Kitabı oku: «Der Schatz im Flaschenhals», sayfa 2

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Kapitel zwei

Der Traum vom Weingut - im Lorch der Gegenwart

Es war wie eine Befreiung, ein Traum, der in Erfüllung ging. Arnold Jäger stand vor den Hofmauern des Weingutes im Rheingauer Städtchen Lorch, das er gerade von seinem Ersparten gekauft hatte. Ein warmer Wind fuhr durch seine Haare, im Hintergrund war das Rauschen des Rheins zu hören. Die Sonne schien kräftig in das Rheintal und tauchte das wunderschöne ländliche Panorama in unverwechselbare, warme Farben.

Wie angewurzelt stand er vor der Mauer und blickte ehrfürchtig an den Steinen entlang. Arnold konnte es immer noch nicht glauben, dass sich sein lang gehegter Jugendtraum jetzt vor ihm erhob. Ein eigenes Weingut. Die Wehmut, dass er hierfür seine Heimat Mecklenburg-Vorpommern verlassen hatte, wo er auf Usedom, auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsen war, war wie weggeflogen. Viele Tränen waren geflossen, als er die Insel verließ. Seine Mutter schnaubte Unmengen von Taschentüchern voll, als Arnold aus dem Fenster seines Wagens winkend vom Hof gefahren war. Eine abenteuerliche Reise hatte für den 32-jährigen Norddeutschen begonnen. Sein Vater hatte bis zuletzt gehofft, ihn doch noch für den Beruf eines Milchbauern zu begeistern. Schließlich hatte er sein ganzes Leben auf dem Hof verbracht und war ein echtes Talent, was das Melken von Kühen anging.

Arnolds Interesse wurde allerdings bereits in Kindertagen in eine andere Richtung gelenkt. Schon früh hatte er gern seinen Großvater beobachtet, der jeden Abend den Tag mit einem Glas Wein beschloss. Pünktlich nach dem Abendessen holte Großvater eine Flasche Wein hervor, nahm ein Glas aus dem Schrank und schenkte ganz langsam ein. Dabei schien er jeden Tropfen, der aus der Flasche rollte, genauestens zu verfolgen. Anschließend hob er das Glas ins Licht und musterte die hindurchschimmernden Farben. Danach steckte er seine große Nase in den Kelch und genoss das Bukett des Weines, während er diesen gekonnt mit der Hand schwenkte. Mit diesem Ritual war es um Arnold geschehen. Er konnte es kaum erwarten, bis er alt genug war, um daran teilzunehmen. Als es endlich so weit war, führte ihn sein Großvater in die große Welt der Weine ein. Während sie abends zusammensaßen, philosophierten die beiden stundenlang über Jahrgänge, Weinbaugebiete und Rebsorten. Immer dazu gehörte ein Schwank aus Großvaters Jugendtagen in der Nachkriegszeit der ehemaligen DDR, wenn etwas über den Durst getrunken wurde und dabei die ein oder andere lustige Begebenheit stattfand.

Kurz vor Arnolds 18. Geburtstag verstarb sein Opa überraschend. Dieser Verlust hatte Arnold sehr schwer getroffen, bestärkte ihn allerdings umso mehr, sein Leben dem Weinbau zu verschreiben. Dies wollte er nicht nur, um das Andenken seines Großvaters zu ehren, denn er hatte eine wahre Passion zum Wein entwickelt.

Da auf der Insel Usedom Weinbaugebiete sehr rar waren, war schnell klar, dass er das elterliche Nest früher oder später verlassen würde. Arnolds Eltern liebten ihren Sohn sehr, und so wollten sie ihm auf keinem Fall im Weg stehen, wenn es um die Umsetzung seiner Träume ging. So kam es, dass Arnold nach seinem Abitur überlegte, wo er die große Kunst des Weinmachens erlernen konnte. Viele Optionen kamen für ihn nicht infrage, schon immer hatte sein Gaumen eine Vorliebe für den Rheingauer Riesling. Da die Reben schlecht zu ihm kommen konnten, entschied er sich für ein Studium an der Geisenheimer Forschungsanstalt für Weinbau. Sie war sein erster Anknüpfungspunkt mit der Region Rheingau. Schon häufig hatte er die Weine aus der Region gekostet, doch als er das erste Mal vor Ort war, entfachte eine neue Liebe, die ihn nicht mehr losließ.

