Kitabı oku: «Lese-Rechtschreibstörungen (LRS)», sayfa 6

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Ergebnisse von Metaanalysen

Um übergreifende Aussagen treffen zu können, werden in der Wissenschaft häufig sogenannte Metaanalysen durchgeführt, die verschiedene Einzelstudien zusammenfassen und deren Aussagekraft mit speziellen statistischen Methoden bündeln. Bezüglich der Ergebnisse der verschiedenen Bildgebungsstudien zu Aktivierungsunterschieden zwischen Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung und solchen ohne Störung wurden in den 2000er Jahren zwei bedeutende Metaanalysen durchgeführt. Die erste Studie veranlasste eine Analyse von neun Studien, die mit gesunden, postpubertären Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung aus Ländern mit alphabetischen Schreibsystemen durchgeführt wurden, die mit dem Lesen von visuell präsentierten Wörtern, Pseudowörtern oder Buchstaben konfrontiert wurden (Maisog et al. 2008). Als zentrales Ergebnis konnte eine größere Wahrscheinlichkeit für eine Unteraktivierung bei Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung für posterior ventrale, inferior parieto-temporale und inferior frontale Bereiche der linken und für den Gyrus fusiformis, Gyrus postcentralis und Gyrus temporalis superior der rechten Hemisphäre dokumentiert werden. Die stärksten Aktivierungswahrscheinlichkeiten und die größten Übereinstimmungen zwischen den einbezogenen Studien wurden für den extrastriaten Kortex der linken Hemisphäre gefunden. Höhere Wahrscheinlichkeiten für Überaktivierungen bei Menschen mit Dyslexie wurden für den rechtshemisphärischen Thalamus und, weniger übereinstimmend zwischen den Studien, für den anterioren Bereich der rechtshemisphärischen Insula berichtet. Allerdings konnten keine Anzeichen für eine Überaktivierung des linken frontalen Kortex oder für Aktivierungsunterschiede des Cerebellums gefunden werden. In der zweiten Metaanalyse wurden siebzehn Studien berücksichtigt, in denen Aufgaben mit Wörtern, Zeichenfolgen oder einzelnen Buchstaben von Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung bearbeitet werden mussten (Richlan et al. 2009). Hier wurde die höchste Wahrscheinlichkeit für Unteraktivierungen für inferior parietale, inferior, mittlere und superior temporale und fusiforme Regionen der linken Hemisphäre ermittelt. Unteraktivierungen hingegen fanden sich im Gyrus frontalis inferior bei gleichzeitigen Überaktivierungen im primären Motorkortex und der anterioren Insula. Es wurden keine Aktivitätsunterschiede zwischen Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung und Normallesenden in der rechten Hemisphäre oder im Cerebellum gefunden (Abb. 8).

auditive Aufgaben

Neben Studien, die sich mit der Bearbeitung von Lesematerial beschäftigen, gibt es auch einige Bildgebungsstudien, in denen Aktivierungsunterschiede zwischen Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung und normallesenden Personen bei der Bearbeitung basaler auditiver Aufgaben gefunden wurden. So wurden in einer Studie beispielsweise 16 Sequenzen von drei bzw. vier Tönen pro Minute präsentiert, und es musste entschieden werden, ob die Töne innerhalb einer Sequenz identisch waren oder nicht (Rumsey et al. 1994). Neben höheren Fehlerraten zeigten Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung eine geringere Aktivierung in rechtshemisphärischen fronto-parietalen Regionen. In weiteren Studien mit Erwachsenen (Temple et al. 2000) und Kindern mit einer Lese-Rechtschreibstörung (Gaab et al. 2007) wurden nicht sprachliche auditive Stimuli dargeboten, und es musste zwischen Stimuli hoher und niedriger Frequenz unterschieden werden. Personen ohne Lesebeeinträchtigung zeigten bei Stimuli mit kurzen im Vergleich zu Stimuli mit langen Frequenzübergängen erhöhte Aktivität im präfrontalen Kortex. Bei den Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung konnten hingegen keine Aktivierungsunterschiede in diesem Areal beobachtet werden. Interessanterweise konnten durch ein Training zur Verbesserung schneller auditiver Verarbeitung sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern mit einer Lese-Rechtschreibstörung höhere Aktivierungen in präfrontalen Arealen bei der Verarbeitung von Stimuli mit kurzen Frequenzübergängen erzielt werden.

