Kitabı oku: «Grundlagen der Psychiatrie», sayfa 8

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3.7Zusammenfassung

Ein einziges Modell anzuwenden ist weder therapeutisch nutzbringend noch ethisch vertretbar.

In der Psychiatrie ist ein biopsychosoziales Modell zu bevorzugen, da es den Vorteil hat, verschiedene empirische Befunde aus der Risikoforschung zu integrieren. Integrative Modelle wie das Vulnerabilitätsmodell, das Gen-Umwelt-Interaktions-Modell, das hierarchische Modell (Tyrer und Steinberg) oder das chaostheoretische Modell kommen der Wirklichkeit der Psychiatrie am nächsten. Einzelne Modelle wie das der Psychodynamik, der kognitiven Verhaltenstherapie oder der Sozialpsychiatrie sind im Rahmen des hierarchischen Modells gut anzuwenden.

Den individuellen Patienten zu verstehen, seine Symptomatik, seine Probleme und ihm auf dem Weg der Gesundung behilflich zu sein, sollte das Ziel von professionellen HelferInnen der Psychiatrie sein. Die Modelle sowie die Ursachenforschung sind nicht Selbstzweck, sondern leisten einen wesentliche Beitrag in der Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen.

VGrundlagen der psychiatrischen Diagnostik

K. Paulitsch

1Einleitung
1.1Bedeutung der Diagnose in der Psychiatrie

In der Medizin ist es üblich, Phänomenen und pathologischen Zuständen Namen zu geben. In der Wissenschaft versucht man, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, ordnet die Erkenntnisse und vergleicht frühere Erscheinungen mit den gegenwärtigen. Regelmäßigkeiten von beschreibbaren Phänomenen findet man auch in der Psychiatrie. Eine psychiatrische Diagnose soll jene gesetzmäßigen Eigenschaften erfassen, die mit jenen anderer Betroffener übereinstimmen. Moderne Diagnostik ist eine komplexe Aufgabe mit verschiedenen Konzepten, Erfassungsmöglichkeiten und Aufgaben. Sie dient der Identifikation und Zuordnung zu einer Krankheit (deskriptive Funktion) und teilt das Störbild in einen bestimmten Abschnitt oder eine bestimmte Klasse (klassifikatorische Funktion) ein. Eine Diagnose erleichtert ebenso die Auswahl eines bestimmten Therapieverfahrens, wie beispielsweise die Verordnung eines Antidepressivums bei der Kategorie „depressive Störung“. Weiters soll eine Diagnose die Ursache der Krankheit erklären, wobei eine ätiologische Analyse (Ursachenanalyse) in den modernen Diagnosesystemen nicht primär in den diagnostischen Prozess einfließen soll. Eine Diagnose kann auch über die Entwicklung der Symptomatik und der Therapierbarkeit eine Aussage treffen (prognostische Funktion), soll der Dokumentation dienen und hat schließlich auch einen therapeutischen Wert, der Einsicht und Selbstreflexion förderlich ist (therapeutische Funktion).

Dennoch vermag eine Diagnose nicht den Menschen in seiner Einzigartigkeit zu beschreiben. Psychiatrische Diagnosen sind daher auch massiver Kritik ausgesetzt. Die antipsychiatrische Bewegung der 60er- und 70er-Jahre lehnte jegliche Diagnose und Klassifikation als schädigende Etikettierung ab und kritisierte, dass man durch eine Diagnose einem Menschen mit einer psychischen Störung nicht gerecht werden könne. Erst die Diagnose „Schizophrenie“ mache den Betroffenen zum Außenseiter. Psychische Störungen als medizinische Krankheiten zu sehen, wurde von VertreterInnen der Anti-Psychiatrie geleugnet. Sie wurden stattdessen als Ausdruck einer repressiven, „krankmachenden“ Gesellschaft angesehen. Die Diagnose diene als Legitimation, Zwangsmaßnahmen und -behandlungen bei gesellschaftlichen Außenseitern durchzuführen. Diese Ansicht wird heutzutage in ihrer Radikalität nicht mehr vertreten, obwohl es historische Beispiele gibt, die zeigen, dass diese Kritik durchaus berechtigt war, wie in der Sowjetunion, wo die psychiatrische Diagnose lange Zeit missbraucht wurde, um politisch unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren.