Nachdem er das Studium des Weinanbaus erfolgreich abgeschlossen hatte, zog es ihn vorerst wieder nach Mecklenburg, wo er auf dem elterlichen Hof arbeitete und jeden Cent sparte, um sich den Traum eines eigenen Weingutes irgendwann zu erfüllen.

Jetzt war es soweit. Von einem alten Bekannten aus Studienzeiten hatte Arnold erfahren, dass in Lorch ein Weingut zum Verkauf stand. Die dazugehörigen Weinbergsflächen waren perfekt für ihn, um mit seinen überschaubaren Mitteln seinen Traum zu verwirklichen.

So stand er nun da, blickte auf sein Refugium und konnte die Gefühle der Freude kaum verbergen. Durch seinen Drei-Tage-Bart schimmerte ein ständiges Lächeln. Das kleine Anwesen war wie aus dem Bilderbuch. Das Haupthaus aus Stein bebaut mit einem Schieferdach. Der Hof mit Kopfsteinpflaster ausgelegt und überall rankte sich Wilder Wein die Wände hoch.

Er atmete tief ein und aus. Das kam von der Nervosität, denn jetzt ging es ans Eingemachte. Die vor ihm liegende Arbeit war nicht zu unterschätzen, denn seit vielen Jahren war das Weingut nicht mehr richtig bewirtschaftet worden. Eine riesengroße Unordnung galt es, in den Griff zu bekommen. Die Gerätschaften hatten ihre besten Zeiten hinter sich und der Traktor im Hof war wahrscheinlich das letzte Mal in den 50er-Jahren angesprungen. Die dicke Eichentür zum Weinkeller sah aus, als wäre sie seit Jahren nicht mehr geöffnet worden, so verrostet waren die schweren Scharniere. In allen Räumen des Wohnhauses roch es modrig und ein bisschen vergammelt. Aber dies störte Arnold recht wenig. Ein gesunder Enthusiasmus gehörte einfach dazu.

Arnold schritt durch den Torbogen der Hofeinfahrt und betrat sein neues Zuhause. Jeder Schritt fühlte sich an wie der Gang in eine unbekannte Zukunft und er war ängstlich und euphorisch zugleich. In der Ecke stand ein alter Strohbesen. Er schritt auf ihn zu, schnappte ihn sich und begann, den Hof zu fegen. Arnold spitzte die Lippen und begleitete sein Tun mit einem munteren Liedchen.

Dabei bemerkte er nicht, dass er plötzlich einen Zuschauer bekam. Nachbar Willi Laggei stand im Torbogen und verfolgte amüsiert sein Treiben.

»Des sieht gut aus, was Se do mache, abber ich denk´, wenn Sie mit dem klaane Bese´ des alles hier uffrahme wolle, komme´ Se sischer in de nächste Jahr´ nit zum Woi´ mache«, rief Willi mit unverwechselbarem Lorcher Akzent über den Hof.

Arnold, kurz überrascht einen Zuschauer zu haben, erwiderte: »Irgendwo muss ich ja anfangen. Ich habe jetzt so lange auf mein eigenes Weingut gewartet, da ist es nicht schlimm, wenn ich die nächsten zwei Jahre noch mit Fegen verbringe.«

Der Mann grinste und kam auf Arnold zu.

»Ich bin de´ Willi von nebe´ an.«

»Freut mich, ich bin Arnold aus Mecklenburg.«

»Melckleburg? Ei, was verschlägt Sie dann hier in de´ Rheingau? Habt ihr keine Küh´ mehr zum Melke?«

Arnold lachte. Ihm gefiel der direkte Humor des Einheimischen. Genauso hatte er die Menschen hier in seiner Studienzeit kennengelernt. Ehrlich, authentisch und immer mit einer Prise Humor. Der herrliche Dialekt untermalte den sympathischen Eindruck.