visuelle Aufgaben

Neben Studien zur phonologisch-sprachlichen Verarbeitung wurden Studien zur basalen visuellen Verarbeitung mit bildgebenden Verfahren durchgeführt. Es konnten Aktivierungsunterschiede zwischen Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung und unbeeinträchtigten Lesern ermittelt werden. In einer Studie wurde beispielsweise entweder ein sich gleichmäßig bewegender Stimulus mit niedrigem Kontrast (durch den vor allem das magnozelluläre System des visuellen Kortex stimuliert werden sollte), oder ein fixer Stimulus mit hohem Kontrast (der vor allem das parvozelluläre System ansprechen sollte), präsentiert. Personen ohne Leseschwierigkeiten zeigten bei der Präsentation des sich bewegenden Stimulus eine Aktivierung des Areals V5 / MT im visuellen Kortex, während bei Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung keine Aktivierungen auszumachen waren. Hinsichtlich des fixen Stimulus wurden keine Aktivierungsunterschiede zwischen den beiden Gruppen gefunden. In zwei weiteren Studien wurden erwachsenen Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung und solchen ohne Lesebeeinträchtigung sich bewegende Gittermuster mit geringer und hoher Leuchtdichte präsentiert (Demb et al. 1998). Die Personen ohne Leseprobleme wiesen höhere Aktivierungen im primären visuellen Kortex und in extrastriaten Regionen bei der Darbietung der bewegten Stimuli mit geringer Leuchtdichte auf. Darüber hinaus zeigte eine Untersuchung mit Kindern unterschiedlicher Lesefähigkeit, denen sich bewegende Gittermuster in unterschiedlichen Kontrastauflösungen dargeboten wurden, Aktivierungen der Areale V1 und MT+ (Ben-Shachar et al. 2007). Ein stärkeres Ansprechen auf Kontraständerungen im Areal MT+, aber nicht in V1, zwei Bereiche des visuellen Kortex, stand zudem im Zusammenhang mit besseren Leistungen in verschiedenen Lesetests und der phonologischen Bewusstheit. Die Aktivierungsunterschiede werden daher als ein basaler neuronaler Marker für Leseleistung angesehen.

4.2.3 Übersicht und Ausblick

Die Übersicht über die verschiedenen Erklärungsansätze zu den neurobiologischen Grundlagen macht deutlich, dass die Lese-Rechtschreibstörung als multidimensionales Problem angesehen werden kann. Auf kognitiver Ebene tritt vor allem das phonologische Verarbeitungsdefizit in den Vordergrund, welches zudem teilweise auch gemeinsam mit sensorischen und / oder motorischen Defiziten vorkommen kann. Obwohl verschiedene sehr überzeugende Theorien zur Entstehung der Störung formuliert wurden, ist es bisher keiner Hypothese gelungen, alle Phänomene, die bei einer Lese-Rechtschreibstörung beobachtet wurden, befriedigend zu erklären. Möglicherweise kann dies als ein Indikator dafür gewertet werden, dass verschiedene Untertypen der Lese-Rechtschreibstörung existieren.

strukturelle und funktionelle Abnormitäten

Als neuronale Korrelate der Dyslexie werden relativ übereinstimmend strukturelle und funktionelle Abnormitäten der posterioren Lesesysteme in temporo-parietalen und okzipito-temporalen Arealen der linken Hemisphäre beschrieben. Dabei wird davon ausgegangen, dass Beeinträchtigungen im temporo-parietalen System sich wiederum auf die Entwicklung des okzipito-temporalen Systems auswirken können (McCandliss / Noble 2003). Demnach würden diese funktionellen Beeinträchtigungen die phonologische Informationsverarbeitung und damit die Rekodierfähigkeiten massiv beeinträchtigen. Infolgedessen können Graphem-Phonem-Zuordnungen weniger effektiv und stabil aufgebaut werden. Solche gespeicherten Informationen sind allerdings notwendig für eine graduelle Spezialisierung des okzipito-temporalen Systems zur schnellen und automatisierten Worterkennung.