Auf diagnostische Kategorien kann nicht verzichten werden. Erst durch eine Klassifikation ist die Voraussetzung für die Erfassung, Beschreibung und Erforschung von Entstehenszusammenhängen und für eine wirksame Behandlung gegeben. Eine Diagnose ist notwendig, um zwischen Krankheit und Gesundheit zu unterscheiden, da sich durch die Zuordnung eines psychischen Zustandsbildes zu einer Krankheit erst die Behandlungsbedürftigkeit ergibt. Moderne Diagnosen in der Psychiatrie bezeichnen eine Krankheit oder Störung und nicht einen Menschen, ebenso wie die Begriffe „Diabetes“ oder „Allergie“ in der somatischen Medizin eine pathologische Veränderung beschreiben und nicht den Charakter der betroffenen Person.

1.2Diagnostische Ansätze

In der Psychiatrie findet man mehrere parallel angewandte diagnostische Konzepte, um verschiedene Funktionsbereiche eines Menschen zu erfassen:

1.Klinisch-psychiatrische Diagnostik

Die psychiatrische Diagnostik (kategorialer Ansatz) geht davon aus, dass psychische Störungen klar erkennbare Phänomene (Symptome) aufweisen, wobei möglichst genaue Kriterien zur Beschreibung (Ein- und Ausschlusskriterien, Schweregrad, Zeitkriterien) angeführt sind, um sie von anderen psychischen Störungen abzugrenzen. Diese konzeptuelle Ausrichtung findet man in DSM-5 und ICD-10, in denen psychische Störungen nach phänomenologischen und deskriptiven (beschreibbaren) Gesichtspunkten geordnet sind.

2.Medizinische Diagnostik

Die Psychiatrie als medizinische Wissenschaft muss organische Ursachen von Störbildern beim diagnostischen Prozess berücksichtigen. Somato-medizinische Störungen, wie beispielsweise hormonelle Störungen oder Stoffwechselerkrankungen, können sich primär mit psychischen Auffälligkeiten präsentieren, sodass eine eingehende medizinische Untersuchung in der psychiatrischen Praxis zum Standardrepertoire gehört. Begriffe wie Alkoholdelir oder Alzheimer-Demenz sind „medizinische“ Diagnosen.

3.Psychologische Diagnostik

Psychologie ist eine angewandte Wissenschaft vom Erleben und Handeln des Menschen, wobei psychologische Diagnostik eine Teildisziplin darstellt. Die Methoden sind Exploration (Interview, Anamneseerhebung), Verhaltensbeobachtung (Selbst- und Fremdbeobachtung), psychophysiologische und testpsychologische Diagnostik. Zu den testpsychologischen Verfahren zählt man Leistungstests (z. B. Intelligenztests) und Persönlichkeitstests, wie der Persönlichkeitsstrukturtest oder Rorschach-Test, die der Psychiatrie wertvolle Ergänzungen im diagnostischen Prozess sind (siehe auch 5.4).

4.Theoriebezogene Diagnostik

Die psychotherapeutischen Schulen brachten unterschiedliche theoretische Modelle des Menschenbilds hervor, die Auswirkungen auf diagnostische Konzepte hatten. Beispiele sind die Diagnosen „dissoziative Störung“ oder „narzisstische Persönlichkeitsstörung“, die nur durch ein psychodynamisch-theoretisches Modell erklärt und diagnostiziert werden können. Neben der psychoanalytischen Diagnostik (Modell des Unbewussten, Abwehrmechanismen, Triebtheorie etc.) gibt es noch die Verhaltensdiagnostik oder Konzepte anderer psychotherapeutischer Richtungen (Psychotherapie nach Rogers, die systemische Familientherapie oder interpersonelle Psychotherapie).

5.Operationalisierte psychodynamische Diagnostik

Die operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD-2), deren Ergebnis einer mehrjährigen Arbeit von psychodynamisch und psychoanalytisch interessierten TherapeutInnen ist, versucht die vorangegangenen Ansätze zu einem Ganzen zusammenzuführen und hat das Ziel, eine Weiterentwicklung der psychiatrischen Diagnostik zu bewirken. Der Aufbau der OPD-2 besteht aus fünf Achsen, die Bereiche wie Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzung, Beziehung, Konflikt, psychische Struktur und psychische Störungen abdecken.