»Doch, doch, die Kühe sind uns in Mecklenburg noch nicht ausgegangen. Aber irgendwie hatte ich schon immer den Drang, durch die Weinberge zu klettern, anstelle Kühe zu melken.«

»Jo, des kann ich verstehe´ - do kimmt jo ach nur Milch naus und nit das gute Stöffche, was mir hier Riesling nenne´.«

Es war nicht zu übersehen und kein Zweifel, dass hier eine gute Basis für eine freundschaftliche Nachbarschaft entstand.

»Ei, komm´ Bub´, jetzt mach´ Paus´ und komm´ mit nübber bei misch. Do ziehe mir en´ schee Flasch´ Lorcher Woi uff und babbele en bissje.«

Obwohl Arnold gerade voll in seinem Element war und seine Energie jetzt gern für seinen Hof genutzt hätte, nahm er die Einladung dankend an. Ein Nachbarschaftsverhältnis sollte nicht damit starten, dass eine nett gemeinte Einladung auf ein Glas Wein ausgeschlagen wurde.

»Aber gerne. So ganz weiß ich eh noch nicht, wo ich anfangen, geschweige denn weitermachen soll. Da können wir auch zuerst eine gute Grundlage mit einem Glas Wein schaffen«, sagte Arnold und lächelte.

»So muss des sein … aber ein Glas is´ gut, zwei sin´ besser - uff einem Bein kann mer schließlich auch nit stehe«, sagte Wille und grinste dabei übers ganze Gesicht.

»Auf geht´s!«, rief er, drehte sich um und bog nach rechts zu seinem Haus ab. Arnold folgte den schnellen Schritten seines neuen Nachbarn.

Ein neuer Freund

Am Haus angekommen, zog Willi die alte, rostige Tür zum Vorgarten auf und bat seinen Gast hinein. Im Garten blieb er kurz stehen.

»So, do sind mir, willkommen auf Laggei´s Hof«, sagte er schmunzelnd.

»Schön habt ihr es hier«, erwiderte Arnold und blickte sich um. Der Garten war sehr geschmackvoll angelegt. Überall blühten Blumen und es roch nach frisch gemähtem Gras. In der Mitte des Gartens stand eine alte, stilvoll bepflanzte Weinkelter. Strauchgewächse rankten aus der alten Weinmacher Gerätschaft heraus, die ihren ursprünglichen Dienst wohl schon lange hinter sich gelassen hatte. Willis Haus war im Fachwerkstil gebaut und musste mehrere hundert Jahre alt sein. An der Hauswand drängten sich dezent zugeschnittene Sträucher. Es war ein richtiger Ort zum Wohlfühlen. Arnold spürte, dass hier jemand sehr viel Liebe in die Gestaltung seines Heims gesteckt hatte.

»Schee´ habe mir es hier?«

»Auf jeden Fall, ich bin beeindruckt. Steckt viel Liebe drin.«

»Jo, und vor allem Schweiß. Das ganze Kraut hier ringsrumm wächst wie blöd und will fast jed´ Woch´ geschnitte´ werde«, flachste Willi. »Auf komm´, ab in die Stub´, ich hab´ was Feines für uns!«

Arnold nickte. »Na dann, auf geht´s!«

Willi schritt wieder voran rechts am Haus vorbei in einen Hinterhof. Der Vorgarten hatte es Arnold schon richtig angetan und der Hinterhof stand dem in nichts nach, stellte er überrascht fest. Willi hatte hier eine kleine Weinlaube errichtet, an der sich Reben an verschiedenen Gestängen nach oben rankten. Der Anblick traf voll und ganz Arnolds romantische Ader. Hier konnte man viele schöne Stunden verbringen.

Willi zog eine Holztür auf, die offensichtlich in seinen Weinkeller führte. Sowie der Gang nach unten offenstand, drang der unverwechselbare Kellergeruch in Arnolds Nase. Wie sehr liebte er dieses Aroma. Diesen Duft gab es wirklich nur hier, wo der Wein tatsächlich wuchs und Keller in die Felsen geschlagen wurden.