Bislang konnte noch nicht eindeutig geklärt werden, ob Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung das inferior frontale System des Lesenetzwerks und rechtshemisphärische Systeme tatsächlich als kompensatorische Mechanismen einsetzen. Auch die Rolle des Cerebellums für die Entstehung der Störung ist weiterhin ungeklärt. Obwohl strukturelle Befunde eine geringere Dichte und / oder ein geringeres Volumen der grauen Masse erkennen lassen, wurden in funktionellen Studien keine Aktivierungsunterschiede zwischen Lesern mit einer Lese-Rechtschreibstörung und unbeeinträchtigten Personen gefunden. Die beobachteten funktionellen und strukturellen Abweichungen von Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung werden möglicherweise von bestimmten Genkonstellationen hervorgerufen (Fisher / Francks 2006).

neurobiologischer Erklärungsversuch

Ein neurobiologisches Modell zur Entstehung der Lese-Rechtschreibstörung versucht, die Ergebnisse aus anatomischen und funktionellen Studien mit denen aus Gen- und Tierstudien zusammenzuführen (Ramus 2004). Darin wird beschrieben, dass genetische Abweichungen, vermittelt über eine Beeinträchtigung der Nervenzellwanderung, zu einer abnormalen Entwicklung derjenigen Kortexregionen führen können, die an der phonologischen Verarbeitung beteiligt sind. Zudem wird vermutet, dass sich diese Abweichungen unter spezifischen hormonellen Bedingungen im weiteren Verlauf auf die Entwicklung des Cerebellums auswirken könnten (Stein et al. 2001). Durch das vorgeschlagene Modell kann somit das gemeinsame Auftreten phonologischer, sensorischer und motorischer Defizite bei Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung potenziell erklärt werden.

abgeleitete Therapiemaßnahmen

In den 2000er Jahren haben Therapieansätze, die auf neurobiologischen Erklärungsmodellen beruhen, erste erfolgversprechende Ergebnisse gezeigt. Beachtenswert ist allerdings, dass nicht alle Personen mit einer Lese-Rechtschreibstörung von diesen Interventionen profitieren konnten. So wurde in einer multiplen Einzelfallstudie gezeigt, dass von den untersuchten 16 Erwachsenen mit einer Lese-Rechtschreibstörung zwar alle ein phonologisches Verarbeitungsdefizit aufwiesen, allerdings nur zehn an weiteren auditiven Verarbeitungsproblemen litten, vier zudem motorische Defizite und zwei Schwierigkeiten bei visuellen Aufgaben hatten (Ramus et al. 2003). Diese Beobachtung macht deutlich, dass die phonologischen Probleme von Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung auf unterschiedlichen Ursachen beruhen können. Daher können Personen möglicherweise nur von einer Intervention profitieren, wenn diese auf der Basis des jeweils zugrundeliegenden neurobiologischen Defizits entwickelt wurde. Eine Person mit einer sensorischen Beeinträchtigung kann nicht von einem Training motorischer Funktionen profitieren und umgekehrt. Wie bereits erwähnt, wird daher eine Unterteilung der Lese-Rechtschreibstörung in unterschiedliche Untergruppen diskutiert (Beaton 2004). Erste Studien deuten sogar daraufhin, dass solche Untergruppen auch mit elektrophysiologischen Methoden identifiziert werden können (Lachmann et al. 2005).

Notwendigkeit weiterer Forschung

Weitere Forschung auf kognitiver und neurobiologischer Ebene ist unbedingt notwendig, um die bisherigen Befunde weiter empirisch zu unterstützen. Nur so kann mit der Zeit ein tieferes Verständnis der Störung und ihrer kognitiven und neuronalen Bedingungsfaktoren erlangt werden. Auch eine genauere Ausdifferenzierung kognitiver Untertypen der Lese-Rechtschreibstörung, möglicher Komorbiditäten und die Suche nach diesen zugrunde liegenden Dysfunktionen in neuronalen Netzwerken sollten im Fokus zukünftiger Forschung stehen. Neue Erkenntnisse und Fortschritte sind unumgänglich für die Verbesserung individueller Diagnoseinstrumente und für die Entwicklung an das individuelle kognitive Profil angepasster Präventions- und Interventionsansätze.