2Psychopathologie
2.1Symptom, Syndrom, Störung und Krankheit

Die Psychopathologie beschreibt abweichendes Erleben, Befinden und Verhalten. Die deskriptive Psychopathologie orientiert sich zunächst an eindeutigen Symptomen und wird der verstehenden oder interpretativen Psychopathologie gegenübergestellt. Jedes psychopathologische Symptom muss aber in einem sozialen Gesamtkontext interpretiert werden und ist für sich betrachtet nicht unbedingt pathologisch, abnorm oder krankhaft. Viele Phänomene gehören zum normalen Erfahrungsschatz eines Menschen, dies gilt selbst für so ungewöhnliche Symptome wie Halluzinationen oder Wahngedanken. Pathologisch, d. h. krankhaft, werden sie erst dann, wenn sie durch Schwere, Häufigkeit und Dauer zur Einschränkung der Lebensweise des betroffenen Menschen führen. Beobachtbare Symptome, die in der englischsprachigen Literatur auch „signs“ (Zeichen) genannt werden, sind Ausdrücke einer gestörten Psychomotorik wie Unruhezustände, schnelles Sprechen oder reduzierte Mimik etc. Weitere Symptome („symptoms“) werden vom Betroffenen berichtet, ohne dass diese vom Untersucher beobachtet werden, wie beispielsweise Schlafstörungen oder Halluzinationen (subjektive Informationsquellen).

Treten Symptome in einer Kombination oder einem Verband auf, spricht man vom Syndrom. Die regelhafte Konstellation bestimmter psychopathologischer Symptome ist für bestimmte Krankheiten charakteristisch. Zeigt ein Patient die Symptome Schlafstörung und Antriebslosigkeit, weist dies auf ein depressives Syndrom hin, ohne über die zugrunde liegende Störung etwas auszusagen. Dennoch ist die Erfassung eines Syndroms in der Psychiatrie eine wesentliche Voraussetzung für eine Diagnose. Die Zuordnung zu einem Syndrom ist ein Zwischenschritt, wenn noch zu wenige Informationen für eine endgültige Diagnose vorliegen. Von einer Krankheit spricht man erst dann, wenn Ursache, Symptomatik, Verlauf, Prognose und Therapie eines Störbildes bekannt und vereinheitlicht sind oder ein diesbezügliches Konzept vorliegt. Deswegen wurde in der ICD-10 der Begriff der Störung eingeführt, der sich vom Begriff der Krankheit abheben soll. Der Ausdruck Störung ist zwischen den Begriffen Syndrom und Krankheit beheimatet und soll einen klinisch erkennbaren Komplex von Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten anzeigen, der neben einer individuellen Belastung eines Patienten auch zu einer Beeinträchtigung von psychosozialen Funktionen führt. Hingegen sollte Krankheit – als Konzept – daher bei den meisten psychischen Phänomenen nicht verwendet werden, da bei ihnen sowohl Ursache als auch Therapie kontrovers diskutiert werden.

Die Beschreibung der Symptome, Syndrome oder Störungen lassen sich nur unzureichend mit der Beschreibung körperlicher Befunde vergleichen. Stellen beispielsweise eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels oder ein geschwollenes Bein eindeutige Befunde dar, so ist die Beurteilung psychischer Funktionen, wie Stimmung, Denken oder Wahrnehmungen eines Menschen, subjektiv, d. h. vom jeweiligen Betrachter abhängig. Die Grenze zwischen Normalität und Störung ist fließend, wie beispielsweise eine intensive überwertige Idee, die manchmal den Charakter einer Wahnvorstellung hat, aber in einem anderen Kontext als normal interpretiert wird.


Abb. 1: Symptom, Syndrom, Störung und Krankheit

2.2Der psychopathologische Status

Der psychische Befund erfasst nicht nur die einzelnen psychopathologischen Symptome, sondern auch das äußere Erscheinungsbild (Kleidung, Körperpflege, Mimik, Gestik), das Verhalten in der Untersuchungssituation (Kooperation, Interaktion, Auskunftsbereitschaft, aggressives Verhalten etc.) sowie Sprache und Sprechweise (Sprachverständnis, Modulation der Stimmen, sprachlicher Ausdruck etc.).

Damit die Erfassung von Symptomen und Syndromen klinisch sinnvoll ist, müssen die Begriffe eindeutig definiert sein und möglichst einheitlich verwendet werden, wie z. B. im Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde des AMDP-Systems (Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie), deren Befunddokumentation und Termini im Folgenden angewendet werden.

2.2.1Bewusstseinsstörungen

Eine Definition des Begriffs „Bewusstsein“ ist schwer zu formulieren, was dazu führt, dass man ihn in seiner negativen Ausformung besser beschreiben kann, nämlich als Bewusstseinsstörung. Man differenziert zwischen quantitativen und qualitativen Bewusstseinsstörungen. Unter qualitativer Bewusstseinsstörung versteht man eine Bewusstseinstrübung (Dämmerzustände), eine Bewusstseinseinengung (Einengung auf das innere Erleben mit Verminderung der Ansprechbarkeit) und die Bewusstseinsverschiebung mit subjektiver Erweiterung der Bewusstseinslage. Die Beurteilung erfolgt in der Regel nach quantitativen Gesichtspunkten (Bewusstseinsverminderung) und spielt in der Medizin (Neurologie, Innere Medizin, Psychiatrie) eine wichtige Rolle.