»Auf, komm´ mit. Mir gugge mo´, was mir im Keller finde´!«, forderte Willi Arnold auf.

Er schaltete das Licht ein. Es war gedimmt und leuchtete den Treppengang gerade eben aus. Unten angekommen, bot sich Arnold ein wahres Mekka für Weinliebhaber. An allen Wänden waren Holzregale montiert und boten eine große Auswahl verschiedenster Weine. Man konnte Willi ansehen, dass er sehr stolz auf seine Sammlung war. Er schritt am Regal entlang und musterte die Flaschen mit seinem geschulten Blick. Er wollte seinem neuen Nachbarn schließlich ein besonderes Tröpfchen anbieten. Ein echter Lorcher ließ sich schließlich nicht lumpen.

Willi blieb am Ende des Regals stehen und zog eine Flasche heraus. Wieder musterte er das Etikett.

»Hier hab´ ich was für uns zwei Hübsche´.« Dabei grinste er bis über beide Ohren. »Ein feine´ Riesling von ´88.«

»Das hört sich gut an, kannst du diesen Jahrgang demnach empfehlen?«

»Lorcher Jahrgäng sin´ alle zu empfehle´«, scherzte Willi, »aber ich such´ immer gern´ ein Jahrgang aus, zu dem es ein bissje was zu erzähle´ gibt.«

»Okay, dann scheint es wohl zu dem Jahrgang einiges zu erzählen zu geben. Wie ich sehe, liegen hier jede Menge Flaschen aus dem Jahr?«

»Ei jo, musste so sehe´, das ist ein bissje sinnbildlich. 1988 hatte unser Vadder Rhein es rischtisch gut mit uns gemeint und ein schönes Hochwasser nach Lorch geschickt. Da hab´ ich mir gedenkt, leg´ ich mir auch bissje mehr Brüh´ in de Keller, kann nix schade.«

Arnold musste laut lachen, denn den sinnbildlichen Vergleich von Hochwasser zu Wein empfand er als urkomisch. Diese lustige Ader passte sehr zu Willi. Irgendwie hatte alles mit Wein, Lorch und dem Rhein zu tun. Aus allem konnte Willi entweder einen guten Scherz oder eine schöne Geschichte entstehen lassen. Arnold fühlte sich in seiner Gesellschaft immer wohler und eine große Erleichterung machte sich in ihm breit. Noch vor einer viertel Stunde hatte er allein vor seinem Weingut gestanden und versucht, seine Nervosität mit Fegen zu vertreiben. Jetzt war er bereits in netter Gesellschaft und die erste gute Freundschaft schien unter Dach und Fach zu sein.

Willi griff unterdessen in einen alten Holzschrank, der an die Kellerwand geschraubt war. Zum Vorschein kamen zwei Weinrömer aus schönem, grün schimmerndem Glas, verziert mit der Lorcher St.-Martins-Kirche.

»Auf, Bub´, mir werden nit jünger.« Mit diesen Worten ging Willi zügig wieder nach oben. Arnold nahm noch einen tiefen Zug von der Kellerluft, bevor er ihm folgte. Die beiden nahmen in der Weinlaube auf einer schweren Holzbank Platz. Willi entkorkte die Weinflasche, schnupperte prüfend am Korken, schenkte einen kleinen Schluck in den Römer und trank vorweg, damit er sichergehen konnte, dass der Wein gut war und nicht nach Kork schmeckte. Der Wein bestand den Test und Willi goss großzügig ein.

»Auf unser Wohl!«

»Prosit!«

Die beiden stießen an und nippten genüsslich an ihren Römern.

Arnold berichtete Willi von seiner Heimat Mecklenburg und den Motiven seines Umzuges. Willi hörte aufmerksam zu, denn es kam nicht häufig vor, dass ein Norddeutscher sich in Lorch niederließ, um ein Weingut wieder aufblühen zu lassen. Normalerweise gaben sich die Generationen die Klinke in die Hand und die Weingüter wurden über viele Jahre im Familienbetrieb bewirtschaftet.