Zusammenfassung

Das Kapitel widmet sich genetischen, kognitiven und neuronalen Grundlagen der Lese-Rechtschreibstörung. Basierend auf einer Darstellung der wichtigsten kognitiven und neurobiologischen Theorien der Entstehung von Lese-Rechtschreibstörung werden Ergebnisse zu spezifischen Störungen des neuronalen Lesenetzwerks bei Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung aus Postmortem-Untersuchungen und strukturellen sowie funktionellen Bildgebungsstudien beschrieben. Die Befunde lassen erkennen, dass die Lese-Rechtschreibstörung ein multidimensionales Problem darstellt, das mit verschiedenen kognitiven, sensorischen und motorischen Defiziten und spezifischen Störungen auf neuronaler Ebene einhergeht. In Zukunft sollte sich Forschung daher verstärkt individuellen Profilen bzw. Subtypen der Störung auf kognitiver wie neuronaler Ebene widmen.

5 Die phonologische Informationsverarbeitung

Lernziele

das Modell des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley und die spezifischen Aufgaben der Teilkomponenten kennen und wissen, wie die einzelnen Funktionen überprüft werden können (Kap. 5.2)

die spezifischen Defizite in der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses dyslektischer Schüler sowie die Zusammenhänge zwischen den Teilfunktionen des Arbeitsgedächtnisses und schriftsprachlichen Kompetenzen kennen (Kap. 5.2)

das Konstrukt der phonologischen Bewusstheit in seiner Vielschichtigkeit verstehen (Kap. 5.3.1. und 5.3.2)

einschätzen können, welche Fähigkeiten aus dem Konstrukt der phonologischen Bewusstheit sich üblicherweise bereits im Vorschulalter und welche sich erst in der Auseinandersetzung mit dem alphabetischen Prinzip der Schriftsprache entwickeln und daraus Konsequenzen für die Diagnostik und Förderung ableiten können (Kap. 5.3.3)

die Auswirkungen einer Förderung der phonologischen Bewusstheit auf schriftsprachliche Kompetenzen differenziert einschätzen können (Kap. 5.3.4 und 5.3.5)

das Konstrukt der Benennungsgeschwindigkeit kennen und unterschiedliche Modelle zum Zusammenhang mit dem Schriftspracherwerb nachvollziehen können (Kap. 5.4.1 und 5.4.5)

die Double-Deficit Hypothese kennen und nachvollziehen können, warum Kinder mit einem doppelten Defizit hinsichtlich des Schriftspracherwerbs besonders gefährdet sind (Kap. 5.4.8)

5.1 Begriffsklärung

Bindeglied zwischen Ursache und Symptomatik

Während im vorangegangenen Kapitel Hypothesen zu potenziellen Ursachen der Lese-Rechtschreibstörung im engeren Sinn diskutiert wurden, werden im Folgenden die Zusammenhänge zwischen dem Konstrukt der phonologischen Informationsverarbeitung und dem Schriftspracherwerb in den Mittelpunkt gerückt. Dabei handelt es sich bei den Annahmen zu neurobiologischen Ursachen und der Rolle der phonologischen Informationsverarbeitung im Verursachungskomplex von Lese-Rechtschreibstörungen nicht um einander ausschließende Annahmen. Vielmehr versuchen die in diesem Kapitel skizzierten Ansätze zu erklären, welche neurobiologischen Auffälligkeiten zu basalen Defiziten in der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung führen und für (meta-)sprachlich-kognitive Beeinträchtigungen verantwortlich sein könnten. Diese werden damit als Bindeglied zwischen den Ursachen im engeren Sinn und der Oberflächensymptomatik einer Lese-Rechtschreibstörung interpretiert (Abb. 9).


Abb. 9: Verbindung zwischen der biologischen, der sprachlich-kognitiven und der Symptomebene (in Anlehnung an Frith 1997, mod. A. M.)

phonologische Defizithypothese

Konkret nimmt die phonologische Defizithypothese (Stanovic 1988) an, dass Veränderungen auf neuroanatomischer Ebene zu subtilen Beeinträchtigungen in der Wahrnehmung und / oder der Verarbeitung visueller, akustischer, insbesondere aber sprachlicher Informationen führen. Diese sind u. a. verantwortlich für die Ausbildung phonologischer Repräsentationen geringer Qualität und damit für eine verzögerte Entwicklung des phonologischen Systems und führen zur Symptomatik der Lese-Rechtschreibstörung, die als Folge der Probleme in der Verarbeitung phonologischer Informationen interpretiert wird.