Benommenheit: Entspricht einer leichten Beeinträchtigung des Bewusstseins, wobei der Patient zwar wach ist, aber verlangsamt, müde und in seiner Aufnahmefähigkeit eingeschränkt wirkt.

Somnolenz: Der Patient ist schläfrig, kann aber leicht geweckt werden.

Sopor: Nur starke Reize wie kräftiges Zwicken oder laute Zurufe können den Patienten wecken.

Koma: Der Patient ist bewusstlos, nicht aufzuwecken und hat eine reduzierte Reflextätigkeit. Ein komatöser Patient ist ein medizinischer Notfall.

2.2.2Orientierungsstörungen

Orientierungsstörungen sind Beeinträchtigungen der zeitlichen, räumlichen, situativen und persönlichen Gegebenheiten. Desorientierte PatientInnen sind meist wach (keine Bewusstseinsstörung), finden sich aber in der Umgebung nicht zurecht. Orientierungsstörungen weisen gemeinsam mit den Bewusstseinsstörungen auf eine organische Ursache der Störung hin.

Zeitliche Orientierungsstörung: Die Störung des Zeitgefühls ist der sensibelste Parameter und ist bei beginnenden Demenzen frühzeitig zu beobachten. In diesem Fall weiß der Patient Tageszeit (Morgen, Abend), Datum, Tag, Monat oder Jahreszeit nicht.

Örtliche Orientierungsstörung: Der Betroffene kann nicht sagen, wo er sich befindet. Beispielsweise glaubt ein älterer Patient, der seit Tagen in einem Krankenhaus aufgenommen ist, im Gasthaus zu sein.

Situative Orientierungsstörung: Die Situation wird in ihrem Bedeutungszusammenhang nicht erfasst. Dies ist typisch bei Patienten, die nicht wissen, warum sie in eine Klinik eingeliefert wurden.

Orientierungsstörung zur eigenen Person: Wichtige lebensgeschichtliche Ereignisse sind nicht präsent, in schweren Fällen weiß der Betroffene weder seinen Namen noch sein Geburtsdatum.

2.2.3Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen

Bei diesen Störungen ist die Fähigkeit vermindert, Erlebnisse in ihrer Bedeutung und in ihrem Umfang zu begreifen, sich an sie zu erinnern und sich auf einen bestimmten Sachverhalt zu konzentrieren.

Auffassungsstörung: Der Patient kann den Sinn des ihm Gesagten nicht erfassen. In einem längeren Gespräch merkt der Untersucher, dass konkrete Gesprächsinhalte nicht verstanden wurden.

Konzentrationsstörungen: Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit durchgehend einer Tätigkeit, Arbeit oder einem Thema zuzuwenden, ist vermindert.

Merkfähigkeitsstörung: Der Betroffene hat Schwierigkeiten, sich frische Eindrücke über einen kurzen Zeitraum (zehn Minuten) zu merken. Dies äußert sich beispielsweise darin, dass ein Patient berichtet, seine Lesebrille häufig zu verlegen. Merkfähigkeitsstörungen zeigen sich nicht selten bei beginnenden Demenzen und treten wesentlich früher als Gedächtnisstörungen auf.

Gedächtnisstörungen (Störung des Altgedächtnisses): Die Fähigkeit, zurückliegende Ereignisse, Eindrücke oder Erfahrungen aus dem Gedächtnis abzurufen, ist herabgesetzt. Bei PatientInnen mit Hirnleistungsfunktionsstörungen kommt es oft erst relativ spät im Krankheitsverlauf zu Gedächtnisstörungen.

Konfabulationen: PatientInnen mit Erinnerungslücken füllen diese mit phantasierten Inhalten oder Geschichten aus, die sie selbst für Erinnerungen halten. Konfabulationen sind Symptome einer schweren Demenz oder kommen bei langjähriger Alkoholabhängigkeit vor.