Während sie sich unterhielten, entging ihnen, dass die Sonne langsam unterging. Willi präsentierte seinem Gast einen Jahrgang nach dem anderen. Was mit dem 88er-Jahrgang begann, ging über 1990, 1995 bis 2002. Je jünger die Weine wurden, desto redseliger wurde Willi - oder es lag einfach nur am steigenden Alkoholpegel. Jeden Jahrgang kredenzte er mit einer spannenden Lorcher Geschichte. Besonders 1990 war ein erhellendes Thema für beide. Willi erzählte, wie nach der Wende viele DDR-Bürger nach Lorch kamen und hier ein neues Zuhause gefunden hatten. Vorurteile gegen die »Ossis« waren immer präsent, doch nachdem sie sich eingelebt und als tüchtige neue Mitbürger erwiesen hatten, die ebenfalls gern einen Schoppen tranken, war eine neue Gemeinschaft entstanden. Arnold erinnerte sich ebenfalls gut an diese Zeit. Viele seiner Nachbarn und Freunde waren in dieser Zeit in den Westen gegangen, um neues Glück zu finden. Einige kehrten enttäuscht zurück und andere fanden irgendwo irgendetwas und wurden nicht mehr gesehen.

Als sie den 2002er-Riesling ausgetrunken hatten und Willi bereits in den Startlöchern für das nächste gute Tröpfchen mit passender Geschichte stand, winkte Arnold ab und sagte: »Oh Willi, ich brauche eine kulturelle Pause. Wenn wir noch eine Flasche aufziehen, habe ich morgen vergessen, was in der ersten war.«

»Kein Problem, mir müsse´ schließlich nit de´ ganze Keller leer mache«, erwiderte Willi ganz entspannt. »Schließlich wohnst du jetzt nebe´ an und wir werde´ noch sicher das ein oder andere Tröpfche´ aus ´ em Keller hole.«

»Auf jeden Fall, vielen Dank für den munteren Abend«, sagte Arnold lächelnd.

»Gern´, hat mir auch Spaß gemacht. Mit meiner Frau kann ich das nit mache´. Spätestens nach de´ zweit´ Flasch´ Riesling geht das Gemecker los, ich soll nit so viel saufe.« Dabei zwinkerte Willi schelmisch und gab´ Arnold einen Klaps auf den Rücken.

»Ich geh dann, hoffentlich finde ich noch den Weg nach Hause. Meine Welt dreht sich ein wenig«, sagte Arnold zum Abschied.

»Na siehste, das is´ ein Zeiche´ für ein gute Wein. Jetzt wart´ noch en Moment, ich hol´ dir noch was.« Willi verschwand noch einmal in seinem Weinkeller und kehrte nach ein paar Minuten mit einer verstaubten Flasche zurück. »Schau´ hier, das hier ist einer meiner wohlbehütetsten Schätze, hab´ ich nicht mehr viele davon. Die trägst du jetzt direkt in deine´ Weinkeller runter und auf dem Niveau soll dein Keller wachsen.«

Arnold war sichtlich gerührt. »Vielen Dank, das ist wirklich nett von dir. Jetzt habe ich aber gar nichts für dich.«

»Macht nix, wenn du deinen erste Jahrhundertwein gezoge´ hast, stellst du mir ein Fläschje´ zurück in meinen Keller.«

Arnold grinste, nahm dankend die Flasche entgegen und verschwand um die Ecke in Richtung Vorgarten. Behutsam bewegte er sich leicht schwankend auf dem schmalen Pfad durch den Garten in Richtung Tor. Der Alkohol hatte seine Spuren hinterlassen. Ihm war allerdings nicht unwohl dabei, etwas über den Durst getrunken zu haben. Es war ein anregender und sehr informativer Abend gewesen. Arnold hatte in den vergangenen Stunden viel über seine neue Heimat Lorch gelernt und dabei einen Vorgeschmack auf den hervorragenden Rebensaft bekommen, der hoffentlich bald in seinem eigenen Keller reifte.