Die phonologische Defizithypothese drückt aus, dass eine Lese-Rechtschreib- störung unabhängig von den allgemeinen kognitiven Fähigkeiten als Mani- festation einer zugrunde liegenden Störung im Bereich der Informationsverarbeitung aufgrund neurobiologischer Abnormitäten interpretiert werden kann.

Abbildung 9 macht dabei deutlich, dass es sich bei den angenommenen Zusammenhängen nicht um eine zwangsläufige Verbindung zwischen Defiziten auf neuroanatomischer Ebene, den sprachlich-kognitiven Beeinträchtigungen und der Oberflächensymptomatik handelt, dass diese vielmehr durch protektive Faktoren (z. B. Umwelteinflüsse, sprachliche Kompetenzen, Intelligenz) kompensiert oder durch zusätzliche Risikofaktoren verstärkt werden können.


Die phonologische Informationsverarbeitung umfasst Prozesse, bei denen sprach- liche oder schriftsprachliche Informationen phonologisch kodiert oder rekodiert werden müssen (Schnitzler 2008). Konkret versteht man darunter die Fähigkeit, bei der Produktion und der Verarbeitung gesprochener und geschriebener Sprache Informationen über die Lautstruktur der Sprache wahrzunehmen, bewusst damit umzugehen, sie zu speichern und zu verarbeiten bzw. auf phonologische Repräsentationen im Langzeitgedächtnis automatisiert zugreifen zu können.


Abb. 10: Die phonologische Informationsverarbeitung

drei Funktionen der phonologischen Informationsverarbeitung

Entsprechend werden diesem komplexen Konstrukt in Anlehnung an Wagner / Torgesen (1987) und Torgesen et al. (1997b) üblicherweise die phonologische Bewusstheit (Phonological Awareness), das phonologische Arbeitsgedächtnis (Phonological Loop) und die Benennungsgeschwindigkeit (Rapid Automatized Naming, Naming-Speed) zugeordnet (Abb. 10).

5.2 Das Arbeitsgedächtnis

5.2.1 Begriffsklärung

Trennung Lang- und Kurzzeitgedächtnis

Die Trennung des menschlichen Gedächtnisses in einen Langzeitspeicher von prinzipiell unbegrenzter und einen Kurzzeitspeicher begrenzter Kapazität geht zurück auf den kanadischen Kognitionspsychologen Hebb (1972). Er formulierte die mittlerweile als bestätigt geltende Hypothese, dass die Speicherung von Informationen auf Aktivitäten in jeweils zu spezifischen Schaltmustern zusammengeschlossenen Zellverbänden beruht. Dabei handelt es sich bei Informationen, die im Kurzzeitgedächtnis (KZG) gespeichert werden, um eine kurzfristig anhaltende elektrische Erregung innerhalb eines Zellverbandes, während die im Langzeitgedächtnis (LZG) gespeicherten Inhalte auf strukturell dauerhaften Verstärkungen synaptischer Verbindungen zwischen Zellverbänden etabliert werden.

Auf der Grundlage dieser Annahmen schlugen Atkinson / Shiffrin (zit. Baddeley 2001) erstmals ein Gedächtnismodell vor, das neben einem Ultrakurzzeit- und einem LZG ein KZG beinhaltet. Während den sensorischen Registern des Ultrakurzzeitgedächtnisses die Aufgabe obliegt, Umgebungsinformationen kurzfristig, aber relativ vollständig aufzunehmen, werden im LZG Informationen dauerhaft abgelegt. Im dazwischengeschalteten KZG werden die von den sensorischen Registern stammenden Informationen zeitlich und quantitativ begrenzt gespeichert, weiterverarbeitet und mit den bereits bestehenden Wissensinhalten aus dem LZG verknüpft (Eiermann / Ritterfeld 2013).