Amnesien: Amnesien sind umschriebene (zeitlich begrenzte) Gedächtnislücken. Unterschieden wird die retrograde Amnesie (der Zeitraum vor einem Ereignis wie Unfall oder Trauma ist betroffen) von der anterograden Amnesie (der Zeitraum nach dem Ereignis ist betroffen). Amnesien treten häufig nach Schädel-Hirn-Traumen ein, können aber als eigenes Phänomen im Rahmen von Belastungsreaktionen oder dissoziativen Störungen auftreten.

Paramnesien: Dies sind Erinnerungsfälschungen, bei denen die Betroffenen Erinnerungen wie bei einem Wahn umändern oder das vermeintliche Gefühl der Vertrautheit (franz. déjà-vu, schon gesehen) empfinden.

2.2.4Formale Denkstörungen

Formale Denkstörungen sind Beeinträchtigungen des Denkablaufs, die sich in der Sprache und Sprechweise zeigen. Das Denken kann durch Verlangsamung oder Beschleunigung verändert werden bzw. können die Denkinhalte in ihrem Zusammenhang gestört sein. Formale Denkstörungen kommen bei der Schizophrenie sehr häufig vor, lassen sich aber auch bei der schweren Depression und bei Demenzen beobachten.

Denkhemmung, Denkverlangsamung: Das Denken wird vom Patienten als verlangsamt und gebremst erlebt und äußert sich in einer langsamen und schleppenden Sprechweise.

Umständliches Denken: Der Betroffene hat eine weitschweifige Ausdrucksweise, wobei es diesem schwer fällt, Wichtiges von Nebensächlichem zu trennen.

Eingeengtes Denken: Das Denken kreist ausschließlich um ein einziges Thema, über das der Patient auch vorwiegend spricht. Wenn der Betroffene an einem Thema regelhaft verhaftet zu sein scheint, spricht man auch von Grübeln.

Perseveration: Wenn immer wieder dieselben Gedanken ablaufen, spricht man auch von Gedankenkreisen. Perseverationen kommen oft gemeinsam mit eingeengtem Denken, ständigem Grübeln und sich aufdrängenden Gedanken (Gedankendrängen) vor.

Gedankendrängen: Viele verschiedene und gleichzeitig auftretende Einfälle oder Gedanken werden vorgetragen oder beklagt.

Ideenflucht: Es besteht eine Fülle von gedanklichen Einfällen, wobei das Denkziel meist nicht erreicht wird, da neue beschleunigte Gedanken und Ideen (Assoziationen) dazwischen geschaltet sind. Man nimmt ein extrem rasches Sprechen wahr, das als „Logorrhoe“ bezeichnet wird. Ideenflucht und beschleunigte Denkabläufe sind charakteristisch für manische Episoden.

Vorbeireden: Auf Fragen geht der Patient nicht ein, sondern bringt inhaltlich ein anderes Thema vor, obwohl davon ausgegangen werden kann, dass die Frage verstanden wurde.

Sperrungen, Gedankenabreißen: Es kommt zu einem abrupten Abbruch eines Gedankens ohne äußere Ablenkung oder Grund. Auffallend ist das plötzliche Stocken beim Sprechen. Sperrungen sind typische Symptome einer Schizophrenie.

Zerfahrenheit, Inkohärenz: Das Denken und Sprechen des Patienten zeigen keinen logischen Zusammenhang, die Gedankengänge sind dissoziiert. Sätze, Satzgruppen und Worte sind durcheinander ohne offensichtlichen Sinn gebildet oder fragmentiert. Typisch sind Paragrammatismus (gestörter Satzbau), Kontaminationen (Verschmelzung von Wortinhalten und heterogenen Sachverhalten), Verdichtungen (Zusammenführen von nicht zusammengehörigen Ideen) und Schizophasie (sinnentleertes Wort- und Silbengemisch, „Wortsalat“). Beispielsweise sagt ein Patient: „Wenn der Tag gekommen, dann besonnen wir alle natürlich an Eides Statt, geleitet mit schwarzen Flugvögeln und geschmückt mit Löwenzahnblumen.“ Zerfahrenheit und Inkohärenz sind die ausgeprägtesten Formen von Denkstörungen bei schizophrenen PatientInnen.

Neologismen: Es handelt sich um Wortneubildungen, die für die Umwelt unverständlich sind, jedoch für den Patienten eine Art Privatsprache darstellen. Beispielsweise verwendete eine schizophrene Patientin in einer psychiatrischen Abteilung wiederholt Worte bzw. Satzteile wie „delfinogen“, „delfinomord“, „die Eilarve ist ein Kriminaldialog“ oder „Weltentribünen sind Kinderspiele“, ohne dass das Personal verstand, was sie damit meinte.

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