Der schicksalhafte Fund

Die wenigen Schritte hinüber zu seinem Hof kamen ihm endlos vor. Die frische Luft schien den Alkoholpegel in seinem Blut noch ansteigen zu lassen. Er achtete auf jeden Schritt, damit er nicht Bekanntschaft mit dem Straßenbelag machte. Wenn Arnold in der geselligen Stimmung eines gelernt hatte, war es sicher die Erkenntnis, dass man in einer Weingegend seinen Durst im Zaum halten musste und sich nicht voll dem Genuss hingeben durfte. Nun denn, dachte Arnold und ging vorsichtig über die Straße zu seinem Hof. Im Hintergrund hörte er Willi ein fröhliches Liedchen trällern. Arnold grinste und freute sich, dass der Wein nicht nur bei ihm seine Spuren hinterlassen hatte. Wobei Willi jeden Ton des Liedes zu treffen schien und er selbst Schwierigkeiten beim Vorankommen hatte.

Endlich angekommen, steuerte Arnold in Richtung Weinkeller. Vorsichtig stellte er die Flasche ab und zog hochmotiviert an der schweren Eichentür. Mit lautem Knarren öffnete sich die schwere Tür und der modrige Geruch seines eigenen Weinkellers erfüllte seine Nase. Arnold schaltete das diffuse Licht an. Von unten hörte er es rascheln. Wahrscheinlich waren die Mäuse und Ratten in ihrer Nachtruhe gestört worden und machten sich auf, um ein Versteck zu suchen. Andere ließen sich wohl bei ihrer Mitternachtsmahlzeit nicht stören und verspeisten alles, was sich im Keller in den Ecken fand. Ein Mensch bei nüchternem Verstand würde sich jetzt sicherlich angesichts eines dunklen Kellers und der Geräusche gruseln. Arnold aber war zu betrunken, um sich zu fürchten.

Als er die nächste Tür geöffnet und das Licht angeknipst hatte, nahm Arnold die Flasche, die er, wie von Willi angeregt, als ersten Wein in seinem Keller deponieren sollte. Leicht taumelnd machte er sich an den Abstieg, fing sich aber sofort wieder. Er griff die Flasche am Hals, hielt sie einen Moment dicht vor sein Gesicht und versuchte, das Etikett zu entziffern. Er war allein und es wäre doch ein schönes Ritual, jetzt einen Korkenzieher zu holen und das feine Tröpfchen direkt zu öffnen, anstatt es für Jahre in die Verbannung eines dunklen Weinkellers zu schicken. Arnold schüttelte den Kopf und wandte sich von dem Gedanken ab.

»Nein, nein, nein«, nuschelte er, »der Willi hat mir den Wein für den Keller geschenkt und da kommt er jetzt runter.«

Er bemerkte selbst, dass er lallte, und grinste amüsiert.

Arnold stapfte die Treppe hinunter. In der linken Hand hielt er die Weinflasche vor seiner Brust, damit ihr in dem engen Treppengang kein Schaden widerfuhr. Mit der anderen Hand fuhr er am Handlauf des Gangs hinunter und versuchte das Gleichgewicht zu halten. Unten angekommen, überlegte er, welcher Platz wohl der beste für sein Präsent war.

»Mmmmhhh, woll´n doch mal sehen, wo wir hier ein gemütliches Plätzchen für dich finden.«