Kritik am modalitätsübergreifenden KZG

Ein wesentlicher Kritikpunkt am Modell von Atkinson / Shiffrin bestand darin, dass das KZG als eindimensionales System konzipiert war, in dem modalitätsübergreifend visuelle, auditive, motorische, taktile etc. Informationen gespeichert werden. Mit dieser Annahme unvereinbar erschienen die im Rahmen des Dual-Task Paradigmas ermittelten Ergebnisse, nach denen Versuchspersonen in der Lage waren, sich neue Informationen aus einer bestimmten Modalität (z. B. der visuellen) einzuprägen, obwohl die Kapazität des KZG bereits durch eine Gedächtnisaufgabe aus einer anderen Modalität (z. B. einer sprachlichen) an seine Leistungsgrenze geführt wurde (Baddeley 2003). Gegen eine modalitätsübergreifende Konzeption des Kurzzeitgedächtnisses sprechen auch Studien, die in Abhängigkeit der zu memorierenden Informationen (z. B. akustisch oder visuell) deutlich divergierende Leistungen innerhalb eines Teilnehmerfeldes nachweisen konnten. Bspw. lassen sich bei Kindern mit Spracherwerbsstörungen durchgängig unterdurchschnittliche Leistungen bei Überprüfungen des Sprachgedächtnisses, nicht aber bei Überprüfungen des visuellen Gedächtnisses belegen (Hasselhorn / Grube 2003; Archibald / Joanisse 2009).

Unter anderem diese Kritikpunkte waren es, die Baddeley (1986, 2001, 2003) zu einer Neukonzipierung des Arbeitsgedächtnisses motivierten.

5.2.2 Das Modell des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley

Dreikomponentenmodell

Baddeley (1986, 2001, 2003) entwickelte ein Dreikomponentensystem, in dem neben der modalitätsspezifischen kurzzeitigen Speicherung von Informationen (= KZG) v. a. die aktive Rolle der Informationsverarbeitung (= Arbeitsgedächtnis, AG) betont wird.

Das Modell beinhaltet eine Zentrale Exekutive, das von zwei modalitätsspezifischen Subsystemen unterstützt wird, wobei das eine auf die Speicherung akustischer und (schrift-)sprachlicher Informationen (= phonologische Schleife) und das andere auf analoge Funktionen für visuelle Informationen (= visuell-räumliche Skizzenblock) spezialisiert ist.


Abb. 11: Das Modell des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley (2000)

episodischer Buffer als vierte Komponente

In einer der zahlreichen Modifikationen des Modells wurde der episodische Buffer als vierte Komponente in das Modell integriert (Baddeley 2001, 2003; Abb. 11). Aufgrund der vernachlässigbaren Bedeutung des visuell-räumlichen Skizzenblocks im Zusammenhang mit Störungen des Schriftspracherwerbs (Marx et al. 2001) bleibt dieser im Folgenden unberücksichtigt.

5.2.3 Die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses

Die Zentrale Exekutive

ZE als Aufmerksamkeitskontrollinstanz

Die Zentrale Exekutive (ZE), die üblicherweise mit den Verarbeitungsprozessen im AG assoziiert wird, wird etwa seit dem Jahr 2000 primär als Aufmerksamkeitskontrollinstanz betrachtet. Sie ist in der Lage, in nicht ritualisierten, unvertrauten Situationen sinnvolle Handlungsmöglichkeiten auszutarieren, indem die im LZG repräsentierten Schemata mit aktuell eingehenden Informationen verglichen werden und nach alternativen Lösungen gesucht wird. Während automatisierte, weitgehend bewusstseinsfern ablaufende Handlungen ohne nennenswerte Beanspruchung dieses Kontrollsystems durchgeführt werden, greift die ZE in nicht routiniert ablaufenden Situationen durch bewusste Kontrolle der Aufmerksamkeit aktiv ein, hemmt oder aktiviert mögliche Handlungen (Janczyk et al. 2004).

