verfügten hier über eine tolle Infrastruktur, von der sich Deutschland eine Scheibe abschneiden konnte. Vom Klima gar nicht zu reden ... Man konnte Ende März im T-Shirt herumlaufen. Endlich fingen wir an, unsere eigene Zukunft zu zementieren. Ein gemeinsam ausgesuchtes Haus, ein gemeinsamer Auslandsaufenthalt und wieder einmal die Bestätigung, wie gut wir zusammenpassten. Es gelang uns, wieder zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken. Deutschland musste nur noch abgewickelt werden, dann würden wir endgültig hierher zurückkehren. Diese Perspektive war mehr als erfreulich. Attila arbeitete zwischendurch etwas, aber das war auch nicht weiter belastend. Ich hatte ihn selten so gelöst und glücklich gesehen, er blühte richtig auf.
Dasselbe galt wohl für mich.
Am Abend kam Juan und erzählte noch weitere Geschichten aus seinem Leben, das in etwa so turbulent und oft auch unangenehm verlaufen war wie das unsere. Er plante, irgendwann nach Kolumbien zurückzukehren, auch wenn es ihm in Spanien durchaus gefiel. Er war schon ein netter, quirliger Kerl und obendrein zuverlässig.
Dann fing für uns ein gefühlter Kurzurlaub an. Wir schmiedeten Plänchen und unternahmen lange Spaziergänge, suchten einen nahegelegenen Supermarkt und freundeten uns mit den ersten Nachbarn an, die Engländer waren. Wir trafen keinen einzigen Menschen mit schlechter Laune, selbst auf der Straße kamen einem die Leute lächelnd entgegen. Und kreativ waren sie. Ein LKW, der einen Abhang nicht aus eigener Kraft den Hang hinaufkam, den schob mal eben ein Bagger mit der Schaufel hinauf. In Deutschland undenkbar; um Himmels willen, das könnte ja Lackschäden geben. Diese Mentalität lag uns, das war unübersehbar. Das Wetter erst recht, es war blitzblauer Himmel über unserer Siedlung zu sehen, das Meer hatte eine fast royalblaue Farbe.
Ich glaube, wir fühlten uns ein wenig wie die ehemaligen DDR-Bewohner, nachdem die Grenze geöffnet worden war. Da befand man sich plötzlich in Bereichen der Welt, die für einen vorher nicht wirklich erreichbar gewesen waren, auch wenn in unserem Fall die Mauer nur in unseren Köpfen bestanden hatte.
1989 – Der wilde Osten
Es war schon eine seltsame und nachhaltige Erfahrung, die ich mit meinen Eltern an einem sonnigen Sonntagnachmittag des Jahres 1973 machte. Mein Vater war auf die Idee gekommen, nach einigen Jahren wieder einmal in die Nähe der deutsch-deutschen Grenze zu fahren. Mir war dieses Thema der deutschen Teilung einschließlich Besatzung immer ein wenig unheimlich gewesen, besonders wenn die Nachrichten vermeldeten, dass an der Mauer wieder einmal jemand erschossen wurde. Beim besten Willen konnte ich mir keinen vernünftigen Grund vorstellen, warum jemand so etwas tat. Geschweige denn, einen Todesstreifen quer durch ein Land zu ziehen, der sogar Städte und Dörfer mitten hindurch in zwei Hälften teilte, Familien voneinander trennte.
Als wir unser Auto bestiegen, war mir einerseits etwas mulmig zumute, andererseits war ich echt gespannt, wie es dort an der Grenze überhaupt aussah. Normalerweise mieden die meisten Oberfranken die deprimierende Region bei den Wachtürmen, es sei denn, sie wohnten zufällig dort. Auf der Fahrt erzählten meine Eltern einige Details der Geschichte, die zur Teilung Deutschlands geführt hatte.
Der Blick aus dem Fenster verriet mir, dass sich bereits die Bauweise der Häuser veränderte. Hatten wir in Bayreuth hauptsächlich rote Ziegeldächer und farbige, freundliche Häuserfassaden, so duckten sich hier jenseits des Fichtelgebirges und des Frankenwaldes die Häuser düster zusammen, waren mit dunklen Schieferschindeln gedeckt und zum Teil auch noch damit verkleidet. Alles wirkte hier ein wenig unfreundlicher, ein wenig grauer, was zu den ohnehin schon dunklen Fichtenwäldern noch erschwerend hinzukam.
In einem Dorf namens Blechschmidtenhammer stiegen wir aus dem Auto, denn von hier aus konnte man die Grenze zu Fuß erreichen und auf die andere Seite hinübergucken. Da mein Papa sich überall bestens auskannte, weil er beim Straßenbauamt arbeitete, lotste er uns an eine Stelle, die die Teilung besonders unübersehbar machte. Mir lief ein Schauer den Rücken hinunter, als wir auf der aufgegebenen Bahnstrecke durch einen Tunnel wanderten. Dauernd fragte ich Papa, ob denn da wirklich kein Zug kommen könne. Er lachte, zeigte mir das meterhohe Unkraut. Nein, da sei schon sehr lange keiner mehr gefahren, die Schienen seien schon ganz verrostet. Das stimmte, trotzdem war mir komisch. Auch meine Mutter guckte betreten.
Kurz nach dem Verlassen des Tunnels wurde mir klar, warum diese Strecke für den Bahnverkehr tabu war: Sie endete genau an einem Zaun. Der Anblick war sehr merkwürdig, irgendwie nicht logisch. Erstaunt stellte ich beim Blick durch den hohen Zaun fest, dass dort drüben in der DDR die gleichen Häuser standen, sich nichts wirklich vom Westen unterschied. Das hatte ich mir anders vorgestellt, war doch immer die Rede von einem totalitären Regime und von eingesperrten Menschen, die nicht herüberkommen durften, sich dafür aber gegenseitig bespitzelten. Von einem Eisernen Vorhang. Und jetzt sah ich da drüben jenseits des Flusses ganz einfach ein normales Dorf, und ganz normale Leute winkten uns von dort freundlich zu. Keine Monster.
Ich wurde nachdenklich. Warum durften die denn nicht zu uns herüber und wir nur mit Schwierigkeiten dorthin? Wieso brauchte es den großen, grauen Wachturm und den Stacheldraht, als wäre hier die Welt zu Ende? Ich kannte die Geschichte dazu, doch wirklich verstehen konnte ich sie nicht.
Das änderte sich auch in den folgenden Jahren nicht, und so fahre ich noch heute mit einem leichten Schaudern zusammen mit meinem Mann Klaus-Werner ins Grenzgebiet. Dort, in der Nähe des Grenzüberganges Töpen, wohnen unsere besten Freunde, die unser Modellbahnhobby teilen.