Arnold wankte durch den schmalen Kellergang. Der Boden war mit alten, hölzernen Weinkisten vollgestellt und er schob sie mit dem Fuß beiseite. Er ging immer tiefer in den verzweigten Weinkeller hinein. Der Geruch von den vergammelten Holzfässern wurde immer intensiver, je tiefer er in den Felsenkeller vordrang. Am Ende eines kleinen Nebenganges stand neben einem großen Eichenfass ein Weinregal mit ein paar wenigen leeren Flaschen. Arnold stellte seinen Wein vor dem Fass ab und wollte sie ausräumen, um Platz für sein Geschenk zu machen. Behutsam nahm er eine nach der anderen heraus und stellte sie auf dem Boden ab, als plötzlich die Lampen zu flackern begannen. Ein Surren ertönte, das von der Elektrik zu kommen schien. Mit einem Mal wurde es dunkel. Trotz des ordentlichen Alkoholpegels beschlich Arnold ein unangenehmes Gefühl. Die Dunkelheit verstärkte jedes schaurige Geräusch im Keller. Das Knarren des modrigen Holzes der Fässer wurde immer lauter und Arnold nervöser. Schlagartig wurden seine Sinne wieder klar. Arnold versuchte, einen festen Punkt zu ertasten, und seine Hände fanden das schwere Eichenfass. Sogar für einen gestandenen Norddeutschen wie ihn war diese Situation mehr als beängstigend. Er versuchte, sich langsam vorzutasten und sein Fuß erfasste die am Boden stehende Flasche. Durch diesen zusätzlichen Schreck kam Arnold aus dem Gleichgewicht, er fiel nach vorn und krallte sich dabei an das Fass. Dessen morsches Holz gab nach und die Stützen des Fasses brachen ein. So kam es in Bewegung und rollte zur Seite. Arnold versuchte, seine Gliedmaßen in Sicherheit zu bringen, und drehte sich in die entgegengesetzte Richtung. Es polterte und rumpelte in der Dunkelheit. Schützend hielt Arnold Arme und Hände über den Kopf, bis kein Laut mehr zu hören war. Als es wieder still war, surrte kurz die Elektrik und das Licht ging wieder an. Arnold ließ langsam die Hände wieder sinken und blickte erleichtert hoch. Das Fass war gute zwei Meter zu Seite gerollt. Er schaute nach Willis Weinflasche, die offensichtlich alles heil überstanden hatte. Arnold kroch auf sie zu, fasste sie und kontrollierte, ob sie nicht doch Schaden genommen hatte. Alles schien in bester Ordnung, was ihm ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Er erhob sich und wollte gerade die Flasche auf den auserkorenen Platz legen, da fiel ihm ein Loch auf, das hinter dem schweren Eichenfass zutage gekommen war. Er legte die Flasche ins Regal und trat auf das Loch zu, das einen knappen Meter über dem Boden in die Felswand geschlagen war. Arnold versuchte, etwas zu erkennen. Spinnweben zogen sich über die Öffnung. Sie waren ganz und gar von Staub bedeckt. Diese Öffnung hatte wohl Jahrzehnte lang kein Licht mehr gesehen. Mit der Hand strich er vorsichtig die Spinnweben beiseite und tastete vorsichtig in die Öffnung. Er spürte etwas Glattes, Schweres, womöglich Metallähnliches. Seine Fingerspitzen versuchten, den Gegenstand weiter zu identifizieren. Er umfasste den Gegenstand und zog ihn heraus. Es war eine Art Becher, verstaubt und verdreckt, sodass er die Beschaffenheit der Oberfläche nur schwer erkennen konnte. Arnold hielt den Becher ins schummrige Licht. Das Gefäß war sehr schwer, er konnte nicht richtig einschätzen, was er dort in der Hand hielt. Er stellte den Becher ab und griff erneut in das Loch. Am Ende ertastete er etwas, das sich wie Leder anfühlte. Er zog es heraus, und in der Tat handelte es sich um ein Buch in einem dicken Ledereinband. Arnold wischte den Staub von dem Einband und hielt das Buch ebenfalls ins Licht. Er konnte kaum etwas erkennen. Wie in einen Bann gezogen von seinem Fund, ging er in den vorderen Teil des besser ausgeleuchteten Kellers. Langsam hob er den Buchdeckel und blickte auf handgeschriebene Seiten in altdeutscher Schrift. Diese Schrift wurde schon lange nicht mehr verwendet und für jemanden, der dieser nicht mächtig war, war sie schwer zu entziffern. Arnold konzentrierte sich und versuchte, die ersten Zeilen zu lesen.

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