Formen der Aufmerksamkeitslenkung

So können die für das Lösen einer Aufgabe als relevant eingestuften Informationen von der ZE fokussiert und unwesentliche ausgeblendet werden (Capacity to Focus Attention, Attention Inhibition). Zum anderen verfügt sie über die Möglichkeit, den Fokus der Aufmerksamkeit umzuschalten, sie also zunächst auf eine bestimmte Art von Informationen und unmittelbar danach auf andere zu lenken (Attention Switching). Schließlich geht es insbesondere bei der Kontrolle und Koordination der beiden modalitätsspezifischen Subsysteme (phonologische Schleife und visuell-räumlicher Skizzenblock) um die flexible Aufteilung der vorhandenen Aufmerksamkeitskapazitäten (Attention Dividing), wenn in einer bestimmten Situation sprachliche und visuelle Informationen gleichzeitig beachtet werden müssen.

Überprüfungen der Kapazität der ZE

Die Kapazität der ZE wird üblicherweise durch Aufgabenstellungen überprüft, bei denen Informationen gespeichert und gleichzeitig verarbeitet werden müssen. Die Aufmerksamkeit muss also sowohl auf das Behalten als auch auf die Analyse von Informationen gelenkt werden. In der normierten Batterie zur Überprüfung des Arbeitsgedächtnisses (Hasselhorn et al. 2012) wird die Funktionstüchtigkeit der Zentralen Exekutive bspw. mithilfe eines Stroop-Tests erfasst. Bei dieser Aufgabenstellung hört das Kind das Wort „Mann“ oder „Frau“, während gleichzeitig im oberen Abschnitt des Bildschirms die Zeichnung eines Mannes oder einer Frau zu sehen ist. Die Aufgabe besteht nun darin, die akustische Information zu unterdrücken (Attention Inhibition), die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die visuelle Information zu lenken (Attention Focussing) und im unteren Teil des Bildschirms die zu diesem visuellen Stimulus passenden Bilder anzutippen.

Beim Subtest „Zählspanne“ müssen die Testpersonen in einer Abfolge von Bildern mit Kreisen und Quadraten ausschließlich die Kreise zählen (Attention Focussing und Attention Inhibition) und sich deren Anzahl merken (Speichern). Nach der Präsentation mehrerer Bilder muss angegeben werden, wie viele Kreise auf den einzelnen Bildern zu sehen waren.

Die phonologische Schleife (Phonological Loop)

Teilfunktionen der phonologischen Schleife

Dem Modell von Baddeley zufolge lässt sich die phonologische Schleife in einen phonologischen Kurzzeitspeicher (Phonological Buffer) und ein Rehearsal-System (Phonological Rehearsal) trennen. Der phonologische Buffer ist in der Lage, eingehende Informationen innerhalb eines Zeitfensters von etwa zwei Sekunden passiv zu speichern. Werden die Informationen über diesen Zeitraum hinaus benötigt, können sie mittels phonologischer Rehearsal-Prozesse aktiv aufrechterhalten werden.

Überprüfungen

Die Effizienz und die Genauigkeit des phonologischen Buffers werden üblicherweise durch das Nachsprechen von Pseudowörtern erfasst. Im Bielefelder Screening (Jansen et al. 2002; Kap. 6.2.1) wird die Funktionstüchtigkeit dieses Systems bspw. durch das Nachsprechen vier- und fünfsilbiger Pseudowörter mit einfachen Silbenstrukturen erfasst (z. B. „risolamu“). Da von Pseudowörtern keine Repräsentationen im mentalen Lexikon existieren, semantisch-lexikalisches Wissen im Langzeitgedächtnis zur Lösung der Aufgabe also nicht genutzt werden kann, müssen die Informationen im Buffer gespeichert werden, bevor sie wiederholt werden.

Die Fähigkeit zur aktiven Aufrechterhaltung sprachlicher Informationen (Rehearsal) kann durch das Nachsprechen von Zahlen- oder Wortfolgen ermittelt werden. Dieses Aufgabenformat ist bspw. Bestandteil des HAWIK-IV (Tewes et al. 1999) und der K-ABC (Melchers / Preuss 2003).

Aus dem Zürcher Lesetest (Linder / Grissemann 2000) stammen die weitverbreiteten Mottiersilben. Obwohl es sich auch hier um das Nachsprechen von Pseudowörtern handelt, wird mit diesem Test die Gesamtkapazität der phonologischen Schleife erfasst, da die einzelnen Silben im Sekundentakt vorgesprochen werden und die Kapazität des phonologischen Buffers alleine deshalb nicht ausreichend ist, um die zwei- bis sechssilbigen Pseudowörter korrekt wiederzugeben. Mittlerweile liegen für diesen Test Normwerte für 4- bis 6-jährige (Kiese-Himmel / Risse 2009) bzw. 5- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche (Wild / Fleck 2013) vor.


Bei Mottiersilben handelt es sich um zwei- bis sechssilbige Pseudowörter mit einfachen Konsonant-Vokal-Strukturen (KV-Strukturen), die silbenweise im Sekundentakt vorgesprochen und vom Kind wiederholt werden müssen. Mithilfe der Mottiersilben sollen die Effizienz und Präzision des phonologischen Buffers sowie die Gesamtkapazität der phonologischen Schleife erfasst werden.

Da bei diesen Aufgabenstellungen sowohl die Genauigkeit des Einscannens sprachlichen Materials im phonologischen Buffer als auch die Fähigkeit der aktiven Aufrechterhaltung der Informationen erfasst wird, wird die maximale Anzahl an Einheiten, die in der richtigen Reihenfolge wiedergegeben werden kann, als Gesamtkapazität der phonologischen Schleife oder „funktionale Kapazität des phonologischen Arbeitsgedächtnisses“ (Hasselhorn / Grube 2003, 32) bezeichnet.

Speicherung schriftsprachlicher Informationen in der phonologischen Schleife

Dass auch schriftsprachliche Informationen nicht visuell, sondern in phonologischer Form in der phonologischen Schleife gespeichert und diskriminiert werden müssen, legen die Ergebnisse von Untersuchungen zum phonologischen Ähnlichkeitseffekt nahe. Sollen Versuchspersonen visuell präsentierte Buchstaben mit ähnlicher Phonologie (z. B. <T>, <B>, <W>, …) in der richtigen Reihenfolge wiedergeben, gelingt dies weniger gut als bei Buchstaben, deren Lautwerte in phonologischer Hinsicht unähnlich sind (z. B. <Y>, <X>, <V> etc.). Dieses Ergebnis ließe sich nicht erklären, wenn die Items visuell kodiert würden. Für eine sprachliche Speicherung schriftsprachlicher Informationen spricht auch, dass Fehler bei dieser Aufgabenstellung meistens phonologisch ähnliche Laute, nicht aber visuell ähnliche Buchstaben sind (z. B. [b] statt des präsentierten <t>, aber nicht das visuell ähnliche <f>).

Analog kann der phonologische Unterdrückungseffekt interpretiert werden: Die Kapazität der phonologischen Schleife sinkt, wenn das Rehearsal blockiert wird, indem während des Einprägens einer schriftlich präsentierten Buchstaben-, Zahlen-, Wort- oder Pseudowortfolge bspw. eine sinnfreie Silbe artikuliert werden muss (Baddeley 1986).

Der Episodische Buffer

Das ursprüngliche Dreikomponentenmodell des AG von Baddeley (1986) konnte die Frage nach der Verbindung zwischen Arbeits- und Langzeitgedächtnis sowie nach der Verknüpfung zwischen den in den beiden Subsystemen modalitätsspezifisch gespeicherten Informationen nicht zufriedenstellend beantworten (Baddeley 2000). So müssen in vielen alltäglichen Situationen sprachliche und visuelle Informationen miteinander in Beziehung gesetzt und mit bereits vorhandenem Wissen im Langzeitgedächtnis verknüpft werden, um neues Wissen im Langzeitgedächtnis konsolidieren zu können. Um auch solche kognitiven Prozesse modellhaft erklären zu können, wurde von Baddeley (2000) ein viertes System, der Episodische Buffer vorgeschlagen.

Dabei handelt es sich um ein System begrenzter Kapazität, das der bewussten Steuerung unterliegt und die modalitätsspezifisch gespeicherten Informationen der phonologischen Schleife und des visuell-räumlichen Skizzenblocks in einem multimodalen Code vereint. Aufgrund seiner Schnittstellenfunktion zwischen Arbeits- und Langzeitgedächtnis ist der Episodische Buffer zudem in der Lage, aktuelle und bereits konsolidierte Episoden zu neuen ganzheitlichen Wissensbeständen zu verknüpfen.

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